Protocol of the Session on May 9, 2012

Erste Beratung: Handwerk stärken, Fachkräfte sichern: wirtschaftlichen Eckpfeiler im Mittelstandsland Niedersachsen festigen - Antrag der Fraktionen der CDU und der FDP - Drs. 16/4732

Für die CDU-Fraktion hat Herr Kollege Bley das Wort.

Sehr geehrte Frau Landtagspräsidentin! Meine Damen und Herren! Die Arbeitsmarktpolitik in Niedersachsen zeigt viele positive Auswirkungen. Die neuesten Zahlen belegen, dass sich der positive Trend auf dem Arbeitsmarkt weiter fortsetzt. Wir haben in Niedersachsen eine Arbeitslosigkeit von nur noch 6,7 %. Das ist der niedrigste Wert seit 20 Jahren.

(Ursula Weisser-Roelle [LINKE]: Aber unter welchen Bedingungen arbeiten die Menschen?)

Diese positiven Meldungen hören wir erfreulicherweise schon seit vielen Monaten.

Auch die Jugendarbeitslosigkeit beträgt dank guter Wirtschafts- und Schulpolitik nur noch 5,6 %.

Die Erwerbstätigkeit im Handwerk wuchs in diesem Jahr in Niedersachsen auf 505 000 Beschäftigte. Mittelstand und Handwerk haben die Finanz- und

Wirtschaftskrise dank guter Wirtschaftspolitik schnell und gut überstanden.

Danken möchte ich den Unternehmen, die in der Krise auf Entlassungen verzichtet haben, um nach der Krise weiterhin mit Fachkräften arbeiten und ihre Aufträge abarbeiten zu können.

Eine Blitzumfrage des Niedersächsischen Handwerkstages bestätigt die gute Geschäftslage, die von 90 % der Befragten mit gut oder befriedigend bewertet wurde. Eine Befragung der Unternehmen nach der Zufriedenheit mit unserer Landesregierung hätte ganz sicher zu ähnlichen Ergebnissen geführt.

(Zustimmung bei der CDU und bei der FDP)

Meine Damen und Herren, wo viel Licht ist, gibt es auch Schatten. Die Blitzumfrage vom Februar dieses Jahres brachte auch ein Problemfeld zutage, und zwar die Sorge über einen Fachkräftemangel.

Die Antworten auf die Blitzumfrage zeigen die Lage von Wirtschaft und Konjunktur. Dazu wurden verschiedene Bereiche abgefragt. Zum Beispiel wurde gefragt: In welchen Bereichen sehen Sie für das kommende Halbjahr nach gegenwärtigem Stand Probleme in Ihrem Betrieb?

Es wurde auch nach der Bürokratie gefragt. Diese Sorgen nehmen seit 2009 ab. Auch die Sorgen bezüglich der Steuer- und Sozialabgaben nehmen seit 2009 in einem riesigen Umfang ab.

Mit Blick auf das Problem der Schwarzarbeit sind die Sorgen seit 2009 ebenfalls wesentlich geringer geworden.

Auch bezüglich der Kreditbeschaffung und Finanzierung sind die Sorgen seit 2009 bis heute erheblich zurückgegangen.

Die Auftragslage hat sich von 2009 bis jetzt sehr gut entwickelt. Nur noch 4,7 % machen sich hier Sorgen.

Aber es gibt auch ein Thema, das Sorgen macht, nämlich die Fachkräftegewinnung. Diese Grafik hier zeigt deutlich, dass es in allen Bereichen eine positive Entwicklung gibt, aber bezüglich der Fachkräftegewinnung sind die Sorgen seit 2009 erheblich gewachsen.

Meine Damen und Herren, die Regierungsfraktionen wollen mit dem heutigen Entschließungsantrag bewirken, dass die Landesregierung Maßnahmen unterstützt, die dem Fachkräftemangel entgegenwirken.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, bevor ich zu unserem Antrag komme, möchte ich der christlichliberalen Bundesregierung für ihre Aktivitäten beim Thema Fachkräftemangel und demografische Entwicklung danken.

(Zustimmung bei der CDU und bei der FDP)

Die Bundesregierung setzt auf das Potenzial unserer eigenen Arbeitskräfte bei Vermittlung, Fortbildung und Qualifizierung, aber auch auf Vereinbarkeit von Familie und Beruf.

(Zustimmung bei der CDU und bei der FDP)

Meine Damen und Herren, kluge und innovative Köpfe aus der ganzen Welt sollen nach Deutschland in unsere Unternehmen geholt werden. Wir benötigen qualifizierte Fachkräfte aus Drittländern. Deutschland bietet den Menschen eine hohe Lebensqualität. Deswegen bin ich mir sicher, dass hier auch noch einiges gelingen wird.

Mit der aktuell vom Bundestag beschlossenen sogenannten Blauen Karte schaffen wir im Aufenthaltsrecht ein Instrument, mit dem wir qualifizierte Fachkräfte gezielt ansprechen und ihnen einen schnellen und unkomplizierten Einstieg in unseren Arbeitsmarkt ermöglichen können. Mit dem Visum für Arbeitsuchende wird außerdem ein neues Modell zum am Arbeitsmarkt passgenau ausgerichteten Aufenthaltsrecht eingeführt. Hiervon profitieren kleine und mittelständische Unternehmen. Fachkräfte haben so sechs Monate Zeit, einen passgenauen Arbeitsplatz zu suchen. Außerdem können mit dem Visum junge Menschen im Land bleiben, die hier erfolgreich studiert und einen Hochschulabschluss erworben haben. 18 Monate haben diese jungen Menschen dann Zeit, einen adäquaten Arbeitsplatz zu finden.

Diese Neuregelungen im Aufenthaltsrecht sind ein wichtiger Baustein, um Deutschland als Wissens-, Innovations- und Arbeitsstandort weiter zu stärken und motivierte und leistungsstarke Fachkräfte an uns zu binden. Ich glaube, der Bundesminister für Inneres, Hans-Peter Friedrich, hat hier tolle Ergebnisse erzielt.

(Zustimmung bei der CDU und bei der FDP)

Meine Damen und Herren, unser Antrag wird eine gute Ergänzung und Grundlage für die Fachkräftegewinnung sein. Wir werden im Bereich allgemeinbildender Schulen mit der Umsetzung einer früh

zeitigen und umfassenden Berufsorientierung ansetzen. Eltern und Jugendliche werden frühzeitig über die Durchlässigkeit an und den Zugang zu niedersächsischen Hochschulen aufgeklärt. Bei den berufsbildenden Schulen werden wir das Übergangssystem so regeln, dass die duale Ausbildung Vorrang bekommt. Unnötiger Wettbewerb zwischen Wirtschaft und Schule soll vermieden werden. Auch Teilzeitberufsschulunterricht soll möglich sein, um Abwanderungen zu verhindern, besonders dort, wo die demografische Entwicklung am deutlichsten zu spüren ist.

Meine Damen und Herren, wir werden die Vereinbarkeit von Familie und Beruf fördern. Die Landesregierung wird sich für familienbewusste und gesundheitsorientierte Personalpolitik einsetzen. Auch im Bereich der Fort- und Weiterbildung setzt sich die Landesregierung für geeignete Maßnahmen und Angebote ein.

Politik und Wirtschaft gemeinsam muss es gelingen, die für 2020 prognostizierten fehlenden 10 000 Auszubildenden zu finden und vorzubereiten.

Ich freue mich auf die Beratung des Antrags im Ausschuss und danke fürs Zuhören.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Ganz herzlichen Dank, Herr Kollege Bley. - Zu diesem Antrag spricht seitens der SPD-Fraktion Herr Kollege Will. Bitte!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Bley, da haben Sie ja viel aus unserem Antrag zur Fachkräfteoffensive abgeschrieben. Aber sei’s drum.

(Karl-Heinz Bley [CDU]: Den habe ich gar nicht gelesen! - Frank Oesterhel- weg [CDU]: Dann kann man auch nicht abschreiben!)

- Ja, es ist Ihr Problem, dass Sie zu wenig von dem lesen, was die Opposition hier vorlegt.

Außerdem will ich mich ausdrücklich nicht bei der Bundesregierung für die Kürzung der arbeitsmarktpolitischen Programme bedanken.

(Zustimmung bei der SPD - Dr. Gab- riele Andretta [SPD]: Wir auch nicht, Gerd!)

Zunächst halten wir fest: Der Mittelstand, besonders der handwerkliche Mittelstand, leistet sicherlich einen wichtigen Beitrag für das Bruttoinlandsprodukt Niedersachsens. Das Handwerk hat einen wesentlichen Anteil daran, dass der konjunkturelle Einbruch schnell überwunden werden konnte, und das Handwerk in Niedersachsen ist ein Beschäftigungsmotor.

Die öffentlichen Auftraggeber leisten ihren Beitrag zur Stabilisierung des Handwerks, und dies müssen sie auch weiterhin tun. Die äußerst schwache Investitionsquote des Landes Niedersachsen ist dabei keinesfalls beruhigend, ganz im Gegenteil. Jetzt gilt es, am Arbeits- und Ausbildungsmarkt eine starke Position auszubauen, um in den nächsten Jahren den Wettbewerb um dringend benötigte Fachkräfte zu bestehen.

„Wir setzen auf nachwachsende Rohstoffe: Azubis!“ titelt die Handwerkskammer Hannover am 7. Mai, dem „Bundesaktionstag Ausbildung“ des deutschen Handwerks. Auch Kammerpräsident Heitmüller warnt: Über 600 Ausbildungsplätze sind in unseren Betrieben in diesem Jahr noch unbesetzt.

Das zeigt: Das Handwerk hat weiter Bedarf an Auszubildenden. Aber es hat es bisher noch nicht geschafft, ausreichend Berufsanfänger für eine Ausbildung im Handwerk zu begeistern.

Meine Damen und Herren, seit über zwei Jahren sprechen wir bereits von der notwendigen Fachkräfteoffensive für Niedersachsen. Endlich wachen FDP und CDU auf! Dabei war das Problem nicht erst jetzt absehbar; denn stark zurückgehende Schülerzahlen waren und sind bekannt.

(Ernst-August Hoppenbrock [CDU]: Ihr wolltet eine Ausbildungsabgabe!)

Es ist natürlich auch bekannt, dass die Schere zwischen Angebot und Nachfrage künftig immer mehr auseinanderklaffen wird. In einzelnen Branchen des Handwerks gilt das Prinzip „Lehrstelle gesucht“ längst nicht mehr. Dazu steht die duale Ausbildung in Niedersachsen zunehmend unter dem Druck neuer Ausbildungs- und Bildungswege.

Wenn die Zahl der Abiturienten an Gesamtschulen und Gymnasien weiter steigt, hat das eben zur Folge, dass Ausbildungsplätze in der klassischen Ausbildung weniger nachgefragt werden. Trotzdem können wir derzeit laut Arbeitsmarktbericht der Agentur für Arbeit niedersachsenweit noch nicht von einer wirklichen Entspannung am Ausbildungsmarkt 2012 sprechen. Im April suchten im

mer noch ca. 30 000 Berufsanfänger in Niedersachsen einen Ausbildungsplatz. Dem stehen nur 25 000 freie Stellen gegenüber.

Das heißt, auf einen Bewerber kommen in Niedersachsen rein rechnerisch nur 0,8 Stellen. Bleibt das so, werden viele Berufsanfänger wieder in Warteschleifen einmünden und werden erst später in den Arbeitsmarkt eintreten.

Darüber hinaus steht die duale Ausbildung leider auch in der Kritik. Denn sie versperrt vor allem Jugendlichen mit niedrigen Schulabschlüssen den Zugang zu qualifizierten Berufsabschlüssen. Ich zitiere dpa von vorgestern:

„Mit ihrer Berufsfixiertheit und ihrem Vorrang von praktischem Lernen hinke die bisherige Berufsausbildung der modernen Wissensgesellschaft hoffnungslos hinterher.“