Da wird die Datei Castortransporte ISA genannt. In ihr werden u. a. abgespeichert: Tatverdächtige, Anmelder, Beschuldigte, Leiter von Versammlungen, und zwar fünf Jahre lang. Die Betroffenen müssen dafür gar nichts getan haben, nichts Verwerfliches jedenfalls.
Ferner gibt es SAFIR. Das ist ein Verfahren, nicht nur eine Datei. Ich zitiere aus der Beschreibung in der Antwort:
„SAFIR dient … der Recherche und der Analyse von Informationen zur Aufklärung von Straftaten sowie zur Verhütung von Straftaten.“
Ich will nur einen Teil der Möglichkeiten nennen, wie man in diesen SAFIR-Datenbestand hineingeraten kann. Da werden erwähnt:
„- Personen, bei denen Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sie künftig Straftaten begehen werden,“
„- Personen, die nicht Beschuldigte sind, bei denen aber Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass sie Täter oder Teilnehmer einer Straftat sind,“
Wie gesagt, die müssen nichts getan haben, werden aber trotzdem gespeichert. Herr Schünemann, das sind die unbescholtenen Bürger, die Sie er
Wenn man nun sieht, wie leicht man in diese Datenbestände geraten kann und was möglicherweise mit Verfahren wie SAFIR aus diesen Daten gefolgert wird, dann gibt mir das sehr zu denken, und dann bin ich überhaupt nicht beruhigt. Herr Schünemann, ich meine, das sollte auch Ihnen und Ihren Kollegen von der CDU und von der FDP sehr zu denken geben.
Noch mehr zu denken sollten die nur wenigen Möglichkeiten der Gegenwehr gegen ungerechtfertigte Datenspeicherungen geben, die man praktisch hat. Natürlich kann man eine Auskunft fordern, was gespeichert ist. Aber wie sieht das in der Praxis aus? - Ich will Ihnen ein Beispiel nennen: Ich habe beim Verfassungsschutz angefragt, was dort über mich gespeichert ist. Ich habe als Antwort bekommen, es gebe über mich keine Personenakte, aber natürlich könnten in anderen Akten Daten über mich gespeichert sein. Wenn ich das wissen wollte und wenn ich Anhaltspunkte dafür hätte, dann solle ich doch sagen, wo der Verfassungsschutz nachsehen solle. - Ich bitte Sie! Was soll denn ein normaler Mensch tun? Er weiß doch gar nicht, was es alles für Dateien gibt.
Damit wir uns nicht missverstehen: Natürlich ist die Linke nicht dagegen, dass mit moderner Informationstechnologie Verbrechen bekämpft werden. Bei solchen Entscheidungen, Daten zu speichern, muss aber immer sorgfältigst abgewogen werden zwischen den Gefahren und Risiken, die man bekämpfen will, auf der einen Seite und den Grundrechten derjenigen, über die Daten gespeichert werden und über die mithilfe von Programmen Schlussfolgerungen gezogen werden, auf der anderen Seite.
Ich habe erhebliche Zweifel, ob da immer hinreichend sorgfältig abgewogen wird oder ob nicht manches gemacht wird, weil es möglich ist und weil man es technisch so leicht kann.
Meine Damen und Herren, weil in der Antwort der Landesregierung auf eine grundlegend geänderte allgemeine Gefahrenlage nach den Anschlägen vom 11. September 2001 in den USA Bezug genommen wird, möchte ich als sehr ernst gemeinten Denkanstoß mit einem Zitat aus einem Stück von
„Und vernichten wir jetzt nicht, mit immer neuen Antiterrorgesetzen, genau das, weswegen unsere Demokratie zu Recht verteidigt werden sollte?“
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich befinde mich nun in einer gewissen Schwierigkeit. Ich hatte gar nicht gedacht, dass man sich mit der Anfrage so ernsthaft auseinandersetzen würde, wie es alle getan haben. Meine kritischen Anmerkungen zur Anfrage muss ich deshalb zumindest etwas zurückhaltend formulieren. Die Opposition hat bei einer Großen Anfrage ja eigentlich die Aufgabe, auch das herauszubringen, was man an der Landesregierung kritisieren kann. Dazu habe ich in der Frage und der Antwort nicht so sehr viel gefunden. Ich komme darauf gleich zurück.
Die Antwort ist natürlich eine beeindruckende Stoffsammlung. Denjenigen, die diese Antwort erstellt haben, dafür ganz herzlichen Dank! Sie haben sich damit eine Menge Arbeit gemacht. Dank natürlich auch an Herrn Briese, der die Fragen gestellt hat.
Meine Damen und Herren, wenn ich die Pressemitteilungen, die Herr Briese schon veröffentlich hat, daraufhin lese, was er an den Antworten kritisch sieht, dann finde ich, dass es z. B. um die Frage geht, dass man Daten ins Ausland übermittelt. Dazu wird im § 10 des Datenschutzgesetzes eine ganze Menge ausgesagt, nämlich dass man Daten nicht weitergeben darf, wenn nicht gesichert ist, dass mit ihnen ordnungsgemäß umgegangen wird. Wenn ich infrage stelle - das erscheint ein wenig als der Tenor -, dass diejenigen, die mit den Daten umgehen, mit ihnen rechtmäßig umgehen, dann kann ich viele Verdächtigungen in die Welt setzen, die aber oft der Grundlage entbehren.
Lassen Sie mich einen Aspekt, den Herr Briese eben in seinen Bemerkungen genannt hat, hervorheben, nämlich die Frage, wie kompliziert und wie lesbar das alles sei. Herr Briese, ich gehöre diesem Landtag schon lange an - mancher wird sagen: schrecklich lange - und erinnere mich an die Jahre von 1990 bis 1994, als es hier eine rot-grüne Koalition gab. 1983 war das Volkszählungsurteil erfolgt. Damals haben wir als Opposition gesagt, wir müssen jetzt ein Notgesetz machen, damit uns das Verfassungsgericht nicht alles niedermacht, was wir hier an Sicherheitsgesetzen haben. Als wir die Regierung stellten, haben wir ein Gefahrenabwehrgesetz, ein Datenschutzgesetz und ein Verfassungsschutzgesetz gemacht. Ich erinnere mich an tage- und nächtelange Verhandlungen mit Hannes Kempmann und dem die Grünen beratenden Rechtsanwalt Gössner, nach denen wir in das Datenschutzrecht einen § 20 aufgenommen hatten, der von a bis s gegliedert war. Da blickte überhaupt niemand mehr durch. Das ist fortentwickelt, aber nicht viel klarer geworden.
Also: Die Forderung ist wohlfeil. Es aber so hinzubekommen, dass es auch den rechtsstaatlichen Maßstäben entspricht, ist nicht ganz einfach, wenn Sie solche komplizierten Tatbestände herstellen wollen.
Wer die Antwort der Landesregierung ganz gelesen hat - Frau Jahns hat von fast 70 Anlagen gesprochen -, dem verspreche ich ein Fleißkärtchen mit Schwertern und Brillanten.
- Das kriegen Sie, wenn Sie alles gelesen haben. Das müssen Sie aber beweisen. Mir sagte jemand von einer anderen Fraktion vorhin scherzhaft: Wer das alles liest, der liest auch Telefonbücher. - Aber das nehme ich nicht ganz ernst.
Ich wollte nur auf eines hinweisen: Wenn man die Antwort auf die Anfrage der Grünen nutzen will, dann muss man in der Tat zu den Fragen kommen, die Frau Jahns eben in Beispielen genannt hat. Man muss sich mit den Einzelheiten auseinandersetzen. Ich nenne ein Beispiel - dazu haben Sie gar nicht gefragt -, nämlich die Frage von Gesundheitsdaten.
Bei uns im Landkreis wurde über ein aufgehobenes Klinikum berichtet. Das Gebäude wurde nicht mehr genutzt. Eines Tages fanden Bauarbeiter im
Keller dieses Klinikums die Gesundheitsakten von Hunderten von Menschen. Das hat Frau Helmhold, wie in der Zeitung zu lesen war, der Landesregierung übermittelt. Zu überprüfen, wie es zu so etwas kommen kann und wie man das verhindern kann, ist eine Frage, die diskussionswürdig ist. Natürlich ist auch die Große Anfrage diskussionswürdig - das will ich gar nicht in Abrede stellen -, aber es sind die einzelnen Fragen, um die wir uns immer wieder kümmern müssen.
Die Antwort ist also eine Grundlage, mit der man gut arbeiten kann. Natürlich hätte man viele Dinge auch durch das Studium von Gesetzen selber herausbekommen können. Aber wir haben jetzt ein Kompendium, auf das wir zurückgreifen können, wenn wir Datenschutzfragen behandeln. Wir sollten diese Fragen aber wirklich im Einzelnen behandeln und nicht mit den - ich sage es vorsichtig - Verdächtigungen kommen, es werde immer mehr und könne nicht mehr überblickt werden. Ich halte es für richtig, sich mit den Einzelfragen auseinanderzusetzen. In diesem Sinne ist das, was die Landesregierung uns vorgelegt hat, ein gutes Ergebnis.
Auf den Beitrag von Herrn Bartling hat sich Herr Briese zu einer Kurzintervention gemeldet. Sie haben anderthalb Minuten.
Vielen Dank, Herr Präsident. - Ich wollte kurz auf die Argumente von Herrn Bartling eingehen, weil es in der parlamentarischen Debatte manchmal spannend ist, wenn man die Argumente austauscht.
Herr Bartling, das war tatsächlich der Hintergrund der Anfrage: Es sollte gar nicht darauf hinauslaufen, dass wir der Regierung links und rechts eins an die Backen hauen. Dafür haben wir ja immer schon Gründe genug.
Bei Herrn Schünemann muss man darauf meist nicht lange warten. Der macht die Fehler gerne auch selber. In diesem Fall war es wirklich interessegeleitet. Ich wollte schlicht und ergreifend wissen, wie groß die Datenbestände bei den entsprechenden Behörden sind.
Das können Sie nicht nur dadurch herausfinden, dass Sie in die Gesetze schauen. Das war der Hintergrund.
Natürlich müssen wir uns auch um den öffentlichen Bereich kümmern. Frau Jahns hat das angedeutet. Da hatten wir mindestens genauso viele Skandale. Darüber herrscht, glaube ich, Einigkeit. Dabei gibt es gar keinen Dissens.
Aber, Herr Bartling, ich stimme Ihnen nicht zu, wenn Sie in Bezug auf § 10 des Niedersächsischen Datenschutzgesetzes sagen: Wenn wir die Daten ins Ausland transferieren, dann wird das schon in Ordnung sein. - Das glaube ich nicht. Da herrscht noch viel guter Glaube, dass das schon seine Ordnung haben wird. Vielleicht kann ein Bundesland oder ein Staat noch in etwa nachvollziehen, ob die transferierten Daten in dem Drittstaat noch einigermaßen ordnungsgemäß aufbewahrt werden. Wenn dieser Drittstaat die Daten dann aber seinerseits an einen weiteren Staat weiterleitet, dann wird es übermäßig komplex. Sie haben keine Kontrolle mehr darüber, wo das am Ende landet. Das ist mittlerweile ein Problem.
Herr Briese, zum ersten Teil Ihrer Antwort: Wenn Ihnen tatsächlich an Erkenntnisgewinn gelegen sein sollte, dann wären Sie im parlamentarischen Betrieb eine Ausnahme. Das sage ich einmal aus meiner Erfahrung.
Zum zweiten Teil Ihrer Antwort: Im BKA-Gesetz und im SOG gibt es entsprechende Bestimmungen. Vielleicht bin ich ein bisschen zu vertrauensselig, aber ich gehe immer noch davon aus, dass sich diejenigen, die auf Grundlage dieser gesetzlichen Bestimmungen arbeiten, an dieselben halten.