Zweite Beratung: EU-Strukturförderung in Niedersachsen: erfolgreich, zielgenau, innovativ, verlässlich - heute und in Zukunft - Antrag der Fraktionen der CDU und der FDP - Drs. 16/1852 - Beschlussempfehlung des Ausschusses für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr - Drs. 16/2127
Ich eröffne die Beratung. Für die SPD-Fraktion hat sich Herr Kollege Schostok zu Wort gemeldet. Bitte schön, Sie haben das Wort!
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten! Wir haben uns im Ausschuss einigermaßen ausführlich mit dem Antrag beschäftigt. Wir haben uns auch etwas aufeinander zu bewegt.
Es gibt nach Ihren jubelnden Erfolgsbilanzen hier im Plenum und auch im Ausschuss durchaus auch ein kritisches Eingeständnis, dass es neben dem vielen Licht, das Sie nur beschrieben haben, durchaus auch Schatten gebe. Es gibt in der Tat viele gute Projekte der EU-Strukturförderung durch den ESF und den EFRE, meiner Ansicht nach aber nicht durch Ihre Politik.
Es gibt auch reichlich Probleme. Ihre Probleme werden durch die Überprüfung der Strukturförderung deutlich zutage treten. Es ist nämlich so, dass sich die Realität zum Glück nicht für Anträge und Beschlüsse interessiert, die Sie hier fassen. Es gibt vor allem viele Umsetzungsprobleme. Ich will hier einige Beispiele nennen. Ich erwähne den Abbau von bürokratischen Hürden, die besonders in Niedersachsen geschaffen worden sind, und das Problem einer Förderung, die völlig losgelöst von ökonomischen Zusammenhängen erfolgt und nicht die Notwendigkeiten, wie man mit der gegenwärtigen Krise im Lande umzugehen hat, berücksichtigt. Ich will dazu konkret drei Beispiele nennen:
Die Nachweispflichten für Freistellungskosten bei ESF-Projekten für die Unternehmen reichten bis zur Vorlage eines kompletten Lohnjournals für den punktgenauen Nachweis der individuellen Lohnkosten. Dies führte zu Datenschutzproblemen. Ebenso gab es eine abschreckende Wirkung auch für Unternehmensleitungen.
Ich nenne ein zweites Beispiel für die ESFFörderung in Niedersachsen: Die Richtlinie in Niedersachsen schließt - ganz anders als in anderen Bundesländern - Beschäftigte des öffentlichen Dienstes ausdrücklich aus. Gerade bei Beschäftigten im Pflegebereich halten wir das für unakzeptabel.
Ein drittes Beispiel: Die Förderrichtlinien berücksichtigen nur kleine und mittlere Unternehmen mit weniger als 25 % Fremdkapital. Alle anderen fallen heraus. Das erklärt auch, warum es Probleme bei der Bewilligung entsprechender Maßnahmen gibt.
Ich fasse es einmal so zusammen: Alle Richtlinien werden von Ihnen exekutiert, ob es ökonomisch passt oder nicht. Sie sind an dieser Stelle schlichtweg dogmatisch.
Die Krönung ist, dass es die einzige leichte Vereinfachung, die bei der Abwicklung von ESFProjekten in den letzten Monaten erfolgt ist, nun bei der Pauschalierung von Verwaltungskosten gibt. Sie geht aber nicht auf Sie zurück, sondern ist von der EU-Kommission eingeführt worden. Zuvor musste jeder Bleistift im Verwaltungsbereich spitz abgerechnet werden. Wir brauchen Pauschalregelungen auch bei dem Nachweis von Freistellungskosten. Die Probleme sind für die Unternehmen und die Projekte einfach zu groß.
Verbesserungen mussten bisher mühsam von Projektpartnern und anderen erstritten werden. Aus unserer Sicht sieht Kundenorientierung ganz anders aus. Es gibt von den Europabüros der freien Wohlfahrtspflege, der Arbeitergeber und des DGB 30 Verbesserungsvorschläge. Auf diese hat es überwiegend bzw. fast durchweg ablehnende Reaktionen gegeben. Wir halten das wirklich für ein Riesenproblem. Eine Vereinfachung dieser Projektvergabe ist überhaupt nicht eingeleitet worden. Meine Damen und Herren, das ist Mitwirkung so, wie Sie sie verstehen!
Auf ein weiteres Problem will ich hier aufmerksam machen: Zu Beginn des Programmes gab es bei der Bewilligung und bei der Erstellung wirklich noch eine hohe Transparenz und Beteiligung. Wenn es darum geht, konkret Förderrichtlinien zu entwickeln oder eine Wirtschaftsförderpolitik zu formulieren, macht das Wirtschaftsministerium dort eher dicht. Ich rate Ihnen: Hören Sie auf die Gewerkschaften, die Betriebsräte, die NGOs, hören Sie auf die Arbeitgeber- und Wirtschaftsverbände! Die könnten Ihnen wirklich helfen.
Ich kann mir überhaupt nicht erklären, warum das, was im Land Bremen möglich ist, hier in Niedersachsen nicht möglich sein soll.
Meine Damen und Herren, das Problem des Mittelabflusses - das möchte ich auch noch erwähnen - gestaltet sich wirklich deutlich schwieriger. Wir hören, dass angeblich Sättigungseffekte eingetreten sind. Unser Eindruck ist, dass Ihre Politik des eher starren Verwaltens offenbar versagt. Sie wissen einfach nicht mehr, wie und wo Sie das Geld loswerden sollen. Hier zeigt sich das Grundproblem Ihrer Politik: Sie sind dogmatisch und technokratisch. Sie haben überhaupt keine Vorstellung von aktiver oder aktivierender Wirtschafts- und Strukturpolitik. Sie gehen auf die Regionen gar nicht zu und verknüpfen die Ihnen zur Verfügung stehenden Instrumente einfach nicht mit wirklich vorhandenen regionalen Potenzialen. Ihnen fällt dazu überhaupt nichts ein.
(Beifall bei der SPD und Zustimmung von Kreszentia Flauger [LINKE] - Zu- ruf von Ernst-August Hoppenbrock [CDU])
Ihr Antrag ist einfach zu dünn. Sie erklären in Ihrem Antrag, dass eine Überprüfung, eine sogenannte Evaluation, der wirkungsvollen Verwendung der Mittel anstehe. Sie wissen aber - so beschreiben Sie es im Antrag -, was dabei herauskommt. Ich zitiere das: Hier finde Förderung ausschließlich nach qualitativen Gesichtspunkten statt. Die Mittel würden zielgenau und besonders innovativ verteilt, stark auf die Schaffung von Wettbewerbsfähigkeit und Beschäftigung ausgerichtet. Das Ganze sei ein sehr bedeutender Beitrag zur Bekämpfung der Wirtschafts- und Finanzkrise.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, nach diesem Eigenlob greifen Sie willkürlich zwei Schwerpunkte für die Strukturförderung heraus und sagen, zukünftig müsse ein deutlicher Schwerpunkt auf der Förderung von Leuchtturmprojekten liegen, und der Übergang von der Schule
in betriebliche Ausbildung im dualen System müsse gefördert werden. Ich finde, das geht an den inhaltlichen Schwerpunkten und den aktuellen regionalen Notwendigkeiten vorbei.
Das Problem ist doch: Gerade in der Wirtschaftskrise sparen Unternehmen an der Qualifizierung und an neuen Produktionsweisen und Produkten. Dabei liegt der Bedarf an Innovation und Fachkräften doch auf der Hand. Hier muss die Landesregierung aktiv werden.
Wir raten Ihnen: Bauen Sie eine nachhaltige Strukturpolitik im Rahmen der vorhandenen regionalen Entwicklungspotenziale in Niedersachsen auf!
Sie machen mit diesem Antrag Politik nach dem Prinzip: Wo Sie sind, klappt nichts, aber Sie können ja nicht überall sein.
Wir freuen uns auf die Auswertung Ihrer EUStrukturförderung und erwarten den Evaluationsbericht wirklich heiß und innig. Wir haben aber keine Hoffnung, dass Sie Ihre passive Wirtschaftspolitik ändern werden. Am Ende müssen wir wohl dafür sorgen.
(Lebhafter Beifall bei der SPD - Björn Thümler [CDU]: Wir haben schon bessere Bewerbungsreden gehört!)
Danke schön, Herr Schostok. - Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat Herr Kollege Hagenah das Wort. Bitte!
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich möchte meine Rede mit einer Fabel des griechischen Dichters Äsop beginnen. Sie könnte nicht passender sein.
„Eine eitle Krähe wollte schöner sein, als sie wirklich war, und zierte sich mit allerlei bunten Federn von andern Vögeln, hauptsächlich von Pfauen. Al
lein um die Eitelkeit zu bestrafen und ihr Eigentumsrecht auszuüben, fielen diese über sie her und entrissen ihr nicht nur die geraubten Federn, sondern auch einen Teil ihrer eigenen. Armseliger wie vorher stand sie nun wieder da, … eine Warnung für alle Eitlen.“
(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD - Ernst-August Hoppenbrock [CDU]: Das ist eine alte Klamotte!)
- Ja, das ist eine alte Klamotte, hat aber viel mit Ihrem Antrag zu tun. Denn letztendlich versuchen Sie sich mit fremden Federn zu schmücken, nämlich mit dem Geld der EU, das Sie als eigenes Geld zu deklarieren versuchen und über das Land verteilt haben.
Aber nicht nur das ist ein Fehler in Ihrer Selbstbewertung, sondern auch Ihre Aussage, dass das Ganze erfolgreich laufe.
Denn Minister Bode ist immer noch dabei, das Geld mit der Gießkanne über das Land zu verteilen. Manchmal ist das nützlich, aber an vielen Orten versickert das Geld ohne nachhaltigen volkswirtschaftlichen Nutzen. Deswegen ist die Evaluation, die Sie in dem Antrag versprechen, auch aus unserer Sicht dringend erforderlich. Wir hätten eigentlich erwartet, dass das Ministerium sie längst vorlegt; denn die nächste Förderperiode wird deutlich weniger Geld beinhalten. Wenn man innerhalb der jetzigen Förderperiode nachsteuern will, muss man die Evaluation viel eher auf den Tisch legen.