Es gibt in Niedersachsen einen aus meiner Sicht sehr sinnvollen Vorschlag des FDP-Landesvorsitzenden Dr. Stefan Birkner, nämlich es, wenn der Bund dort tatsächlich investieren möchte, den Ländern zu überlassen, wofür sie das Geld ausgeben. Dann kann Herr Seehofer dadurch sein Landesbetreuungsgeld ersetzen, und wir könnten beispielsweise Krippenplätze ausbauen oder auch an der weiteren Verbesserung der Qualität der Kitas arbeiten.
Das, was Sie heute von uns verlangen, ist eher destruktiv. Sie verlangen nämlich, dass wir uns nicht in die Diskussion einbringen, sondern hier einfach pauschal beschließen, dass wir das Betreuungsgeld ablehnen und damit auch ablehnen, dass der Bund überhaupt die Initiative ergreift und den Ländern möglicherweise weiteres Geld zur Verfügung stellt.
Deswegen ist es unser Ansinnen, Ihren Antrag abzulehnen und damit deutlich zu machen, dass wir uns auf Bundesebene konstruktiv in die Diskussion einbringen wollen, ganz im Sinne des Vorschlags unseres FDP-Landesvorsitzenden Dr. Birkner.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist eben erneut deutlich geworden: Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, die Fraktion DIE LINKE und auch die Fraktion der SPD - das werden wir gleich hören; in den Ausschussberatungen haben wir das ja auch zu hören bekommen - gibt es nur eine Antwort auf die Frage, wie Kleinkinder in Deutschland am besten betreut werden sollen: vom Staat. Nur der Staat könne es richten. Betreuung durch den Staat sei der Königsweg, den wir alle zu beschreiten hätten. - Das ist die Auffassung der linken Seite in unserem Hause.
Für mich und für die CDU insgesamt steht aber fest, dass wir Politiker aufhören müssen, jungen Eltern vorzuschreiben, wie sie mit ihren Kindern leben sollen.
(Kreszentia Flauger [LINKE]: Wir woll- ten noch nie jemandem vorschreiben, ein Kind irgendwohin zu schicken!)
Für uns steht fest, dass der Krippenausbau für die Wahlfreiheit genauso wichtig ist wie die Unterstützung der privat geleisteten oder privat organisierten Bildung, Erziehung und Betreuung.
Ich glaube, dass die Bildungspolitiker, die vor mir gesprochen haben, mit Ausnahme des Kollegen Försterling eines bisher nicht erkannt haben, nämlich dass Bildung bei Babys, bei Kleinstkindern anders abläuft. Die Einjährigen gewinnen Bildung nämlich durch Bindung. Das ist hier überhaupt nicht angesprochen worden. Bindung bedeutet Vertrauen, vertraute Bindungspersonen.
Es ärgert mich, dass der Aspekt der Betreuung immer wieder unter der großen Überschrift „Vereinbarkeit von Familie und Beruf“ abgehandelt wird. Für uns von der CDU steht fest, dass das Kindeswohl eindeutig in den Vordergrund zu stellen ist. Das ist unser Ansatz.
(Beifall bei der CDU und Zustimmung von Christian Grascha [FDP] - Kres- zentia Flauger [LINKE]: Was denken Sie eigentlich, was für uns im Vorder- grund steht?)
- Für Sie steht das im Vordergrund, was gerade populistisch ist, was Sie gerade meinen versprechen zu können, was beim Wähler ankommt.
(Clemens Große Macke [CDU]: Rich- tig! - Kreszentia Flauger [LINKE]: Sie wissen, dass es nicht so ist, Frau Vo- ckert!)
Wir haben uns inhaltlich damit auseinandergesetzt und gehört, was im Familienausschuss des Deutschen Bundestages zu diesem Gesetzentwurf gesagt worden ist. Da hat es eine Expertenanhörung gegeben. Bei Expertenanhörungen - das kennen Sie - dürfen auch die Oppositionsfraktionen Experten benennen. Aber selbst die mussten eingestehen, dass es nicht in erster Linie das Setting - Familie, Krippe oder Tagespflege - ist, das zu Unterschieden in der kindlichen Entwicklung führt, sondern die Qualität der Betreuung, Ansprache und Anregung. Der Bindungsforscher und Kinderarzt Dr. Rainer Böhm hat in dieser Ausschusssitzung festgestellt: „Das mit Abstand wichtigste System kindlicher Frühförderung ist die eigene Familie.“ Das heißt, jede Betreuungsform, die die Eltern wählen, kann die richtige sein.
Vor diesem Hintergrund sagen wir: Es ist richtig, mit dem Betreuungsgeld die Gleichbehandlung zu gewährleisten, was letztlich bedeutet, die elterliche Entscheidung zu respektieren.
Wenn das Kindeswohl an erster Stelle steht, dann ist festzuhalten - das wird immer wieder falsch dargestellt, aus dem Bauch heraus, weil es so schön einfach ist, das zu unterstellen -, dass auch Kinder aus bildungsfernen und sozial benachteiligten Familien von einer Betreuung in der Familie profitieren können. Denn diese Betreuung befriedigt das Bedürfnis nach verlässlicher, familiärer Bindung. Auch das, liebe Kolleginnen und Kollegen, ist mit Hinweis auf Daten der OECD bestätigt worden: Es genügt, eine vorschulische Bildung, Erziehung und Betreuung von zwei bis drei Jahren Dauer zu gewährleisten, um Vorteile in der Bildungsbiografie zu gewinnen. Die Behauptung, die kleinen Babys hätten gleich soziale und Bildungsnachteile, wenn sie nicht in eine staatliche Institution kommen, ist also eine Mär. Dem ist definitiv nicht so.
Ich habe eben wieder einen ideologischen Debattenbeitrag der Frau Kollegin Staudte gehört, und wir werden gleich wieder einen solchen Beitrag des Kollegen Brammer zu hören bekommen. Dass
Sie der Ansicht sind, eigentlich könne nur der Staat das vernünftig machen, dass Sie das als Königsweg ansehen, zeigt, dass Sie nach wie vor mit ideologischen Scheuklappen unterwegs sind.
Frau Kollegin Staudte, wenn Sie jetzt noch beklagen, dass hier und da Krippenplätze fehlen, dann müssen Sie eines zugestehen: Die Mittel, die diese Landesregierung für diesen Bereich zur Verfügung gestellt hat, sind von unbeschreiblichem Wert.
Diese Mittel greifen aber nur dann, wenn die Kommunen jetzt auch Anträge stellen und bauen. Ich habe Ihnen schon in der letzten Plenardebatte gesagt, dass es Beispiele dafür gibt, dass Kommunalpolitiker von SPD und Grünen solche Anträge gar nicht stellen.
(Miriam Staudte [GRÜNE]: Legen Sie uns eine Liste vor, und picken Sie nicht einzelne Beispiele heraus!)
„Der Rat aus SPD/Grünen/Linken und dem Bürgermeister hat gegen den Antrag der CDU-Fraktion gestimmt und sich dafür entschieden, keine neue Krippengruppe in Bad Gandersheim zu errichten.“
Dann können wir gar nichts machen. Da können unser Kultusminister und die Bundesregierung so viel Geld zur Verfügung stellen, wie sie wollen.
Wir haben jetzt genügend Geld zur Verfügung gestellt. Wir haben den Krippenausbau enorm vorangetrieben. Ihr Antrag ist destruktiv und insofern abzulehnen.
Als Nächster hat sich Herr Brammer für die SPDFraktion zu Wort gemeldet. Ich erteile Ihnen das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich beginne meinen Beitrag mit dem, was ich in meiner letzten Rede dazu am 22. Juni gesagt habe:
Das Betreuungsgeld ist sozial-, integrations-, bildungs- und gleichstellungspolitisch eine Katastrophe.
Zwischenzeitlich ist die Liste derjenigen, die es ablehnen, immer länger geworden. Bisher waren das die Arbeitgeberverbände, die Gewerkschaften, die Kirchen, die Wohlfahrtsverbände, die FrauenUnion und sehr viele Abgeordnete von CDU und FDP im Deutschen Bundestag.
Frau Vockert, ich wundere mich. Ich kann mir gar nicht vorstellen, dass Sie diese Rede hier heute freiwillig gehalten haben.
(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN - Astrid Vockert [CDU]: Ich lasse mich zu nichts zwingen! So gut müssten Sie mich eigentlich kennen!)
- Ich glaube, ich kenne Sie so gut, dass ich sagen kann: Wenn ich an Ihrer Stelle wäre, dann würde ich dafür von der eigenen Fraktion ein Schmerzensgeld verlangen.