Protocol of the Session on January 18, 2012

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Vielen Dank, Herr Minister. - Die nächste Wortmeldung kommt von Frau Staudte von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.

Vielen Dank. - Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten! Auch von meiner Fraktion ein herzlicher Dank an die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Ministerien, die die Fragen beantwortet haben, aber auch an die Fra

gesteller selbst, die diesen sehr komplexen Fragenkatalog erarbeitet haben!

(Zustimmung von Ina Korter [GRÜNE])

Ich denke, dass wir alle durch diese Große Anfrage und die Antworten deutlich klüger geworden sind - wenn auch die Datenlage, auf die zurückgegriffen werden konnte, zum Teil leider etwas dünn war. Aber das kann man niemandem aus den Ministerien vorwerfen.

Wir Grüne wollen diese Gelegenheit natürlich auch nutzen, um den Betreuerinnen und Betreuern selbst ganz herzlich zu danken, die entweder ehrenamtlich oder beruflich diese wirklich nicht immer einfachen Betreuungen durchführen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Schließlich geht es bei jeder Betreuung darum, dass in das Selbstbestimmungsrecht der Menschen eingegriffen wird. Insbesondere dann, wenn ein Einwilligungsvorbehalt angeordnet worden ist, geht das in den seltensten Fällen ohne Konflikte.

Ich denke, mit dem Betreuungsrecht insgesamt sind wir alle zufrieden. Sicherlich muss an der einen oder anderen Stelle noch optimiert werden. Aber wir sind sehr froh darüber, dass wir von den Entmündigungen, die es in vorherigen Zeiten gegeben hat, weit entfernt sind.

(Zustimmung von Filiz Polat [GRÜNE])

Das Thema rechtliche Betreuung gewinnt zunehmend an Aktualität und Bedeutung. Herr Minister Busemann hat die absoluten Zahlen genannt. Um das einmal ein bisschen zu verdeutlichen: In relativen Zahlen gab es von 2001 bis 2010 eine Steigerung der Betreuungsfälle von 34 %. Dies macht deutlich, dass wir uns diesem Thema stärker widmen müssen. Umgerechnet auf die Bevölkerung bedeutet das, dass jeder 58. Niedersachse oder jede 58. Niedersächsin zumindest für einen Aufgabenbereich wie Gesundheits- oder Vermögenssorge unter Betreuung steht.

Die Ursachen sind genannt worden, nämlich der demografische Wandel, aber auch der Rückgang familiärer Strukturen, die unterstützen, und sozialer Strukturen. Wir müssen uns bewusst sein: Wenn wir bei der Schuldnerberatung kürzen, provozieren wir damit vielleicht, dass ein zusätzlicher Bedarf an Vermögensbetreuung entsteht.

Uns geht es darum, dass die Qualität der Betreuung gesichert wird. Aber wir müssen auch versuchen, die Kostensteigerung positiv zu beeinflus

sen. Ich meine, vom Idealfall sind wir sehr weit entfernt.

Wir können einmal fragen, wer von uns hier eine Vorsorgevollmacht hat.

(Ursula Helmhold [GRÜNE]: Ich!)

- Frau Helmhold, sehr vorbildlich. Auch bei der FDP zwei Meldungen, sehr gut. Wir sind auf einem guten Weg. - Ich meine, das müsste eine Selbstverständlichkeit sein, und jeder - schließlich kann jeder von uns morgen einen Unfall haben und in diese Situation geraten - müsste das im Hinterkopf haben.

Wir brauchen mehr kontinuierliche Aufklärungsarbeit. Die Betreuungsvereine sind hierfür die erste Adresse. Sie müssen finanziell unterstützt werden. Ich möchte an dieser Stelle auch einmal die Kommunen loben, die ihre Betreuungsvereine mit freiwilligen Leistungen unterstützen. Die Kommunalaufsicht sollte nachsichtig sein, wenn auch klamme Kommune hier investieren. Für das Land rechnet sich das natürlich.

(Beifall bei den GRÜNEN und Zu- stimmung von Hans-Dieter Haase [SPD])

Die Betreuungsvereine sind diejenigen, die die ehrenamtlichen Betreuer rekrutieren und qualifizieren. Sie müssen unterstützt werden. Ähnliches gilt auch für die Betreuungsbehörden.

Die Zeit rennt. Ich möchte nur noch ganz kurz auf einige Aspekte eingehen, die Herr Busemann schon genannt hat. Wir sind durchaus offen, was die Idee der Behördenbetreuer beim Landessozialamt angeht.

(Glocke des Präsidenten)

Wir sind auch offen, was die Frage angeht, ob Beamte, die vorzeitig in den Ruhestand gehen müssen, nicht verstärkt als Betreuer rekrutiert werden können. Aber das Entscheidende ist, dass nicht nur die fachliche Qualifikation, sondern auch die persönliche Eignung vorhanden ist.

(Beifall bei den GRÜNEN und Zu- stimmung von Hans-Dieter Haase [SPD])

Denn das Spannungsfeld zwischen Fremd- und Selbstbestimmung ist sehr wichtig. Da braucht es eine sehr hohe soziale Kompetenz, um die Funktion eines Betreuers auszufüllen.

Frau Kollegin, da leuchtet eine rote Lampe.

Dann komme ich jetzt zum Schluss. - Ich möchte signalisieren, dass wir zu konstruktiver Diskussion bereit sind unter dem Vorbehalt, dass die Qualität der Betreuung in Niedersachsen gesichert bleibt.

Danke schön.

(Beifall bei den GRÜNEN und Zu- stimmung von Hans-Dieter Haase [SPD])

Als nächstem Redner erteile ich Herrn Kollegen Adler von der Fraktion DIE LINKE das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es gibt drei gesellschaftliche Veränderungen, die wir kurzfristig nicht aufhalten können und die sich auf die Zahl der Betreuungsfälle und auf die Zahl der hauptamtlichen Berufsbetreuer auswirkt: Das ist die demografische Entwicklung, also die Zunahme der Zahl immer älterer Menschen. Das ist die Zunahme psychischer Erkrankungen. Und das ist die Individualisierung der Lebensverhältnisse - ein Phänomen, das wir auch in anderen Bereichen feststellen, z. B. bei der Erhöhung der Zahl der Singlewohnungen, der Singlehaushalte. Aber das ist ein Thema für sich; das will ich jetzt hier nicht weiter erörtern. Allerdings wirkt sich das unweigerlich auf die Zahl der Betreuungsfälle aus. Dazu muss man stehen. Die Folgen muss man tragen.

Die Antwort auf die Große Anfrage enthält eine Fülle statistischer Materialien. Aber was die Absichten der Landesregierung betrifft - dies muss ich deutlich sagen -, ist darin nicht so viel zu erkennen. Da kann ich mehr in dem Gesetzentwurf der Landesregierung zum Ausführungsgesetz zum Betreuungsgesetz erkennen. Was darin steht, ist allerdings nichts Gutes. Denn die notwendigen Mehrkosten, die unweigerlich auf das Land zukommen, vor allen Dingen durch die Erhöhung der Zahl der Berufsbetreuer, sollen nun durch ein sehr zweifelhaftes Programm reduziert werden. So soll die Zahl der Behördenbetreuer zulasten der Berufsbetreuer erhöht werden.

Wenn man den Begriff „Behördenbetreuer“ hört, denkt man zunächst einmal: Das sind wahrschein

lich qualifizierte Betreuer im öffentlichen Dienst mit einer entsprechenden Prüfung, wie man das auch sonst vom öffentlichen Dienst kennt. - Aber das ist damit nicht gemeint. Mit dem Begriff „Behördenbetreuer“ - darüber belehrt dieser Gesetzentwurf - ist etwas ganz anderes gemeint. Das sind nämlich dienstunfähige oder begrenzt dienstfähige Beamte, die noch nicht einmal ausreichend Qualifikationen nachgewiesen haben müssen. Sie sollen nur aufgrund der Tatsache qualifiziert sein, dass sie einmal als Beamte ihre Dienstpflichten vielleicht in ganz anderen Bereichen erfüllt haben. Dann sollen sie auch noch genommen werden, um Geld zu sparen, wenn sie im Grunde dienstunfähig oder eingeschränkt dienstfähig sind. Das, so muss ich deutlich sagen, geht nicht!

(Beifall bei der LINKEN)

Das ist ein Sparprogramm zulasten der Betreuten. Wenn man sich einmal genau anguckt, wie das eigentlich gemeint ist, dann stellt man fest, dass es auf Folgendem beruht. Ich fange einmal anders an:

Die Berufsbetreuer haben in ihrer Kalkulation - sie bekommen nicht allzu viel Geld - immer eine Mischkalkulation von einfachen, mittelschweren und schwierigen Fällen.

(Glocke des Präsidenten)

Wenn ihnen nach dem neuen Konzept nur noch die schwierigen Fälle überlassen werden - die mittelschweren Fälle machen die Behördenbetreuer, und die einfachen Fälle sollen durch die Familien abgearbeitet werden -, dann bricht diese Mischkalkulation zusammen. Im Ergebnis kommt ein Sparprogramm zulasten der Berufsbetreuer heraus. Das ist sozial ungerecht.

(Beifall bei der LINKEN)

Ich möchte Ihnen zum Schluss noch etwas zu der Antwort auf die Frage 18 sagen. Dabei ging es um die Frage, ob eine Erhöhung der Aufwandspauschale nicht sinnvoll sei. Dazu heißt es in der Antwort, das sei nicht sinnvoll, weil dies der Motivation der Ehrenamtlichen zur Übernahme der Betreuung nicht gerecht würde. Das wird einfach so behauptet.

(Glocke des Präsidenten)

Auf die Frage, ob die Motivation durch einen Steuerfreibetrag erhöht wird, heißt es, eine Erhöhung der Zahl der ehrenamtlich geführten Betreuungen wäre die Folge. Was denn nun? Wenn auf der einen Seite der Steuerfreibetrag erhöht wird, wa

rum wird dann auf der anderen Seite nicht auch die Aufwandsentschädigung erhöht? - Auch das ist wieder eine ungerechte Regelung; denn von einer Erhöhung des Steuerfreibetrags hat nur derjenige etwas, der ein höheres Einkommen hat. Für die ehrenamtlichen Betreuer mit geringerem Einkommen wäre eine höhere Aufwandspauschale viel sinnvoller.

Danke schön.

(Beifall bei der LINKEN)

Für die CDU-Fraktion spricht nun Frau Kollegin Ross-Luttmann.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Auch ich möchte mich zunächst dem Dank der Kollegen an die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Ministeriums anschließen und auch unseren Minister, Herrn Busemann, für die umfassende Beantwortung der Fragen herzlich danken. Der Fragenkatalog ist sehr in die Tiefe gegangen, hat sich mit vielen Fragen der Betreuung befasst und hat zum Ergebnis, dass bereits vielfältige Angebote und gute Strukturen in Niedersachsen vorhanden sind.

Frau Staudte, Sie haben die Datenlage angesprochen. Sie wissen, dass Daten zurzeit bundeseinheitlich erhoben werden und dass Minister Busemann angekündigt hat, uns weitere Informationen zur Verfügung zu stellen, damit sich die Datenlage noch weiter verbessert.

Für mich ist an dieser Stelle sehr wichtig - dies ist auch in Reden durchgeklungen -, dass wir immer aufpassen müssen, dass wir für Mitarbeiter, die Statistiken erstellen müssen, nicht eine zusätzliche Bürokratie auslösen mit der Folge, dass ihnen auf der anderen Seite dann Zeit für Beratung, Fortbildung und Information fehlt. Für uns alle hier im Landtag muss die Betreuung im Vordergrund stehen. Wir sagen: Der betroffene Mensch, der eine Betreuung benötigt, aber auch derjenige, der die Betreuung anbietet, stehen ganz klar im Vordergrund; denn beide - der zu Betreuende und der Betreuer - müssen gut informiert sein, damit sie weiterhin ihre Rechte wahrnehmen können.