Zu den Ausführungen von Frau Kollegin König von der FDP-Fraktion hat sich Frau Kollegin WeisserRoelle von der Fraktion DIE LINKE zu Wort gemeldet. Sie hat anderthalb Minuten Redezeit.
Danke, Frau Präsidentin. - Sehr geehrte Frau König, auf alle Ihre Äußerungen will und kann ich nicht eingehen. Dafür ist in den Ausschussberatungen Gelegenheit gegeben. Zu einigen Punkten möchte ich aber doch Stellung nehmen.
Sie sagen: Es läuft rund mit dem Vergabegesetz. Die Frage ist nur: Für wen läuft es rund? Sicherlich nicht für die Arbeitnehmer, die zu einem Hungerlohn arbeiten müssen.
Frau König, Sie und auch die Kolleginnen und Kollegen von der CDU sprechen sich gegen einen Mindestlohn aus. 8,50 Euro Mindestlohn bedeuten circa 1 200 Euro brutto im Monat. Es bedarf schon sehr großer Anstrengungen, um von einem Mindestlohn von 8,50 Euro leben zu können. Sie wollen einen Mindestlohn verhindern, haben sich aber vor einer halben Stunde eine Erhöhung der Diäten, also der Einkünfte, die wir haben, genehmigt. Das kann ich einfach nicht mittragen. Das finde ich unseriös, sehr geehrte Frau König.
Noch ein letzter Satz zu einem Thema, über das wir im Ausschuss ebenfalls noch sprechen können. Der EuGH hat sich nicht zum Mindestlohn geäu
In dem Punkt, dass wir das Aushandeln von Tarifen den Gewerkschaften überlassen sollen und wollen, stimme ich Ihnen im Grundsatz zu. Gewerkschaften haben dazu aber nicht mehr die nötige Kraft, weil viele Unternehmen sich aus der Tarifbindung herausmogeln. Von daher gibt es gar keine Möglichkeit mehr, Tarife auszuhandeln. Deshalb sagen die Gewerkschaften: Wir brauchen gesetzliche Unterstützung, wir brauchen Mindestlöhne.
Frau Weisser-Roelle, dass sich viele Unternehmen aus den Tarifverträgen herausmanövriert haben, liegt nicht daran, dass sie solche Ansinnen nicht mehr unterstützen wollen, sondern es liegt daran, dass sie es teilweise einfach nicht mehr schaffen, entsprechende Löhne zu zahlen, weil Angebot und Nachfrage auseinanderklaffen. Die Unternehmen sind mit der Zielsetzung angetreten, sich so aufzustellen, dass sie Arbeit anbieten können. Gleichzeitig muss ihnen aber auch eine vernünftige Aussicht auf Erfolg garantiert werden. Man kann nicht dauernd nach dem Motto „Hire and fire“ verfahren, wie es vielleicht von anderer Seite heraufbeschworen wird. Dies ist der eine Aspekt.
Nun zu einem anderen Aspekt. Ich bin ziemlich entsetzt darüber, dass Sie Ihren Gewerkschaften als einer der Tarifvertragsparteien überhaupt kein Vertrauen mehr zukommen lassen.
Bisher hat es sehr wohl ein vernünftiges Ergebnis gegeben. Wir haben eine vernünftige Tarifkommission, und wir haben in vielen Betrieben mittlerweile viel höhere Mindestlöhne, als es im Entsendegesetz oder wo auch immer vorgesehen ist.
Wenn Sie bei einem solchen Mindestlohn die Frage stellen, ob eine Familie davon leben könne, haben Sie etwas vollkommen falsch verstanden.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich denke, dass über viele Argumente - das ergibt sich auch aus den Beiträgen und der Lautstärke - im Ausschuss noch weiter diskutiert werden kann. Ich schließe die Beratung.
Der Antrag soll federführend an den Ausschuss für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr und mitberatend an den Ausschuss für Rechts- und Verfassungsfragen und den Ausschuss für Haushalt und Finanzen überwiesen werden. - Ich sehe keine Gegenstimmen. Dann ist es so beschlossen.
Erste Beratung: Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes zur Aufnahme von ausländischen Flüchtlingen und zur Durchführung des Asylbewerberleistungsgesetzes - Gesetzentwurf der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen - Drs. 16/2520
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wir bringen diesen Entwurf für ein neues Aufnahmegesetz ein, weil wir grundlegende Änderungen beim System der Unterbringung von Flüchtlingen fordern.
Die Zahl der Asylbewerberinnen und Asylbewerber ist massiv gesunken. Zu Beginn der 90er-Jahre gab es 20 000 bis 40 000 Asylbewerberinnen und Asylbewerber pro Jahr in Niedersachsen. Demgegenüber hatten wir im Jahre 2007 nur noch 1 600 und im Jahre 2009 nur noch 2 300 Erstanträge zu verzeichnen. Die Gemeinschaftsunterkünfte sind
Die Berechnungen des Landesrechnungshofes haben zudem ergeben, dass sich die zentrale Unterbringung in Gemeinschaftsunterkünften nach der Entscheidung in den ZAABen gegenüber der dezentralen Unterbringung nicht rechnet. Die Landesregierung versucht in ihren Antworten auf unsere Anfragen zwar, die Zahlen regelmäßig durch Nebenrechnungen schönzufärben; die Schließung von Einrichtungen in Goslar und die geplante Schließung der ZAAB Oldenburg zeigen aber, dass unser Kostenargument endlich auch Sie überzeugt hat.
Der wichtigste Punkt in unserem Gesetzentwurf ist deshalb die deutliche Absage an eine zentrale Unterbringung in Gemeinschaftsunterkünften zugunsten einer dezentralen Unterbringung in Privatwohnungen.
Lassen Sie mich hier auf ein kommunales Modell hinweisen, nämlich auf das von der Leverkusener Stadtverwaltung, dem Integrationsrat, der Caritas und dem Flüchtlingsrat erarbeitete und erfolgreich praktizierte Leverkusener Modell.
Dieses Modell hat gezeigt, dass die dezentrale Unterbringung in Wohnungen die Integration durch mehrere Effekte fördert. Die Personen können Eigeninitiative übernehmen, weil sie selbst auf Wohnungssuche gehen können, wobei sie bei Bedarf unterstützt werden.
Das fördert das Selbstvertrauen, den Spracherwerb und Kenntnisse unserer Gesellschaft. Die Personen werden durch die Wohnungsnahme in einem integrativen deutschsprachigen Lebensumfeld viel schneller und besser mit unserem Gesellschaftssystem vertraut als in isolierten Gemeinschaftsunterkünften, die sie von der hiesigen Gesellschaft fernhalten.
Meine Damen und Herren, das Leverkusener Modell hat einen schrittweisen Paradigmenwechsel initiiert: weg von der Unterbringung in Gemeinschaftsunterkünften, hin zur Unterbringung in Privatwohnungen. 2001 wurde mit diesem Modell begonnen. Damals lebten 400 Flüchtlinge in Gemeinschaftsunterkünften. Heute sind es nur noch 90. Die jährliche Ersparnis an reinen Unterbringungskosten in der Stadt Leverkusen beträgt 76 000 Euro.
Wir wollen weg von wohnheimähnlichen Gemeinschaftsunterkünften bzw. den bekannten Asylbewerberheimen und weg von Containerunterbringung, die es in Niedersachsen auch immer noch gibt, die die Flüchtlinge ausgrenzen, ihre Integration verhindern und wirtschaftlich nicht zu verantworten sind.
Meine Damen und Herren, der Zustand der Gemeinschaftsunterkünfte ist zudem oftmals entwürdigend. Wir haben das auf unserer Bleiberechtstour, die wir im letzten Jahr und im Jahr davor durchgeführt haben, beobachten können. Noch im April hat das Landessozialgericht die Zustände in einer Flüchtlingsunterkunft der Stadt Munster im Landkreis Soltau-Fallingbostel kritisiert und sogar gemutmaßt, dass die Stadt die Unterbringung absichtlich abschreckend gestaltet. Munster steht für viele Unterkünfte in Niedersachsen. Damit muss Schluss sein. Das ist für unsere Fraktion klar.
Personen mit besonderen Bedürfnissen wie unbegleitete Minderjährige, Schwerbehinderte, Schwangere, Alte oder Traumatisierte erhalten durch unseren Gesetzentwurf die Möglichkeit, in besonderen Einrichtungen zu wohnen. Gerade diese Personen leiden besonders unter den Zuständen in den Gemeinschaftsunterkünften, wo ihnen zu wenig Aufmerksamkeit, Zuwendung und Unterstützung zuteil wird. Wir hatten uns im Ausschuss im Übrigen schon mehrfach mit Petitionen zu diesem Thema zu befassen.
Bei der Verteilung der Flüchtlinge auf die Kommunen sehen wir eine gesteigerte Flexibilität der Zuweisungsregelungen vor. Zwecks besserer Integration sind familiäre Bindungen, muttersprachliche Betreuung und Behandlungsmöglichkeiten sowie weitere integrationsfördernde Aspekte zu berücksichtigen, Frau Ministerin.
Meine Damen und Herren, die Kolleginnen und Kollegen von der FDP-Landtagsfraktion in Bayern haben in einem Forderungskatalog zur Novellierung des bayerischen Aufnahmegesetzes im letzten Jahr die Grundeinstellung vertreten, dass Asylbewerberinnen und Asylbewerber einen uneingeschränkten Anspruch auf Lebensumstände haben sollten, die ihre Menschenwürde respektieren. Die Kollegin Brigitte Meyer von der FDP, die Vorsitzende des Sozialausschusses ist, sagte sogar - ich zitiere -: Die Konstellationen für Asylbewerberinnen und Asylbewerber sind heutigen Ansprüchen unwürdig. - Liebe Kolleginnen und Kollegen von der FDP, vielleicht können Sie sich bei den Beratun
Lassen Sie mich noch etwas zu den jüdischen Zuwandererinnen und Zuwanderern sagen. Die besondere Verteilung, die im Gesetz geregelt ist, haben wir geändert und unsere Position mit den jüdischen Verbänden abgestimmt, denen die Landesregierung diesbezüglich bisher leider nicht entgegengekommen ist. Dieses Versäumnis der Landesregierung, die an dieser Stelle keine Bewegung gezeigt hat, muss hier einmal ausdrücklich benannt werden. Wir haben das in unserem Gesetzentwurf berücksichtigt.
Abschließend möchte ich noch auf den Bericht des Menschenrechtskommissars des Europarates, Thomas Hammarberg, über seinen Besuch in Deutschland im Oktober 2006 eingehen. Er äußerte darin mit Bezug auf die Unterbringungsverhältnisse in Deutschland seine tiefe Besorgnis. Der Menschenrechtskommissar ist der festen Überzeugung, dass die Aufnahmebedingungen nicht zur Institutionalisierung und Marginalisierung von Asylbewerberinnen und Asylbewerbern führen dürfen. Er forderte die deutschen Behörden auf, nach alternativen Möglichkeiten für die Unterbringung von Asylsuchenden im Anschluss an ihren anfänglichen Aufenthalt in den Erstanlaufstellen zu suchen.
Unser Gesetzentwurf soll eine solche Alternative bieten. Ich hoffe auf eine gute und sachliche Beratung in den Ausschüssen.
Danke schön, Frau Polat. - Für die Fraktion DIE LINKE hat sich Frau Zimmermann zu Wort gemeldet. Bitte schön, Sie haben das Wort.