Ich kann für mich davon ausgehen, dass mir Herr Rawe nur Dinge erzählt, die sachgerecht sind. Wenn Herr Thümler und Herr Dürr nun erklären, das stimme nicht, dann nehme ich das zur Kenntnis. Es würde mich dann aber nicht wundern, wenn auch Herr Rawe das in geeigneter Weise zur Kenntnis nimmt.
(Zustimmung bei der SPD - Heinrich Aller [SPD]: Fragt ihn doch einfach! Es ist doch nur ein Ja oder ein Nein!)
Grüne der Argumentation der SPD, wie sie Herr Jüttner gerade vorgestellt hat, insgesamt zu. Wir werden uns auch bei der Abstimmung ganz ähnlich dazu verhalten.
Allerdings will ich nicht versäumen, zumindest eine bessere Rahmenbedingung, die sich seit der Beratung dieses unsäglichen Übergangsgesetzes in Niedersachsen ergeben hat, zu würdigen, weil es noch keiner der Vorredner getan hat. Das letzte Mal hieß es noch, Schleswig-Holstein werde nicht mitmachen, dadurch sei die Anerkennung durch die EU so belastet. Dieses Problem ist uns dank der Niederlage von CDU und FDP in SchleswigHolstein genommen worden. Die neue Regierung wird sich - so ist es im Koalitionsvertrag vereinbart - dem Staatsvertrag anschließen.
So haben wir dank dieser Niederlage der hiesigen Regierungsparteien in Schleswig-Holstein eine Sorge weniger, was die Anerkennung des Staatsvertrags auf der EU-Ebene angeht.
Trotz der vielen Kritikpunkte an diesem Staatsvertrag - weil er durch die unterschiedlichen Anforderungen, die an ihn durch die EU und unsere bundesdeutschen Gegebenheiten gestellt worden sind, ein Hybridgesetz geworden ist - werden wir dem Artikel 1 zustimmen und den anderen Artikeln nicht folgen.
Der Grund dafür liegt insbesondere darin, dass Etliches aus dem FDP-lastigen Vorschaltgesetz, das hier vor sechs Wochen angenommen worden ist, im neuen Landesgesetz überlebt. Wir haben es in den Ausschussberatungen schlicht nicht auseinander organisieren und auseinander fragen können, weil auch der GBD durch die Kürze der Beratungszeit - übrigens erstmals in der Zeit, die ich dem Landtag angehöre - sagen musste: Wir können zu diesem Gesetzentwurf eigentlich gar nichts sagen, abgesehen von einigen Verständnisfragen; aber über die eigentlichen Gesetzesfolgen sind wir wegen der Kürze der Zeit nicht sprechfähig.
Für uns ist es ein Novum, dass wir heute einen Gesetzentwurf beschließen, der in dieser Art und Weise nicht seriös beraten wurde, was, wie ich sagen muss, von dieser Regierung und dieser Koalition offensichtlich bewusst geplant worden ist. Denn andere Bundesländer haben es vorgemacht - z. B. Brandenburg -: Anfang April wurde
das Gesetz zur Umsetzung des Staatsvertrags in den Landtag eingebracht und es bestand bis Juni Zeit, das ausführlich zu beraten. Wir haben die Zeit mit dem FDP-Vorschaltgesetz verplempert.
(Beifall bei den GRÜNEN und bei der LINKEN und Zustimmung bei der SPD - Zuruf von Christian Dürr [FDP])
Im Nachhinein muss ich annehmen, dass das sehr bewusst passiert ist, um - erstens - mit dem FDPVorschaltgesetz den Sachverhalt in Niedersachsen zugunsten der FDP-Liberalisierung zu verschieben und - zweitens - anschließend unter Zeitdruck nicht mehr korrigieren zu können. Das hat Methode, was uns hier von der Landesregierung, von Herrn Bode, vorgelegt worden ist.
Wir können überhaupt nicht mehr - auch nicht durch Nachfragen gegenüber dem GBD, der dies nicht hat prüfen können - beurteilen, was jetzt eigentlich zukünftig in der Entscheidung von Wirtschaftsminister Bode alles im Internetglücksspiel geregelt werden kann. Vieles aus Ihrem Vorschaltgesetz - wie gesagt - ist geblieben und hat auf diese Art und Weise hier in Niedersachsen den Staatsvertrag weitgehend in FDP-Richtung interpretiert. Das alles, was wir hier an Zeitdruck haben, Herr Toepffer, ist nicht fremdbestimmt, sondern von CDU und FDP gewollt.
Wir wissen auch nicht, ob möglicherweise sogar noch Notifizierungserfordernisse aus den Überbleibseln der alten FDP-Initiative auf uns zukommen und damit auch noch der Staatsvertrag in Mitleidenschaft gezogen werden kann. Auch das konnte der GBD mangels ausreichender Zeit nicht hinreichend prüfen.
Wir werden uns bei Ihrem Zusatzantrag, den Sie eingebracht haben, enthalten, und zwar nicht deswegen, weil wir ihn inhaltlich nicht teilen, sondern weil Sie sich weigern, ihn inhaltlich zu begründen und tatsächlich prüfen zu lassen,
auch finanziell prüfen zu lassen. Wir können uns nämlich z. B. vorstellen, einige Punkte noch weitergehend zu formulieren, als Sie es getan haben, während wir aber an anderen Punkten - genau so, wie Herr Jüttner es gerade ausgeführt hat - die
Ausgewogenheit der verschiedenen Destinatäre vermissen, weil Sie Versprechungen an alle Seiten machen.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der alte Glücksspielstaatsvertrag, den dieser Landtag beschlossen hat, ist ein einziges Fiasko. Er ist gescheitert, und zwar politisch, finanziell und juristisch.
Politisch ist er gescheitert, weil er seine Ziele nicht erreicht hat. Das Glücksspiel findet weiterhin statt, nämlich unverfolgt im Internet, die Spielsüchtigen sitzen nach wie vor vor den Automaten, und die Zahl der Spielhallen hat sich ausgeweitet. Dagegen wurde nach diesem Glücksspielstaatsvertrag die Zahl der Toto-Lotto-Annahmestellen, die sich überwiegend auf dem Land in kleinen Tante-Emma-Läden befunden haben, restriktiv behandelt. Einige mussten sogar geschlossen werden; so, als ob die Rentnerin, die einmal in der Woche ihren Lottoschein ausfüllt, spielsüchtig wäre. Also völlig daneben.
Finanziell ist er gescheitert, weil die staatlichen Einnahmen aus dem gesamten Bereich zurückgegangen sind.
Juristisch ist er gescheitert durch das Urteil des Europäischen Gerichtshofs. Ich will Sie nur noch einmal daran erinnern, dass der Europäische Gerichtshof genau das gesagt hat, was ich hier im Landtag vor dieser Entscheidung an diesem alten Glücksspielstaatsvertrag kritisiert hatte. Ich hatte gesagt, es ist völlig widersprüchlich. Auf der einen Seite Pferdewetten zu erlauben - sozusagen das Freizeitvergnügen der Bourgeoisie - und auf der anderen Seite Sportwetten zu verbieten - das hat der Europäische Gerichtshof anschließend gesagt -, ist nicht kohärent. Ich habe „Widersprüchlichkeit“ dazu gesagt.
Jetzt ist es aber zu einem Erkenntnisfortschritt gekommen, und zwar haben sich die Ministerpräsidenten darauf besonnen, dass man Spielerschutz und Jugendschutz viel besser gewährleisten kann, wenn man ein Konzessionsmodell bei den Sportwetten macht. Das ist auch ein Fortschritt. Auf diese Weise kann man nämlich durch die Auflagen, die den Konzessionären erteilt werden, diese Ziele viel besser durchsetzen als durch ein stumpfes Verbot, an das sich sowieso keiner hält. Richtig ist auch, dass in diesem neuen Entwurf jetzt auf Internetzensur verzichtet wurde, obwohl das in Vorentwürfen noch im Text enthalten war.
Aber der GBD hat recht: Wir betreten mit diesem Glücksspielstaatsvertrag - wie er es formuliert hat - materiell-rechtliches Minenfeld. Das hängt u. a. auch damit zusammen, dass die Europäische Kommission noch vor wenigen Wochen den Ministerpräsidenten geschrieben hatte, dass die Regelung, die gegenwärtig für Sportwetten besteht - also dieses Konzessionsmodell -, eigentlich auch auf andere Spiele wie z. B. Poker ausgedehnt werden müsste und dass bisher eigentlich jeder Beweis fehlt, dass das bei Poker anders zu beurteilen sei. Aber das soll nun innerhalb der Evaluationsfrist von zwei Jahren überprüft werden.
Ganz schlimm finde ich, dass der Gesetzentwurf zu dem Staatsvertrag, der immerhin am 15. Dezember von den meisten Ministerpräsidenten unterschrieben wurde, erst jetzt eingebracht wurde. Warum eigentlich? Warum hat man eine solche Not jetzt herbeigeführt? - Das hätte man ja alles schon viel eher machen können, und dann hätte man auch das Begleitgesetz seriös beraten können. Das haben wir ja noch nie gehabt, dass der GBD sich außerstande sah, eine schriftliche Vorlage zu einem Gesetz zu erarbeiten, und dann nur mit einem Kuli an den Texten herumgefummelt werden musste. Das ist eine absolut unseriöse Beratung.
Weil das Gesetz zwar hinsichtlich der Öffnung für Sportwetten in die richtige Richtung geht, wir aber auf der anderen Seite in dem Gesetz nach wie vor ein großes Risikoprojekt sehen, werden wir uns bei der Abstimmung der Stimme enthalten.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Was die Analyse der Istsituation betrifft, sind sich die fünf Fraktionen im Haus ja vergleichsweise einig. Was die Hintergründe betrifft, Herr Kollege Jüttner, gibt es dann doch erhebliche Unterschiede.
Was ist hier eigentlich passiert? - Die Realität hat die sozialdemokratischen Ministerpräsidenten in Deutschland eingeholt. Erst wollten sie das, was Sie heute noch befürworten, Herr Jüttner, nämlich ein totales Verbot. Ich erinnere mich noch sehr gut an die Beratung des alten Staatsvertrags im Jahr 2007, als auch die Sozialdemokraten hier im Landtag gejubelt und gesagt haben: Das ist der richtige Weg, das wird fiskalisch funktionieren, wir sichern die Einnahmen des Landes, und es wird juristisch funktionieren. Wir sind auf der rechtlich sicheren Seite.
Beides ist ausdrücklich nicht eingetreten. Es war damals Herr Beck, der die Feder geführt hat, und ich bedauere ausdrücklich, dass es heute wieder Herr Beck war, der die Feder führte. Insofern war es absolut richtig, dass Niedersachsen hier ein Sicherheitsnetz eingebaut hat. Ohne dieses Sicherheitsnetz stünden wir jetzt ziemlich nackig da. Ich will mich auf Herrn Beck ausdrücklich nicht verlassen, liebe Kolleginnen und Kollegen,
Herr Jüttner, Sie haben das alte Lied des totalen Protektionismus erneut gesungen. Wahrscheinlich in der falschen Tonlage. Aber das hat Ihnen der EuGH schon einmal eindeutig ins Stammbuch geschrieben: Das funktioniert so schlicht und einfach nicht. Das hat uns im Land - das habe ich gesagt - Hunderte Millionen Euro an Einnahmen gekostet, insbesondere auch beim Lottospiel. Auf der anderen Seite hat nicht nur der Europäische Gerichtshof, sondern haben auch diverse deutsche Oberverwaltungsgerichte gesagt: Das, was Sie hier fordern, kann am Ende nicht rechtens sein.
Insofern hätte ich mir heute eigentlich insbesondere vonseiten der SPD eine Entschuldigung gewünscht. Denn Sie waren maßgeblich mit verantwortlich für den alten Staatsvertrag. Ich hätte mir
gewünscht, dass sich die SPD hier hinstellt und sagt, liebe niedersächsische Steuerzahler, es tut uns leid, dass wir euch das angetan haben. - Kein Wort ist an dieser Stelle von Ihnen gekommen.