Protocol of the Session on February 19, 2010

(Beifall bei der LINKEN - Widerspruch von der CDU)

- Entschuldigung, gnädige Frau, Sie sind anwesend. Ein Mitglied der Landesregierung ist anwesend. Es charakterisiert aber diese Landesregierung und ihr Verhältnis zum Parlament, wenn sie bei solch einer Debatte nicht anwesend ist. - Das ist der eine Punkt.

Ein anderer Punkt ist das Verhältnis von Mehrheitsfraktionen und Landesregierung. Sie haben, wie wir heute Morgen erlebt haben, nicht einmal den Mumm in den Knochen, bei bezeugtem und eingestandenem Gesetzesverstoß hier eine Missbilligung mit zu beschließen. Wie wollen Sie dann in Zukunft all denen begegnen, die Ihnen sagen: Ich habe auch etwas getan, habe mich daraufhin entschuldigt, und dann war es gut? Dass Sie nicht einmal den Mumm aufgebracht haben, hier etwas gemeinsam zu missbilligen, charakterisiert Ihr Verhältnis zur Demokratie und Ihren Umgang mit dem Parlament.

(Lebhafter Beifall bei der SPD, bei den GRÜNEN und bei der LINKEN)

Wir erleben hier jetzt seit Monaten Verhaltensweisen der Mehrheitsfraktionen und der Landesregierung, die aus unserer Sicht überhaupt nicht hinnehmbar sind. Ich nenne beispielhaft verspätet oder verzögert beantwortete Anfragen. Wir können

Ihnen listenweise Anfragen vorlegen, die zum Teil vom September oder Oktober des letzten Jahres datieren und bis heute nicht beantwortet sind. Dies geht mit einer Praxis einher, dass Antworten so lange verzögert werden, bis sie wertlos sind. Ich beziehe mich beispielhaft auf eine Antwort zur Frage der Unterrichtsversorgung an berufsbildenden Schulen.

Nicht nur diese verzögerte Beantwortung ist fragwürdig. Auch die Art der Beantwortung wird dadurch fragwürdig, dass die Landesregierung Bewertungen der Fragesteller oder der Fragestellung vornimmt, die fast schon in Beschimpfungen ausarten.

(Beifall bei der LINKEN)

Ich nenne beispielhaft eine Bemerkung wie diese:

„Vielmehr wird mit der Kleinen Anfrage nunmehr der Versuch unternommen, von den Unzulänglichkeiten des eigenen Konzeptes mit zum Teil abwegigen, bezugslosen und irreführenden Fragen abzulenken.“

(Kreszentia Flauger [LINKE]: Frech- heit! - Wolfgang Jüttner [SPD]: Un- glaublich!)

Hier haben wir es nicht nur mit unvollständigen Antworten zu tun, sondern es sind glatte Unverschämtheiten, die sich in einer solchen Antwort finden.

(Starker Beifall bei der SPD, bei den GRÜNEN und bei der LINKEN)

Auch am Beispiel der Behandlung der Dringlichen Anfragen gestern lässt sich illustrieren, wie die Landesregierung mit Rechten des Parlaments umgeht. Ich beziehe mich hier nicht auf die gestern erfolgte Kritik daran, dass der Ministerpräsident eingegriffen hat. Ich beziehe mich auf die Beantwortung der Dringlichen Frage durch die Kultusministerin selbst. Sie wurde von drei Fragestellern ganz konkret gefragt, wie man denn pädagogisch begründet, dass man bei einer Zusammenlegung von Haupt- und Realschulen Zweizügigkeit und im Falle von Integrierten Gesamtschulen Fünfzügigkeit genehmige. Von den Fragestellern immer wieder auf diese konkrete Frage hingewiesen, kamen nichts als Formalien, aber keinerlei inhaltliche Begründung. Wir haben bei unseren Fragen natürlich etwas ganz anderes erwartet.

(Lebhafter Beifall bei der SPD, bei den GRÜNEN und bei der LINKEN)

Dies wirft ein bezeichnendes Schlaglicht auf das Verhalten der Landesregierung. Dieses Verhalten setzt sich bei den Beratungen von Gesetzen und Anträgen im Parlament und seinen Ausschüssen fort. Wie auch gestern wieder beschrieben wurde, setzen die Mehrheitsfraktionen sich ohne Skrupel über jegliche parlamentarischen Gepflogenheiten hinweg, indem z. B. die Behandlung eines Themas im Ausschuss schlicht verweigert wird und eine Diskussion nicht stattfindet.

(Beifall bei der SPD und bei der LIN- KEN)

Darüber hinaus werden Anhörungen zu Gesetzentwürfen und Anträgen von der Mehrheit verweigert oder man versucht, auf die Anzahl der Anzuhörenden Einfluss zu nehmen.

(Beifall bei der SPD und bei der LIN- KEN - David McAllister [CDU]: Das glauben Sie doch selber nicht!)

- Das glaube ich selber nicht? Fragen Sie einmal den Vorsitzenden des Wissenschaftsausschusses und die Kollegen, die das gerade erlebt haben. Sie werden bestätigen, wie eingeschränkt werden soll, dass man Anhörungen durchführt. Das ist ein irres Verhalten.

(Beifall bei der SPD und bei der LIN- KEN)

Daraus, dass der Versuch unternommen wird, Gesetzentwürfe durchzupeitschen, ist abzulesen, welche Qualität dadurch erreicht wird. Das ist bereits vielfach von Gerichten festgestellt worden.

(Zustimmung bei der SPD)

Das alles hat nichts mit sorgfältiger Beratung und schon gar nichts mit demokratischer Kultur zu tun. Es ist schlichter Gebrauch von Mehrheitsmacht, bei der Opposition nur als ein notwendiges Übel angesehen wird.

Nun warte ich natürlich auf das Argument, andere Mehrheiten und andere Landesregierungen hätten ähnlich verfahren. Das können Sie in Ihren rückwärtsgewandten Betrachtungen gern behaupten.

(David McAllister [CDU]: Gerade Sie sollten sich da warm anziehen!)

- Das tue ich gerne. Bei all dem müssen Sie sich aber an Ihren vermeintlichen selbst gesetzten Zielen messen lassen, Herr McAllister.

Ich habe gut in Erinnerung, dass zu Beginn der Legislaturperiode im Jahre 2003 große Erklärungen zum demokratischen Umgangsstil vom Vorsitzenden der größten Mehrheitsfraktion abgegeben wurden.

(Wolfgang Jüttner [SPD]: Neue Kultur!)

Sie wollten alles besser und schöner machen.

(David McAllister [CDU]: Das haben wir ja auch gemacht!)

- Das glauben Sie wohl.

Damit meine ich nicht solche Albernheiten - so etwas mussten wir uns hier anhören - wie die, dass gesagt wurde: Wir geben den Niedersachsen die Freiheit wieder. - Ich meine die weihevollen Ankündigungen, dass man auch mit der Opposition so umgehen wolle, wie es eigentlich in einer Demokratie selbstverständlich ist. Diesen Ansprüchen werden Sie mit Ihrem aktuellen Verhalten in keiner Weise gerecht.

(Starker Beifall bei der SPD, bei den GRÜNEN und bei der LINKEN)

Der Umgang der Mehrheitsfraktionen mit der Opposition wird bei der Behandlung von Themen, Anträgen und Gesetzentwürfen der Fraktion DIE LINKE besonders deutlich. Der Versuch der Ausgrenzung erfolgt nicht nur bei der Verweigerung gemeinsam zu stellender Anträge, sondern insbesondere durch das Verhalten der Mehrheitsfraktionen hier im Parlament. Eine sachliche Diskussion wird in der Regel verweigert und durch Rückgriffe auf die vermeintliche Vergangenheit von Mitgliedern der Fraktion DIE LINKE ersetzt. Ich erinnere hier nur an die Diskussion über Strukturen unserer Landwirtschaft, in der die Landesregierung von einem CDU-Abgeordneten gefragt wurde, was sie denn davon halte, dass die Linke es wage, zu diesem Thema Fragen zu stellen, obwohl sie doch für das Bauernlegen in der DDR mitverantwortlich sei. Das war einer der Höhepunkte in der intellektuellen Auseinandersetzung, die wir erleben, die aber mit der Sache, um die es eigentlich geht, überhaupt nichts zu tun hat.

(Lebhafter Beifall bei der SPD, bei den GRÜNEN und bei der LINKEN)

Ich kann mich des Eindrucks nicht erwehren, dass insbesondere der CDU ein Feindbild verloren gegangen ist. Der Verweis auf Moskau verfängt nicht mehr. Dann muss man auf die aus Ihrer Sicht vermeintlichen Nachfolger einschlagen und andere

gleich mit einbeziehen - und dies mit den abenteuerlichsten Drehungen.

Dieser Umgang mit der Opposition entspricht einer Einstellung, die Opposition in einer Demokratie für überflüssig und für entbehrlich hält. Das hat nichts mit demokratischer Kultur, sondern nur mit Überheblichkeit und Arroganz der Macht zu tun.

(Starker, nicht enden wollender Beifall bei der SPD, bei den GRÜNEN und bei der LINKEN)

Herr Kollege Nacke von der CDU-Fraktion hat sich zu einer Kurzintervention gemeldet. Bitte schön!

(Victor Perli [LINKE]: Jetzt kommt die Beichte!)

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Kollege Bartling, Sie sprachen gerade Vorgänge im Ausschuss für Wissenschaft und Kultur im Zusammenhang mit der Einschränkung von Anhörungslisten und fehlender Beratung an. Ich würde Sie gerne bitten, kurz zu erläutern, welche Position Sie meinen. Ich erinnere mich an die letzten Beratungen. Da ging es beispielsweise um den Staatsvertrag. Wir hatten uns im Ausschuss zunächst geeinigt, dass eine Folgesitzung nicht notwendig ist, weil kein Beratungsbedarf bestand, und sind dann gemeinsam zu dem Schluss gekommen, diese Sitzung doch stattfinden zu lassen, damit wir die Fragen der Opposition zu diesem Staatsvertrag noch beantworten können, bevor wir ins Plenum kommen.

Zurzeit läuft die - so nenne ich das einmal - kleine NHG-Novelle. Wir haben uns gemeinsam auf sehr umfangreiche Anhörungslisten und auf einen sehr vernünftigen Zeitplan geeinigt.

(Ulf Thiele [CDU]: Es ist wie immer: Herr Bartling macht Klamauk!)

Der Vorsitzende hat dann die Anregung gemacht, zu sagen: Nein, diese Anhörungsliste ist wohl etwas sehr umfangreich geraten, wir müssten sie einschränken. - Ich habe dem nicht sofort zugestimmt, sondern gesagt: Ich möchte darum bitten, dass wir diese Frage im Ausschuss noch einmal gemeinsam erörtern, weil wir diese Liste gemeinsam festgelegt haben.

Insofern habe ich mich über Ihre Ausführungen gewundert und würde mich über eine Konkretisierung sehr freuen.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP - Zuruf von der CDU: Das kann er nicht!)

Meine Damen und Herren, Frau Dr. Andretta von der SPD-Fraktion wird erwidern. Bitte!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Nacke, die Ausführungen von Herrn Bartling bezogen sich auf das Verhalten Ihrer Fraktion und der FDP-Fraktion zum Gesetzentwurf der Linken zur Vermeidung kriegsfördernder Aktivitäten an den Hochschulen. Hier haben Sie nicht nur die Debatte konsequent verweigert, sondern Sie haben sich auch der Bitte der Fraktionen der Linken, der Grünen und der SPD verweigert, eine Anhörung zu machen. Das zeigt, wie Sie mit demokratischen Beteiligungsrechten umgehen!

(Beifall bei der SPD und bei der LIN- KEN sowie Zustimmung von Christian Meyer [GRÜNE] - Jens Nacke [CDU]: Ich dachte, es ist etwas Ernstes!)