Protocol of the Session on March 21, 2012

Noch einmal zu der Aussage, es sei eine andere Version eingesetzt worden, nicht genau die, die der Chaos Computer Club programmiert habe. Ja, meine Damen und Herren, eine andere Version. Versionspflege und neue Version führen in der Regel nicht dazu, dass die Software völlig anders gestrickt ist. Die Software, die die Firma DigiTask programmiert hat, ist vom Konzept her, ist vom ganzen Design her so grottig und so schlecht, dass sie auch in einer neueren Version nicht besser werden kann. Deswegen ist das vorgeschoben.

Sie machen es sich wirklich ein bisschen zu leicht, wenn Sie sagen: Das war ja nicht die gleiche Version.

(Beifall bei der LINKEN)

Rechtliche Vorgaben, meine Damen und Herren - - -

Frau Kollegin, die 90 Sekunden sind um. Ein Satz noch!

Wie vom Bundesverfassungsgericht gefordert, sind rechtliche Vorgaben eben nicht - ich wiederhole es - einfach die Anordnung, die dann erfolgt. „Rechtliche Vorgaben“ bedeutet vielmehr: Es muss ein Gesetz dafür geben, das das Ganze regelt. Es klang bei Ihnen eben ja an, dass man darüber nachdenken muss.

(Beifall bei der LINKEN)

Herr Oetjen möchte antworten. Bitte!

Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Herr Präsident! Ich will das wiederholen, was ich schon gesagt habe. Wenn eine solche Software eingesetzt wird, dann muss sichergestellt sein, dass der persönliche Lebensbereich des Einzelnen eben nicht betroffen sein kann. Wenn die Maßnahmen es erfordern, dass das von einer staatlichen Stelle geprüft und organisiert wird, dann ist das so. Wenn sichergestellt werden kann, dass das von einer privaten Firma gemacht wird, dann geht es auch über eine private Firma.

Das, worum es mir geht, verehrte Damen und Herren, ist aber - hier sitzen nicht nur Abgeordnete, die IT-Spezialisten sind -, dass wir das sicherstellen müssen und es im Anschluss einer parlamentarischen Kontrolle unterziehen, damit wir den rechtsstaatlichen Boden nicht verlassen. Das ist das, glaube ich, was an dieser Stelle auch Aufgabe eines Parlaments ist.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Meine Damen und Herren! Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Ich schließe die Beratung zu der Großen Anfrage ab.

Ich rufe den Tagesordnungspunkt 20 auf:

Abschließende Beratung: Zugangsfreiheit zum Internet sichern - Netzsperren ausschließen - Antrag der Fraktion DIE LINKE - Drs. 16/3833 - Beschlussempfehlung des Ausschusses für Bundes- und Europaangelegenheiten und Medien - Drs. 16/4489 - Änderungsantrag der Fraktion der SPD, der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen und der Fraktion DIE LINKE - Drs. 16/4626

Der Ausschuss empfiehlt Ihnen, den Antrag abzulehnen.

Der Änderungsantrag der Fraktion der SPD, der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen und der Fraktion DIE LINKE in der Drs. 16/4626 zielt auf eine Annahme des Antrages in einer geänderten Fassung ab.

Eine Berichterstattung ist nicht vorgesehen.

Ich eröffne die Beratung und erteile Frau Flauger das Wort für die Fraktion DIE LINKE. Bitte schön!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das Thema Netzsperren ist auch ein Thema, das die Gemüter insbesondere junger Leute sehr bewegt, die sich viel im Internet bewegen. Dies tun aber auch einige im reiferen Alter, wie sie überwiegend hier im Landtag sitzen.

Wir haben über den Antrag, den wir eingebracht haben, im Ausschuss beraten. Ich habe mich eigentlich sehr gefreut, dass sich abzeichnete, dass es vielleicht einen sehr breit getragenen Antrag zu diesem Thema geben könnte, dass es also ein breit getragenes Signal aus dem Landtag geben könnte, dass diese Landesregierung auch zukünftig keinem Gesetzesvorhaben zustimmen würde, in dem Netzsperren vorgesehen werden.

Im Dezember ist im Bundestag das Zugangserschwerungsgesetz aufgehoben worden, das diese Netzsperren vorsah. Es gab inzwischen die Einsicht, dass es eben doch kein taugliches Mittel sei, Stoppschilder im Internet aufzustellen. Von daher wurde es aufgehoben.

Ich hätte mich sehr gefreut, wenn wir hier, breit getragen, zu einem einhelligen Signal aus dem Niedersächsischen Landtag hätten kommen können.

Wir haben jetzt einen gemeinsamen Änderungsantrag der Fraktionen der SPD, der Grünen und der Linken vorliegen, in den wir bei dem dritten Punkt unseres ursprünglichen Antrages statt der Verankerung des Internetzugangs als Menschenrecht hineingeschrieben haben: Wir wollen, dass es in den Universaldienstkatalog aufgenommen wird. Darauf konnten wir uns gut einlassen, weil es schon seit gefühlten 100 Jahren eine Forderung der Linken ist, dass der Zugang zum Internet, zu einer brauchbaren Internetverbindung genauso als Recht anerkannt wird wie der Zugang zu einer Telefonanbindung, zu einer Wasserleitung, zu einer Stromanbindung.

Leider haben sich CDU und FDP entschieden, dem nicht zuzustimmen. Vielleicht haben Sie es sich noch einmal überlegt; wahrscheinlich aber nicht. Das Problem liegt eben darin, dass das Thema nicht vom Tisch ist. Zwar hat es im Dezember die Aufhebung des Zugangserschwerungsgesetzes gegeben und das Thema Netzsperren scheint erst einmal vom Tisch. Aber auf europäischer Ebene ist es noch nicht vom Tisch. Da kann also etwas auf uns zurückkommen.

(Vizepräsident Hans-Werner Schwarz übernimmt den Vorsitz)

Wir sehen z. B. an solchen Themen wie ACTA, das Ihnen vielleicht ein Begriff ist, dass das Thema eben noch in der Debatte ist und dass es bei Weitem nicht vom Tisch ist. Denn in diesem Zusammenhang wird z. B. überlegt, ob man Menschen nach einem dritten Verstoß gegen das Urheberrecht den Zugang zum Internet entzieht, und zwar gar nicht einmal von staatlicher Stelle, sondern von einer privat organisierten Institution, die dann diesen Zugang entziehen können soll.

Des Weiteren geht es darum, dass auch die Provider bei diesem ACTA-Vorhaben herangezogen werden sollen, dass ihnen also Beihilfe zu diesen Urheberrechtsverstößen, die in der Debatte sind, unterstellt und gesagt wird: Na ja, dann betreiben die Beihilfe. Deswegen hätten sie sicherzustellen, dass keine Urheberrechtsverstöße passieren.

Das wiederum erfordert, dass sie sich genau angucken, was alles an Daten über das Netz geht. Dann müssen sie eben auch eindringen und müssen entsprechend Netzsperren verhängen. Das ist

dann das Ziel. Deswegen ist das Thema nicht vom Tisch.

Ich bitte Sie, sich es noch einmal zu überlegen, ob Sie nicht zustimmen wollen, ein klares Signal aus dem Landtag zu senden, dass wir in diesem Parlament keinen Netzsperren, keinen Gesetzesvorhaben, die Netzsperren beinhalten, zustimmen werden.

(Beifall bei der LINKEN)

Frau Behrens hat für SPD-Fraktion das Wort. Bitte schön!

Vielen Dank. - Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen! Netzsperren - Frau Flauger hat völlig recht - sind mit unserer im Grundgesetz abgesicherten Meinungsfreiheit nicht vereinbart. Die Filterung von Inhalten durch den Staat mittels Sperrliste oder anderer technischer Möglichkeiten oder mittels Zugangsbeschränkungen ist nicht akzeptabel.

Dies ist Mittelpunkt des gemeinsamen Änderungsantrages von SPD, Grünen und Linken. Es gibt wirklich überhaupt keinen Grund, dass der gemeinsame Änderungsantrag nicht von einer breiten Mehrheit im Landtag getragen wird. Ich glaube, das Thema Netzsperren ist ein so wichtiges Thema, dass man sich da innerhalb der Fraktionen nicht auseinanderbringen lassen darf.

In Deutschland haben wir uns parteiübergreifend auf den Grundsatz „Löschen statt Sperren“ verständigt. In diesem Sinne sind Netzsperren auf jeden Fall abzulehnen.

(Beifall bei der SPD und bei der LIN- KEN)

Ich möchte auf ein Thema noch einmal intensiver eingehen. Wir haben uns im Zuge der Beratung des Antrages der Linken im Fachausschuss darüber informieren lassen, wie andere auf europäischer Ebene darüber diskutieren.

Ich glaube, wir müssen als Deutsche auf europäischer Ebene sehr darum kämpfen, dass wir den Ansatz „Löschen statt Sperren“ bei unseren europäischen Nachbarstaaten stärker ins Bewusstsein bringen.

Die Bilanz, die das Bundeskriminalamt oder auch die Landeskriminalämter zum Thema „Löschen statt Sperren“ vorlegen, ist schon beeindruckend.

97 % der Webseiten, die illegale Inhalte präsentieren, wurden innerhalb einer Woche gelöscht. Der Rest von im Ausland gehosteten Seiten konnte auch relativ schnell aus dem Netz genommen werden. Das heißt, auch in der praktischen Welt funktioniert „Löschen statt Sperren“.

Sperren mittels einer Sperrinfrastruktur jedoch bedeutet ein Unterwandern der Meinungsfreiheit, das Unterwandern eines demokratisch organisierten Staates, und das können wir nicht zulassen. Sie sehen auch an der Debatte, die wir noch vor ein paar Wochen, ausgelöst durch die USA, geführt haben, wo man zur Durchsetzung des Urheberrechts mittels SOPA Menschen den Zugang einfach sperren wollte, dass das nicht akzeptiert wird. Die Menschen, die dagegen auf die Straße gegangen sind, haben ja auch erreicht, dass dieser Gesetzentwurf in den USA zurückgezogen worden ist. Wir müssen einfach dafür kämpfen, dass das auch weiterhin so ist.

Der Umgang mit diesem Thema in der EU ist leider noch sehr diffizil. Rechtliche Möglichkeiten für eine gesetzliche Internetsperre bestehen in Frankreich, Schweden, Dänemark, Norwegen, Finnland, Spanien, Belgien und Italien. Sie sehen, wir müssen da viel Überzeugungsarbeit leisten. Das einzige Land, das sich mit einer wirklichen Sperrinfrastruktur, wie sie auch in China angewandt wird, beschäftigt, ist Frankreich. Auch im Sinne eines guten Verhältnisses zwischen Deutschland und Frankreich müssen wir da Überzeugungsarbeit leisten, damit der Grundsatz „Löschen statt Sperren“ auch rechtlich so verankert wird, wie wir es uns vorstellen.

Einen letzten Punkt möchte ich ansprechen; das ist das Thema Breitbandzugang. Wir haben die Vereinbarung zum Thema Universaldienstverpflichtung im Telekommunikationsgesetz. Sie alle wissen, dass wir in einer modernen Gesellschaft keine digitale Spaltung akzeptieren können, dass wir allen die Möglichkeit geben müssen, sich einen Breitbandinternetanschluss zu organisieren. Da gibt es noch große Lücken. Daher muss das natürlich, ähnlich wie Telefon und Post, in den Universaldienstkatalog aufgenommen werden. Da müssen wir noch viel tun.

Also, geehrte Kollegen, das Thema Netzsperren bleibt unabhängig davon, wie wir uns bei der Novellierung des Urheberrechts entscheiden, weiter auf der Tagesordnung. Wir müssen einfach dafür kämpfen, dass wir das Thema Sperrinfrastruktur

aus der politischen Debatte herausbekommen. Es ist nicht das richtige Instrument.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und bei der LIN- KEN)

Für die CDU-Fraktion spricht jetzt Frau Pieper. Bitte!

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen! Das Internet offenbart einzigartige Chancen für uns als Einzelne, für die Gesellschaft und für die Wirtschaft unseres Landes. Dennoch birgt es auch Gefahren, denen wir selbstverständlich begegnen müssen. Ein Parlament ist nun einmal dazu da, Dinge wie Internetkriminalität, Kinderpornografie oder illegales Online-Glücksspiel zu verhindern. Das ist eine große Aufgabe. Doch wie ist sie zu lösen?

Pauschal zu sagen, wir schließen für immer jede Art von Netzsperren aus, ist zu kurz gedacht. Wir dürfen nicht ohne Not auf zukünftige eventuell effektive Möglichkeiten, Internetkriminalität zu unterbinden, verzichten. Herr Minister hat es im Rahmen der Besprechung der Großen Anfrage eben verdeutlicht.