Protocol of the Session on March 21, 2012

Ich muss schon sagen: Dass Sie eine Aktuelle Stunde mit einem solchen Thema auf den Weg bringen und von positiven Entwicklungen auf dem Arbeitsmarkt sprechen, wenn zeitgleich in Emden 100 Menschen entlassen werden, die im Offshorebereich tätig sind, zeugt davon, wie wenig sensibel Sie mit diesem Thema und den Menschen, die in diesem Bereich tätig sind, umgehen.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN sowie Zustimmung von Dr. Manfred Sohn [LINKE])

Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich kann noch etwas zur Weiterentwicklung sagen: Beim Stichwort Spitzenclusterforschung, Herr Thümler, müssten Sie eigentlich wach werden.

(Björn Thümler [CDU]: Da sind wir schon lange wach!)

Erklären Sie doch einmal, warum wir im Bund zum zweiten Mal beim Wind-Power-Spitzenclusterwettbewerb durchgefallen sind.

(Björn Thümler [CDU]: Das ist eine gute Frage!)

- Das ist eine gute Frage. Das zeugt nämlich davon, dass die schwarz-gelbe Politik im Bund sich für die Energiewende überhaupt nicht interessiert und kein Stück in die Zukunft, in Forschung und Entwicklung in diesem Bereich investiert. Genau das erleben wir in Niedersachsen.

(Beifall bei der SPD, bei den GRÜ- NEN und bei der LINKEN - Björn Thümler [CDU]: Falsch! Ganz falsch! Sie haben es noch nicht begriffen!)

Dass Sie dazu auch noch das DEWI verkaufen wollen, toppt das Ganze noch. Anstatt Forschung zu bündeln, machen Sie genau das Gegenteil.

(Björn Thümler [CDU]: Falsch!)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, Papiere schreiben, Bilder darstellen, auf Fotos dabei sein - das kann Ihr Ministerpräsident.

(Der Redner zeigt eine Broschüre)

Auf Offshoreplattformen fliegen, auf Knöpfe drücken - das funktioniert hervorragend. Aber dann noch den Satz zu bringen: „Wir in Niedersachsen haben den Wind, andere machen Wind“ - - -

(Beifall bei der CDU)

Bringen wir es doch einmal auf den Punkt! Was wir von Ihnen hören, ist nichts als heiße Luft. Das ist die Politik dieser Landesregierung für die Energiewende in Deutschland.

(Beifall bei der SPD, bei den GRÜ- NEN und bei der LINKEN)

Unser einziger Trost ist: Am 20. Januar werden wir mit großem Einsatz versuchen, das zu verändern. Es ist nicht nur Zeit für eine Energiewende in Deutschland; es ist auch Zeit für eine Politikwende in Deutschland.

Danke schön.

(Beifall bei der SPD, bei den GRÜ- NEN und bei der LINKEN)

Für die Fraktion DIE LINKE hat sich Frau WeisserRoelle zu Wort gemeldet. Bitte schön! Sie haben das Wort.

(Björn Thümler [CDU]: Dann wird es ja seriöser!)

Schönen Dank. - Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Herr Thümler, wenn Sie in Ihrem Bericht erwähnen, am 16. März sei der Wirtschaftsausschuss unterrichtet worden, zeugt das davon, was Sie mittlerweile als Unterrichtung empfinden. Wir haben ein Papier vorgelegt bekommen. Mit Ihrer Mehrheit versuchen Sie seit Wochen, Unterrichtungen durch das Ministerium zu verhindern. Das ist Ihre Qualität von Unterrichtung.

(Björn Thümler [CDU]: Falsch! Wir wenden die Geschäftsordnung an, gnädige Frau!)

Mit Ihrer Überschrift „Mit Offshoretechnik Energiewende und zukunftsfähige Arbeitsplätze schaffen“ zeigen Sie, auf welchem Holzweg die Regierungskoalition im Bereich der Windenergie ist.

„Gegenwind für Windkraftbranche“ titelte gestern die Taz und untersetzte das mit entsprechenden Fakten. Denn die Realität, speziell in der Offshorebranche in Niedersachsen, stellt das genaue Gegenteil dessen dar, was die CDU uns mit dieser Aktuellen Stunde weismachen will.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Lage ist vor allem im Offshorebereich alles andere als rosig. Sie reden von der Schaffung von Arbeitsplätzen,

(Ernst-August Hoppenbrock [CDU]: Genau!)

während Insolvenzen, Auftragsfehl, der drohende Abbau von Arbeitsplätzen und Arbeitskräften sowie der widersinnige Verkauf des Deutschen Windenergie-Institutes durch die Landesregierung als Damoklesschwert über der Branche schweben. Es ist ein Skandal, dass Sie dann vom Aufbau von Arbeitsplätzen sprechen.

(Beifall bei der LINKEN)

Diese Probleme sind überwiegend hausgemacht. Sowohl die Bundesregierung als auch die Landesregierung haben bei der Umsetzung der Energiewende die politischen Weichen im Bereich der Windenergie ganz eindeutig falsch gestellt.

(Beifall bei der LINKEN)

Der Windanlagenhersteller Bard, der derzeit insgesamt 945 Beschäftigte an den Standorten Emden und Cuxhaven hat, kündigte am Montag an, seine Rotorblattfertigung in Emden im Sommer einzustellen. Von der Schließung sollen 100 Mitarbeiter betroffen sein. Dem Unternehmen fehlen Anschlussaufträge nach Abschluss der Fertigung für den milliardenschweren Windpark rund 90 km nordwestlich der Insel Borkum.

Die Probleme bei Bard sind nach Angabe des Betriebsratsvorsitzenden Udo Grube nicht überraschend gekommen. Schon zweimal sei im letzten Jahr die Produktion bei Bard gestreckt worden. Wäre das nicht geschehen, wären die Lichter bereits im Dezember 2011 ausgegangen bzw. würden sie jetzt im April ausgehen, so der Betriebsratsvorsitzende. Ich frage Sie deshalb: Was machen Sie seit einem Vierteljahr - die Probleme sind bekannt -, um den Kollegen in diesem Unternehmen zu helfen?

Ebenfalls am Montag ist bekannt geworden, dass der Windkraftzulieferer SIAG Schaaf Industrie wegen Zahlungsunfähigkeit einen Insolvenzantrag gestellt hat. Die Unternehmensgruppe beschäftigt nach eigenen Angaben weltweit ca. 1 800 Menschen. Es ist nicht auszuschließen, dass auch die SIAG Nordseewerke in Emden in die Turbulenzen des Mutterkonzerns hineingezogen werden.

Zu allem Überfluss will die Landesregierung gerade jetzt die Privatisierung des DEWI durchsetzen. Im Mai soll - Informationen des Finanzministeriums zufolge - die Beratungsvorlage der Landesregierung in den Landtag eingebracht werden. Das 1990 vom Land Niedersachsen gegründete und

jetzt 140 Beschäftigte umfassende DEWI ist Forschungsinstitut und Dienstleister für die Windenergiebranche zugleich. Die Linksfraktion wendet sich entschieden gegen den DEWI-Verkauf.

(Beifall bei der LINKEN und Zustim- mung bei der SPD)

Wir haben daher vor einer Woche einen Antrag auf einen Stopp der Privatisierungspläne direkt in den Landtag eingereicht und werden demnächst im Ausschuss darüber beraten.

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, der Einstieg in eine andere, von Atom und Kohle unabhängige Energieversorgung muss sich konsequent an Energieeffizienz, an Energieeinsparung und einer vorrangig dezentralen Energieversorgung orientieren. Es sollen vor allem mittlere und kleine Anlagen vieler Stadtwerke sein, die den Bedarf kundennah decken und Strom in die Verteilernetze einspeisen.

Alles spricht folgerichtig auch für die Onshorewindkraft. Doch die Landesregierung sowie die Bundesregierung befördern stattdessen vor allem die Offshoretechnologie. Die Linksfraktion bestätigt dagegen erneut: Das ungenutzte Onshorepotenzial beträgt in Deutschland das ca. Achtfache der Offshorekapazität. Bundesweit gut verteilt, könnten milliardenschwere Leitungskosten sowie massive Umweltbelastungen verhindert werden.

(Beifall bei der LINKEN)

Ich komme zum Schluss. Offshoretechnologie ist ein Weg zur Energiegewinnung und in der internationalen Zusammenarbeit auch sehr wichtig. Aber das Onshorepotenzial muss endlich genutzt werden. So bekommen wir eine gute Energiewende hin.

(Beifall bei der LINKEN und Zustim- mung bei der SPD)

Danke schön. - Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen haben Sie, Herr Hagenah, das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Kollege Thümler, der Antrag Ihrer Fraktion zur Aktuellen Stunde ist ein durchsichtiger Versuch der Vorwärtsverteidigung in einem Bereich, in dem Sie im Augenblick Niederlage nach Niederlage einfahren.

(Björn Thümler [CDU]: Bitte?)

Sie wollen damit die Versäumnisse, die zu den Schwierigkeiten geführt haben und eben auch Ihrer Landesregierung anzulasten sind, ein bisschen übertünchen.

(Björn Thümler [CDU]: Welche Ver- säumnisse?)

- Ich zähle sie Ihnen auf: Viel zu spät kommt angesichts aktuell bedrohter Arbeitsplätze bei Bard und SIAG der Schulterschluss der Küstenländer mit gemeinsamen Forderungen an die Bundesregierung.

(Björn Thümler [CDU]: Das ist doch albern!)

Ein energiepolitischer Koordinator fehlt nicht nur im Bund, wie Bremens Bürgermeister Böhrnsen nach Ihrem Treffen verkündete; er fehlt auch hier in Niedersachsen.