Protocol of the Session on May 10, 2012

Da die Rechnungshöfe dieser Landesregierung so deutlich ins Stammbuch geschrieben haben, dass die Wirtschaftlichkeit von ÖPP bzw. PPP gerade bei der JVA Bremervörde nicht eindeutig zu klären war, hätten wir schon eine positivere Auseinandersetzung mit dieser Kritik erwartet. Immerhin heißt es wörtlich: „Deshalb war ein Abgleich der Nominalwerte ohne monetarisierte Risiken nicht mög

lich.“ Auf Hochdeutsch heißt das: Ein echter Vergleich zwischen klassischer Eigenerledigung und PPP ist nicht angestellt worden.

Wenn das denn so ist, dann hätten wir gerne Klarheit darüber, wie in Zukunft große Investitionen oder Maßnahmen unter dem Eindruck der Schuldenbremse gestaltet werden sollen. Genau diese Fragen haben wir mehrfach gestellt. Heute Morgen hat sich der Finanzminister wiederum schlichtweg geweigert, darzustellen, wie in den Jahren bis 2017 - ganz zu schweigen von den Jahren bis 2020 - PPP zum Einsatz kommen soll bzw. Eigenmittel investiert werden sollen. Diesen Forderungen, die wir im Zusammenhang mit der Mipla und der Investitionsplanung gestellt haben, wollen Sie ausweichen. Gleichzeitig wollen Sie für die Zeit bis zur Wahl ein Instrumentarium schaffen, um gegenüber der investierenden Wirtschaft gute Argumente zu haben.

Am besten hat das die Staatssekretärin Frau Hermenau im Vorwort zu der Broschüre des Bauhandwerks deutlich gemacht. Sie hat dort zwar über die positiven Aspekte von PPP bzw. ÖPP berichtet, aber die Probleme - z. B. dass ÖPP kein zusätzliches Geld in die Kassen des Landes bringt - überhaupt nicht angesprochen. Sie hat auch nicht darauf hingewiesen, wie schwierig es ist, in einem PPP-Verfahren Investitionen auf den Weg zu bringen, wenn, wie wir ja alle fordern, der Nachweis erbracht werden muss, dass es eine vernünftige Lösung ist, über PPP-Modelle zu investieren.

Wir haben gesagt, diese Punkte müssen wir aufklären. Wir wollen sehr deutlich herausstellen, dass wir das Spielchen „heute wegducken; das Instrument ÖPP sozusagen offenhalten und suggerieren, man hat zusätzliches Geld für künftige Investitionen, wenn man verstärkt in ÖPP abwandert“ nicht mitmachen. Wir fordern Sie deshalb auf, unserem Antrag zuzustimmen.

Ich will das noch einmal am Beispiel der JVA Bremervörde deutlich machen. Darauf haben die Rechnungshöfe in ihren Berichten explizit Bezug genommen. Ich will gar nicht noch einmal vertieft auf die Berichte eingehen oder sie vorlesen, aber sie decken sich in vielen Teilen mit dem, was Ihr eigener Justizminister öffentlich zum Verfahren und zu diesem doch gewaltigen Investitionsprojekt von fast 290 Millionen Euro erklärt hat.

Der zweite Punkt, auf den die Berichte eingegangen sind, ist auch interessant: Es soll ein Justizzentrum in Hannover gebaut werden. Dazu sind

drei verschiedene Alternativen geprüft worden: PPP, Eigeninvestitionen und Mietkauf. Herausgekommen ist, dass offenkundig die dritte Variante, die, die eigentlich am schlechtesten abgeschnitten hat, genommen werden soll, weil man aus ordnungspolitischen Gründen - wie die FDP vermutlich sagen wird - nicht selbst investieren wollte und sich nicht getraut hat, die PPP-Variante zu wählen, die als Nächstes infrage gekommen wäre.

Noch deutlicher hat die FDP selbst erklärt, wie man künftig ÖPP einsetzen will, nämlich im Zusammenhang mit der Debatte über Contracting. Da hat Herr Grascha, der hier vorne ganz aufmerksam zuhört,

(Christian Grascha [FDP]: Immer, wenn der Vorsitzende spricht!)

fast wörtlich gesagt, man wolle die Option Contracting - was nichts anderes ist als die Privatisierung und Auslagerung von Dienstleistungen und Investitionen des Landes - auch mit Blick auf die Schuldenbremse aufrechterhalten.

(Christian Grascha [FDP]: Wenn es wirtschaftlich vernünftig ist, machen wir das natürlich!)

Wenn Sie das schon so deutlich sagen, verwundert es uns nicht, dass Sie heute unserem Antrag nicht zustimmen wollen.

Dass Sie, Herr Grascha, sich weigern, diese Veröffentlichungen zu PPP zu bewerten und die Bewertungen dem Parlament darzustellen, ist der erste große Fehler. Denn damit vermeiden Sie, einmal Bilanz darüber zu ziehen, was bisher in Niedersachsen erreicht worden ist. Wenn Sie dann aber auch noch nicht einmal für eine Klarstellung im Zusammenhang mit der Schuldenbremse sorgen, wird deutlich, dass Sie mit der Ablehnung unseres Antrages dieses Instrumentarium im Gegenteil erhalten wollen: sozusagen eine Escape-Strategie mindestens über den Wahltag hinaus.

(Glocke der Präsidentin)

Dass Sie auch nicht sagen wollen, wie Sie die großen Investitionsvorhaben - mit oder ohne PPP - künftig finanzieren wollen, ist noch schlimmer.

Auch nicht mittragen wollen Sie die Durchsetzung von einheitlichen Richtlinien für PPP - mindestens für Deutschland, möglichst für Europa - über den Bundesrat.

(Glocke der Präsidentin)

Es kann doch nicht sein, dass es aufgrund von unterschiedlicher Anwendung von PPP zu Wettbewerbsverzerrungen kommt.

Ein letzter Satz!

Unser Antrag stellt sicher, dass wir in diesem Bereich Transparenz, Wirtschaftlichkeit, Planungssicherheit, Rechtssicherheit, vor allem aber auch Kontrolle haben. In diesem Sinne bitte ich um Zustimmung zu unserem Antrag.

(Zustimmung bei der SPD)

Danke schön, Herr Aller. - Jetzt hat sich Herr Minister Möllring für die Landesregierung zu Wort gemeldet. Bitte schön, Sie haben das Wort!

Vielen Dank. - Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Für die Niedersächsische Landesregierung stelle ich fest, dass sich die verallgemeinerten Feststellungen und Bemerkungen der Rechnungshöfe inhaltlich bereits weitgehend mit der auf Landesebene praktizierten Vorgehensweise decken.

Der Forderungskatalog Ihres Entschließungsantrags, Herr Aller, enthält im Wesentlichen Vorschläge, die entweder bereits umgesetzt sind oder deren Umsetzung aus fachlicher Sicht wenig zielführend ist.

Die von der SPD geforderten allgemeinen Grundsätze für die Abwicklung von ÖPP-Projekten gibt es bereits. Sie finden sich in der Landeshaushaltsordnung, den dazu ergangenen Verwaltungsvorschriften und in den Richtlinien für die Durchführung von Bauaufgaben des Landes.

In Anbetracht der Vielzahl von ÖPP-Modellen und individuellen, projektbezogenen Besonderheiten sind allerdings detaillierte Festlegungen, Kriterienvorgaben usw. nicht zielführend. Das Prinzip der Einzelfallprüfung muss Maßstab aller Bewertungsvorgänge bleiben. Das ist doch auch selbstverständlich: Es ist doch ein Unterschied, ob ich ein Gefängnis oder ein Finanzamt nach ÖPP- bzw. PPP-Kriterien prüfen muss.

Die vorgenannten Regelungen stellen sicher, dass derartige Projekte nicht als Umgehungsinstrument zur Wirkung der Schuldenbremse verwendet wer

den. Entsprechendes hat auch der Bund in seinen Empfehlungen zur haushaltsrechtlichen und haushaltssystematischen Behandlung von ÖPP-Projekten dargelegt.

Bedeutsame Investitionen werden neben der Veranschlagung der für die Realisierung erforderlichen Haushaltsmittel zusätzlich im Erläuterungsteil des Haushaltsplanes dargestellt. Die für diese Maßnahmen in den Folgejahren entstehenden zusätzlichen Ausgabeverpflichtungen sowie weitere geplante Maßnahmen sind Bestandteil der Mittelfristigen Planung. Dadurch erfolgt auch eine umfassende Information des Landtages.

Meine Damen und Herren, die Kritik in Bezug auf das derzeit größte niedersächsische ÖPP-Projekt, die JVA Bremervörde, kann ich nun gar nicht nachvollziehen. Dieses Bauvorhaben wurde während der gesamten Planungszeit vom Niedersächsischen Landesrechnungshof intensiv begleitet. Und er hat diesem Vorhaben letztendlich ja auch zustimmt.

(Hans-Jürgen Klein [GRÜNE]: Relativ hilflos!)

Wir haben von Anfang an alles mit dem Landesrechnungshof abgestimmt. Der Landesrechnungshof hat alle unsere Berechnungen überprüft. Wenn er keine Beanstandungen geäußert bzw. zwar Anmerkungen gemacht, aber gesagt hat: „Macht es so!“, dann weiß ich nicht, was diese Kritik noch soll.

Herr Minister, gestatten Sie noch eine Zwischenfrage des Kollegen Dr. Sohn?

Ja, weil er mir vorhin so nett bei der Konnexität geholfen hat.

Herr Dr. Sohn!

Mamma mia, so viel Liebe am Schluss!

Herr Minister, wie vereinbart sich das, was Sie eben gesagt haben, mit Seite 67 dieses gemeinsamen Erfahrungsberichts? Dort wird explizit auf die Justizvollzugsanstalt Bremervörde eingegangen. Folgenden Hinweis gibt es zu den Auswirkungen der Prüfungsbemerkungen - ich zitiere:

„Die Korrekturvorschläge und Empfehlungen des Landesrechnungshofs wurden von der Verwaltung nur zum Teil berücksichtigt.“

So richtig übereinstimmend mit der Landesregierung ist das nicht.

Herr Minister!

Bei allen Anmerkungen ist es so, dass man sie diskutieren und prüfen muss. Wenn man damit einverstanden ist, übernimmt man sie. Es steht auch „wurden zum Teil berücksichtigt“ darin. Zum Teil konnten sie nicht berücksichtigt werden, weil wir anderer Meinung sind. Aber das kann immer einmal passieren.

Im Übrigen ist hervorzuheben, die Arbeiten auf der Baustelle der JVA Bremervörde sind im Zeitplan. Von einer fristgemäßen Übergabe der Anstalt zum 31. Dezember dieses Jahres kann ausgegangen werden. Zusätzliche Kosten sind bisher nicht entstanden und auch nicht zu erwarten. Die organisatorischen Vorbereitungen für den Probebetrieb und die Inbetriebnahme der Vollzugsanstalt laufen auf vollen Touren. Die Abstimmungen mit dem privaten Betreiber gehen reibungslos und partnerschaftlich vonstatten.

Der von den Vertragsparteien eingerichtete Vertragsbeirat hatte bisher keinerlei Veranlassung, zur Streitschlichtung tätig zu werden. Selbstverständlich wird die Entwicklung der JVA Bremervörde anschließend und abschließend evaluiert werden.

Weniger als ein Jahr nach Baubeginn und noch vor Inbetriebnahme bereits ein endgültiges Urteil fällen zu wollen, wäre verfrüht und würde eine objektive Beurteilung ausschließen. Aufgrund des bisherigen Bauverlaufs sind wir jedoch zuversichtlich, am Ende ein erfolgreiches Projekt abliefern zu können. Ich bitte um Verständnis: Das Ding ist im Bau und soll Ende des Jahres abgeliefert werden. Der Probebetrieb wird in diesem Jahr anlaufen, der Echtbetrieb aber noch nicht. Man kann sich nicht hierher stellen und sagen, dieses Projekt sei schon gescheitert. Es wählt auch keiner CDU, SPD oder sonst wen, wenn eine Justizvollzugsanstalt beschimpft wird. Dafür suchen Sie sich besser andere Projekte aus.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Danke schön, Herr Minister. - Für die CDU-Fraktion hat sich Herr Dr. Siemer zu Wort gemeldet.

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Wenn ich einmal international unterwegs bin, beschleichen mich Bedenken bei Krankheiten wie Malaria und Gelbsucht. Bei der SPD scheint das der Fall zu sein, wenn das Wort „privat“ auftaucht.

(Beifall bei der CDU - Björn Thümler [CDU]: So ist das!)

ÖPP - Öffentlich Private Partnerschaft oder Public Private Partnerschaft im Englischen - läuft auf eine Zusammenarbeit des Staates mit privatwirtschaftlichen Unternehmen bei hoheitlichen Aufgaben hinaus. Ich erinnere mich kaum an Vorhaben, die wir im Plenum oder in den Ausschüssen ausführlicher behandelt haben als im Zusammenhang mit den sogenannten ÖPP-Projekten. Das gilt insbesondere für das Vorhaben in Bremervörde. Sowohl im Haushaltsausschuss, dessen Mitglied ich bin, als auch im Ausschuss für Rechts- und Verfassungsfragen - in dem ich zu dem Zeitpunkt auch Mitglied war - haben wir uns ausführlich mit den Wirtschaftlichkeitsberechnungen, den Ausschreibungsresultaten, dem Projektfortschritt, der Planung und der Umsetzung dieses Projektes befasst.

Der Minister hat auf die Landeshaushaltsordnung hingewiesen. Es gibt Verwaltungsvorschriften und Richtlinien zur Durchführung von Bauaufgaben des Landes. Diese bereits bestehenden Vorschriften kann man bei Gelegenheit auch einmal lesen. Wer lesen kann, ist auch im Landtag im Vorteil. Diese Regelungen decken die von der SPD vorgeschlagenen Änderungen bereits ab.