Wir wollen weiter eine detaillierte Finanzplanung für die Zielerreichung, die langfristig angelegt ist, aber jährlich fortzuschreiben ist. Das heißt, wir orientieren uns jedes Jahr wieder an der Istsituation und den aktuellen Möglichkeiten zum weiteren Abbau des strukturellen Defizits. Das heißt natürlich auch, das kann mal mehr sein, als es der Koalitionsvorschlag im Moment zulässt. Das heißt aber auch, es kann mal weniger sein.
Die Behauptung jedenfalls, unser Vorschlag würde in jedem Fall teurer für den Steuerzahler, ist politischer und mathematischer Unsinn. Im Übrigen müssen wir uns das nicht von einer Regierungskoalition erzählen lassen, die in den letzten zehn Jahren in der Summe niedersächsischer Schuldenmeister war.
Teuer wird es erfahrungsgemäß, wenn Sie Ihre starren Vorgaben nicht einhalten können und dann alle Dämme brechen - siehe Eurokrise; da erleben wir im Moment genau das.
Wir haben in unserem Gesetzentwurf zur Erreichung der Schuldenbremse auch die Verantwortung der Landesregierung für die Einnahmen und Ausgaben in gleicher Weise festgeschrieben. Diesen Hinweis auf die Einnahmeverantwortung hat Schwarz-Gelb bisher vehement abgelehnt.
Um unseren Ansatz zu verdeutlichen, haben wir deshalb den Begleitantrag für eine aufgabengerechte Finanzausstattung des Landes vorgelegt. Ein strukturelles Defizit von derzeit rund 2 Milliarden Euro lässt sich nicht aus einem Landeshaushalt von rund 17 Milliarden Euro heraus
schneiden. So viel bleibt nämlich übrig, wenn man alle nur durchgeleiteten EU- und Bundesmittel und die Steuerzuweisungen für Kommunen herausrechnet. Das klappt jedenfalls nicht, wenn man nicht die Bildung, die soziale Infrastruktur und den Klimaschutz komplett vor die Wand fahren will. Das klappt nicht, wenn man nicht mit Eingriffen von der Qualität Brüning’scher Notverordnung arbeiten will. Wir wollen das jedenfalls nicht, und wir werden das auch nicht tun.
Deswegen fordern wir Initiativen für entsprechende Einnahmeerhöhungen. Dabei haben wir uns auf die Verdoppelung der Erbschaftsteuer und die Wiedereinführung der Vermögensteuer konzentriert, weil diese Steueraufkommen in voller Höhe dem Land zustehen. Diese Maßnahmen sind nicht nur notwendig, um die von den Bürgern erwartete und gewünschte staatliche Leistungsfähigkeit und die Erreichung der Verfassungsziele in Niedersachsen zu sichern. Sie sind mindestens ebenso wichtig, um die sich immer weiter öffnende Schere bei den Einkommen und vor allem bei den Vermögen in diesem Land zu stoppen und ein Stück weit wieder zu schließen. Das ist eine gesellschaftliche Notwendigkeit und unverzichtbare Voraussetzung für politische Stabilität.
Meine Damen und Herren, die unbegreifliche Missachtung der Landesinteressen bei der Diskussion um den Fiskalpakt durch die Landesregierung hat uns quasi gezwungen, auch diesen Aspekt im Zusammenhang mit der Schuldenbremse aufzugreifen. Der Herr Ministerpräsident wollte ja bedingungslos zustimmen, und das möglichst schnell. Aber Landesinteresse muss es doch sein, zunächst sicherzustellen, dass sich die Wirkungen des Fiskalpaktes auf Land und Kommunen in die akzeptierte nationale Schuldenbremse integrieren und deren Bedingungen nicht noch weiter verschärfen. Das ist zurzeit weder gegeben noch für die Zukunft gesichert.
Neben der bundespolitischen Diskussion um die Finanztransaktionsteuer, die demokratische Einbindung des Pakts und die Umsetzung einer Wachstumsstrategie gibt es auch spezielle Länderinteressen: Wie soll die zulässige Schuldenquote zwischen Bund, Ländern und Kommunen zukünftig aufgeteilt werden? Wer haftet in welcher Höhe? Gibt es die Ausnahmen aus der nationalen Schuldenbremse auch für den Fiskalpakt? Gibt es eine Verschärfung der beabsichtigten Abbaupfade? Welche Auswirkungen gibt es auf die Budgethoheit
des Landtages, ganz zu schweigen vom Interesse, die Diskussion auch zur Durchsetzung finanzieller Forderungen zu nutzen? - Das ist natürlich inzwischen auch dem Ministerpräsidenten klar geworden. Deshalb fordert er nun immer noch die schnelle Ratifizierung, aber anschließend die schnelle Verhandlung der Länderinteressen.
Meine Damen und Herren, ich habe ein gewisses Verständnis dafür, dass eine schwarz-gelbe Landesregierung hofft, bei einer schwarz-gelben Bundesregierung auch ohne Verhandlungsposition nachträglich etwas erreichen zu können. Aber angesichts der derzeitigen Performance der Bundesregierung halte ich das für mindestens grob fahrlässig. Dass sich die Opposition auf diese Katze im Sack nicht einlassen kann, dürfte sich von selbst verstehen.
Meine Damen und Herren, zur Einbringung ihres Antrags erteile ich nun der Fraktion DIE LINKE das Wort. Das Wort hat Herr Kollege Adler.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Jede Verfassung ist eine Selbstbindung. Das gilt auch für die Satzung eines jeden Vereins. Wenn man eine Verfassung oder eine Satzung schreibt, muss man sich natürlich immer fragen, ob eine Selbstbindung für die Verwirklichung der Vereinszwecke oder der Staatsziele in einer Verfassung sinnvoll und notwendig ist.
In diesem Fall hat der Bund mit dem Artikel 93 eine Selbstbindung nicht nur für sich selbst, sondern sogar für die Länder vorgeschrieben. Wenn man genauer hinsieht, stellt man fest, dass die Selbstbindung, die der Bund beim sogenannten Kreditverbot oder bei der Schuldenbremse - wie immer Sie es nennen wollen - andere Kriterien an sich selbst angelegt hat, als er den Ländern vorgegeben hat. Der Bund hat für sich das Recht in Anspruch genommen, 0,35 % des Bruttoinlandsproduktes Neuverschuldung aufnehmen zu dürfen; die Länder dürfen das aber nicht. Mindestens an dieser Stelle stellt sich doch die Frage: Hallo, wir haben einen föderativen Staat. Darf der Bund in einem föderativen Staat den Ländern eine solche Vorschrift machen?
Artikel 79 Abs. 3 des Grundgesetzes enthält die sogenannte Ewigkeitsgarantie. Da sind bestimmte Staatsprinzipien festgelegt, die auch der Grundgesetzgeber mit einer Zweidrittelmehrheit im Bundestag und Bundesrat nicht ändern darf. Und dazu gehört der Föderalismus.
Wenn der Bund aber den Ländern eine solche Vorschrift macht, wie sie ihre eigenen Haushalte auszugleichen haben, dann geht das an das Mark des Föderalismus.
Ich gehe noch einen Schritt weiter. Zu der Ewigkeitsgarantie gehört auch die Demokratie, dass also die Parlamente über die Haushalte zu entscheiden haben, und zwar nicht nur im Bund, sondern auch in den Ländern muss Demokratie herrschen. Auch dort müssen die Landesparlamente das letzte Wort haben und souverän über den Haushalt entscheiden können.
Auch dieses Recht wird eingeschränkt, wenn der Bund den Ländern vorschreiben will, wie sie ihren Haushalt auszugleichen haben.
Das Ganze wird noch schlimmer, wenn man sich einmal anschaut, welche Möglichkeiten denn die Länder zum Ausgleich haben. Der Föderalismus der Bundesrepublik ist ja ein anderer als der der Schweiz. In der Schweiz ist es so, dass die Kantone und die dort gewählten Parlamente selbst über wesentliche Einnahmen entscheiden können. Sie können selbst die Steuersätze festlegen. Das können die Länder bei uns - so wie die Finanzverfassung nach dem Grundgesetz aufgebaut ist - nicht. Sie haben bis auf die Grunderwerbsteuer, die allerdings unbedeutend ist und die man deshalb vernachlässigen kann, nicht die Möglichkeit, das Problem selbst über die Einnahmeseite zu lösen. Sie werden gezwungen, das Problem der ausgeglichenen Haushalte nur über die Ausgabeseite zu lösen. Sie werden sozusagen vor den Knoten geschoben. Das bedeutet, sie müssen dann Ausgaben bei der Bildung, beim Sozialen oder bei den Beamtengehältern kürzen. Darauf läuft es im Ergebnis hinaus.
Wir haben in der Debatte hier schon einmal darüber diskutiert und die Regierungsfraktionen gefragt: Was meint ihr denn, wie der Ausgleich bis 2020 geschafft werden soll? - Sie wollen es angeblich noch früher schaffen. - Was kam als Antwort? - Als Antwort kam: ja, durch Wirtschaftswachstum. - Das war eine tolle Antwort. Woher wissen wir ei
gentlich, dass das Wirtschaftswachstum weiter stattfinden wird? - Gegenwärtig mehren sich bereits die Zeichen - das kann man in jeder Wirtschaftszeitung nachlesen -, dass ein konjunktureller Abschwung droht. Das geht immer mehr in diese Richtung.
In der Situation können Sie uns nicht mit Wirtschaftswachstum vertrösten, sondern wir müssen einen Weg finden, um aus diesem Dilemma herauszukommen. Ich bin der festen Überzeugung: Wenn Sie den Weg wählen, den wir vorschlagen, nämlich den Weg einer Normenkontrollklage nach Artikel 93 des Grundgesetzes, den nur eine Landesregierung und nicht ein Landesparlament stellen kann, werden Sie uns eines Tages alle noch dankbar sein,
nämlich wenn das Bundesverfassungsgericht gesprochen hat, und zwar ohne Gesichtsverlust für diejenigen, die das Unheil angerichtet haben. Denn schon Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit dieser Verfassungsnorm reichen aus, um ein solches Verfahren für zulässig zu erklären.
Zweifel gibt es allemal. Ich erinnere an das, was Professor Schneider in der Anhörung hierzu gesagt hat.
Meine Damen und Herren, die nächste Wortmeldung stammt von dem Kollegen Grascha von der FDP-Fraktion. Bitte schön!
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist so, dass wir in Europa in den letzten Monaten und Jahren, wie man schon fast sagen kann, eine massive Finanzkrise haben.
Diese Finanzkrise - das bestätigen inzwischen alle ernst zu nehmenden Experten - beruht darauf, dass wir eine enorme Staatsverschuldung haben und die Staaten z. B. Sozialleistungen und andere
Deshalb ist es gut und sinnvoll, dass sich die Länder in Europa darauf geeinigt haben, einen Fiskalpakt zu beschließen. In diesem Fiskalpakt ist die Schuldenbremse enthalten. Das ist gut und sinnvoll, und das ist ein Paradigmenwechsel, den wir in Europa erleben.
Wenn das in ganz Europa und auch in Deutschland passiert, dann müssen wir auch in Niedersachsen mit gutem Beispiel vorangehen und dafür sorgen, dass dieser Paradigmenwechsel tatsächlich vorgenommen wird. Deswegen appelliere ich insbesondere an die Vertreterinnen und Vertreter der Opposition sowohl hier im Landtag als auch im Bund: Versperren Sie sich nicht dieser nationalen Schuldenbremse und dem Fiskalpakt! Wir müssen diesen Paradigmenwechsel endlich einleiten - auch in Deutschland, auch in Niedersachsen.
Wir freuen uns darüber, dass die Grünen einen Vorschlag auf den Tisch gelegt haben. Bei der Freude darüber, dass dieser Vorschlag auf dem Tisch liegt, bleibt es dann aber auch; denn der Vorschlag der Grünen zur Schuldenbremse ist wachsweich. Herr Klein hat es hier eben auch schon dargestellt: 2019, vielleicht wird es aber auch erst 2020. Der Übergang soll flexibel sein. Ich frage mich, was diese sprachliche Verkleisterung eigentlich soll. „Mehr Flexibilität“ heißt unter dem Strich: mehr Schulden. - Das sollten Sie den Menschen auch so ehrlich sagen, meine Damen und Herren.
Fakt ist - auch das ist an dem Vorschlag der Grünen interessant -: Es ist keine Verfassungsänderung, sondern eine Änderung der Landeshaushaltsordnung, obwohl uns in der Anhörung im Haushaltsausschuss alle Experten bestätigt haben, dass der sinnvolle Ort für die Schuldenbremse die Verfassung ist; denn dort hat sie die größtmögliche Wirksamkeit.
geben? Warum beteiligen Sie sich dann an den Gesprächen? - Mich würde interessieren, ob Sie die Änderung der Landeshaushaltsordnung, also eine einfachgesetzliche Regelung, gegenüber einer Verfassungsänderung favorisieren. Im Grunde genommen zeigt das, was Sie vorgelegt haben, dass Sie keine echte harte Schuldenbremse in Niedersachsen wollen.
(Beifall bei der FDP und bei der CDU - Stefan Wenzel [GRÜNE]: Das ist ein Blödsinn! Es wird doch nicht dadurch besser, dass Sie es ständig wiederho- len! Sie bauen sich etliche Schlupflö- cher! Gehen Sie doch einmal ehrlich mit dem Thema um! Dann wäre allen geholfen!)