2. Welche Maßnahmen und Initiativen hat die Landesregierung seit 2003 umgesetzt, um Kindern und Jugendlichen, aber auch älteren Generationen den Zugang zur kulturellen Bildung zu ermöglichen?
3. Wie hoch waren die bisherigen Ausgaben zur Unterstützung der Projekte zur Förderung der kulturellen Bildung in Niedersachsen seit 2003?
Wenn über kulturelle Bildung gesprochen wird, muss neben dem Bildungs- und Vermittlungsaspekt auch der Stellenwert von Kultur selbst Berücksichtigung finden. Kulturelle Bildung muss demzufolge eine wichtige Rolle in den Bildungseinrichtungen einnehmen, vorrangig in Kita und in Schule, aber auch in außerschulischen Bildungsinstitutionen und in den Kultureinrichtungen selbst. Kulturelle Bildung wird in Niedersachsen als Querschnittsaufgabe verstanden und entsprechend umgesetzt. Sie bezieht sich grundsätzlich auf alle Altersschichten, wobei Kinder und Jugendliche bei der Beantwortung dieser Anfrage besonders im Fokus stehen.
Der Bildungsbericht 2012 mit seiner Sonderuntersuchung zur kulturellen Bildung im Lebenslauf, das JugendKulturBarometer 2012 und auch das InterKulturBarometer 2012 machen eindrucksvoll die Bedeutung der kulturellen Bildung im außerschulischen und im schulischen Bereich deutlich. Die
Studien zeigen aber auch, dass die künstlerischen Interessen der Eltern, die Nationalität von Eltern und Kindern und die jeweilige soziale Lage die musisch-ästhetische Betätigung von Kindern und Jugendlichen nachhaltig beeinflussen. Die Angebote kultureller Bildung mit Beteilung des Landes sind, auch aufgrund des Flächenlandes Niedersachsen, so vielgestaltig, dass diese bei der Beantwortung der Fragen lediglich exemplarisch und mit herausragenden Beispielen dokumentiert werden.
Zu 1: Die Niedersächsische Landesregierung ist sich der Bedeutung kultureller Bildung in einem umfassenden Sinn bewusst und arbeitet gezielt mit unterschiedlichen Programmen und Projekten ressortübergreifend daran, sowohl die kulturelle Vielfalt Niedersachsens, das kulturelle Erbe als auch kulturelle Innovation zu berücksichtigen und kulturelle Partizipation für alle Menschen in Niedersachsen zu ermöglichen. In allen Zielvereinbarungen, die das Land mit seinen Partnern aus dem Kulturbereich geschlossen hat, ist die Arbeit mit Kindern und Jugendlichen ein wesentlicher Bestandteil. Kulturelle Bildung findet heute in nahezu jedem Theater, Museum, Literaturbüro oder Kunstverein statt und wird auf unterschiedliche Art und Weise seitens des Landes Niedersachsen unterstützt. So hat beispielsweise erst im September dieses Jahres der Kunstraum Tosterglope aus der Region Lüneburg mit seinem vom Land Niedersachsen geförderten Projekt „Ambulanz“ den BKMPreis für kulturelle Bildung erhalten. Aber auch in der Denkmalpflege und der Heimatpflege finden zahlreiche Angebote kultureller Bildung statt. Besonders die Tanz- und Trachtenvereine leisten hier bemerkenswerte Arbeit. Das Niedersächsische Kultusministerium entwickelt und fördert zudem sehr erfolgreich unterschiedliche Programme kultureller Bildung in allen Schulstufen- und -formen, oft in Kooperation außerschulischer Bildungseinrichtungen der kulturellen Bildung. Im Aufgabenbereich des Sozialministeriums finden Angebote kultureller Bildung vor allem im präventiven Bereich statt.
Zu 2: Seit 2003 hat die kulturelle Bildung in Niedersachsen insgesamt an Bedeutung gewonnen. Bei diesem Entwicklungsprozess sind besonders die Landesvereinigung für kulturelle Jugendbildung (LKJ Nds) , der Landesverband der Kunstschulen (LVKN) , der Landesverband der Musikschulen (LVMS) , die Landesarbeitsgemeinschaft Soziokul
tur (LAGS), der Friedrich-Bödecker-Kreis (FBK), die Büchereizentrale Niedersachsen (BZN), die Akademie für Leseförderung Niedersachsen (ALFN) , aber auch die Theaterpädagogischen Zentren wichtige Partner für das Land Niedersachsen. Aber auch die regionale Kulturförderung mit den 14 Landschaften und Landschaftsverbänden, die seit 2005 mit Mitteln des Landes auch Projekte der kulturellen Bildung vor Ort fördern, ist hier zu nennen. Die nachstehend aufgeführten Beispiele sollen auch die besondere Qualität kultureller Bildung belegen.
Im Rahmen der Kultur- und Schulentwicklung nimmt die kulturelle Bildung einen wichtigen Part ein. Um Kultur und Schule noch besser miteinander zu verbinden, soll zum Schuljahr 2013/2014 an 30 Modellschulen gezielt die kulturelle Schulenwicklung unterstützt werden. Kultur- und Kultusministerium in Niedersachsen erarbeiten zurzeit ein entsprechendes Konzept. Um kulturelle Bildung in Schulen zu stärken, sollen bestehende Aktivitäten, Netzwerke, Strukturen sichtbar und verfügbar gemacht bzw. entwickelt werden, damit außerschulische kulturelle Akteure mit einzelnen Schulen umfassend im Sinne einer kulturellen Schulentwicklung kooperieren können. Ziel des Projektes ist es zum einen, den Schulen, die am Modellprojekt teilnehmen, eine Profilierung als „Kulturschule Niedersachsen“ und damit als eigenständiges Markenzeichen zu ermöglichen. Zum anderen sollen die außerschulischen Anbieter kultureller Bildung mit ihren Erfahrungen und Erkenntnissen für qualitativ hochwertige Angebote sorgen.
Beispielhaft ist die Förderung der Kunstschulen, bei denen das Land Niedersachsen mit den Themenschwerpunkten „Integration“ (2007 bis 2008), „Generationen verbinden“ (2009 bis 2010) sowie seit 2011 mit „Kunstschule 2020“ gezielt Projekte der kulturellen Bildung in Kooperation mit Kitas, Schulen und anderen Einrichtungen fördert. Zusätzlich wird die Entwicklung der Kunstschulen im Hinblick auf die Herausforderungen gesellschaftlicher Prozesse unterstützt.
Das Land Niedersachsen hat im Jahr 2008 das Modellprojekt „Vermittlung an niedersächsischen Kunstvereinen“ ins Leben gerufen. Ziel des Projektes ist es, durch neue und innovative Formen der Kunstvermittlung Menschen für zeitgenössische
Kunst zu interessieren und zu begeistern, die bislang kaum Ausstellungen in Kunstvereinen besucht haben. Das Projekt wird verstetigt. Ab dem Jahr 2013 wird eine Voraussetzung für die Förderung der Jahresausstellungsprogramme der Kunstvereine und vergleichbarer Einrichtungen sein, dass auch Projekte zur Kunstvermittlung/kultureller Bildung angeboten werden. So vermittelt beispielsweise der Kunstraum Tosterglope auch sein Ausstellungsprogramm, vor allem bewegt er sich aber mit seinem Vermittlungsprogramm „Ambulanz“ hin zu den Schulen und in den öffentlichen Raum.
Dieser Ansatz unterscheidet sich von anderen Kunstvereinen, ist aber auch notwendig, da - bedingt durch die ländliche Lage - der Kunstraum Tosterglope sich seit Beginn zu seinem Publikum hin orientieren und bewegen musste. Der mobile Charakter des Kunstvermittlungsansatzes kommt auch in dem Titel „Ambulanz“ zum Ausdruck. Ziel ist es, Menschen - vor allem Kinder und Jugendliche - mit Strategien zeitgenössischer Kunst vertraut zu machen und sie durch die aktive Beteiligung an den Projekten zu Akteuren zu machen.
Das Musikland Niedersachsen als Gesamtkonstrukt musikalischer Bildung ist für kulturelle Bildung von herausragender Bedeutung.
Aus diesem Grund hat das Ministerium für Wissenschaft und Kultur in Zusammenarbeit mit dem Landesverband niedersächsischer Musikschulen e. V. das Musikalisierungsprogramm „Wir machen die Musik!“ entwickelt. Das Programm wurde im Schuljahr 2009/2010 ins Leben gerufen. In Kindertagesstätten und Grundschulen erhalten die Kinder im Alter von drei bis zehn Jahren die Möglichkeit, Erfahrungen im gemeinsamen Singen und Musizieren zu sammeln.
Seit 2009/2010 konnte die Anzahl der teilnehmenden Musikschulen von 59 auf 73 erhöht werden, die der Jahreswochenstunden von 430 auf 2 000. Die Anzahl der erreichten Kinder überschreitet im Schuljahr 2012/13 die Marke von 30 000. Das Programm ist vorerst geplant bis 2016. Ziel ist es, bis dahin 80 % aller Kinder in Kitas und 30 % der Kinder in Grundschulen zu erreichen.
mehr als einem Jahrzehnt eine pädagogische Säule im Musikland Niedersachsen. Ziel des Aktionsprogramms „HAUPTSACHE:MUSIK“ ist die Vernetzung zwischen niedersächsischen Schulen, Musikschaffenden und Institutionen der Musikerziehung und Musikvermittlung und damit die zunehmend stärkere Verknüpfung der schulischen Musikpädagogik mit der außerschulischen Musikerziehung. Dazu gehören u. a.:
- Profilklassen: Chorklassen ab der GS und Bläserklassen in der SEK I, Keyboardklassen, Percussion- und Orchesterklassen, auch in Förderschulen,
- Kinderchorfestival „Kleine Leute, bunte Lieder“ an 23 Regionalstandorten im Frühjahr 2012 in Kooperation mit der Landesmusikakademie (LMA) ,
Des Weiteren haben das Niedersächsische Kultusministerium und die Bertelsmann-Stiftung zum Schuljahr 2012/2013 das Schulentwicklungsprojekt „Musikalische Grundschule Niedersachsen“ gestartet: Innerhalb der Projektlaufzeit von zwei Schuljahren erhalten 102 Grundschulen die Möglichkeit, sich zu einer musikalischen Grundschule zu entwickeln. Es haben sich pro Regionalabteilung (Lüne- burg, Braunschweig, Hannover und Osnabrück) je ca. 25 Schulen beteiligt.
Auch in Museen ist kulturelle Bildung fester Bestandteil der täglichen Arbeit. In Bezug auf die sechs niedersächsischen Landesmuseen in Braunschweig, Hannover und Oldenburg kann festgestellt werden, dass dort sowohl Programme angeboten werden, die auf die außerschulische kulturelle Bildung von Kindern zielen, als auch Angebote unterbreitet werden, die sich auf die Schulcurricula ausrichten und so eine sinnvolle Ergänzung und Erweiterung zum Unterricht in der Schule darstellen. Ein gelungenes Beispiel für kulturelle Bildung präsentiert die Kunsthalle Emden mit dem Projekt „Auf Augenhöhe“. Anlässlich der Sonderausstellung 2011 in der Kunsthalle Emden wurden zwei- bis fünfjährige Kinder eingeladen, einen Ausstellungsraum zu gestalten. Die Bildauswahl erfolgte nach den Vorgaben der Kinder, die die Gemälde sowohl aus der präsentierten Sammlung als auch aus den Depots auswählten. Das Arrangieren der
Bilder erfolgte „auf Augenhöhe“ - für die Kinder bedeutete das allerdings nicht auf ihrer Augenhöhe, sondern im übertragenen Sinne: Vögel, Sonne und Mond wurden höher gehängt als Darstellungen von Pflanzen, die am Boden wachsen, oder von Menschen, die tatsächlich auf Augenhöhe gehängt wurden. Durch das Projekt erhielten nicht nur Kinder die Möglichkeit, sich mit Kunstwerken auseinanderzusetzen, auch das Museum lernte zum Teil die Bilder neu/aus Kinderaugen zu sehen.
Projekte kultureller Bildung durch die 72 Einrichtungen der Soziokultur in Niedersachsen leisten sowohl im städtischen als auch im ländlichen Raum wichtige jugendkulturelle Arbeit. Beispielhaft zu nennen sind in diesem Zusammenhang zwei Projekte aus 2012:
Das Projekt baut auf die seit 2005 bestehende Initiative MOTS - Moderner Tanz in Schulen - auf. FIGHT OR FLIGHT ist als ein Auftakt für ein geplantes Jugendtanzensemble zu verstehen. Jugendliche werden, trotz ihrer unterschiedlichen Herkunft, in ihrem tänzerischen Talent gefördert und geben diese Erfahrungen in Anschluss an die Vorstellung in Rahmen von Workshops an andere Schüler weiter.
Das Filmprojekt orientiert sich an dem Film aus dem Jahr 1990 „Wir in der Kochstraße“ mit Bewohnern der Kochstraße in Linden. Das generationenübergreifende Projekt besteht aus Interviews, Theatervorführungen und Kunstaktionen. Multikulturelles Zusammenleben und soziokulturelles Zusammenwirken in der Großstadt sollen in diesem Fokus sichtbar werden.
Nahezu alle Theater in Niedersachen arbeiten gezielt mit Kindern und Jugendlichen zusammen. Besonders hervorzuheben sind hier:
Seit der Spielzeit 2007/2008 gibt es das junge schauspielhannover. Mit der Spielzeit 2008/2009 wurde der Ballhof dem Kinder- und Jugendtheater als eigenständige Spielstätte gewidmet. Seitdem werden dort Stücke von und für Kinder und Jugendliche aufgeführt. Seit der Spielzeit 2010/2011
Während sich das Programm der ersten Spielzeit noch an Jugendliche ab zwölf Jahren richtete, werden mittlerweile auch Opern für Kinder ab vier Jahren aufgeführt.
Die Zahl der jungen Besucherinnen und Besuchern in dieser Spielstätte ist von 17 500 in der Spielzeit 2007/2008 auf über 26 000 in der Spielzeit 2009/2010 gestiegen.
Seit August 2010 leistet das Kooperationsprojekt „Theater.Fieber" des Staatstheaters Braunschweig mit Schulen aus Braunschweig und dem Braunschweiger Land einen wichtigen Beitrag zur kulturellen Bildung und ästhetischen Erziehung. Der Kooperationsvertrag ermöglicht es jedem Schüler, über drei Jahre die Bandbreite der künstlerischen Arbeit des Staatstheaters zu erleben sowie in einem extra für Schüler organisierten Tag der offenen Tür das Theater als Unternehmen und potenziellen Arbeitgeber kennenzulernen. An dem Projekt sind 35 Grund- und Oberschulen mit rund 17 000 Schülerinnen und Schülern beteiligt.
Fünf Grundschulen profitieren vom Projekt THEATERSTARTER, das Schülerinnen und Schülern der Klassen 1 bis 4 jährlich den Besuch einer Aufführung des Jungen Staatstheaters ermöglicht. Flankierend gibt es einen Theaterführerschein, der die Theatererfahrung dokumentiert, und weitere theaterpädagogische Angebote.