Weil das federführende Land Baden-Württemberg gesagt hat „Wir alle müssen uns zusammensetzen, weil wir allein es nicht schaffen“, haben wir einem Treffen zugestimmt. Daraufhin hat Baden-Württemberg für den folgenden Montag alle Länder nach Berlin eingeladen. - Ich muss mich korrigieren, ich muss ja wahrheitsgemäß Bericht erstatten: Alle Länder bis auf Sachsen. Sachsen hatte man vergessen. Sachsen hat das jedoch gemerkt und gefragt, ob es auch teilnehmen dürfe. - So viel zur Wahrheit und zur Gründlichkeit der Arbeit von Herrn Schmid in Baden-Württemberg.
Am Montag erlebten wir dann einen beeindruckenden Vortrag des Insolvenzverwalters, der uns dargelegt hat, dass er, erstens, 71 Millionen Euro braucht - heute sind wir bei 70 Millionen Euro - und zwar, zweitens, bis Donnerstag. Weitere Unterlagen gab es nicht. Auf Nachfragen konnten viele Auskünfte gar nicht gegeben werden. Die Angaben zu den Arbeitsplatzzahlen waren übrigens bei allen
unterschiedlich. Als wir am nächsten Tag mit den Vertretern von ver.di und Schlecker zusammensaßen, hatte jeder andere Zahlen. Die Bundesagentur für Arbeit hat noch einmal andere Zahlen. Das heißt, die Datenlage war in einem desaströsen Zustand.
Das finde ich wirklich erschreckend, wenn man als Landesregierung diesen Prozess über eine so lange Zeit federführend begleiten sollte.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, es geht auch heute, wie Finanzminister Hartmut Möllring noch einmal deutlich gemacht hat, nicht darum, eine Transfergesellschaft zu finanzieren oder zu verbürgen. Ein solcher Antrag wurde an kein Land gestellt. Worum es geht und worum wir vom federführenden Land Baden-Württemberg gebeten werden, ist, das Gesamtkonzept des Insolvenzverwalters mit einer Finanzierung der Insolvenzmasse unter gewissen Bedingungen, die noch nicht prüfbar sind, weil noch nicht alle Unterlagen vorliegen, zu verbürgen. Das ist etwas ganz anderes als das, was in der Öffentlichkeit immer wieder in den Raum gestellt wurde, meine sehr geehrten Damen und Herren.
Sie konzentrieren sich immer auf diesen einen Bereich der Mitarbeiter, die in eine Transfergesellschaft überführt werden sollen bzw. sich freiwillig dazu bereit erklären sollen. Ich will Ihnen eines sagen: Jedes Konzept, das wir als Landesregierung in anderen Fällen mitgetragen und umgesetzt haben, hatte immer eine ganz entscheidende und wichtige Voraussetzung, übrigens auch im Falle von Karmann und in anderen Fällen. Wir haben immer gesagt: Wenn wir Hilfen gewähren, dann muss es eine positive Fortführungsprognose für den restlichen Teil geben. Herr Hagenah, Sie haben ihn immer als gesunden Anteil dargestellt. Sie können es nicht wissen, weil Sie die Unterlagen nicht haben. Für diesen Teil gibt es momentan keine positive Fortführungsprognose. Sie existiert nicht. Derzeit gibt es nicht einmal eine positive Prognose für eine Investorensuche für diesen Bereich.
Herr Schmid sagt ja immer, es sei richtig, was Niedersachsen sagt, und das müsse unbedingt aufgenommen werden. Wir haben gesagt: Wenn wir weiterreden wollen, dann müsste von der Insol
venzmasse, von den Gläubigern, von dem jeweilig zuständigen Ausschuss zumindest die Garantie gegeben werden, dass der Restbereich für die Dauer der Transfergesellschaft, die eingerichtet werden soll, weitergeführt wird und die Menschen dort diese Sicherheit haben. Auch das liegt bis heute noch nicht vor, meine sehr geehrten Damen und Herren. Alles, was uns vorliegt, ist momentan Stückwerk. Wir hoffen, dass es gerade auch durch die Unterstützung von PwC zu sehr viel mehr Klarheit und Grundlage kommt, weil es um die Menschen bei der betroffenen Unternehmensgruppe Schlecker geht.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich habe große Sorge angesichts der Art und Weise, wie von der grün-roten Landesregierung in BadenWürttemberg der Prozess bisher federführend geleitet wurde. Das hat mehr etwas von Dilettantenstadel als von einer wirklich vernünftigen und soliden Arbeit.
(Beifall bei der FDP und bei der CDU - Hans-Henning Adler [LINKE]: Wollen sie jetzt Parteipolitik auf Kosten der Beschäftigten machen oder was ist das?)
Es gibt für uns keine Bürgschaften auf Zuruf. Wir wollen gemeinsam eine Lösung finden, um möglichst viele Arbeitsplätze in Niedersachsen zu halten und möglichst vielen der betroffenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter eine dauerhafte Perspektive zu geben. Für diejenigen, für die dieser Weg nicht geht, sind wir mit der Regionaldirektion der Bundesagentur für Arbeit im Gespräch. Wir wollen unsere Möglichkeiten aufeinander abstimmen, in Niedersachsen ergänzende Unterstützung zu gewähren. Wir sind ebenfalls dabei - ich glaube, Herr Hagenah hat es in die Diskussion eingebracht -, uns die Auswirkungen der Schließung der betroffenen Filialen auf die Kommunen vor Ort und den ländlichen Raum anzuschauen und zu prüfen, ob die Versorgungsstruktur anderweitig aufrechterhalten werden muss und wir vielleicht über einzelne Lösungen und Neuansiedlungen reden müssen, damit der ländliche Raum in Niedersachsen dadurch nicht gefährdet wird.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, in diesem Bereich gibt es also noch viel zu tun. Ich finde, wir sollten auch deutlich sagen, dass es in einer sozialen Marktwirtschaft auch immer eine Verantwortlichkeit des Unternehmers gibt.
Die Verantwortlichkeit endet in meinen Augen nicht durch die Insolvenz. Wer über Jahre und Jahrzehnte gut von einem Unternehmen und der Leistung seiner Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter profitiert hat, der darf in dieser Situation nicht ohne Weiteres aus der Verantwortung für seine bisherigen Mitarbeiter gelassen werden. Er muss zumindest moralisch von uns immer wieder aufgefordert und gemahnt werden, seinen eigenen Beitrag zu leisten.
Ich möchte noch kurz auf die Forderungen im vorliegenden Antrag eingehen. Herr Lies, die SPD hat in Nr. 1 des Antrags gefordert - das steht auch weiterhin im Antrag -, Möglichkeiten zu suchen, das Insolvenzgeld über den 31. März hinaus - dann sind die drei Monate abgelaufen - zu zahlen.
Herr Lies, selbst wenn der Landtag das wollte, ist das im SGB III § 183 Abs. 1 geregelt, und zwar abschließend. Das SGB III lässt keinerlei Ausnahmen zu. Es ginge also nur, wenn wir bis zum 31. März 2012 das SGB III ändern würden. Das ist leider unrealistisch. Es gibt auch gute Gründe, warum das Insolvenzgeld so geregelt ist, wie es tatsächlich geregelt ist.
Das heißt: Der Wunsch, den Sie hier haben, um in diesem Bereich Zeit zu gewinnen, wird nicht erfolgreich sein. Ich fände es deshalb auch falsch, wenn man dies tatsächlich beschließen würde, weil es schlicht und ergreifend rechtlich keine Möglichkeiten gibt, diesen Weg zu gehen.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, die Finanzierung der Transfergesellschaft ist, wie ich hier noch einmal gesagt habe, nicht der Punkt, über den wir reden. Wir reden über das Gesamtkonzept, das der Insolvenzverwalter vorgelegt hat. Das wird nach allen in Niedersachsen vorliegenden Richtlinien und Grundsätzen, die für jeden gelten - egal ob aus Industrie, aus Handwerk oder aus Handel, ob Existenzgründer oder Unternehmen in Schwierigkeiten -, beantwortet und bearbeitet, geprüft und dann entschieden.
Es wird keine Lex Schlecker geben. Aber wir wollen alles tun, um den betroffenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern zu helfen, um in Niedersachsen den ländlichen Raum zu stärken und um am Ende eine gute Lösung für alle zu bekommen. Das ist bei der Datengrundlage und bei der Vorbereitung allerdings nicht einfach gewesen.
Verehrte Kolleginnen und Kollegen, Kollege Möhrmann hatte Sie darüber unterrichtet, worauf sich die Fraktionen verständigt haben: Wir wollen an dieser Stelle die Tagesordnungspunkte schließen und sie am Ende der Tagesordnung dann wieder aufnehmen.
Gleichwohl hat Frau Weisser-Roelle sich noch zu Wort gemeldet. Sie hat um Redezeit nach § 71 Abs. 3 der Geschäftsordnung gebeten. Wir haben uns darauf verständigt, dass es kurz sein soll. Anderthalb Minuten, Frau Weisser-Roelle?
Schönen Dank, Herr Präsident. - Herr Minister Bode, Sie haben in Ihren Ausführungen deutlich gemacht, dass Sie sich große Sorgen machen, wie die Politik in Baden-Württemberg mit diesem Thema umgeht. Wenn Sie sich so große Sorgen machen, haben Sie doch heute die Möglichkeit, ein Signal zu setzen, dass die Politik in Niedersachsen anders mit diesem Thema umgeht und deutlichere Zeichen setzt. Dann können Sie ja den Kollegen in Baden-Württemberg zeigen, wie man es vielleicht besser machen kann.
Herr Bode, Sie sagen, die Schlecker-Beschäftigten hätten unsere moralische Unterstützung. Moralische Unterstützung mag gut sein, aber moralische Unterstützung allein reicht nicht aus.
- Lesen Sie es doch nach. - Sie müssen hier heute klare Botschaften senden. Das haben Sie auch in Ihrem Beitrag nicht gemacht.
Ich habe mal eine Frage - ich weiß nicht, ob es überhaupt juristisch möglich ist, Herr Bode -: Haben Sie schon einmal prüfen lassen, ob es möglich ist, eine eigene Transfergesellschaft für Niedersachsen zu gestalten,
- Sie brauchen sich doch nicht so aufzuregen. Ich kann doch mal die Frage stellen, ob das geprüft wurde. Wenn es noch nicht geprüft wurde, dann würde ich gerne wissen, warum nicht; denn wenn gesagt wird, wir müssten nach allen möglichen - - -
(Björn Thümler [CDU]: Sie verstehen es nicht! Weil es rechtlich doch gar nicht geht, Frau Weisser-Roelle! Ist das denn so schwierig? - Unruhe - Glocke des Präsidenten)
Sehr geehrter Herr Thümler, ich wollte jetzt nicht Ihre Fachkompetenz nutzen, sondern die Aussage von Minister Bode haben. Meine Frage war, ob es schon geprüft wurde, und wenn nicht, warum nicht.
Schließlich wäre es eine Möglichkeit, hier nach Insellösungen zu schauen; denn es sind 1 000 Menschen in Niedersachsen davon betroffen.
Herr Bode, des Weiteren haben Sie gesagt - und da gebe ich Ihnen recht -, dass eine Transfergesellschaft nur ein Schritt sein kann. Was passiert denn mit den Menschen, die nicht in einer Transfergesellschaft sind? Darum haben wir unseren weiterführenden Antrag gestellt, der im Ausschuss beraten wird. Darin haben wir weitere Vorschläge gemacht, um zu sagen, wie es mit Schlecker auch im ländlichen Raum weitergehen kann.
Frau Weisser-Roelle hat ja eine Frage gestellt. Ich bin ein höflicher Mensch und will sie auch gerne beantworten. Ja, wir haben das selbstverständlich geprüft. Die Prüfung hat allerdings nicht so lange