Protocol of the Session on December 16, 2009

Meine Damen und Herren, wir fordern die Umkehr der Beweislast zulasten der Kernkraftwerksbetreiber. Ich sage Ihnen: Machen Sie nach vier Jahren endlich den Weg frei für eine Entscheidung dieses Parlaments zum Wohle der dort lebenden Kinder, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Wir haben hier vergangenes Jahr die Durchsetzung des Frauenwahlrechts vor 90 Jahren durch die SPD gewürdigt. Nächstes Jahr werden wir hier dann die Abschaffung einer eigenständigen Frauenabteilung durch die niedersächsische Frauenministerin würdigen können.

(Gudrun Pieper [CDU]: Das glauben Sie doch wohl selbst nicht!)

Aus der Sicht der CDU/FDP-Koalition ist es nur folgerichtig, ein eigenständiges Frauenressort aufzulösen und zielgenau im Schoße des Familienreferats anzusiedeln.

(Norbert Böhlke [CDU]: Wer hat denn das Frauenministerium aufgelöst?)

Seitdem Frau von der Leyen 2005 in Niedersachsen die hauptamtlichen Frauenbeauftragten abgeschafft hat, ist die scheinbare Gleichberechtigung für Frauen unter dieser Landesregierung auf die Themenfelder Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen sowie Vereinbarkeit von Familie und Beruf für Frauen reduziert worden. Die geplanten Kürzungen von Maßnahmen gegen Frauengewalt konnten die Koalitionsfraktionen gerade noch verhindern. Das war’s dann aber auch.

Im September erklärte Frau Ross-Luttmann - ich zitiere -:

„Qualifizierten Frauen kommt eine Schlüsselrolle bei der Beseitigung des Fachkräftemangels zu.“

(Beifall bei der CDU - Norbert Böhlke [CDU]: Das stimmt doch! - Gudrun Pieper [CDU]: Richtig!)

- Ja, das stimmt. - Aber vier Wochen später, meine Damen und Herren, reduzierte dieselbe Ministerin die Mittel für die Integration von Frauen in das Erwerbsleben um satte 14 %. Auch das stimmt, Herr Böhlke!

Deshalb sage ich Ihnen: Entweder weiß die Ministerin nicht, was ihr Pressesprecher erklärt, oder die Ministerin kennt ihren Haushalt nicht. Unter dem Strich sage ich Ihnen: Glaubwürdigkeit sieht gänzlich anders aus, sowohl die von der Ministerin als auch Ihre, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Dabei ist gleicher Lohn für gleiche Arbeit von Frauen und Männern noch immer eine Illusion. Noch heute verdienen Frauen in Niedersachsen rund 25 % weniger als die Männer.

(Kreszentia Flauger [LINKE]: Skandal!)

Für die SPD ist dies im 21. Jahrhundert völlig inakzeptabel!

(Beifall bei der SPD, bei den GRÜ- NEN und bei der LINKEN)

Im Ergebnis werden überwiegend Frauen von Altersarmut getroffen. Hinzu kommt, dass Sie durch

die konsequente Ablehnung von Mindestlöhnen diese Situation der Frauen im Alter zusätzlich verschärfen, meine Damen und Herren.

(Norbert Böhlke [CDU]: Wie ist die Si- tuation in Brandenburg? - Gegenruf von Heiner Bartling [SPD]: Sind wir in Brandenburg oder in Niedersachsen?)

Wir wollen ein Qualifizierungs- und Beratungsprogramm für Frauen, damit Frauen endlich mehr Führungsfunktionen übertragen werden, und zwar ohne auf die Familie verzichten zu müssen. Dafür stellen wir mit unserem Antrag 1 Million Euro in den Haushalt ein.

Eines sage ich Ihnen: Ihr Familienbild ist die klassische Rückkehr zur Familienpolitik von Adenauer. Ein solches Bild braucht diese Gesellschaft heutzutage nicht mehr, meine Damen und Herren!

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Die Landesregierung baut ihren erfolgreichen Weg im Bereich der Seniorenpolitik weiter aus, so die Ministerin im Ausschuss. Ich frage mich: Welchen Weg und vor allen Dingen welches Konzept? - Da gibt es das „Niedersachsenbüro - Neues Wohnen im Alter“, und es gibt immer neue Servicebüros. Was für Frau von der Leyen die Mehrgenerationenhäuser waren, sind für Frau Ross-Luttmann immer mehr die Servicebüros für Senioren - in erster Linie ein günstiges Instrument der Öffentlichkeitsarbeit.

Bei der Inflation von Beratungs- und Servicebüros blickt ohnehin kaum noch jemand daran lang, schon gar nicht die Betroffenen. Aber immerhin, meine Damen und Herren: Im Wohnungsbau 2009 haben Sie für die Senioren ein Aufzugsprogramm mit immerhin 19 geförderten Aufzügen landesweit aufgelegt. Alle Achtung!

Bei der Erledigung der schwerwiegenden Probleme hingegen taucht Frau Ross-Luttmann zwischenzeitlich vollständig ab: nichts zur zunehmenden Altersdiskriminierung - alle unsere Anträge im Parlament haben Sie abgelehnt -, nichts zur Bekämpfung der Altersarmut und vor allem das komplette Versagen in der Altenpolitik, meine Damen und Herren.

Unter dieser Landesregierung ist Niedersachsen nunmehr seit Jahren Schlusslicht in der Altenpflege. Wir haben zurzeit 220 000 Pflegebedürftige in Niedersachsen, 2020 werden wir 280 000 Pflege

bedürftige haben, und im Jahr 2050 werden es 400 000 Pflegebedürftige sein.

(Norbert Böhlke [CDU]: Weil wir im- mer älter werden, nicht wahr?)

- Das ist sehr schön, Herr Böhlke. Es wäre aber auch schön, wenn Sie mit Ihrer Koalition endlich einmal Vorsorge dafür treffen würden.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN - Norbert Böhlke [CDU]: Das machen wir!)

- Wenn Sie das machen, dann stellt sich für mich die Frage, warum die Unruhe erkennbar rasant zunimmt: 2008 Pflegealarmkampagne der Caritas. 2009 Hilferufe der Arbeiterwohlfahrt und der Diakonie. Die Diakonie fordert u. a. die Anpassung der niedersächsischen Pflegevergütung auf das Durchschnittsniveau der anderen Länder, das Aus für Dumpinglöhne, die Einführung eines Mindestlohns - die Diakonie spricht von 10,50 Euro -, das Ende der Tarifflucht und des ruinösen Preiskampfes auf dem Rücken der Mitarbeiter.

Wir verzeichnen einen zunehmenden Fachkräftemangel und viel zu wenig Nachwuchs in der Altenpflege. Niedersachsen benötigt pro Jahrgang 2 000 Altenpflegeschülerinnen und -schüler. Tatsächlich haben wir laut Auskunft des Ministeriums zurzeit nur 1 530. Das ist die Situation!

Wie ist die Antwort der Landesregierung, meine Damen und Herren? - 2003 Abschaffung der Investitionskosten für die stationäre Pflege. 2009 Ablehnung der Öffnung für Hauptschüler in der Altenpflege im Bundesrat. 2009 Ablehnung im Bundesrat von Mindestlöhnen. 2010, angekündigt, 20 % Kürzung für die ambulante Pflege. Zusätzlich sind Sie seit drei Jahren nicht in der Lage, das in Ihrer Verantwortung liegende Heimgesetz, das die Fachkräftequote, alternative Wohnformen und die Heimaufsicht regeln würde, dem Landtag vorzulegen.

Ich sage Ihnen: Diese Regierung handelt absolut verantwortungslos, und sie provoziert nachhaltig einen dramatischen Pflegenotstand in diesem Land, meine Damen und Herren!

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN - Gudrun Pieper [CDU]: Das glauben Sie doch selbst nicht!)

- Doch, Frau Pieper, ich glaube das. Wenn Sie endlich einmal ernst nehmen würden, was Ihnen die Wohlfahrtsverbände und alle Leistungsanbieter sagen, dann würden auch Sie es zur Kenntnis

nehmen. Das brächte uns an dieser Stelle endlich einmal ein Stück weiter, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD)

Aber damit nicht genug. Tränenrührig überreichte die Ministerin 2008 in der Weihnachtszeit symbolträchtig ein 10 Millionen Euro schweres Pflegepaket. Zwölf Monate später ist davon bis heute kein einziger Punkt umgesetzt.

(Filiz Polat [GRÜNE]: Aha!)

Die versprochenen 10 Millionen Euro sind zwischenzeitlich auf 8,3 Millionen Euro geschrumpft. Und woher kommen die, meine Damen und Herren? - Zu 100 % aus Ihren Kürzungen in der ambulanten Pflege.

(Petra Emmerich-Kopatsch [SPD]: Schlimm!)

Im Klartext heißt das: Auf dem Rücken von Pflegekräften und Pflegebedürftigen in der ambulanten Pflege finanzieren Sie Ihr Pflegepaket. Ich finde, das ist ein ganz erschütternder Taschenspielertrick, meine Damen und Herren!

(Beifall bei der SPD)

Gerade beim Thema Pflege wird eines immer deutlicher: Die Zukunft der Altenpflege ist eine der größten sozialpolitischen Herausforderungen. Aber diese Ministerin macht immer klarer, dass sie ihrer Aufgabe in keinster Weise gewachsen ist, meine Damen und Herren.

(Zustimmung bei der SPD)

Hinsichtlich der anderen Themen sage ich Ihnen: Sie ignorieren den Armutsatlas des Paritätischen. Sie versuchen, die gestern veröffentlichten neuen Armutszahlen schönzureden. Dabei verfestigen sich die Zahlen auf hohem Niveau. 17,4 % leben zwischenzeitlich in Niedersachsen unterhalb der Armutsgrenze. Dabei sind die Folgen der Weltwirtschaftskrise in den aktuellen Zahlen überhaupt noch nicht berücksichtigt. Vor allem Alleinerziehende, Kinder und Geringqualifizierte sind immer stärker betroffen. Armut hat in diesem Land zusehends ein Kindergesicht. Das ist nicht zu akzeptieren.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Deshalb sage ich, gerade auf die Kinder ausgerichtet: Die beste Armutsbekämpfung für Kinder wäre eine gute Bildungspolitik. Hier versagt diese Landesregierung aber kläglich. Nein, Sie haben

das Problem durch die Abschaffung der Lernmittelfreiheit in diesem Land sogar noch verschärft.