Die Ministerin - das ist bekannt - ist nach wie vor die ungekrönte Königin innerhalb der Landesregierung, wenn es um die Erfindung neuer Preise, Wettbewerbe oder runder Tische geht. Bei dem vom Parlament eingesetzten runden Tisch zur Aufarbeitung der schlimmen Schicksale der Heimkinder in Niedersachsen blockieren und bremsen Sie, Frau Ross-Luttmann, aber von Anfang an. Seit dem 17. Juni 2009, also seit sechs Monaten, hat dieser Arbeitskreis bisher erst ein einziges Mal getagt. Die nächste Sitzung ist für Ende Februar 2010 vorgesehen. Sie sind wirklich dabei, das in uns gesetzte Vertrauen der ehemaligen Heimkinder leichtfertig zu verspielen. Die ehemaligen Heimkinder reagieren zwischenzeitlich immer ärgerlicher. Ein solches Verhalten von Ihnen geht gerade bei diesem Thema wirklich nicht. So können Sie mit der Umsetzung des Parlamentsbeschlusses nicht umgehen, Frau Ross-Luttmann.
In Niedersachsen sinkt seit 2005 das Armutsrisiko. Weiterhin heißt es seitens der Sozialministerin: Anlass zur Hoffnung, aber kein Grund sich auszuruhen. - Ich frage Sie jetzt allen Ernstes, ob Sie das, was Sie hier eben vorgetragen haben, noch so stehen lassen können?
Sie haben doch gerade das bestätigt, was ich Ihnen vorgetragen habe, nämlich dass sich die Armutsquote in einer wirtschaftlich guten Zeit auf hohem Niveau verfestigt hat. In dem Bericht steht auch - Sie müssen den Bericht einmal lesen -, dass die Erfassung aus dem Jahre 2008 stammt und die Entwicklung nach der Weltwirtschaftskrise überhaupt noch nicht berücksichtigt wurde.
Wir haben in einer guten wirtschaftlichen Zeit eine hohe Armutsquote in Niedersachsen, und die richtige Bugwelle kommt im nächsten Jahr noch. Sie aber tun nichts. Sie behindern nur, wenn es darum geht, Armut in Deutschland abzubauen.
Umsetzung des Urteils des Staatsgerichtshofes zu ehemaligen Landeskrankenhäusern: Es liegt noch nichts vor. - Nur so viel nebenbei: Unsere Akteneinsicht hat deutlich gemacht, dass die Fachaufsicht des Ministeriums hier eindeutig versagt hat, allem voran übrigens bei AMEOS in Hildesheim.
Novellierung der Bauordnung: Sie bekommen seit fünf Jahren noch nicht einmal so ein lächerliches Detail wie die Pflicht zur Installierung von Rauchmeldern in Wohnungen geregelt. Peinlicher geht es doch überhaupt nicht mehr.
- Sie sagen, das ist lächerlich. Wir haben in der vergangenen Legislaturperiode drei Anträge eingebracht, die Sie alle vollmundig abgelehnt haben. Dann haben Sie, Herr Böhlke, dankenswerterweise erklärt, jetzt gebe es bald überall Rauchmelder. Das war vor zwei Jahren. Auch Ihre Durchsetzungsfähigkeit ist gleich null. Wir warten immer noch darauf.
(Starker Beifall bei der SPD sowie Beifall bei den GRÜNEN und bei der LINKEN - Norbert Böhlke [CDU]: Rauchmelder sind bis heute nicht ver- boten!)
Was die Überprüfung des Nichtraucherschutzes - übrigens eine Gesetzesvorgabe für Ende dieses Jahres - angeht, so ist eine Vorlage nicht in Sicht.
Nicht zuletzt ist das zwischenzeitlich von der CDU auf Bundesebene angerichtete Chaos bei der zukünftigen Betreuung von Arbeitslosen in Arbeitsgemeinschaften oder Optionskommunen zu erwähnen. Hier betreiben Sie wirklich wieder Politik auf dem Rücken der Schwächsten, die am ehesten Hilfe brauchten.
Immer mehr Menschen zahlen in Niedersachsen zwischenzeitlich einen hohen Preis für das Zaudern, Zögern und Nichts-vom-Tisch-Bekommen der Ministerin. Diese Menschen in Niedersachsen haben nach unserer festen Überzeugung gerade in der Krise eine andere, eine überzeugende und eine durchsetzungsfähige Sozialpolitik verdient. Mit Ihnen werden sie diese nicht bekommen. Wir werden aber dafür sorgen, dass Sie nächstes Jahr in die Strümpfe kommen. Das verspreche ich Ihnen im Namen der SPD-Fraktion!
Herzlichen Dank, Herr Schwarz. - Von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat sich Frau Kollegin Helmhold zu Wort gemeldet. Bitte schön!
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Auch ich möchte mich zunächst im Namen meiner Fraktion für die gute fachliche Vorbereitung und Begleitung während der Beratungen bedanken.
An einer Stelle möchte ich die Ausführungen des Kollegen Schwarz ergänzen. Soweit ich mich erinnere, ist der Sozialhaushalt seit 2003 über die globale Minderausgabe eine Sparbüchse. Ich kann mich an kein Haushaltsjahr erinnern, in dem es
Zunächst einmal möchte ich etwas zu dem größten sozialpolitischen Thema sagen, das wir im Moment haben. Es bildet sich zwar nicht im Haushalt ab, wohl aber im Wirken der Landesregierung. Ich meine die Reform der Jobcenter.
Leider sind wir auch nach der Sozialministerkonferenz vom Montag bei diesem Thema nicht viel weiter. Ich hatte eigentlich gehofft, dass die Niedersächsin von der Leyen aufgrund ihrer hiesigen Erfahrungen jetzt einen Neufanfang in Berlin wagen würde. Was sie jetzt vorgelegt hat, ist im Wesentlichen die Lösung des ehemaligen Bundesarbeitsministers Scholz. Ich finde es schon kurios, dass sich Schwarz-Gelb ausgerechnet auf ein Papier geeinigt hat, das aus der Feder der Sozialdemokratie stammt.
Ich sehe es allerdings anders als die SPD hier im Hause. Es sind wohl noch nicht alle Türen zugeschlagen. Deswegen möchte ich an dieser Stelle noch einmal appellieren, dass die Eitelkeiten sowohl bei der CDU als auch bei der SPD hintangestellt werden und wir alle auf eine Verfassungsänderung hinarbeiten. Unterstützen Sie die Gesetzesinitiative der Bundestagsfraktion der Grünen! Diese hat einen sehr vernünftigen Vorschlag unterbreitet, der die Optionskommunen entfristet, neue zulässt und die gemeinsame Aufgabenwahrnehmung verfassungsrechtlich absichert.
Der Haushaltsplan der Sozialministerin folgt im Großen und Ganzen der Philosophie, allen wohl und niemandem so richtig wehe: hier ein Projekt, dort eine Anschubfinanzierung und vor allen Dingen viele runde Tische, viele Bündnisse. Dort werden Probleme geparkt und auch ausgesessen.
Das gilt z. B. für die Pflege. Die Ministerin erfand im letzten Jahr das sogenannte Pflegepaket. Das war allerdings ein Windei; denn ein Jahr lang passierte überhaupt nichts. Jetzt, nach erheblicher Kritik, soll es sogar rückwirkend endlich losgehen, allerdings auf gemindertem Niveau. Von der anfänglich versprochenen Anschubfinanzierung für Einrichtungen, die zusätzliche Ausbildungsplätze schaffen, ist keine Rede mehr, von der Ideen
sammlung zur Stärkung des Altenpflegeberufs auch nicht. Das ist auch nicht so schade; denn es würde in Wirklichkeit nicht helfen, wenn auf der anderen Seite dieselbe Sozialministerin den dringend notwendigen Mindestlohn in der Pflege blockiert. Gute Arbeitsbedingungen in der Pflege und nicht Imagekampagnen und Broschüren - das würde den Beruf attraktiv und zukunftsfähig machen.
Außerdem müsste sich die Sozialministerin dafür einsetzen, dass die niedersächsischen Pflegesätze endlich mindestens den Bundesdurchschnitt erreichen.
Hierfür muss sie sich stark machen, hier muss sie moderierend eingreifen. Die niedrigen Pflegesätze sind auch ein Grund für den vermehrten Ausstieg von Pflegekräften aus dem Beruf und für die katastrophalen Arbeitsbedingungen in diesem Bereich bei uns in Niedersachsen.
- Das ist mir durchaus klar. Ich sagte, sie soll moderieren, Herr Böhlke. Die Frage ist: Wofür setzt man sich ein, und wofür hat man politisch Herzblut?
Richtig gut fände ich es noch, wenn die Ministerin - und auch Sie - angesichts des schon bestehenden Fachkräftemangels, der sich in der Zukunft noch extrem verstärken wird, endlich den Mut aufbringen würde, den Pflegenotstand zu erklären und die Altenpflegeausbildungsumlage wieder einzuführen. Nur das bringt uns weiter. Leider scheuen Sie das wie der Teufel das Weihwasser.