Protocol of the Session on January 18, 2012

Sie können das jetzt auf die Landtagsverwaltung schieben, weil sie sich nach dem Protokoll gerichtet hat. Aber der Sachverhalt ist ein anderer. Er muss hier geradegerückt werden. Unsere Bitte ist, dass sich solche Vorgänge nicht wiederholen. Das wäre schön, gerade bei so einem Thema, das uns allen am Herzen liegt.

(Beifall bei der SPD, bei den GRÜ- NEN und bei der LINKEN - Jens Na- cke [CDU]: Das ist eine Unver- schämtheit!)

Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. - Das war eine Debatte zur Geschäftsordnung aufgrund einer Wortmeldung des Kollegen Lies zu einer Erklärung außerhalb der Tagesordnung.

Jetzt rufe ich Tagesordnungspunkt 14 auf:

Abschließende Beratung: a) Das VW-Gesetz ist ein Erfolgsmodell für Niedersachsen! - Antrag der Fraktionen der CDU und der FDP - Drs. 16/4220 - b) VW-Gesetz entspricht EU-Recht - Mitbestimmung und Teilhabe als strukturpolitische Stützen anerkennen - Antrag der Fraktion der SPD, der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen und der Fraktion DIE LINKE - Drs. 16/4221 - Beschlussempfehlung des Ausschusses für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr - Drs. 16/4372

Der Ausschuss empfiehlt Ihnen, den Antrag der Fraktionen der CDU und der FDP in unveränderter Fassung anzunehmen und den Antrag der Fraktion

der SPD, der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen und der Fraktion DIE LINKE für erledigt zu erklären.

(Wolfgang Jüttner [SPD] lacht)

Eine Berichterstattung, liebe Kolleginnen und Kollegen, ist nicht vorgesehen.

Im Ältestenrat waren sich die Fraktionen einig, dass über diesen Punkt ohne Besprechung abgestimmt wird. - Ich höre keinen Widerspruch und lasse deswegen sofort abstimmen.

(Wolfgang Jüttner [SPD]: Es war nicht korrekt, was gesagt worden war!)

- Solange Sie mir Korrektheit unterstellen, Herr Jüttner, bin ich damit einverstanden.

(Wolfgang Jüttner [SPD]: Sie haben das auf der Basis eines falschen Sachverhalts vorgetragen! Das habe ich gesagt! - Gegenruf von Jens Na- cke [CDU]: Das stimmt nicht!)

- Herr Kollege Jüttner, wir können jetzt gerne in eine weitere Geschäftsordnungsdebatte einsteigen. Sie können sich auch mit mir nachher draußen unterhalten. Jetzt leite ich die Sitzung. Ich habe es so vorgetragen, wie es im Ausschuss gesagt worden ist, nämlich dass der Antrag der Fraktionen der CDU und der FDP unverändert angenommen werden soll. - Ich will das alles jetzt nicht wiederholen.

Wir kommen also zur Abstimmung zu Nr. 1 der Beschlussempfehlung.

Wer der Nr. 1 der Beschlussempfehlung des Ausschusses zustimmen und damit den Antrag der Fraktionen der CDU und der FDP in der Drs. 16/4220 unverändert annehmen möchte, den bitte ich jetzt um ein Handzeichen. - Gegenstimmen? - Sehe ich nicht. Stimmenthaltungen? - Sehe ich auch nicht.

(Jens Nacke [CDU]: Es geht doch! - Gegenruf von der SPD: Wir erinnern dich daran!)

Damit ist der Beschlussempfehlung gefolgt worden.

(Olaf Lies [SPD]: Wer nicht dabei war, sollte sich nicht äußern! - Jens Nacke [CDU]: Er kann doch nichts dafür, wenn er mit Anfängern unterwegs ist!)

Wir kommen zur Abstimmung über die Nr. 2 der Beschlussempfehlung.

Wer der Nr. 2 der Beschlussempfehlung des Ausschusses zustimmen und damit den Antrag der Fraktion der SPD, der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen und der Fraktion DIE LINKE in der Drs. 16/4221 für erledigt erklären möchte, den bitte ich jetzt um das Handzeichen. - Gegenstimmen?- Sehe ich nicht. Stimmenthaltungen? - Sehe ich auch nicht. Dann ist auch hierzu einstimmig beschlossen worden.

Ich rufe jetzt Tagesordnungspunkt 15 auf:

Besprechung: Die Betreuung - hilfreiches Instrument für viele bedürftige Einwohnerinnen und Einwohner Niedersachsens, die aus den verschiedensten Gründen Unterstützung benötigen - Große Anfrage der Fraktion der SPD - Drs. 16/3904 - Antwort der Landesregierung - Drs. 16/4310

Nach § 45 Abs. 5 unserer Geschäftsordnung wird zu Beginn der Besprechung einer der Fragestellerinnen oder einem der Fragesteller das Wort erteilt. Alsdann erhält es die Landesregierung. Daran sollten Sie noch einmal denken; denn das wird häufig vergessen.

Für die Fraktion, die die Anfrage gestellt hat, liegt mir die Wortmeldung des Kollegen Herrn Bosse vor.

(Unruhe)

- Er kann aber noch sitzen bleiben, bis sich alle beruhigt haben. - Ich gehe doch davon aus, dass auch die Kolleginnen und Kollegen von der SPDFraktion sehr gespannt sind, was Ihr Kollege Herr Kollege Bosse zu sagen hat. Herr Bosse, Sie haben das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen, meine Herren! Zunächst einmal gilt es, bei der Behandlung dieser Großen Anfrage Dank zu sagen: Dank an das Ministerium, Dank an die verschiedenen Betreuungsstellen in der Region Hannover, in den kreisfreien Städten und auch in den Landkreisen, die alle an der Antwort auf diese Anfrage mitgewirkt haben. Die Beantwortung hat einige Monate gedauert. Wir haben an dieser Stelle eine Menge Verständnis dafür. Es geht hier ja

auch um viele statistische Angaben, die gesammelt worden sind.

Betreuung ist ja auch immer ein Thema, das bei den zu Betreuenden und auch in der Familie durchaus für Misstrauen, für Vorsicht sorgt. Oftmals kommt eine Betreuung relativ überraschend - im Krankenhaus, durch einen plötzlichen Schlaganfall oder aus verschiedenen anderen Gründen. Oftmals mögen sich die Angehörigen nicht unbedingt mit der Betreuung beschäftigen.

Ausweislich der Antwort auf die Große Anfrage sind ca. 140 000 Betreuungsverfahren anhängig. Die Gründe sind oftmals auch über die Jahre ähnlich: psychische Erkrankungen, Altersdemenz, Krankheit gebündelt mit einer Behinderung, eine geistige Behinderung, oftmals Suchtkranke. An diesem Punkt war ich wirklich überrascht; denn ich bin davon ausgegangen, dass gerade eine erhöhte Zahl von Älteren in die Betreuung hineinrutscht. Umso mehr hat mich an dieser Stelle überrascht, dass gerade 20- bis 40-Jährige in eine Betreuung müssen. Das hat verschiedene Gründe, auf die ich an dieser Stelle gerne noch eingehen möchte.

Die Dauer der Betreuung beträgt etwa fünfeinhalb Jahre. Das steht auch in der Antwort. Die Betreuung endet meistens leider mit dem Tod der zu Betreuenden und in der Regel nicht mit der Aufhebung des förmlichen Verfahrens, was an dieser Stelle sehr bedauerlich ist, meine Damen und Herren.

Die Antwort auf die Große Anfrage zeigt auch, dass zu Betreuende sich selbst gar nicht bewusst sind, dass sie betreut werden müssen. In den seltensten Fällen teilen diejenigen, die betreut werden müssen, ihren Angehörigen oder jemand anders mit: Ich kann es nicht mehr, ich schaffe es nicht mehr. - In der Regel sind es Angehörige, die Krankenhäuser, soziale Dienste, die Gesundheitsämter oder die Pflegeheime. Das ist ein sehr sensibles Feld. Wenn man erkrankt ist, hat man möglicherweise irgendwann nicht mehr das Gespür dafür.

Wie wird man Betreuer? - Betreuer kann jeder werden. Es bedarf keiner besonderen Eignung oder irgendeiner Qualifikation. Es bedarf keiner beruflichen Vorbildung oder irgendeiner anderen Qualifikation. Ich finde, man sollte darüber nachdenken, ob man gewisse Qualifikationen zwar nicht voraussetzt, aber zumindest den Betreuern mit auf den Weg gibt. Dabei sollte man immer eine Einzelfallbetrachtung heranziehen. Dem Land kann man an dieser Stelle auch dankbar sein. Es gibt ja zwei Broschüren - „Das Betreuungsrecht“

und „Vorsorgevollmacht für Unfall, Krankheit und Alter“ -, in denen sich auch derjenige, der betreuen soll, informieren kann.

Aber auch die Gründe, die zur Betreuung führen, sind vielfältig. Das eine ist die demografische Entwicklung, gerade hier in Niedersachsen. Das andere ist - ich habe auch den Bereich der 20- bis 40-Jährigen angesprochen - die Auflösung von familiären Strukturen: Junge Menschen ziehen früh zu Hause aus, haben dann möglicherweise Schwierigkeiten im Job oder bekommen gar keinen Job, werden dann möglicherweise alkoholkrank oder verfallen anderen Süchten. Daraus resultiert auch die Zunahme von psychiatrischen Erkrankungen. Hinzu kommt der Rückzug der sozialen Hilfssysteme in der Bundesrepublik Deutschland.

Wenn man die Große Anfrage bzw. die Antwort darauf durchgelesen hat, kommt man zu dem Fazit - dazu bin zumindest ich gekommen -: Das Ehrenamt gilt es an dieser Stelle weiter zu fördern. Es ist richtig und vernünftig, dass zunächst einmal die engsten familiären Strukturen gewahrt bleiben müssen, dass zunächst einmal die engsten Familienangehörigen die zu Betreuenden betreuen.

Man muss natürlich auch bedenken bzw. überlegen: Bei Berufsbetreuern könnte und sollte möglicherweise auch das Anforderungsprofil weiter geschärft werden. Man sollte unterstellen, dass man, wenn man mittlerweile zehn oder elf Verfahren führt, eine gewisse Vorqualifikation hat. Nichtsdestotrotz unterstelle ich, dass eine weitere Qualifikation oder weitere Weiterbildungsmaßnahmen an dieser Stelle durchaus sinnvoll wären.

Was macht eigentlich einen Betreuer aus? Welcher Eignung braucht er? - Ich denke, Qualifizierungsmaßnahmen sind von den Betreuungsstellen voranzutreiben. Oftmals ist das mangels Masse, gerade auch mangels finanzieller Masse, nicht möglich. Nach einer guten Qualifizierung sind natürlich auch die Betreuer besser motiviert. Wir alle wissen: Betreuungsfälle werden schwieriger - auch das steht in der Antwort auf die Große Anfrage -, insbesondere im finanziellen Bereich, weil die zu Betreuenden wesentlich höher verschuldet sind, als es noch vor wenigen Jahren der Fall war.

Aber auch die gerichtliche Belastung ist hoch. Ich kann es hier ruhig deutlich sagen: Ein Richter, der es nur mit Betreuungsfällen zu tun hat, kann nur schwerlich einen Karrieresprung machen. Das muss man an dieser Stelle einmal deutlich sagen.

Man darf auch nicht vergessen: Es besteht durchaus die Möglichkeit, dass der Richter auf Wunsch des zu Betreuenden zur Anhörung in die Wohnung des zu Betreuenden kommt. Oftmals wird das den zu Betreuenden gar nicht mitgeteilt, und die Richter können es zum Teil gar nicht machen, weil sie nicht genügend Zeit haben. Aber ich halte es für sehr wichtig, dass sich der Richter ein Bild vom Leben des zu Betreuenden machen muss. Daher müssen die Richter genügend Zeit haben. Es muss deutlich ausgesprochen werden, dass die Möglichkeit besteht, dass der Richter auf Wunsch des zu Betreuenden in die Wohnung kommt.

Betreuer sollten vor Ort sein - das ist richtig und vernünftig - und sollten familiär eingebunden sein. Das heißt natürlich auch, meine Damen und Herren: Es darf beispielsweise keine Sprachbarrieren geben. Es müssen auch gewisse Spezialisten dabei sein. Ich habe verschiedene Gespräche in Kommunen geführt. In einer Betreuungsstelle hat mir jemand gesagt, dass es beispielsweise ein arabisches Ehepaar gab. Beide mussten betreut werden. Die Betreuungsstelle hatte es sehr schwer, weil es Sprachprobleme gab. Der Betreuer musste viele Kilometer weit fahren, um dieses arabische Ehepaar überhaupt betreuen zu können. Da es immer mehr Migranten gibt - das ist auch vernünftig und gut so -, die natürlich auch älter werden, aber die deutsche Sprache nicht sprechen, muss hier spezialisiert werden.

Es wäre auch eine Überlegung, möglicherweise einen Betreuungsbeirat über die kommunalen Grenzen der kreisfreien Städte, der Region und der Landkreise hinaus einzurichten und sich im Bereich von Gebieten durchaus in steter Regelmäßigkeit zu treffen.

Der Steuerfreibetrag von 2 100 Euro und die Gleichstellung mit Ehrenamtlichen, die in Sportvereinen tätig sind, sind ein richtiger und auch ein wichtiger Schritt. Das sage ich an dieser Stelle deutlich. Das hat meines Erachtens aber leider nicht zu dem gewünschten Erfolg geführt.

Eine Spezialisierung nicht nur bezüglich der Sprache, sondern auch bezüglich verschiedener Berufsbilder ist wichtig. Nicht jeder kann Betreuer sein, wenn der zu Betreuende beispielsweise ein Geschäftsführer eines größeren Unternehmens war. Das ist sehr schwierig. An dieser Stelle kann man nicht jeden Betreuer nehmen. Man kann beispielsweise auch nicht einen 60-jährigen Betreuer für einen 20-jährigen Drogenabhängigen nehmen. Alle diese Dinge sind nicht möglich. Ich nenne

ferner eine Spezialisierung auf Migranten und Demente.

Einen weiteren Bereich möchte ich nicht aussparen, der auch angesprochen wird, nämlich die Behördenbetreuer. Ich sage einmal ganz vorsichtig: Behördenbetreuer sind für mich nach der Durchsicht der Unterlagen im Prinzip nichts anderes als gesponserte Berufsbetreuer, meine Damen und Herren. In der Region Braunschweig ist durchaus auffällig, dass man Raum für Behördenbetreuer schaffen will und die Berufsbetreuer an vielen Punkten außen vor lässt. Ich finde das für die Berufsbetreuer, vorsichtig gesagt, nicht gerade angenehm. Das ist mir an der Stelle durchaus zu Ohren gekommen, meine Damen, meine Herren. Wer entscheidet übrigens, wann ein Behördenbetreuer tauglich ist? - In der überwiegenden Zahl der Fälle - nicht grundsätzlich - sind das ja ältere Kolleginnen und Kollegen, die Behördenbetreuer werden würden.

Auch stellt sich die Frage, warum es Unterschiede bei den abrechnungsfähigen Stunden für die Betreuung von vermögenden zu Betreuenden und mittellosen zu Betreuenden gibt. Weil an der einen Stelle das Geld vom Staat kommt? Auch diese Frage muss gestellt werden, meine Damen, meine Herren.

Um das zusammenzufassen: Ich denke, wir brauchen eine stärkere Einbindung der Ehrenamtlichen, eine wesentliche Verstärkung der Öffentlichkeitsarbeit und bessere Qualifizierungsmaßnahmen. Die Betreuer legen zu Recht Wert darauf, ehrlich und gerecht behandelt zu werden, gerade auch von den Richtern. Ich denke, in einem sind wir uns alle einig: Im Mittelpunkt muss letzten Endes immer der Mensch stehen.

Ich danke noch einmal für die Bearbeitung der Großen Anfrage. Wir werden die Antworten sicherlich für einige parlamentarische Initiativen nutzen.

Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.