(Beifall bei der LINKEN - Karl-Heinz Klare [CDU]: Hier kann jeder frei re- den! Außer in der Bannmeile, da geht das nicht!)
Meine Damen und Herren, als nächster Redner hat Herr Bartling von der SPD-Fraktion das Wort. Bitte schön!
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Althusmann, einen Vergleich zwischen einer Schülerdemonstration, bei der in der Tat Dinge vorgefallen sind, die nicht vorkommen dürfen, und der Zeit zwischen 1933 und 1945 halte ich für völlig unangemessen.
Meine Damen und Herren, 10 000 Schülerinnen und Schüler waren es in Braunschweig, 6 000 waren es in Hannover, über 70 000 waren es bundesweit. Ich bin stolz darauf, dass wir junge Leute in unserer Gesellschaft haben, die aktiv dafür eintreten, ihre Zukunftschancen zu verbessern.
Wenn sie uns sagen, dass sie kleinere Klassen, mehr Lehrer, Lernmittelfreiheit und keine Studiengebühren haben wollen, dann ist das ein Anliegen, das ich nicht nur nachvollziehen kann, sondern auch unterstütze. Aber - das füge ich hinzu - dieses Engagement muss auch den Rechtsrahmen beachten, in dem so etwas stattfinden darf.
Das Eindringen in eine Bannmeile ist ein Rechtsverstoß, bei dem die Ordnungskräfte einschreiten müssen. Das muss man zur Kenntnis nehmen.
Ich weise aber in diesem Zusammenhang insbesondere für die Kolleginnen und Kollegen meiner Fraktion, aber auch für die anderen den Vorwurf zurück, von ihnen sei angestiftet oder gar gezündelt worden.
Vielleicht hätte ein kurzes Auftreten oder auch nur ein Gesprächsangebot an Vertreter der Demonstranten dazu beigetragen, dass sich die Situation beruhigt.
- Herr Althusmann, diese Frage war vorher da. Allein die Bereitschaft eines Mitglieds der Landesregierung, eine Delegation zu empfangen, hätte dazu beitragen können, dass so etwas nicht passiert.
Ich bin übrigens sehr froh darüber - das will ich hier ausdrücklich in Übereinstimmung mit Herrn Althusmann sagen -, dass der Landtagspräsident außerordentlich angemessen auf diese Situation reagiert hat. Sein Verhalten hebt sich übrigens sehr von dem ab, was Sie hier in der Debatte gesagt haben.
Meine Damen und Herren, lassen Sie mich Folgendes hinzufügen: Wir haben gestern eine Debatte über diese Demonstration geführt, in der wir mit den Verschwörungstheorien von Frau Körtner konfrontiert waren. Wir hatten vorher die Verschwörungstheorien in der Pressemitteilung von Frau Mundlos zur Kenntnis zu nehmen, wonach die Demonstration eigentlich nur eine von linken Chaoten und schlimmen Staatsveränderern inszenierte Veranstaltung sei, bei der sich diese armen 70 000 Schülerinnen und Schüler dieser Republik verführen ließen.
Wenn Herr Schünemann Ihre Äußerungen ernst genommen hätte, dann hätte das zu einer anderen Lagebeurteilung durch die Polizei geführt, und dann wären mehr Kräfte vor Ort gewesen.
Meine Damen und Herren, ich kann daraus nur schließen, dass das, was Sie hier im Parlament vorgetragen haben, vom Innenminister nicht so ganz ernst genommen worden ist.
Diese Äußerungen sind von mir auch deshalb nicht ernst zu nehmen, weil ich sehr dafür werbe, dass sich die jungen Leute in unserer Gesellschaft demokratisch artikulieren, wenn - das füge ich gerne hinzu - sie dabei den Rahmen einhalten. Deswegen sage ich noch einmal: Ich bin froh darüber, dass sich junge Leute in dieser Demokratie engagieren. Sigrid Leuschner hat hier heute Morgen in der Debatte gesagt, dass Demokratie und das, was wir gestern erlebt haben, auch etwas mit Engagement zu tun hat und wir aufgefordert werden, so etwas zu tun. Deshalb bin ich froh darüber, dass sie demonstriert haben. Wir sollten diese Vorkommnisse, die sich dabei ereignet haben, zwar nicht akzeptieren, aber etwas gelassener sehen, als sie hier debattiert werden.
(Starker Beifall bei der SPD, bei den GRÜNEN und bei der LINKEN - Karl- Heinz Klare [CDU]: Sprach es und ging als ehemaliger Innenminister!)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Bartling, ich bin sehr dafür, dass man Dinge nicht überwertet und dass man die notwendige Gelassenheit behält. Es gibt allerdings auch Grundsätze der Demokratie und des Parlamentarismus, die man jungen Menschen vermitteln muss, damit sie verstehen, warum sie eingehalten werden müssen. Das sind die Grundsätze des Versammlungsrechtes, das sind auch die Regelungen zu Bannmeilen und die Erfahrungen, die man gemacht hat. Dies alles sind Dinge, die wir berücksichtigen müssen.
Ich finde es nicht in Ordnung, wenn jetzt hier in diesem Parlament gegenseitig Vorwürfe, die nicht belegbar sind - - -
(Beifall bei der FDP - Lebhafter Wi- derspruch bei der SPD und bei der LINKEN - Wolfgang Jüttner [SPD]: Genau auf den Punkt können wir ger- ne zurückkommen!)
Sie haben uns hier heute vorgeworfen, wir hätten Tausende von friedlichen Schülern, die demonstriert haben, mit einigen wenigen autonomen Krawallmachern in einen Topf geschmissen. Ich muss Ihnen sagen: Das haben wir nicht getan! Wir haben hier gestern in der Aktuellen Stunde dargestellt, dass es berechtigte Interessen gibt, für die man demonstrieren kann, dass die Schüler für ihre Anliegen durchaus demonstrieren können und es in einer Demokratie tun sollen, dass sie sich dabei allerdings auch an die Spielregeln halten müssen. Es ist doch wohl unstreitig, dass dieses Recht gestern von einigen wenigen missbraucht worden ist. So sagt der Vorsitzende des Schülerrates - Zitat aus der Hannoverschen Allgemeinen Zeitung -:
Auch wir bedauern, dass einige wenige Schüler dazu beigetragen haben, dass die Kontrolle entglitten ist und dass das, was sie eigentlich zum Ausdruck bringen wollten, nicht mehr herüberkam. In der Neuen Presse stand:
„Viele Schüler sind unsicher, ob dies noch ihr Protest ist. ‚Schlimm, dass sich die Linken so in den Vordergrund drücken’, sagt ein Zwölftklässler aus Lehrte.“
Nein. - Wir kritisieren, dass einige wenige diese Demonstration von Schülern missbraucht haben, um für andere politische Anliegen Stimmung zu machen.
Herr Wenzel, ich finde es schlimm, wie Sie die Ereignisse von gestern in Ihrer Pressemitteilung schildern. Sie haben darin die folgende Bewertung
vorgenommen: Den lautstarken und übermütigen Protest als Gewaltausbruch zu bezeichnen, ist übertrieben. - Herr Wenzel, das, was Sie als lautstarken Protest bezeichnet haben, liest sich wie folgt - ich zitiere aus der Neuen Presse, die das Ganze beobachtet hat -:
„vereinzelt flogen Steine auf Beamte… Drei Polizisten erlitten durch Fußtritte und Faustschläge ins Gesicht leichte Verletzungen …Zwei Randalierer (18, 27) nahmen Einsatzkräfte fest.“