Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister, vor dem Hintergrund der Tatsache, dass Ihr Haus mit Schreiben vom 1. Oktober 2012 an das Bundesumweltministerium geltend gemacht hat, dass die neuen Sicherheitsanforderungen einen „ungerechtfertigten Nachweis- und Nachrüstungsaufwand“ enthalten und Sie dem Entwurf deshalb nicht zustimmen wollen, sowie vor dem Hintergrund der Tatsache, dass Sie hier drei weitere Punkte von Verschärfungen genannt haben, die Sie nicht für zustimmungsfähig halten, frage ich Sie, ob diese vier Punkte in dem neuen Entwurf enthalten sein werden und was die Stellungnahmen der Experten zu Ihren Vorschlägen ergeben haben.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Wenzel, Sie spielen auf das Schreiben aus meinem Haus vom 1. Oktober 2012 an, mit dem wir uns noch einmal in die Diskussion eingebracht haben. Eigentlich müsste man das Schreiben komplett vorlesen.
„Schreiben vom 1. Oktober 2012 an das Bundesministerium für Naturschutz und Reaktorsicherheit - nachrichtlich an die atomrechtlichen Genehmigungs- und Aufsichtsbehörden der Länder“
(Stefan Wenzel [GRÜNE]: Wenn Sie vielleicht erst meine Frage beantwor- ten und dann Ihre Lesung veranstal- ten! Oder Sie geben es uns schriftlich, dann können wir alle mitlesen! - Un- ruhe)
Meine Damen und Herren, ich schlage vor, dass wir jetzt nicht in ein Frage- und Antwortspiel eintreten.
- Herr Kollege Wenzel, Sie müssen schon der Landesregierung überlassen, in welcher Reihenfolge sie antwortet.
Ihre Kollegin hat offensichtlich ein Informationsbedürfnis bezüglich dieses Schreibens. Deshalb hat sie gesagt, ich möge es vorlesen.
- Ich habe auch kein Bedürfnis, es vorzulesen. Aber wenn Sie das gerne wollen, dann habe ich damit kein Problem. Ich will die entscheidenden Passagen vorlesen. Dabei finde ich es besonders bemerkenswert, dass Sie hier einen Schriftverkehr mit Baden-Württemberg zum Gegenstand machen, nämlich den, mit dem der dortige Staatssekretär auf dieses Schreiben reagiert hat. Das ist Ihnen natürlich unbenommen. Aber zur Vollständigkeit gehört dann nun einmal, dass ich noch ein bisschen weiter ausführe.
„Eine Reihe von Regelungen [in dem letzten Entwurf des Kerntechnischen Regelwerkes] werden diesem Ansatz insbesondere deshalb nicht gerecht, weil sie ohne Begründung oder Rechtfertigung zu erheblichen Verschärfungen der bestehenden Anforderungen führen“
- Ohne Begründung und Rechtfertigung! Ich verweise nur auf den Grundsatz, dass man Dinge auch begründen und rechtfertigen muss. -
„und auch keine neuen technischwissenschaftlichen Erkenntnisse vorliegen, die zur Rechtfertigung der vorgesehenen Erhöhung der Anforde
rungen angeführt werden könnten. Ein Festhalten an diesen Anforderungen wäre mit schwerwiegenden Vollzugsproblemen aufseiten der Länder, insbesondere mit unvorhersehbaren Verfahrensrisiken und Risiken von Entschädigungspflichten in heute unkalkulierbarer Höhe verbunden. Deshalb sind diese Regelungen zu ändern. Daher werden für diese Fälle in der Anlage Änderungsvorschläge unterbreitet, die zu geänderten sachgerechten Anforderungen führen, die ohne Vollzugsprobleme umgesetzt und gegebenenfalls auch durchgesetzt werden können und nicht mit nachteiligen Auswirkungen auf die Sicherheit verbunden sind. Auf die dortigen Begründungen wird verwiesen.“
„Insgesamt ergeben sich rund 160 Punkte in dem untersuchten Entwurf der Sicherheitsanforderungen, die in der Worst-Case-Bewertung zu erheblichen möglichen Auswirkungen auf die atomrechtlichen Verfahren führen könnten. In etwa der Hälfte der Fälle würden neue Analysen bzw. Nachweise auf den SE 3 und 4 a erforderlich werden.“
„Die anderen Kategorien liegen in der Größenordnung zwischen 15 und 10 % der identifizierten Fälle. Das heißt, in etwa zehn Fällen mit festgestellten Abweichungen zwischen den bisherigen und neuen Anforderungen könnten mit den neuen Anforderungen auch für die modernsten Anlagen in Deutschland, die Konvoianlagen, die Forderungen zur Errichtung neuer oder zusätzlicher Komponenten oder Teilsysteme resultieren. In dieser Größenordnung können auch neue Regelungen für das Betriebsreglement einschließlich der dafür erforderlichen Nachweise liegen.“
„Als Ergebnis ist festzuhalten, dass in einer sehr großen Zahl der Fälle keine Begründung der mit den neuen An
forderungen erhöhten Forderungen vorliegt und auch keine neuen technisch-wissenschaftlichen Erkenntnisse vorliegen, die eine Erhöhung einer Anforderung rechtfertigen können.“
„Wegen der sehr großen Fallzahl konnte keine vollständige Bewertung dieser Frage für alle rund 160 Abweichungen vorgenommen werden. In der zweiten Stufe der Bewertung wurden Punkte aufgegriffen, die ganz offensichtlich wesentliche Bedeutung für die atomrechtlichen Verfahren haben können und deshalb näher zu untersuchen sind. Hierbei wurden in diesem Sinne als wesentlich folgende Problempunkte identifiziert:“
„Dabei wurde davon ausgegangen, dass sich die neuen Sicherheitsanforderungen an Kernkraftwerke grundsätzlich im Bereich des geltenden Rechts bewegen. Das bedeutet, dass keine Anforderungen gestellt werden können, die nach Maßgabe der §§ 7, 17 und 19 AtG nicht auch durchgesetzt werden können. Dabei wird unterstellt, dass die Anforderungen keine Entschädigungsansprüche nach § 18 AtG hervorrufen sollen. Die bisherigen Beratungen von Bund und Ländern gehen nach hiesigem Verständnis auch von diesem Ansatz aus.“
„Im zweiten Bewertungsschritt wurden mit den neuen Sicherheitsanforderungen vorgesehene Regelungen identifiziert, die diesem Ansatz nicht gerecht werden. Diese Regelungen wären nach gegenwärtigem Kenntnisstand somit im Vollzug nicht umsetz- und im Zweifel nicht durchsetzbar, wenn keine Entschädigungsansprüche hervorgerufen werden sollen.“
Jetzt, Herr Wenzel, müssen Sie mir noch einmal helfen. Was waren die vier Punkte, zu denen Sie noch etwas wissen wollten?
- Ich habe es verstanden, Herr Wenzel: Ob diese vier Punkte in dem vorliegenden Entwurf berücksichtigt worden sind. - Das kann ich noch nicht sagen. Nach diesem Schreiben gab es ja dieses Treffen, in dem schon viel abgeräumt worden ist; das habe ich eben vorgetragen. In dem weiteren Treffen gab ein sehr konsensuales und an der Sache orientiertes Gespräch, in dem viele unserer Anregungen aufgenommen worden und hinterher auch in unsere Arbeit eingeflossen sind.
Nur liegt dieser neue überarbeitete Entwurf noch nicht vor. An ihm arbeitet das Bundesumweltministerium derzeit. Insofern kann ich die Frage, ob das aus unserer Sicht hinreichend berücksichtigt worden ist, noch nicht abschließend beantworten.
Ich habe in meiner Antwort aber ausgeführt, dass wir als Haus - auch die Kolleginnen und Kollegen in der Fachabteilung - davon ausgehen, dass wir nach den Entwicklungen der letzten Wochen am 20. November dem Entwurf der Bundesregierung zustimmen können. Insofern gehen wir davon aus, dass diese konstruktive Kritik mit dem Ziel, diesen Prozess endlich zum Ende zu bringen, aufgegriffen wurde und wir damit vor dem Ergebnis stehen, zur Verabschiedung zu kommen, sofern diese Punkte in dem neuen Regelwerk hinreichend Berücksichtigung gefunden haben.
Aber wie gesagt: Dieses neue Regelwerk kennen wir noch nicht. Wir kennen nur den Prozess, aber nicht das Ergebnis. Daher werden wir das erst dann abschließend beantworten können, wenn es vorliegt und wir es einer fachlichen Prüfung haben unterziehen können. Aber soweit wir es erkennen können, wird das zustimmungsfähig sein.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zunächst möchte ich feststellen, dass der für die Sicherheit der Bevölkerung auch im Umfeld von kerntechnischen Anlagen verantwortliche Minister für den Katastrophenschutz an dieser Frage eben
Vor dem Hintergrund, dass wir bei der Beratung der Novelle des Katastrophenschutzgesetzes im Innenausschuss, bei der es auch um den Katastrophenschutz im Bereich von Betrieben geht, die gefährliche Stoffe verarbeiten - ich erinnere an den letzten Katastrophenalarm, der uns noch in schlechtester Erinnerung ist -, mit Entsetzen feststellen mussten, dass es bislang noch keinen Vorschlag zum Katastrophenschutz im Bereich kerntechnischer Anlagen in Niedersachsen gibt, frage ich die Landesregierung: Hat das Umweltministerium beim Innenministerium angemeldet, dass dieser mit dem Regelwerk in einem unmittelbaren Sachzusammenhang stehende Aspekt des Katastrophenschutzes im Bereich kerntechnischer Anlagen in das Katastrophenschutzgesetz aufgenommen wird?
Hier müssen die Erfahrungen aus Fukushima - Stichwort Evakuierungsradien usw. - berücksichtigt werden. Von Bedeutung sind darüber hinaus die Standorte der entsprechenden Lage-, Mess- und Koordinierungszentren. Es kann schließlich nicht angehen, dass in einem Landkreis, in dem ein Kernkraftwerk steht, die zuständige Katastrophenschutzbehörde handeln muss. Denn die wäre von Evakuierungsmaßnahmen ja als Erste betroffen und daher handlungsunfähig.
Frage also: Warum werden in der Novelle zum Katastrophenschutzgesetz keine Konsequenzen daraus gezogen, und warum ist das Umweltministerium nicht auch gegenüber dem Innenministerium verantwortlich tätig geworden?