Protocol of the Session on June 20, 2012

Und dass Sie sich so ärgern, Herr Jüttner,

(Zuruf von Enno Hagenah [GRÜNE])

das ist ja an der Stelle auch überhaupt kein Wunder. Sie ärgern sich darüber, dass Menschen das tun, was sie tun können, nämlich ins Internet zu gehen und beispielsweise im Rahmen der Fußballeuropameisterschaft die eine oder andere Wette zu platzieren. Zur Wahrheit und zur Realität gehört dazu, meine sehr verehrten Damen und Herren, dass 95 % der in Deutschland platzierten Sportwetten im Internet über den Graumarkt funktionieren. Es ist doch völlig irre, dass Herr Jüttner heute noch fordert, dass die Politik davor die Augen verschließen soll, die Augen zumachen und sagen soll: Diese Menschen gibt es alle gar nicht, den Markt gibt es überhaupt nicht. Wir wollen es weder regulieren, wir wollen weder Spielerschutz, noch wollen wir es besteuern. - Das kann doch nicht ernsthaft die Politik der Sozialdemokraten sein, meine sehr verehrten Damen und Herren.

(Beifall bei der FDP)

Deswegen tun Liberale das, was ihnen üblicherweise nicht angelastet wird: Sie streiten hier für Besteuerung, und sie streiten an dieser Stelle für Regulierung.

Ich will zum Staatsvertrag nur wenige Sätze sagen, weil auch der Kollege Toepffer gerade juristisch Richtiges - andere Kollegen auch; das gebe ich gern zu - ausgeführt hat.

Wir befinden uns in einer unsicheren Situation. Das Rennwett- und Lotteriegesetz des Bundes - das hat Herr Jüttner zu Recht gesagt - ist noch nicht geändert, und es gibt - das muss man als Parlamentarier so deutlich sagen - keine Sicherheit, dass dieses Gesetz, das wir heute verabschieden werden, am Ende auch vor Gerichten - ob nun auf europäischer Ebene oder auf Bundesebene - Bestand hat.

Aber - das will ich zum Schluss sagen - deswegen, falls es zur Nichtigkeit dieses Gesetzes kommt, war es so verdammt richtig, dass CDU und FDP in der letzten Plenartagung im Mai dieser Situation vorgebeugt haben. Jetzt zeigt es sich, dass es richtig war, an dieser Stelle ein Vorschaltgesetz zu machen. Wenn Sie das immer noch kritisieren,

zeigt das nur, dass Sie die Realität beim Thema Glücksspiel bis heute nicht anerkannt haben.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der FDP und Zustimmung bei der CDU)

Herzlichen Dank, Herr Dürr. Auf Sie folgt mit einer Kurzintervention von der Fraktion der SPD Herr Jüttner für 90 Sekunden. Bitte schön, Herr Jüttner!

Frau Präsidentin! Herr Dürr, Sie erwecken hier den Eindruck, dass Sie aus Finanzsicherungsgesichtspunkten so vorgegangen sind. Das Gegenteil ist der Fall. Hier wird das Monopol bei Lotto gehalten, das erkennbar nicht so gefährlich ist, und in anderen Bereichen, die dramatisch gefährlicher sind, beispielsweise bei Sportwetten, wird ein Konzessionsmodell eingeführt. Den meisten hier im Hause ist klar, dass das dazu führt, dass das Lottomonopol aus inhaltlichen Gründen, weil es dem Kampf gegen Suchtgefahr in dieser Form nicht gerecht wird, in wenigen Jahren erledigt ist. Dann brechen die Einnahmen völlig ein. Das ist doch Ihr Ziel. Genau das aber wollen wir nicht! Das ist der kleine Unterschied.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN - Christian Dürr [FDP]: Wa- rum stimmen Sie dann zu?)

In dem Zusammenhang ist Folgendes recht interessant: An keiner Stelle der Begründung zu Ihrem Gesetz ist ausgeführt, dass jetzt mehr Geld hereinkommt. Vielmehr wird an einer Stelle ausgeführt, dass es wahrscheinlich sogar zu Mindereinnahmen kommt, die Sie in der Höhe aber nicht quantifizieren können. Die Vorstellung, dass dann alle nach Deutschland kommen und von Deutschland aus die Sportwetten organisieren, weil hier nur noch 5 % an Konzessionsabgabe entrichtet werden müssen, ist vor dem Hintergrund der Tatsache, dass die Konzessionsabgabe auf Malta 0,3 % beträgt, mindestens sehr hoffnungsfroh. Vor dem Hintergrund wird Ihre Argumentation in kürzester Zeit zusammenbrechen.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Herr Dürr, Sie möchten antworten. Bitte schön!

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Herr Kollege Jüttner, weil ich mir gedacht habe, dass dieses Argument, das ich schon fast vermisst hatte, noch angeführt wird, habe ich mir die Zahlen aus Schleswig-Holstein, die zurzeit vom dortigen Innenministerium prognostiziert werden, geben lassen.

Sie werfen uns immer vor, wir würden in die Richtung von Schleswig-Holstein tendieren. Ich gebe ganz offen, frank und frei, zu, dass ich mit dem schleswig-holsteinischen Gesetz sehr, sehr wenige Probleme habe.

Sie werfen uns vor, dass das zum Fiasko fiskalischer Natur für den Landeshaushalt führt. Wie stellt sich die Situation in Schleswig-Holstein zurzeit dar? - Die dortige Landesregierung geht davon aus, dass allein im Jahre 2012 durch das schleswig-holsteinische Gesetz 30 Millionen Euro eingenommen werden.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, wenn man das nach dem Königsteiner Schlüssel auf Niedersachsen umrechnet, dann sind das immerhin 100 Millionen Euro für unser Land. Das ist ein ganzes beitragsfreies Kindergartenjahr. Wenn die SPD darauf verzichten möchte, dann kann sie das gerne tun. Ich möchte das nicht.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Danke schön. - Nun spricht für die Landesregierung Herr Minister Bode. Bitte schön!

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Jüttner, nur noch einmal zur Klarstellung, weil Sie gerade von Mindereinnahmen, die wir prognostiziert hätten, gesprochen haben. Ich nehme an, dass Sie damit den folgenden Absatz in der Begründung unseres Gesetzentwurfs meinen:

„In welchem Umfang mit Mindereinnahmen, insbesondere der kommunalen Haushalte, aufgrund der neu eingeführten Befristungen und Beschränkungen für Spielhallenerlaubnisse zu rechnen ist, ist noch nicht absehbar.“

Diese Formulierung ist in meinen Augen nicht dahin zu interpretieren, dass wir Mindereinnahmen in Erwartung gestellt haben, zumal in den vorherge

henden Absätzen davon ausgegangen wird, dass wir die Einnahmenrückgänge, die wir in den letzten Jahren verzeichnen mussten, stoppen und das Niveau stabilisieren können. Nur so viel zur Klarstellung dessen, was wir als Landesregierung in der Begründung zum Landesgesetzentwurf dargelegt haben.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, die Landesregierung bedauert ebenfalls, dass sowohl in Niedersachsen als auch in den anderen Landesparlamenten das Gesetzgebungsverfahren innerhalb kürzester Zeit durchgeführt werden musste. Die Gründe hierfür sind vielschichtig. Der wesentliche Grund aber liegt darin, dass wir erst starten konnten, nachdem die Europäische Kommission am 20. März - es war auch für die Ministerpräsidentenkonferenz nicht zu erwarten, dass das so spät erfolgen würde - durch die entsprechende Stellungnahme die Möglichkeit eröffnet hatte, in das Gesetzgebungsverfahren einzusteigen.

Ich möchte mich bei den Abgeordneten, bei den Mitarbeitern des Gesetzgebungs- und Beratungsdienstes, aber auch denen der Ministerien bedanken, dass dieses Verfahren so durchgeführt werden konnte und wir alle - natürlich unter Zurückstellung gewisser Bedenken - diesen Prozess durchlaufen haben.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, es ist auch im letzten Plenum hier schon viel zum Thema Glücksspiel diskutiert worden. Wir haben nach der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs zur Sportwette in Deutschland die große Herausforderung gehabt, eine Situation mit großen Rechtsunsicherheiten zu bereinigen.

Herr Minister Bode, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Hagenah?

Wenn er möchte, bitte.

Herr Hagenah möchte.

(Minister Jörg Bode: Das wird mir doch nicht von der Redezeit abgezo- gen, oder?)

- Nein, das wird Ihnen gar nicht abgezogen. - Bitte!

Herr Minister, angesichts Ihrer Aussage, Sie hätten wegen der späten Entscheidung der EU gar keine andere Chance gehabt, als erst so spät ins Beratungsverfahren einzusteigen, frage ich Sie, ob diese Rahmenbedingungen z. B. für das Nachbarland Brandenburg so nicht gegeben waren, wo ausweislich der Gesetzesentschließung, die dort schon Anfang Juni erfolgt ist, das Gesetz am 11. April, also sechs Wochen vorher als in Niedersachsen, in den dortigen Landtag eingebracht worden ist. Das ist ein Zeitraum, den wir zur Beratung wirklich sehr gut hätten gebrauchen können.

(Beifall bei den GRÜNEN, bei der SPD und bei der LINKEN)

Herr Minister!

Sehr geehrter Herr Hagenah, ich kenne die Verfassung und die Geschäftsordnung des Landes Brandenburg nicht. Die Niedersächsische Verfassung aber sieht vor, dass eine Anhörung stattfinden muss, bevor die Niedersächsische Landesregierung einen Gesetzentwurf einbringt. Diese Anhörungsfrist haben wir sogar noch verkürzt, um die Beratungszeit für das Parlament zu verlängern. Es ist zutreffend berichtet worden, dass die kommunalen Spitzenverbände geäußert hätten, dass sie mehr Zeit gebraucht hätten. Wir wollen deshalb zur weiteren Umsetzung noch weitere Gespräche mit den kommunalen Spitzenverbänden führen; Termine sind schon festgelegt. Wir haben den Staatsvertrag, soweit er feststand, dem Landtag im Entwurf zur Kenntnis gegeben, damit Sie sich darauf vorbereiten konnten.

Wir wollen ein rechtssicheres Verfahren, damit wir nicht wie bei der Beschlussfassung über den letzten Staatsvertrag im Jahre 2007 sagen müssen: Es ist nach dem Inkrafttreten mit Rechtsunsicherheiten zu rechnen. Es wird die Gerichte massiv beschäftigen. - Es ist, wie Herr Jüttner ebenfalls hier ausgeführt hat, bedauerlich, dass wir heute bei diesem Gesetzgebungsverfahren wahrscheinlich wieder alle das Gleiche sagen müssen, dass die Gerichte wegen rechtlicher Unsicherheiten sehr wahrscheinlich schnell angerufen werden.

Zunächst aber zu der Frage, was wir mit dem Gesetzentwurf lösen wollten. Wir wollten den Konflikt lösen, der darin besteht, wie man es schaffen

kann, einerseits die Angebote im Internet zu kanalisieren und damit auch bei Internetangeboten anderer Anbieter Jugendschutz herzustellen bzw. Suchtprävention zu betreiben und andererseits das Lottomonopol zu sichern und die Einnahmen für Sportverbände, den Landessportbund, und natürlich für die Wohlfahrtsverbände sowie den - in Anführungszeichen - größten Destinatär der Glücksspielabgabe, den niedersächsischen Finanzminister, zu sichern und zu stabilisieren. Dabei geht es im Wesentlichen um die Frage, wie wir damit im Internet umgehen und wie wir mit Werbung umgehen. Wir haben die Erfahrung gemacht, dass ein Produkt, das keine Werbung hat, im Laufe der Jahre nicht mehr gekauft wird und untergeht. Deshalb gehen wir mit diesem Staatsvertrag einen sehr wichtigen Schritt nach vorn.

(Wolfgang Jüttner [SPD] meldet sich zu einer Zwischenfrage)

- Herr Jüttner, ich kann Ihnen das Wort nicht erteilen.

Aber das machen wir doch gerne, wenn Sie hier schon signalisieren, dass Sie das zulassen. - Herr Jüttner zu einer Zusatzfrage!

Herr Bode, die vor uns liegende Entschließung befasst sich in vier Punkten mit der Gegenwart. Im fünften Punkt wird einer der Destinatäre benannt nach dem Motto: Wenn das Ganze rechtlich fällt, dann ist für diesen Destinatär eine Sicherungsebene eingebaut. - Ist das so zu verstehen, dass der Sport anders behandelt wird als die anderen Nutznießer aus dem Glücksspielstaatsvertrag? Wird für ihn schon einmal prophylaktisch ein Schutz eingezogen? Heißt das in der Konsequenz, dass das für Wohlfahrtsverbände und andere nicht gilt? Wir sind erstaunt über die Hierarchie, die hier eingebaut wird und nicht aus der Logik des § 14 des Glücksspielstaatsvertrags resultiert.

(Beifall bei der SPD)

Herr Minister Bode hat das Wort.

Herr Jüttner, ich bin Ihnen dankbar für die Frage, denn ich kann den Sachverhalt klarstellen, um zu vermeiden, dass beim Sportbund oder bei den

Wohlfahrtsverbänden möglicherweise ein falscher Eindruck entsteht.

(Wolfgang Jüttner [SPD]: Bei den an- deren! Der Sportbund ist dann zufrie- den!)