Protocol of the Session on February 19, 2010

Es liegen keine weiteren Wortmeldungen vor. Damit sind wir am Ende der Beratung dieses Tagesordnungspunktes.

Die Beschlussempfehlung, die vorsieht, den Antrag für erledigt zu erklären, geht am weitesten. Wir stimmen daher zunächst über die Beschlussempfehlung ab, und nur, wenn sie abgelehnt wird, stimmen wir anschließend noch über den Änderungsantrag ab.

Wer der Beschlussempfehlung des Ausschusses zustimmen und damit den Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen in der Drs. 16/263 für erledigt erklären will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Das Erste war die Mehrheit. Der Beschlussempfehlung des Ausschusses ist gefolgt worden.

(Hans-Dieter Haase [SPD]: Wir kom- men wieder!)

Ich rufe den Tagesordnungspunkt 42 auf:

Einzige (abschließende) Beratung: „Herdprämie“ stoppen - Geld in den Krippenausbau investieren - Bundesratsinitiative zur Verhinderung des Betreuungsgeldes - Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen - Drs. 16/2040 - Beschlussempfehlung des Ausschusses für Soziales, Frauen, Familie und Gesundheit - Drs. 16/2197

Die Beschlussempfehlung des Ausschusses lautet auf Ablehnung.

Eine Berichterstattung ist nicht vorgesehen.

Wir treten in die Beratung ein. Zu Wort gemeldet hat sich Frau Staudte von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. Ich erteile Ihnen das Wort.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordnete! Das von der Bundesregierung geplante Betreuungsgeld, das in Höhe von 150 Euro ab dem Jahr 2013 an die Eltern ausgezahlt werden soll, die ihre unter dreijährigen Kinder nicht in eine Krippe geben wollen, hat viele Namen. Das Deutsche Kinderhilfswerk bezeichnet es in Anlehnung an die bayerische Urheberschaft der CSU als „Schmarrn“. Die ehemalige Familienministerin von der Leyen nannte es 2007 noch „eine bildungspolitische Katastrophe“.

(Beifall bei den GRÜNEN und Zu- stimmung bei der SPD und bei der LINKEN - Helge Limburg [GRÜNE]: Recht hat die Frau!)

Wer letztendlich den Begriff „Herdprämie“ zum ersten Mal benutzt hat, lässt sich nicht mehr wirklich nachvollziehen. So viele benutzen ihn, insbesondere auch gerne die FDP im Bund.

Doch hier in Niedersachsen ticken die Uhren anders, sozusagen bayerisch. Im Sozialausschuss des Landtags herrschte bei CDU und FDP echter Korpsgeist: Kein Wort der Kritik war zu hören an diesem höchst umstrittenen Projekt der Bundesregierung. Kollege Ansgar Focke, die Speerspitze der konservativen Familienpolitik der CDU-Fraktion,

(Zustimmung bei der SPD und bei der LINKEN - Björn Thümler [CDU]: Oh, oh, oh!)

sprach bei den Beratungen gar davon, dass das traditionelle Familienmodell nicht mehr genug gefördert werden würde. Ich empfehle dringend einmal einen Blick in die Steuergesetzgebung; denn das Ehegattensplitting fördert die Einverdienerehe immer noch mit stattlichen Summen - und das verrückterweise auch dann, wenn nicht einmal Kinder im Spiel sind. Alleinerziehende und unverheiratete Eltern profitieren überhaupt nicht.

Wir Grüne plädieren heute noch einmal dafür, keine weiteren Fehlanreize in der Familienpolitik zu setzen. Eine Prämie von 150 Euro dafür, dass Kinder nicht in frühkindliche Bildungseinrichtungen geschickt werden, ist wirklich paradox. Genauso gut könnte man eine Prämie dafür verteilen, dass jemand sein Kind nicht in einen Sportverein schickt.

Eine aktuelle Studie der Bertelsmann-Stiftung stellt fest, dass gerade Kinder aus sozial schwachen Familien mit Blick auf ihren Bildungserfolg besonders von dem Besuch in der Krippe profitieren. Im Übrigen verstehe ich wirklich nicht, warum Boris Becker für Amadeus Benedict künftig 150 Euro monatlich vom Staat bekommen soll,

(Roland Riese [FDP]: Nachteilsaus- gleich!)

wohingegen dieses Geld bei Familien, die Hartz IV beziehen, wahrscheinlich genauso wie das Kindergeld auf das Einkommen angerechnet wird.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der LINKEN und Zustimmung bei der SPD)

1,3 bis 2 Milliarden Euro würden jährlich verpulvert werden. Nur einmal zum Vergleich: Der Bund hat für den Krippenausbau einmalig 4 Milliarden Euro zur Verfügung gestellt. Wir müssen diese 1,3 bis 2 Milliarden Euro künftig in die Qualität der Betreuung investieren.

Herr Krumfuß, wir waren letzte Woche zusammen in Nordstemmen bei einer tollen Kita-Veranstaltung. Dort waren Sie noch ganz der Meinung der Krippenerzieherinnen, dass der Personalschlüssel dringend verbessert werden muss.

(Ah! bei den GRÜNEN)

Ich frage mich, wie Sie heute zusammen mit Ihren kommunalpolitisch tätigen Kollegen abstimmen werden.

Gerade Niedersachsen hat eine Schlusslichtposition bei der Krippenquote. Nur 11,9 % der Kinder haben einen Betreuungsplatz. Damit haben wir gerade einmal ein Drittel des Ausbauziels für 2013 erreicht. Die Wahrscheinlichkeit, dass Niedersachsen in 2013 den Rechtsanspruch auf einen Krippenplatz nicht erfüllen kann, ist ziemlich hoch. Deswegen müssen wir heute gegensteuern.

Unterstützen Sie unseren Antrag, kein Betreuungsgeld einzuführen, sondern diese Mittel für die Qualität der Betreuungsinfrastruktur umzuleiten! Nur dann ist sichergestellt, dass dieses Geld tatsächlich direkt bei den Kindern ankommt.

Ich danke Ihnen.

(Beifall bei den GRÜNEN, bei der SPD und bei der LINKEN)

Die nächste Rednerin ist Frau Pieper für die CDUFraktion. Bitte sehr!

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Uns liegt der Antrag der Fraktion der Grünen „‚Herdprämie’ stoppen - Geld in den Krippenausbau investieren - Bundesratsinitiative zur Verhinderung des Betreuungsgeldes“ vor. Inhaltlich können wir diesem Antrag - das wird Sie nicht wundern - nicht zustimmen.

(Uwe Schwarz [SPD]: Das wundert uns!)

Ich will Ihnen auch sagen, warum nicht. Auf der einen Seite ist der Antrag sehr einseitig formuliert. Denn mit diesem Antrag werden Eltern - egal, welche gesellschaftliche Stellung sie haben - unter Generalverdacht gestellt. Zudem unterstellen Sie der Landesregierung, dass der Ausbau von Krippenplätzen nicht weiterbetrieben wird. Auf der anderen Seite blenden Sie die derzeit laufende Diskussion auf Bundesebene und auch auf europäischer Ebene - darauf komme ich nachher noch - völlig aus.

Zum Ersten. Wir bekennen uns grundsätzlich zu Artikel 6 Abs. 1 des Grundgesetzes: „Ehe und Familie stehen unter dem besonderen Schutze der staatlichen Ordnung.“ In Absatz 2 heißt es weiter: „Pflege und Erziehung der Kinder sind das natürliche Recht der Eltern und die ihnen zuvörderst obliegende Pflicht.“ Wir sind der festen Überzeugung, dass der Großteil unserer Eltern Experten für die Erziehung ihrer Kinder sind, ihre Pflicht

gewissenhaft erfüllen und stets um das Wohl ihrer Kinder bemüht sind.

(Beifall bei der CDU)

In dem Entschließungsantrag der Grünen wird dies jedoch infrage gestellt. In der Begründung Ihres Antrags schreiben Sie nämlich - ich zitiere -: „Das Betreuungsgeld soll eingeführt werden, um die Erziehungsleistung von Eltern anzuerkennen und sie zu unterstützen.“ Bis dahin sind wir d’accord. Was dann aber folgt - ich zitiere weiter: „Eine Krippe mit guten pädagogischen Rahmenbedingungen kann diese Aufgabe viel nachhaltiger erfüllen“ -, ist eine schallende Ohrfeige für alle Eltern, die sich liebevoll um die Erziehung ihrer Kinder kümmern. Das ist eine Diskreditierung sondergleichen.

(Beifall bei der CDU)

Dieses Thema ist uns aber viel zu wichtig, als dass wir es auf der politischen Bühne ausschlachten wollten; denn es geht um unsere Kinder. Wir wollen, dass den Eltern in Deutschland und in Niedersachsen das Wahlrecht zur Verfügung steht, zu entscheiden, wie sie ihr Kind betreuen lassen, ob im elterlichen Haus, bei den Großeltern, bei einer Tagesmutter oder in einer qualifizierten Kinderkrippe.

(Kreszentia Flauger [LINKE]: Es sind doch gar nicht genug Plätze vorhan- den!)

Wir haben auch überhaupt keinen Zweifel daran, dass dies sorgfältig abgewogen wird.

(Beifall bei der CDU)

Deswegen werden wir hier in Niedersachsen dieses Wahlrecht weiter unterstützen.

(Norbert Böhlke [CDU]: So ist es!)

Wir werden auch die Krippenplätze bis 2013 weiter ausbauen, um das Betreuungsangebot für unsere Kinder zu sichern.

Mittlerweile gibt es schon einige Regionen und Städte - ich will jetzt nur zwei anführen, nämlich Göttingen und Walsrode; Ihre Kollegin Frau Twesten konnte sich ja beim Neujahrsempfang gerade erst davon überzeugen -, in denen die Quote nicht 35 % beträgt, sondern schon weit über 50 % liegt.

(Astrid Vockert [CDU]: Aha! So etwas gibt es also auch!)

Zum Zweiten: Wenn Sie der Diskussion der vergangenen Woche aufmerksam gefolgt sind, werden Sie festgestellt haben, dass in der Debatte um

das Betreuungsgeld auf Bundesebene unsere Familienministerin Kristina Köhler - jetzt Schröder - und die FDP-Familienexpertin Miriam Gruß noch am 14. Januar dieses Jahres erklärt haben, dass die Koalition an einer intelligenten, klugen und abwägenden Lösung arbeitet.

(Norbert Böhlke [CDU]: So ist es!)

Auch der Vorsitzende der CDU-Bundestagsfraktion, Volker Kauder, hat dazu gesagt, erst 2012 werde dieses Thema wieder auf der Tagesordnung stehen.