Auch in Niedersachsen hat es Ereignisse, z. B. während der Castortransporte oder auch bei anderen Demonstrationen, gegeben, die den Eindruck erweckt haben, dass das Tragen von Uniformen und Helmen eine Strafverfolgung faktisch ausschließt. Der Rat der Stadt Dannenberg hat einstimmig beschlossen, die Polizeidirektion anzuhören. Die Vertreter der Polizeidirektion sind aber nicht gekommen; sie haben abgesagt. Sie wollten nicht Rede und Antwort zu der Frage stehen, wie Polizistinnen oder Polizisten bei Castortransporten nach Vorfällen wieder sichtbar gemacht werden können. Das schwächt und beschädigt allerdings das Vertrauen in die Polizei und schadet insbesondere der übergroßen Mehrheit der Polizistinnen und Polizisten, die ihre schweren Aufgaben korrekt, verantwortungsbewusst und engagiert erfüllen.
Mit der Umsetzung unserer Initiative wird dem entgegengewirkt. Ausdrücklich wollen wir offenlassen, ob es ein Namensschild oder eine andere individuelle Kennzeichnung sein soll; denn selbstverständlich sollen sich Polizistinnen und Polizisten keiner Gefahr aussetzen. Deshalb soll eine Buchstaben-Zahlen-Kombination möglich sein. Genau das kann sich, wie wir in der Anhörung erfahren haben, die Deutsche Polizeigewerkschaft vorstellen. Deshalb bitte ich um Zustimmung.
Meine Damen und Herren, ich gebe jetzt Herrn Briese von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen das Wort.
Vielen Dank, Herr Präsident. - Liebe Kolleginnen und Kollegen, über dieses Thema haben wir in den Ausschüssen und auch im Landtag wahrlich sehr intensiv und ausführlich gestritten. Wir haben auch eine Fachanhörung durchgeführt. Ich finde, wenn wir die Argumente noch einmal ernsthaft wägen, wenn wir noch einmal bilanzieren, wenn wir eine echte Güterabwägung vornehmen und prüfen, was dafür und dagegen spricht, dann komme auch ich zu dem Ergebnis: Ja, es sprechen sehr viele gute
Gründe für eine Kennzeichnungspflicht der Polizei auch in Niedersachsen. Nur relativ wenige Argumente - in den meisten Fällen handelt es sich dabei meines Erachtens nur um Scheinargumente - sprechen dagegen.
Ich möchte jetzt noch einmal versuchen, die wichtigen Argumente aufzulisten. Erstens regelt Artikel 19 des Grundgesetzes das Grundrecht auf effektiven Rechtsschutz auch gegenüber staatlichen Maßnahmen. Dieses Recht aber läuft leer, meine sehr verehrten Damen und Herren, wenn ich den Beschuldigten nicht identifizieren kann. Die Polizei hat ja qua Gesetz hoheitliche Befugnisse. Sie kann also bei Maßnahmen auch Zwang anwenden. Deshalb müsste es in meinen Augen eigentlich eine Selbstverständlichkeit, ein natürliches Grundrecht sein, dass ich denjenigen, der mir gegenüber eine hoheitliche Zwangsmaßnahme anwendet, auch identifizieren kann. Das sollte eine Selbstverständlichkeit, nicht aber noch erklärungs- oder erläuterungsbedürftig sind.
Zweitens hat insbesondere Herr Zielke in einem internen Diskussionszirkel die Frage angesprochen, ob es konkrete Fälle gibt, in denen sich die Polizei rechtsmissbräuchlich verhalten hat. Ja, ich sehe es genau so wie Frau Zimmermann. Natürlich verhält sich die Polizei in den allerallermeisten Fällen völlig rechtstreu und rechtskonform. Das stellt auch niemand infrage. Wir dürfen aber nicht so tun, als ob es in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland bisher noch keine Fälle gegeben hat, in denen die Polizei, gelinde gesagt, auch einmal über die Stränge geschlagen hat. Diese Fälle gibt es.
Sie sind auch eindeutig dokumentiert. In den 90erJahren hatten wir in Hamburg einen großen Polizeiskandal, der dazu führte, dass sogar ein Innensenator zurücktreten musste. Man darf also nicht so tun, als ob die Polizei eine völlig fehlerfreie Behörde wäre.
Für besonders perfide halte ich das Gegenargument, dass mit der Kennzeichnungspflicht ein Misstrauensbekunden oder ein Generalverdacht gegenüber der Polizei zum Ausdruck gebracht werde. - Nein, nein und noch mal nein! Das ist es
nicht. Wie jede Behörde dieser Welt ist aber auch die Polizei nicht fehlerfrei. Wir hatten auch in Justizvollzugsanstalten schon Skandale. Wie gesagt, es gab auch bei der Polizei schon Fehler. Dann muss es eine Selbstverständlichkeit sein, dass diese Fehler auch aufgeklärt werden können.
Meine Damen und Herren, von konservativer Seite wird ein weiteres Argument immer wieder bemüht. Es wird behauptet, die Kennzeichnungspflicht würde Polizisten gefährden. Aber auch das ist einfach falsch, weil sie anonymisiert durchgeführt werden kann.
Gibt es Bundesländer, die in dieser Frage schon weiter sind? - Ja, es gibt diese Bundesländer. Frau Zimmermann hat sie ja aufgeführt. Es sind Berlin, Brandenburg und Sachsen-Anhalt. Ich hoffe, die SPD hört mir jetzt genau zu: Es sind immer Innenminister der SPD, die in dieser Frage etwas weiter sind als die niedersächsische SPD.
Wir haben dazu auch eine Anhörung durchgeführt, um zu erfahren, wie es mit Polizeiverbänden bei Versammlungen ist. Auch da hat die Mehrheit der Gewerkschaftler vom DGB gesagt: Ja, wir finden es richtig. - Es war nur eine Einzelgewerkschaft, die gesagt hat - von mir aus auch aus einem legitimen Interesse heraus -: Wir sehen das kritisch. - Die Mehrheit der Gewerkschaften in Niedersachsen möchte aber diese Kennzeichnungspflicht.
Wir haben vielfältige positive Erfahrungen mit der Kennzeichnungspflicht in vielen anderen Ländern, in vielen anderen Staaten der Welt. In Niedersachsen - das ist sehr, sehr traurig; das ist jetzt mein letzter Satz - stehen die Interessen der Berufsverbände scheinbar über den Bürgerinteressen. Das ist schlicht und ergreifend falsch.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Aufgrund der fortgeschrittenen Zeit nehme ich das Ergebnis vorweg, damit sich auch die Aufregung gleich legt: Meine Fraktion wird auch heute in der
Auch die im Innenausschuss durchgeführte Anhörung zum Versammlungsrecht, in der wir uns mit dieser Thematik befasst haben - das haben meine Vorredner gesagt -, hat für uns keine neuen Erkenntnisse gebracht. Wir werden eine Verpflichtung zur Kennzeichnung durch Namensschilder oder auch durch Dienstnummern nicht gegen die Interessen der Betroffenen beschließen. Deshalb bleiben wir bei unserer ablehnenden Haltung.
Meine Damen und Herren, unsere Polizei genießt in unserer Bevölkerung hohes Vertrauen. Ihre Arbeit verdient zu Recht große Anerkennung und hohen Respekt.
Wer jemals einen Blick in die Arbeit der Polizei geworfen hat, der weiß, wie belastend nicht nur der Schichtdienst ist, sondern auch - darum geht es - die Einsätze sind, die nicht routinemäßig ablaufen und von denen eine besondere Gefahr für Leib und Leben ausgeht.
Ich bin immer noch sehr betroffen von der Fachveranstaltung des Sozialfonds der DPolG am 21. April 2010 zum Thema „Spurensuche - Polizist kein Beruf wie jeder andere!“ - man könnte sie auch unter den Titel „Der alltägliche Wahnsinn“ stellen - und den persönlichen Schilderungen einzelner Polizisten. Aus den Berichten der Kollegen ist mir sehr deutlich geworden, dass wir unsere Fürsorgepflicht sehr ernst nehmen müssen und wir die Polizistinnen und Polizisten nicht durch weitere Maßnahmen verunsichern dürfen. Dazu zähle ich auch die Diskussion um die verpflichtende Kennzeichnung; denn auch diese Debatte verunsichert unsere Polizistinnen und Polizisten sowie deren Familien zutiefst.
Meine Damen und Herren, ich hebe nochmals ausdrücklich hervor, dass das Tragen von Namensschildern für unsere Polizistinnen und Polizisten im Normalfall überhaupt kein Problem darstellt und die Namensschilder auch gerne getragen werden. Wir sprechen hier aber nicht vom normalen Alltag, sondern von Sondereinsätzen und geschlossenen Einsätzen - wir werden es am 1. Mai ja wieder erleben -, die für die Polizistinnen und Polizisten eine besondere Gefahrensituation darstellen.
Außerdem ist bis heute nicht der Beweis angetreten worden, dass wir insbesondere hier in Niedersachsen große Probleme mit der Identifizierung der Polizeikräfte hatten.
Lassen Sie mich auch noch einmal klarstellen, dass wir Fehlverhalten oder auch strafbare Handlungen wie Übergriffe von Polizisten auf Demonstranten oder Bürger auf das Schärfste verurteilen. Das ist doch gar nicht die Frage. Natürlich müssen diese Vorkommnisse mit allem Nachdruck strafrechtlich verfolgt werden. Das wird überhaupt nicht infrage gestellt.
Wir dürfen aber die Angst der Beamtinnen und Beamten, sich und ihre Familien einer besonderen Gefahr auszusetzen, nicht unterschätzen.
Als Dienstherren haben wir eine Fürsorgepflicht. Bei der Abwägung hat sich meine Fraktion für den Schutz der Polizisten ausgesprochen.
Ich weise in diesem Zusammenhang mit Erlaubnis des Präsidenten auf zwei Demonstrationssprüche hin, die verdeutlichen, warum ich das hier so vortrage. Diese Sprüche, die Sie im Internet nachlesen können, verunsichern die Polizistinnen und Polizisten.
- Das habe ich überhaupt nicht gemacht. Sie sollten einmal zuhören, was ich hier vortrage. Sie sollten wirklich einmal zuhören.
Jetzt zitiere ich diese Sprüche, die auch Polizistinnen und Polizisten lesen müssen, sodass sie mit entsprechenden Ängsten in diese Einsätze gehen. Einer lautet: „Bullenschwein, wir kriegen dich - Übergriffe rächen sich!“