Protocol of the Session on March 17, 2011

Ich rufe den Tagesordnungspunkt 36 auf:

Erste Beratung: Keine Wunschlisten der Bodenabbauindustrie übernehmen - Landes-Raumordnungsprogramm zurückziehen - Torfabbau stoppen - Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen - Drs. 16/3410

Einbringen wird diesen Antrag Herr Meyer für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. Sie haben das Wort, Herr Meyer.

Vielen Dank, Herr Präsident. - Meine Damen und Herren! In diesen Tagen, in denen die Energiepolitik neu auf dem Prüfstand steht und wir über Energieeinsparung, CCS und künstliche CO2-Speicher diskutieren, müssen wir auch über den Schutz unserer natürlichen CO2-Speicher, nämlich der Moore, reden. In den weltweiten Mooren lagert doppelt so viel Kohlenstoff wie in allen Wäldern der Erde. Wenn wir schnell aus der Atomenergie aussteigen wollen - und das wollen zumindest wir Grüne - und gleichzeitig die Klimaziele erreichen wollen, dann müssen wir uns auch mit dem Schutz unserer natürlichen Lebensgrundlagen und CO2Speicher neu beschäftigen.

Nach dem Stern-Report ist der günstigste und effizienteste Klimaschutz der Erhalt der Regenwälder und Moore. Regenwälder haben wir in Niedersachsen nicht, und vom Moorland Niedersachsen sind heute nur noch knappe 5 % übrig geblieben. Alles andere wurde zerstört und abgetorft. Wenigstens diese letzten Moorreste sollten wir retten.

2002 hatte der Landtag daher beschlossen, ein umfangreiches Konzept zum Schutz der Niedermoore in Niedersachsen einzufordern. Unter Schwarz-Gelb ist davon leider keine Rede mehr. Stattdessen droht das Umweltministerium in diesen Tagen, aus dem großen Schutzprojekt „Hannoversche Moorgeest“ endgültig auszusteigen. Es geht dabei um den Schutz der drei wichtigsten Moore in der Region Hannover. Nachdem Bund und Region nun die Förderung erneut zugesagt haben, torpediert Minister Sander dieses wichtige Anliegen, obwohl schon Ministerpräsident Albrecht die hohe Bedeutung und Schutzwürdigkeit der Moorgeest hervorgehoben hatte.

Der BUND hat daher heute an Ministerpräsident McAllister appelliert, Herrn Sander zu stoppen. Wir schließen uns dem ausdrücklich an. Das Land soll nicht aus dem Moorschutz aussteigen, sondern aus der Atomenergie.

Meine Damen und Herren, es kommt aber noch schlimmer, was unsere letzten Moore angeht. Mit dem Entwurf der Landesregierung zum LandesRaumordnungsprogramm haben CDU und FDP per Kabinettsbeschluss das größte Torf- und Moorvernichtungsprogramm seit Langem vorgeschlagen. Über 3 300 ha sollen als Torfabbauflächen

neu ausgewiesen werden - an allen Naturschutz- und Klimazielen vorbei.

Anscheinend wurde eine Wunschliste der Bodenabbauindustrie fast 1 : 1 übernommen. In Presseartikeln vor Ort rühmt man sich der guten Kontakte zu Minister Sander und der Landesregierung. Selbst eine gemeinsame Bootsfahrt von Rohstoffindustrie und Minister Sander findet man auf der Homepage der Lobbyverbände.

Der Naturschutz und die berechtigten Interessen vieler Kommunen, die sich fast alle gegen den massiven Torfabbau aussprechen, spielten für die Landesregierung beim Entwurf des Raumordnungsprogramms anscheinend keine Rolle. Es ist ein Skandal

(Karl-Heinrich Langspecht [CDU]: Sie sind ein Skandal!)

- und widerspricht dem Grundsatz der Raumordnung -, keine ausgewogene Vorlage in die Anhörung zu geben.

Meine Damen und Herren, wie fatal und unausgewogen der Kabinettsbeschluss ist, sagen übrigens Kabinettsmitglieder selbst. So sagt Minister Sander laut Wümme-Zeitung vom 31. Januar 2011, „Torfabbau wäre unvernünftig“, und spricht sich gegen ein Vorranggebiet im Günnemoor aus.

Auch im Badenermoor bei Achim wendet sich Minister Sander plötzlich gegen den Torfabbau. Der Weser-Kurier titelt: „Auch Sander gegen Torfabbau“. In diesem Artikel des Weser-Kurier vom 9. Dezember 2010 kündigt er auch Widerstand gegen seine eigene Landesregierung an. Zitat Sander:

„Wir werden Widerstand leisten, dass die Fläche gar nicht erst ins LandesRaumordnungsprogramm reinkommt.“

Er kündigt also Widerstand gegen sich selbst an, da im Raumordnungsprogramm, das vom Kabinett mit ihm beschlossen worden ist, diese Fläche vorgesehen ist.

Meine Damen und Herren, Politik mit den Bürgern sieht anders aus.

Im Entwurf des LROP ist an vielen Stellen von nicht ausgleichbaren Eingriffen in den Naturhaushalt die Rede. Nach dem Naturschutzrecht ist in solchen Fällen ein Eingriff nicht zulässig. Sie setzen sich darüber hinweg und hebeln sogar Beschlüsse und Verordnungen der Kommunen aus, die etwa in Landschaftsschutzgebieten den Torf-

oder Kiesabbau untersagt haben. Solche wichtigen Naturschutzflächen selbst in Schutzgebieten hätten Sie gar nicht erst aufnehmen dürfen, meine Damen und Herren.

(Präsident Hermann Dinkla über- nimmt den Vorsitz)

Mit ein paar Korrekturen, wie sie jetzt angekündigt werden, werden wir uns nicht zufriedengeben. Der gesamte Torfabbau in Niedersachsen muss auf den Prüfstand. Torffreie Blumenerde ist als Alternative längst vorhanden und muss nur entsprechend gefördert werden. Es wäre auch einmal eine Verordnung zur Förderung von Blumenerde aus Kompost oder anderen Alternativen überfällig, damit wir nicht noch zum klimaschädlichen Abtorfen der Moore etwa im Baltikum beitragen.

Meine Damen und Herren, Moorschutz ist Klimaschutz, aber auch Naturschutz. Deshalb wollen wir keine neuen Torfabbauflächen im LROP.

(Zustimmung von Miriam Staudte [GRÜNE])

Auch in anderen Bereichen - wobei die Abtorfung sicher das schlimmste Übel ist - hat die Landesregierung die Interessen der Rohstoffindustrie zu großzügig übernommen, etwa beim Kies- und Sandabbau, wozu sich etwa der Landkreis Hameln-Pyrmont - ich gucke Frau Kollegin Körtner an - parteiübergreifend gegen großflächige Auskiesungen bei Tündern ausgesprochen hat.

Wir sagen daher: Einen solchen Entwurf mit einseitigen Lobbyinteressen der Rohstoffindustrie kann man nicht verbessern. Man kann ihn nur zurückziehen, in den Papierkorb werfen und eine ausgewogene Neuauflage erstellen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Angesichts des massiven Widerstandes von Kommunen und Umweltverbänden hat jetzt das Agrarministerium unter Herrn Lindemann eine Überarbeitung bis nach der Kommunalwahl angekündigt. Vorher trauen Sie sich anscheinend nicht, gegen die vielen parteiübergreifenden kommunalen Resolutionen gegen Torfabbau und Kiesabbau zu entscheiden. Wir meinen, dass man diese Zeit für einen neuen Entwurf nutzen könnte, der dann mit einem Höchstmaß an Bürger- und Verbändebeteiligung ernsthaft und neu beraten wird.

Meine Damen und Herren, bei CDU und FDP hat man leider den Eindruck, sie wollten noch schnell vor der Landtagswahl einer bestimmten Lobby - hier der Bodenabbau- und Torfindustrie - Ge

schenke machen, bevor vielleicht die Grünen in eine Regierungsbeteiligung kommen.

Daher sagen wir: Herr Minister Lindemann, machen Sie einen Neustart, gehen Sie zurück auf Los, korrigieren Sie den Scherbenhaufen von Frau Grotelüschen, und legen Sie ein neues LandesRaumordnungsprogramm vor, das seinen Namen verdient!

(Beifall bei den GRÜNEN)

Ich erteile jetzt dem Kollegen Hausmann von der SPD-Fraktion das Wort.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Seit August liegt dem Landtag der Entwurf zur Änderung und Ergänzung des Landes-Raumordnungsprogramms vor und ist den Trägern öffentlicher Belange zur Abstimmung und zur Stellungnahme im Beteiligungsverfahren übersandt.

Die Tatsache, dass in diesem neuen Entwurf 13 000 ha neue Bodenabbauflächen und davon mehr als 9 000 ha für den Torfabbau vorgeschlagen werden, lässt den Verdacht naheliegen

(Ulf Thiele [CDU]: Da erzählen Sie den gleichen Unsinn wie Ihr Vorred- ner!)

- ich höre auch gleich auf mit dem gleichen Kram; ich habe aber noch etwas anderes -, dass bei der Erstellung dieses Entwurfs die Wunschliste der Bodenindustrie umgesetzt wurde. Und wenn ich das Gleiche erzähle: Wir haben es nicht abgesprochen. Aber Sie können ja einmal überlegen, dass vielleicht ziemlich viel Wahrheit in dem steckt, was wir beide gesagt haben.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN - Karl-Heinrich Langspecht [CDU]: „Ziemlich viel“ ist nicht die vol- le Wahrheit!)

Bereits vorhandene Abbauflächen wurden in diesem Entwurf zum Teil sogar verdoppelt. Der Widerspruch der betroffenen Landkreise und Gemeinden war daher keine Überraschung.

Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen der Fraktionen von CDU und FDP, was erwarten Sie eigentlich von den Oppositionsfraktionen, nachdem Ihr eigener Minister Sander genau das gesagt hat, was eben auch gesagt wurde? - Ich wiederhole es nicht

noch einmal. Auf alle Fälle kann ich bestätigen, dass er recht gehabt hat.

(Zustimmung bei der SPD)

Nicht nur Herr Sander hat sich dort geäußert, sondern vor langer, langer Zeit auch mal die CDUFraktion. Hier kann ich nur noch ergänzen: Gerade das Land Niedersachsen müsste sich dem Moorschutz besonders verpflichtet fühlen; denn es war letztlich Ernst Albrecht - man höre: Ernst Albrecht -, der 1981 und 1986 mit dem Moorschutzprogramm neue Maßstäbe gesetzt hat. Er hat mit Weitblick den Zielkonflikt zwischen Moorschutz und Torfabbau in Richtung des Naturschutzes gesteuert. Heute können wir sagen, dass das sehr erfolgreich war und es keinen Grund gibt, mit dieser Tradition zu brechen.

(Beifall bei der SPD und Zustimmung bei den GRÜNEN)

Ich mache es auch kurz und komme nun zum Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, die fordert, das Landes-Raumordnungsprogramm zurückzunehmen und den Torfabbau zu stoppen.

Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen, wir von der SPD-Fraktion meinen, dass es eine der Aufgaben eines Landes-Raumordnungsprogramms ist, unsere Umwelt und die schützenswerte und zum Teil einzigartige Natur zu schützen. Diese uns vorliegende Änderung des Landes-Raumordnungsprogramms zeigt jedoch einen leichtfertigen Umgang mit unserer Umwelt und eine grobe Verschwendung unserer Ressourcen. Vorrangflächen für den Bodenabbau stellen einen strittigen Teil dieses Raumordnungsprogramms dar. Die Trassenführung für die 380-kV-Stromleitung und die damit verbundenen Fragen nach einer Erdverkabelung sind ein Beispiel einer weiteren Diskussionsnotwendigkeit.

Geplant ist im Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft, Verbraucherschutz und Landesentwicklung eine Anhörung der betroffenen Gruppen und Verbände. Auf der Grundlage der dann vorliegenden Aussagen werden wir im Ausschuss beraten und uns eine abschließende Meinung bilden. Gleichwohl kann ich schon jetzt eines sagen: Der vorliegende Entwurf zur Änderung und Ergänzung des Landes-Raumordnungsprogramms wird nicht die Zustimmung der SPD-Fraktion finden.

(Beifall bei der SPD)

Sollte es in den Ausschussberatungen kein Einlenken der Regierungsfraktionen geben, werden

wir ihm nicht zustimmen, sondern dem Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen folgen.

Danke schön.