Herzlichen Dank, Herr Kollege Hagenah. - Für die Landesregierung spricht Herr Minister Hirche. Sie haben das Wort. Bitte schön!
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Das Anliegen, das in dem vorliegenden Antrag zum Ausdruck kommt - Schutz der Arbeitsplätze und der Arbeitnehmerbelange im Volkswagenkonzern -, entspricht der Politik dieser Landesregierung.
Den Weg allerdings, mit einem Landtagsbeschluss ein bestimmtes Abstimmungsverhalten im Aufsichtsrat der VW AG erzwingen zu wollen, halte ich für wenig zielführend und für rechtlich nicht zulässig.
Die Rechtslage ist klar: Jeder Aufsichtsrat ist grundsätzlich dem Unternehmen verpflichtet, für das er Verantwortung trägt. Aufsichtsratsmitglieder sind verpflichtet, im Interesse des jeweiligen Unternehmens zu handeln. Sie dürfen weder Weisungen der Hauptversammlung noch Weisungen einzelner Aktionäre unterworfen werden. Das Aktiengesetz erlaubt kein imperatives Mandat. Die Mitglieder des Aufsichtsrats können also nicht wirksam verpflichtet werden, ihre Pflichten entsprechend den Weisungen eines anderen auszuüben. Das gilt uneingeschränkt auch in diesem Fall.
Meine Damen und Herren, schon vor diesem Hintergrund ist der Antrag der SPD-Fraktion unzulässig. Herr Hagenah hat hier gesagt, man müsse der Gesinnung folgen und das Recht beiseitelassen - auf diesen Weg wird sich die Landesregierung nicht begeben. Das will ich in aller Deutlichkeit sagen.
Meine Damen und Herren, inhaltlich und politisch gibt es für diesen Antrag keinen Bedarf. Die Landesregierung nahm und nimmt weiter die Interessen des Landes bei VW konsequent wahr. Das Anliegen der Arbeitnehmerseite, Geschäftsbeziehungen zwischen Audi und Porsche einer schärferen Kontrolldichte zu unterwerfen, ist nachvollziehbar und objektiv berechtigt. Solch ein besonderer Ausschuss hat jedoch weitreichende Wirkungen - nicht zuletzt auch auf die operative Handlungsfähigkeit des Volkswagenvorstandes - und muss neben der Berücksichtigung von Praktikabilitätsaspekten auch den aktienrechtlichen Anforderungen in vollem Umfang entsprechen, um juristisch nicht angreifbar zu sein.
Es gibt also keinen Unterschied im Ziel, wohl aber in der Beurteilung der Instrumente. Herr Ministerpräsident Wulff und ich haben uns in der Aufsichtsratsitzung vom 12. September dafür ausgesprochen, dass rechtliche Bedenken ausgeräumt werden sollten, also beispielsweise klargestellt werden sollte, dass der Aufsichtsrat eben nicht in das operative Geschäft des Vorstands eingreifen darf. Das sagt das Aktienrecht.
Der Ministerpräsident hatte zudem eine Arbeitsgruppe mit dem Vorstand vorgeschlagen, um Doppelzuständigkeiten der verschiedenen Ausschüsse und damit Ineffizienzen zu vermeiden. Der Aufsichtsrat hat aber die Einrichtung dieses neuen Ausschusses beschlossen.
Wir werden versuchen, die bereits genannten Themen konstruktiv zu bewältigen und eine gemeinsame Lösung zu finden, die selbstverständlich auch die berechtigten Interessen der Arbeitnehmer einbezieht.
Ein schlichtes Zurückdrehen der Entwicklung, meine Damen und Herren, wird es mit uns nicht geben. Das Anliegen der Arbeitnehmerseite ist in der Sache vollauf berechtigt. Deshalb muss ein vernünftiger Weg gefunden werden, dieses sachliche Anliegen - d. h. die konsequente Kontrolle der Geschäfte, z. B. zwischen Porsche und Audi - umzusetzen, dies aber in einem rechtlich angemessenen Rahmen und in einem statt in zwei sich überschneidenden Ausschüssen.
Aufseiten der Arbeitnehmer sehe ich dabei durchaus die Bereitschaft, konstruktiv zu verhandeln. Von der Porsche SE erwarte ich einen ebenso konstruktiven Beitrag. Gegebenenfalls werden wir selbst einen vermittelnden Vorschlag unterbreiten, damit alle Fragen in der Sache behandelt werden können, und zwar in der Tiefenschärfe, die vorgesehen ist, meine Damen und Herren.
Ich bedanke mich im Übrigen dafür, Herr Jüttner, dass Sie - auch wenn wir im Hinblick auf den Weg möglicherweise unterschiedlicher Auffassung bleiben - die feste Haltung der Landesregierung zum VW-Gesetz und die klare Haltung der Landesregierung in Sachen Satzung ausdrücklich gewürdigt haben.
Es gab eine kleine Differenz, die Sie in die Vergangenheit projiziert haben, was den Erwerb zusätzlicher Anteile angeht. Dazu verweise ich allerdings darauf, dass der seinerzeitige Ministerpräsi
Nein. - Wir sind der Auffassung, dass die niedersächsische Rechtsposition, die 20,1 % seien satzungsgemäß und europarechtlich nicht angreifbar, Bestand haben wird. Sie wissen, dass am 26. November die Kommission eine begründete Stellungnahme - noch kein abschließendes Urteil - abgeben wird. Am 27. November wird das Landgericht Hannover über die anhängigen Klagen entscheiden; in diesem Punkt bin ich gemäßigt zuversichtlich. Am 28. November wird der Bundesrat trotz aller Bemühungen, die Baden-Württemberg in der Vergangenheit angestrengt hat, sicherlich auf der bisherigen Linie entscheiden.
Meine Damen und Herren, mit dieser Position in der Sache fahren wir bei Beachtung der Rechtswidrigkeiten am Wege gut. Am Ende werden wir gemeinsam genau die inhaltlichen Positionen durchsetzen, die hier von verschiedenen Debattenrednern bezeichnet wurden.
Herzlichen Dank, Herr Minister. - Die Fraktion der Grünen hat um zusätzliche Redezeit gebeten. Herr Kollege Hagenah, Sie haben anderthalb Minuten. Bitte schön!
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir hätten dies auch mit einer kleinen Zwischenfrage klären können; das wäre schneller gegangen. Aber weil es sich um eine für viele Menschen in Niedersachsen sehr wichtige Frage handelt, muss ich Sie, Herr Minister Hirche, fragen, was Sie mit Ihren Andeutungen konkret gemeint haben. Sie haben gesagt, Sie würden sich nicht daran beteiligen, Dinge zurückzudrehen. Positiv interpretiert wäre es so zu verstehen, dass Sie, wenn der Antrag gestellt würde, den Ausschuss für besondere Geschäftsbeziehungen wieder abzuschaffen, nicht zustimmen, also sich entweder enthalten oder dagegen stimmen. Wenn dem so
wäre, hätte sich die Debatte heute gelohnt und könnten wir diesen Einzelaspekt zufrieden abhaken. Ob es wirklich so gemeint war, sollten Sie dem Haus schon sagen, anstatt hier im Wolkigen zu bleiben. Die Arbeitnehmervertreter, die auch hier sitzen, haben ein Recht darauf, dies zu erfahren. Der Landtag, der Sie im eigentlichen Sinne in diese Aufsichtsratssitzung schickt, hat ebenfalls einen Anspruch darauf, zu wissen, was dort geschehen soll. Das ist für das Land außerordentlich wichtig.
Die Fraktion DIE LINKE hat ebenfalls um zusätzliche Redezeit gebeten. Herr Kollege Adler, auch Sie haben anderthalb Minuten. Bitte schön!
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich meine, der Landtag sollte hier eine politische Entscheidung treffen. Es wäre unglücklich, wenn die Landtagsmehrheit um diese politische Entscheidung herumkäme, nur weil der Antrag in seiner jetzigen Fassung aktienrechtlich nicht völlig korrekt ist.
„Der Landtag spricht sich dafür aus, dass die Vertreter des Landes Niedersachsen im Aufsichtsrat der Volkswagen Aktiengesellschaft einen möglichen Antrag auf Auflösung des Ausschusses für besondere Geschäftsbeziehungen ablehnen werden.“
Das wäre eine politische Meinungsäußerung des Landtages, die die Vertreter im Aufsichtsrat nicht juristisch bindet. Aber wenn die beiden Vertreter des Landes diese Meinungsäußerung des Landtags im Hinterkopf hätten, wüssten sie auch, wie sie sich zu verhalten haben.
Sehr verehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Lassen Sie mich noch einiges sagen, was zu dem Komplex dazugehört. Aufgrund der vielen Gespräche, die wir in den letzten Monaten geführt haben, rechnen wir damit, dass es insbesondere in der letzten November-Woche zu einigen Ereignissen kommt, die dann unterschiedlich interpretiert werden. Im Moment gehe ich davon aus, dass am 26. November die EU-Kommission eine begründete Stellungnahme gegen das modifizierte VW-Gesetz abgeben wird. Dies wird aus Brüssel mit großem Getöse auf uns niederschlagen. Das Getöse ist aber nicht berechtigt, da es sich nicht um eine veränderte Position der EU-Kommission, sondern um jene Position handelt, die sie schon seit fast zehn Jahren eingenommen hat, der in Bezug auf den Punkt Sperrminorität der Europäische Gerichtshof aber nicht gefolgt ist. Ich bitte daher darum, dass wir dies mit der notwendigen Gelassenheit entgegennehmen wie andere Dinge, die Porsche in die Öffentlichkeit gibt bis hin zu Warnungen an den Deutschen Bundestag in den letzten Stunden vor der Abstimmung.
Am 27. November wird es eine Entscheidung des Landgerichts Hannover geben. Es wurde sowohl von der Porsche AG als auch vom Land Niedersachsen, vertreten durch die Landesregierung, angerufen. Dabei geht es um unsere Aktionärsrechte aufgrund der vergangenen Hauptversammlung und der Abstimmung über die Satzung.
Wiederum einen Tag später, am 28. November, wird über das VW-Gesetz im Bundesrat abgestimmt werden. Sie können sich vorstellen, dass die Situation nicht ganz einfach ist, da es hier unterschiedliche Interessen bestimmter Bundesländer gibt. Porsche hat ebenfalls ein Sitzland, nämlich Baden-Württemberg.
In den letzten Jahren hat es sich als außerordentlich klug herausgestellt, hierbei besonnen zu bleiben und vor allem rechtsstaatlich sauber zu agieren. Der Antrag, der hier beschlossen werden soll, ist verfassungsrechtlich problematisch, weil der Landtag damit in die exekutivische Eigenverantwortung der Regierung eingreifen würde. Hier ist der Kernbereich der Exekutive betroffen; denn nicht der Landtag hat uns in den Aufsichtsrat entsandt, sondern wir sind auf Vorschlag der Landes
regierung in den Aufsichtsrat gewählt worden. Insofern findet durch das novellierte VW-Gesetz ein Paradigmenwechsel statt: Wir sind nicht mehr aufgrund eines Entsendungsrechts im Aufsichtsrat, sondern aufgrund einer Wahl durch die Hauptversammlung, in der Porsche schon beim letzten Mal die absolute Mehrheit hatte.
Es geht hier weniger um Konsensstreben als um den festen Grundsatz, dass sich in einem mitbestimmten Unternehmen weder die Arbeitnehmer- noch die Arbeitgeberseite auseinanderdividieren lässt. Nach meiner Kenntnis hat es in dem 50-, 60jährigen Bestehen von Volkswagen keinen einzigen Fall gegeben, in dem die Arbeitnehmerseite unterschiedlich abgestimmt hätte, obwohl es auch unter den Arbeitnehmern unterschiedliche Einschätzungen - manchmal auch zwischen den IG-Metall-Vertretern und den Arbeitnehmervertretern aus dem Betrieb - gegeben hat. Dies ist eine Frage der Durchsetzungsfähigkeit. Der Zustand, dass dies bei Volkswagen jetzt gelegentlich auseinanderfällt, kann auf Dauer nicht Bestand haben. Es wäre für eine gedeihliche Zusammenarbeit unverträglich, wenn sich das Anteilseignerlager auseinanderdividieren ließe. Eine gemeinsame Position muss also das Ziel bleiben; anderenfalls würde die Schlagkraft dieses Unternehmens zerstört, weil nämlich der Vorwurf öffentlich bestätigt würde, dass Volkswagen das einzige Unternehmen in Deutschland sei, bei dem nicht die Anteilseignerseite, sondern die Arbeitnehmerseite zusammen mit dem Land Niedersachsen das Unternehmen führe. Damit würde man all denen in die Hände spielen, die Volkswagen für ein Unternehmen sui generis halten. Das können wir, die wir an Volkswagen ein herausgehobenes Interesse haben, nicht wollen.
Wir verfolgen also weiterhin in Gesprächen mit den Präsidiumsmitgliedern des Aufsichtsrates, Herrn Osterloh, Herrn Wehlauer, Herrn Peters, Herrn Wiedeking und Herrn Piëch, eine Linie, die ich dort von Anfang an vorgetragen habe und die besagt, diese Aufgaben eventuell auch im Ausschuss für die Zusammenarbeit der Gesellschafter zu bearbeiten, den Anwendungsbereich dieses Ausschusses zu konkretisieren und die Definition der Segmente und Fahrzeuge, über deren Geschäfte berichtet und entschieden werden soll, einzugrenzen. Dies muss das Bestreben sein.
Es gibt gute Gründe, warum die Aufsichtsräte nach Aktienrecht an Weisungen nicht gebunden, sondern auf das Unternehmensinteresse verpflichtet sind. Ich bitte hier um Verständnis, dass wir uns
aktienrechtlich korrekt verhalten und dementsprechend das Wohl der Aktiengesellschaft Volkswagenkonzern im Auge haben. Genau darauf pochen wir, wenn wir darauf hinweisen, dass nicht alle Interessen von Volkswagen mit den Interessen des Aktionärs Porsche deckungsgleich sind.
Ich kann wohl für mich beanspruchen, Herr Jüttner, dass ich diesen Punkt bereits vertreten habe, als Sie mir vorgeworfen haben, Porsche als Aktionär nicht zu wollen, kritisch zu sehen oder in dieser Frage Streit zu führen; die Zitate sind von Herrn Thümler genannt worden, und es gibt auch noch ein paar andere. Ich habe von Anfang an gesagt: Das ist alles wunderbar, aber - - - Dieses Aber verfolgen wir seit drei Jahren konsequent, und ich fühle mich durch den Verlauf der Debatten nachhaltig darin bestätigt, dass es richtig war, von Anfang an darauf hinzuweisen, dass es unterschiedliche Interessen geben kann, die in Ausschüssen dieser Art oder in einem solchen Ausschuss sachgemäß zu behandeln sind, ohne dass wir Recht brechen, z. B. in die Befugnisse des Vorstandes eingreifen. Auch das muss vermieden werden, weil das ebenfalls ein Rechtsverstoß wäre. Es hilft uns nichts, in weiteren gerichtlichen Verfahren zu unterliegen. Wir möchten gerne in allen Verfahren, die wir betreiben, obsiegen und sind da bester Dinge. Dann haben wir die Sache weiterhin gemeinsam im Griff.
Schelten Sie uns also, wenn wir abgestimmt haben, falls wir in Ihrem Sinne falsch abgestimmt haben. Aber Sie müssen sehen, dass Sie heute nicht das vorwegnehmen können, was sich in den nächsten sieben Tagen bezüglich der Aufsichtsratssitzung am 21. November entwickeln wird.