Protocol of the Session on June 21, 2012

- Sprechen Sie mit ihnen!

Den Schulen erscheint das ursprünglich auf die Zukunft ausgerichtete Programm mit einigem Recht immer mehr als Sparprogramm. Ihnen wird die in höchstem Maße mangelhafte Unterrichtsversorgung als 100-prozentige Berechnungsgrundlage zugewiesen, von der sie auszugehen haben. Durch solche Vorgehensweisen kommt es dazu, dass notgedrungen über Gelder und Stellen gefeilscht wird, statt über grundsätzliche Fragen, über innovative Modelle und die Fortentwicklung beruflicher Bildung.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, die SPDFraktion legt daher heute einen Antrag vor, der ein doppeltes Ziel verfolgt: Einmal sollen die aktuellen Schwächen beim Umbau aller berufsbildenden Schulen zu regionalen Kompetenzzentren abgestellt werden. Dazu habe ich einiges ausgeführt. Zweitens soll die langfristige qualitative Weiterentwicklung verstärkt in den Blick genommen werden. Es geht z. B. um die nachhaltige Sicherung der beruflichen Bildung in der Fläche - eine Frage von höchster Dringlichkeit, an der wir gemeinsam arbeiten müssen. Dort ist ein verlässliches Konzept nötig. Die berufsbildenden Schulen sind sicherlich bereit, an dieser Konzeptentwicklung positiv mitzuarbeiten.

(Beifall bei der SPD)

Es geht ferner z. B. um die Beseitigung des Lehrkräftemangels - und hier gibt es eine Überschneidung mit dem vorherigen Tagesordnungspunkt -, insbesondere in Bereichen wie Metalltechnik, Elektrotechnik, Pflege, Sozialpädagogik. Es geht um die Optimierung der Zusammenarbeit der berufsbildenden und der allgemeinbildenden Schulen bei der Berufsorientierung - das ist eine Fülle von Herausforderungen.

Auch die Unterrichtsversorgung ist, wie aus der Antwort der Landesregierung auf eine Kleine Anfrage der SPD-Fraktion aus dem Frühjahr hervorgeht, in manchen Berufsbildungsschulformen geradezu katastrophal.

(Karl-Heinz Klare [CDU]: Das ist richtig, aber bei euch war sie viel schlechter!)

Und es ist unfair, dem mit dem sattsam bekannten Argument zu begegnen, die Unterrichtsversorgung an den BBSen sei schon immer schlechter gewesen, Herr Klare,

(Karl-Heinz Klare [CDU]: Viel schlech- ter!)

sie sei eben nicht mit den gleichen Maßstäben zu messen wie an allgemeinbildenden Schulen, es gebe andere Kennzahlen,

(Karl-Heinz Klare [CDU]: Das stimmt!)

und sie seien ja immer irgendwie klargekommen. Nein, es gibt durchaus vergleichbare Bereiche, etwa in den Vollzeitschulformen. Wenn auch nur eine Schulform im allgemeinbildenden Bereich eine Unterrichtsversorgung aufwiese wie manche Berufsschulen - es gäbe einen Aufschrei der Empörung.

(Beifall bei der SPD)

Wir fordern endlich eine Gleichbehandlung der berufsbildenden Schulen auch in der Unterrichtsversorgung.

(Zustimmung bei der SPD - Karl- Heinz Klare [CDU]: Das geht gar nicht! Ich hoffe, Sie wissen das!)

Meine Damen und Herren, Herr Klare, wir haben uns bei der Vorbereitung dieses Antrags von der Fachkenntnis Hunderter direkt Beteiligter leiten lassen - ein Verfahren, das wir den Regierungsfraktionen nur empfehlen können. Denn in den Schulen brodelt es. Dort arbeiten hoch engagierte Lehrkräfte unter zum Teil extrem schwierigen Bedingungen. Obwohl sie sich in ihrer Arbeit nicht wertgeschätzt fühlen, liefern sie hervorragende Ergebnisse.

Einige Beispiele aus meinem Umfeld: In Bersenbrück wird die Inklusion in Zusammenarbeit mit den Werkstätten für behinderte Menschen vorangetrieben. In Lohne wird in der einjährigen Berufsfachschule Wirtschaft durch ein eigenes, nachahmenswertes Konzept eine Anerkennungsquote für das erste Lehrjahr von 70 % erreicht. Die BBSen Friedenstraße, Wilhelmshaven, und OsnabrückHaste sind Praxispartner der Universität Bremen und der Leuphana Universität Lüneburg in einem Projekt zum Thema Konsumverhalten und Ernährung. Daran wollen die Schulen arbeiten; sie wollen sich nicht an Budgets abarbeiten, die nicht auskömmlich sind.

(Beifall bei der SPD)

Darum, meine Damen und Herren: Nehmen Sie nicht nur die berufliche Bildung endlich ernst, nehmen Sie auch diesen Antrag ernst, und setzen Sie sich ernsthaft mit ihm auseinander! Er entspringt einem langen und intensiven Dialogprozess. Wer seine Forderungen kleinredet, der beleidigt die Praktiker, die an diesem Dialogprozess beteiligt waren, und ihre berechtigten Anliegen.

Ich danke für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der SPD und Zustimmung bei den GRÜNEN)

Herzlichen Dank, Herr Kollege Poppe. - Für die CDU-Fraktion hat Herr Seefried das Wort. Bitte schön!

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich wundere mich schon über den Titel des Antrages, über den wir jetzt diskutieren: „Berufliche Bildung endlich ernst nehmen“.

(Zustimmung von Johanne Modder [SPD])

Ich frage mich bei diesem Titel schon: Wer, wenn nicht diese Landesregierung, hat bewiesen, welche Bedeutung die berufliche Bildung für Niedersachsen und für Deutschland hat?

(Beifall bei der CDU und bei der FDP - Widerspruch bei der SPD)

Man kann, wenn man sich die Bilanz der letzten Jahre und gern auch der Politik, die es davor gegeben hat, anschaut, feststellen: Niemand hat dieses Thema ernster genommen, erst recht nicht die Opposition in diesem Hause.

(Zustimmung bei der CDU)

Wir haben das Modellprojekt ProReKo durchgeführt, wir haben die Berufsschulen auf dem Weg zur gewünschten Eigenverantwortung begleitet, und wir sind dabei, unsere Berufsschulen zu wirklichen Kompetenzzentren zu entwickeln.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Wer immer wieder - das haben wir bei anderen Schulformen leider auch schon erlebt - negativ über einzelne Schulformen redet, schadet deren hohem Ansehen und so eben auch dem hohen Ansehen unserer Berufsbildung in Niedersachsen und in Deutschland.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP - Johanne Modder [SPD]: Bloß keine Kritik! - Claus Peter Poppe [SPD]: Sie haben die positiven Beispiele eben nicht gehört!)

Die Übertragung der Ergebnisse der ProReKoSchulversuche auf die 134 öffentlichen berufsbildenden Schulen in Niedersachsen läuft seit dem letzten Jahr, seit dem Jahr 2011. Seither sind die grundlegenden schulorganisatorischen Veränderungen, wie die Neubildung der Schulvorstände, die Einrichtung von Bildungsgang- und Fachgruppen und des Schulbeirats, vollzogen worden. Mit den Schulleiterinnen und Schulleitern sind Umsetzungsfragen zur Budgetierung umfassend erörtert worden, und - das ist uns besonders wichtig - der Prozess der direkten Kommunikation mit den Verantwortlichen vor Ort wird fortgesetzt. Uns ist besonders wichtig: Im gemeinsamen Dialog müssen unsere Kompetenzzentren weiterentwickelt werden.

Die Weiterentwicklung zu regionalen Kompetenzzentren wird die bisher schon sehr starke Stellung unserer berufsbildenden Schulen weiter untermauern und festigen. Als Zentren der beruflichen Qualifikation und insbesondere für die Erstausbildung sind sie ein bedeutender Standortfaktor im Rahmen der regionalen Wirtschaftsentwicklung. Der Umbauprozess der berufsbildenden Schulen ist vom Kultusministerium strategisch und inhaltlich intensiv vorbereitet worden. Unsere Schulen werden dabei sehr eng begleitet und durch vielfältige Maßnahmen unterstützt.

Sicherlich gibt es an der einen oder anderen Stelle Optimierungsbedarf; aber - das muss man auch deutlich sagen - wo gibt es ihn denn nicht? Wenn man ein ganz neues System einführt, dann wird es immer wieder im Dialog Optimierungsbedarf geben, den man dann gemeinsam umsetzen sollte. Wie sagt in dem Zusammenhang schon ein altes deutsches Sprichwort? Es ist noch kein Meister vom Himmel gefallen.

(Beifall bei der CDU - Petra Emme- rich-Kopatsch [SPD]: Aber nach zehn Jahren! - Zuruf von Ursula Helmhold [GRÜNE])

Aber ich kann Ihnen versichern - das passt sehr gut zu diesem Sprichwort -, dass unsere berufsbildenden Schulen genau in diesem Prozess auf dem Weg sind, ein wirkliches Meisterstück für die Bundesrepublik Deutschland abzulegen.

(Frauke Heiligenstadt [SPD]: See- frieds Märchenstunde!)

Andere Bundesländer schauen sehr genau zu uns nach Niedersachsen und beobachten, was sich an unseren berufsbildenden Schulen tut und wie sie das, was wir hier umsetzen, für ihr eigenes Bundesland nutzen können.

Schaut man sich Ihren Entschließungsantrag ganz genau an, kann man schnell sehen, dass viele Dinge, die darin gefordert werden, bereits auf dem Weg gebracht worden sind.

Sie fordern zusätzliche Stellen für die Verwaltungsleitung. Die Realität an dieser Stelle ist, dass nahezu alle regionalen Kompetenzzentren heute über Verwaltungskräfte verfügen oder dass sich diese gerade in der Einstellung befinden.

(Frauke Heiligenstadt [SPD]: Sie mussten es aus dem Lehrerbudget nehmen! Das ist nicht zusätzlich!)

Sie fordern, dass Zuständigkeit, Verfahren und Mittelzuweisung für IT- und DV-Administratoren an die Schulen verlagert werden. Die Realität ist - das muss man hierbei auch wissen -: Ihre Forderung betrifft eine originäre Schulträgerangelegenheit und ist in Ihrem Papier mit keiner konzeptionellen Umsetzung versehen. Sie fordern einfach, ohne sich im Detail Gedanken dazu zu machen.

Bereits seit 2003 zahlt das Land jährlich 5 Millionen Euro in den Finanzausgleich, um die DVAdministratoren zu finanzieren. Derzeit ist auch ein Fachkonzept in Arbeit, um diesen Bereich weiter zu verbessern.

(Claus Peter Poppe [SPD]: Aha!)

Sie fordern eine Verordnung für das gemeinsame Budget von Land und Schulträgern. Auch hier ist es Realität, dass sich der Verordnungsentwurf bereits in der Abstimmung mit den kommunalen Spitzenverbänden befindet und Sie auch hier wieder mit Ihrer Forderung zu spät sind.

(Frauke Heiligenstadt [SPD]: Donner- wetter! Das ist aber schnell! Zwei Jah- re!)

Sie fordern den Verzicht auf Erlasse, die dem Ziel der Eigenverantwortung zuwiderlaufen. Natürlich ist es das erklärte Ziel, dass wir die Eigenverantwortung der berufsbildenden Schulen stärken; aber man muss eben auch sagen: Ganz ohne Erlasse und ganz ohne Vorschriften wird es nicht gehen. Ich weiß ganz genau, dass Sie uns, wenn

wir genau das täten, vorwerfen würden, wir ließen die berufsbildenden Schulen im Regen stehen.

(Beifall bei der CDU)

Unsere berufsbildenden Schulen sind auf dem Weg hin zu gut funktionierenden regionalen Kompetenzzentren. Lassen wir ihnen Zeit, sich weiterzuentwickeln. Wir sollten sie gemeinsam unterstützen, wir sollten gemeinsam für die Berufsbildung in Niedersachsen kämpfen. Hören Sie auf, so zu tun, als sei uns dieser Bereich nicht wichtig. Wenn man sich Ihre Bilanz anschaut, kann man nicht gerade davon ausgehen, dass Sie es anders oder besser gemacht hätten.