Protocol of the Session on September 16, 2008

Zunächst einmal zwei grundsätzliche Anmerkungen: Reisen hilft manchmal. Der Innenausschuss dieses Hauses war vor Kurzem in Berlin - Sie waren dabei - und hat in Gesprächen auch mit dem Parlamentarischen Staatssekretär im BMI, Peter Altmeier, mit großer Freude zur Kenntnis genommen, dass die Große Koalition eine Entfristung der befristeten Rechtsgrundlage für die Möglichkeit schafft, dass Länder Härtefallkommissionen einrichten können. Das ist ein Erfolg. Wir haben damit auf Dauer eine Rechtsgrundlage. Die Befristung wird aus dem Aufnahmegesetz getilgt. Deswegen haben wir auch in Niedersachsen die Chance, die Härtefallkommission auf Dauer beizubehalten. Wir fordern Sie, solange die jetzige Landesregierung im Amt ist, nachdrücklich auf, dies auch zu tun. Wir versprechen: Sobald wir die Möglichkeit haben, dies verantwortlich zu gestalten, wird es eine echte Härtefallkommission nach humanitären Grundsätzen geben.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Ich verkenne nicht, dass es Fortschritte gibt. Ich habe im Innenausschuss an die Adresse der Lan

desregierung gesagt, dass wir jeden Fortschritt begrüßen. Wir können trotzdem den Antrag der Grünen nur unterstützen, weil er insgesamt die Positionen beinhaltet, die wir bei der Debatte über die Bildung einer Härtefallkommission von Anfang an als Mindestvoraussetzungen für die dortigen Spielregeln gefordert haben.

Der Landtag befasst sich heute tatsächlich zum fünften oder sechsten Mal damit, seitdem wir in Niedersachsen diese Grundlage haben. Herr Kollege Biallas, es ist billig, wenn Sie sagen, dies sei nun Sache der Regierung.

(Hans-Christian Biallas [CDU]: Das ist so!)

Sie haben ein merkwürdiges Verständnis von Ihrer parlamentarischen Tätigkeit. Ist Ihnen nicht bekannt, dass Regierungshandeln durch Kontrolle dieses Parlaments und durch Vorgaben mittels Entschließungsanträgen beeinflusst werden kann? Genau das liegt hier zum fünften Mal vor.

(Hans-Christian Biallas [CDU]: Das habe ich auch nicht gesagt!)

Deswegen ist es auch die Aufgabe des Parlaments, Herr Biallias, der Regierung zu sagen, wie sie bestimmte Spielregeln ausgestalten soll und kann. Wenn Sie darauf verzichten, dann nehmen Sie als Parlamentarier Ihre Kontrollfunktion nicht wahr. Aber das kennen wir von Ihnen nicht anders.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Des Weiteren möchte ich deutlich machen - es ist ja noch nicht lange her, dass wir diesen Entschließungsantrag in erster Beratung hier im Parlament hatten -, dass ich es für eine ausdrückliche Missachtung des Parlaments halte, wenn sich die Landesregierung, solange ein Entschließungsantrag, der sich auf eine von der Landesregierung zu erlassende Verordnung bezieht, in der parlamentarischen Beratung befindet - das ist bis heute der Fall -, mit dem Blanken draufsetzt und die Verordnung beschließt,

(Hans-Christian Biallas [CDU]: Er schließt hier von sich auf andere!)

ohne den Abschluss der parlamentarischen Beratung abzuwarten. Das ist eine Missachtung des Parlaments und das ist so nicht in Ordnung.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Da Sie ja Protokolle lesen können, brauche ich Ihnen nicht zu sagen, dass es auch kein Fortschritt ist, dass das Quorum von drei Viertel auf zwei Drittel heruntergesetzt wird. Ich habe Ihnen hier bei der letzten Beratung die Rechenbeispiele für die Besetzung der Kommission vorgerechnet. Auch bei veränderten Zahlen bleibt es bei der gleichen Zustimmungsquote. Es wirkt sich nur dann aus, wenn die Härtefallkommission einmal nicht vollzählig ist. Aber damit fängt es doch schon an: Der Innenminister hat sich zum Teil die personelle Besetzung dieser Härtefallkommission so gestrickt, dass er nur in Ausnahmefällen mit einem Votum rechnen muss, das von seiner Meinung abweicht.

(Beifall bei der SPD)

Es gibt kaum ein Bundesland - nur Niedersachsen -, in dem die Vertretung der Betroffenen, z. B. der Flüchtlingsrat oder die Arbeitsgemeinschaft Migranten und Flüchtlinge, nicht mit Sitz und Stimme in der Härtefallkommission vertreten ist. Das Ganze ist im Prinzip so, wie Sie es gestalten, weitestgehend - nicht in allen Punkten - eine Farce und entbehrt jeder Humanität.

Ansonsten, liebe Kolleginnen und Kollegen, hat die Kollegin Polat die Punkte im Detail vorgetragen, die man verbessern kann und muss und die alle Verbände und erfahrenen Politiker wie Herbert Schmalstieg, der dieser Kommission angehört, aus ihren Erfahrungen heraus fordern. Wir hätten die Chance, dem als Parlament zu entsprechen. Sie verweigern sich. Deswegen bleibt es in Niedersachsen leider - aber das passt zu diesem Innenminister - bei einer inhumanen Auslegung der vom Bund geschaffenen rechtlichen Möglichkeiten.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Als nächster Redner hat sich Herr Bode von der FDP-Fraktion zu Wort gemeldet.

(Unruhe)

- Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich weiß, die Konzentration lässt bei diesen Lüftungsverhältnissen wirklich nach. Aber ich bitte Sie dringend, die Gespräche draußen zu führen und den Plenarsaal damit nicht noch zusätzlich zu belasten.

Bitte schön, Herr Bode!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Bachmann, Sie haben es jetzt ein bisschen herausgefordert. In der Tat waren wir mit dem Innenausschuss gemeinsam in Berlin und haben wir mit dem Bundesinnenministerium Gespräche geführt. Ich fand es interessant, gerade aus Ihrem Mund zu hören, dass Sie sich mit dem jetzigen Heilsbringer der SPD, Herrn Müntefering, solidarisiert haben, und uns dort erklärt haben, dass Sie, genau wie Herr Müntefering, gegen eine Ausweitung der Zuwanderungsregelung für qualifizierte Zuwanderer in den deutschen Arbeitsmarkt sind. Da frage ich mich schon, wie das zusammenpasst: Auf der einen Seite kritisieren Sie die Flüchtlingspolitik dermaßen, auf der anderen Seite wollen Sie gemeinsam mit Herrn Müntefering für die deutsche Wirtschaft dringend notwendige Zuwanderung verhindern. Sie sollten einmal einen Kompass nehmen und einen einheitlichen Kurs in diesen Fragen einschlagen, damit man weiß, woran man an der SPD ist - und nicht heute so und morgen wieder anders.

(Vizepräsidentin Astrid Vockert über- nimmt den Vorsitz)

Meine Damen und Herren, der Kollege Biallas hat die Geschichte der Entstehung der Härtefallkommission Revue passieren lassen. Damals, bei der Einrichtung der Härtefallkommission, haben wir uns alle gesagt, meine ich, dass man nach einer ersten Zeit in einer Evaluation prüfen muss, wie man die Härtefallkommission eventuell anpassen und verändern muss. Genau dies haben wir nun getan.

Wir sind nach einem Vergleich mit den Härtefallkommissionen in den anderen Bundesländern zu zwei wesentlichen Änderungen gekommen, die wir jetzt umsetzen. Von daher kann man einerseits sagen, dass wir beim Quorum nie eine besonders harte Regelung gehabt haben, wenn man einmal die Härtefallkommission im schwarz-grünen Hamburg mit ihrem Einstimmigkeitsprinzip betrachtet. Wir sind in der Abwägung allerdings dazu gekommen, dass wir das Quorum auf zwei Drittel reduzieren. Da kann man hin- und herrechnen, wie man will: Zwei Drittel sind in der Tat zwei Drittel. Natürlich, Herr Bachmann, ergibt sich bei der Prozentrechnung immer eine unterschiedliche Anzahl von Stimmen je nachdem, wie viele Leute da sind. Aber es sind in der Tat immer zwei Drittel.

Wir haben zweitens bei den Beschränkungen, die vorlagen und die Sie unter dem Begriff „Elemente der Sippenhaft“ zusammengefasst haben, Erleich

terungen geschaffen. Es ist ganz entscheidend, dass wir in der Vergangenheit bei den Fällen, die der Härtefallkommission vorlagen, in Bezug auf alle diese Kritikpunkte niemals echte Hinderungsgründe hatten, weil solche Fälle nicht vorlagen; denn die Änderung des Zuwanderungsgesetzes hat für fast alle Fälle den Weg über eine Härtefallkommission, über die wir vorher geredet haben, überflüssig gemacht. Diese Zuwanderer haben jetzt aufgrund der Regelungen im Zuwanderungsgesetz eine neue Perspektive. Sie müssen sich um entsprechende Arbeitsverhältnisse bemühen - das tun sie auch -, bekommen dann ihre Aufenthaltsgenehmigung und können in Deutschland integriert zum Wohle unseres Landes leben. Ich denke, das ist gut so.

Die Härtefallkommission ist für Ausnahmefälle geschaffen worden. Da ist es auch angemessen, mit einer Zweidrittelmehrheit zu agieren.

Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Danke schön, Herr Kollege Bode. - Zu einer Kurzintervention auf den Kollegen Bode hat sich Herr Kollege Bachmann von der SPD-Fraktion zu Wort gemeldet. Bitte schön, Sie haben das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Auch das haben Sie jetzt herausgefordert, Herr Bode, dass ich Ihnen antworte. So begann auch Ihre Rede.

(Hans-Christian Biallas [CDU]: Wir hö- ren dich so gerne reden!)

Erstens. Ja, ich bin mit Franz Müntefering der Auffassung, dass es, solange wir hier Migrantinnen und Migranten mit hoher Qualifikation und langjährigem Aufenthalt haben, die auch einen hohen Integrationsfortschritt aufweisen, aber arbeitslos sind, sinnvoller ist, diese zu qualifizieren und in Arbeit zu bringen, als weitere Zuwanderung zu organisieren.

(Zustimmung bei der SPD)

So habe ich das formuliert. Das ist genau auch die Position von Franz Müntefering. Das gilt im Übrigen auch für Arbeitslose ohne Migrationshintergrund. Franz Müntefering und ich wissen - wir beide, lieber Herr Bode -,

(Oh! bei der CDU - Hans-Christian Bi- allas [CDU]: Es ist erstaunlich, dass du nicht Vorsitzender geworden bist!)

dass wir in den nächsten Jahren aufgrund der demografischen Entwicklung und eines Teilbedarfs, den wir in ganz bestimmten Berufen haben, auf eine geordnete Zuwanderung angewiesen sind. Wir wären da sehr für ein Punktesystem. Da kommen wir mit Ihnen auch nicht weiter.

(Zurufe von der CDU - Glocke der Präsidentin)

- Das ist die Meinungsbildung in Berlin. - Ich wollte nur deutlich machen, dass man da schon Prioritäten setzen muss. In diesem Zusammenhang ist es auch ungerechtfertigt, lange hier lebende Familien, die zum Teil zur Abschiebung anstehen, aber die Integrationsvoraussetzungen erfüllen und zum Teil hoch qualifizierte Ausbildungen haben, dann lieber in diesen Arbeitsmarkt zu integrieren - - -

(Vizepräsidentin Astrid Vockert schal- tet dem Redner das Mikrofon ab - La- chen bei der CDU und bei der FDP)

Herr Kollege Bachmann, Ihre Redezeit von anderthalb Minuten für die Kurzintervention ist abgelaufen.

(Klaus-Peter Bachmann [SPD] spricht weiterhin am Redepult)

- Jetzt möchte ich Sie bitten, den Platz zu verlassen. - Danke schön.

(Beifall bei der SPD)

Herr Kollege Bode von der FDP-Fraktion möchte antworten. Auch Sie haben genau anderthalb Minuten Redezeit. Bitte schön!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Lieber Kollege Bachmann, da bin ich schon recht erstaunt, warum Sie die Qualifizierung fordern, für die auch ich bin; das gilt auch für die FDP und die CDU. Wenn wir aber immer noch freie Stellen haben, die wir nicht besetzen können, dann verstehe ich nicht, warum sie frei bleiben und nicht durch andere Zuwanderer, die die Qualifikation haben, besetzt werden sollen.

(Klaus-Peter Bachmann [SPD]: Habe ich das eben ausgeschlossen? - Nein!)

- Aber Sie haben das in Berlin ausgeschlossen. Darüber haben wir gesprochen, dass Sie die Stellen lieber unbesetzt lassen wollen und die Wertschöpfung dann woanders stattfindet.