Protocol of the Session on March 16, 2011

Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Für die Rechtspolitiker ist es eigentlich täglich Brot, sich mit den Gerichten in Niedersachsen zu beschäftigen - mit Fragen der Besetzung der Gerichte, Eingangszahlen, Bearbeitungsdauer, durchgehend durch die verschiedenen Dienste, PEBB§Y-Zahlen usw., wir beschäftigen uns natürlich auch mit unseren Vollzugsanstalten, also insgesamt mit Dingen, von denen wir meinen, dass sie originäre Aufgaben der Rechtspolitiker eines Bundeslandes sind.

Nur relativ selten beschäftigen wir uns aber - das ist eine weitere Säule der Rechtsordnung - mit der Anwaltschaft als Organ der Rechtspflege. Hier fehlen uns entsprechende Daten und Informationen, um in Niedersachsen eine Bewertung dieses Berufsbildes vornehmen zu können. Deshalb haben wir als Fraktionen von CDU und FDP die Landesregierung gebeten, hierzu eine Große Anfrage zu beantworten. Dies ist in großer Ausführlichkeit geschehen. Ich darf mich bei der Landesregierung für die damit verbundene Arbeit bedanken.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Ich bedanke mich auch bei all denjenigen, die Daten zugeliefert haben, also bei den Berufsverbänden, den Anwaltsvereinen und insbesondere den Anwaltskammern.

Ich möchte bei dieser Gelegenheit darauf hinweisen, dass wir zu dieser Großen Anfrage durch eine vergleichbare Anfrage in einem anderen Bundesland angeregt worden sind. Von daher haben wir gesagt: Diese Antworten und Zahlen waren derart interessant, dass wir sie auch einmal für Niedersachsen erheben möchten. Ich glaube, das ist für unsere Arbeit hier im Landtag auch sehr nützlich.

Bevor ich für meine Fraktion die Antworten bewerte, möchte ich der Landesregierung Gelegenheit geben, die Anfrage zu beantworten. Im Anschluss daran werde ich mich noch einmal zu Wort melden.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Herzlichen Dank, Herr Dr. Biester. - Jetzt hat für die Landesregierung Herr Minister Busemann das Wort. Bitte schön!

Verehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Dr. Biester, das will ich dann auch gern so befolgen.

Zu Beginn ein persönlicher Hinweis: Als ich im Jahr 1982 nach Studium und Referendariat zur Rechtsanwaltschaft zugelassen wurde, waren in Niedersachsen 3 300 Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte tätig. Auch damals hieß es schon: Juristenschwemme. Vorsicht! Was ist da los? - Heute, meine Damen und Herren, sind es fast dreimal so viele, fast 10 000. Allein diese Steigerung von ca. 3 300 im Jahr 1982 auf knapp 10 000 im Jahr 2011 macht deutlich, dass der Rechtsanwaltsberuf durchgreifenden Veränderungen ausgesetzt ist und wohl auch bleiben wird: verschärfte Wettbewerbsbedingungen, mehr Möglichkeiten, zu gucken, wo es Tätigkeitsfelder gibt und wo Dienstleistungen erbracht werden müssen, andere Kanzleiorganisation, Marketing, und, und, und. Das alles gehört heute zu den Aufgabenstellungen.

Trotzdem: Alle diese Veränderungen lassen die Grundsätze anwaltlicher Berufsausübung unberührt. Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte üben bekanntlich einen freien Beruf aus. Ihre Unabhängigkeit vom Staat sichert die Freiheitsrechte der Bürgerinnen und Bürger. Die Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte sind dazu berufen, Bürgerinnen und Bürger sowie Unternehmen in allen Rechtsangelegenheiten zu vertreten. Sie gewährleisten hierdurch die Teilhabe der Bürgerinnen und Bürger am Recht. Ich will einmal sagen: Auch

Rechtsanwälte und Notare sind Organe der Rechtspflege und stellen eine wichtige Säule eines funktionsfähigen Rechtsstaates dar.

Meine Damen und Herren, in Niedersachsen ist gewährleistet, dass alle Bürgerinnen und Bürger bei den hier tätigen Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälten fachlich qualifizierten Rechtsrat einholen können. Dies gilt uneingeschränkt auch im ländlichen Raum. In allen Gerichtsbezirken - so dürfen wir sagen - sind ausreichend viele Rechtsanwälte tätig, und auch die Altersstruktur ist durchweg in Ordnung.

Insgesamt waren in Niedersachsen am 31. Dezember - ich sage es noch einmal - 9 950 Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte zugelassen. Im Landesdurchschnitt - das können Sie, Herr Kollege, ja umrechnen - entfällt damit auf 797 Einwohnerinnen und Einwohner eine Rechtsanwältin bzw. ein Rechtsanwalt. Für das Stadtgebiet Hannover - ich habe die aktuellen Zahlen nicht im Kopf - liegt die Quote bereits bei unter 300 Bürgern pro Rechtsanwalt. Das liegt an der Verdichtung und vielleicht auch an der Streitfreudigkeit. Der Landesschnitt jedenfalls liegt bei 797.

Die hohe fachliche Qualifikation der niedersächsischen Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte wird dadurch gewährleistet, dass wir unsere aktuelle Juristenausbildung an die heutigen Erfordernisse der Praxis angepasst haben. Ich möchte diesen Bereich nur verkürzt darstellen, und ich möchte nur einen kurzen Einschub zur Juristenausbildung machen. Dass wir anpassen müssen, dass wir die Juristen europatauglich machen müssen, auf internationales Recht besser vorbereiten müssen, auf andere Marktverhältnisse und andere Kommunikationsstrukturen vorbereiten müssen - all dies und anderes mehr sind Herausforderungen, die auch immer wieder mit in die Ausbildung fließen müssen.

Gleichwohl möchte ich angesichts einer zurzeit etwas ruhigeren, demnächst vielleicht aber wieder aufflackernden Diskussion auf Folgendes hinweisen: Wir haben in Deutschland und damit auch in Niedersachsen unverändert das Modell des Einheitsjuristen. Ich denke schon, dass dieses Modell die Gewähr dafür bietet, dass sich Anwälte und Richter, Verbands- und Verwaltungsjuristen auf Augenhöhe begegnen können. Ich möchte in diesem Zusammenhang sagen: Bei allem Respekt vor Bachelor- und Masterausbildung in anderen wissenschaftlichen Zweigen - d’accord. Ich meine aber, bevor wir nicht etwas ganz deutlich Besseres

geboten bekommen - Herr Kollege, ich sehe schon Ihr antizipiertes Nicken -, sollten wir bei der herkömmlichen Juristenausbildung bleiben.

Es gibt aber eine andere Veränderung, die zu beobachten sich durchaus lohnt. Das ist die Veränderung bei der Anzahl der verliehenen Fachanwaltsbezeichnungen. Eine Fachanwaltsbezeichnung, meine Damen und Herren, darf bekanntlich nur dann verliehen werden, wenn der Rechtsanwalt in dem jeweiligen Rechtsgebiet besondere theoretische Kenntnisse und praktische Erfahrungen nachweisen kann. In Niedersachsen waren 2010 insgesamt 3 766 Fachanwaltsbezeichnungen verliehen. Im Durchschnitt entfällt damit in Niedersachsen auf weniger als drei Rechtsanwälte eine Fachanwaltsbezeichnung. Hier liegen die niedersächsischen Rechtsanwälte deutlich - und zwar um ein Drittel - über dem Bundesdurchschnitt von vier Rechtsanwälten. Das mag man weiter beleuchten, kann aber bedeuten, dass unsere Anwaltschaft den allgemeinen Trend ein bisschen mehr nach- oder vorvollzogen hat. Jedenfalls ist das keine schlechte Entwicklung.

Meine Damen und Herren, die Teilhabe aller Bürger am Recht ist auch eine Aufgabe des Staates. Es darf niemals so sein, dass jemand, der ein großes Stehvermögen oder einen großen Geldbeutel hat, zu seinem Recht kommt, jemand, der finanziell aber nicht so stark ausgestattet ist, nicht zu seinem Recht kommt. Damit es klar ist: Auch der kleine Mann muss immer einen angemessenen Zugang zum Recht haben.

Ich weise in diesem Zusammenhang auf Folgendes hin: Das Land wendet daher pro Jahr fast 80 Millionen Euro auf, um sicherzustellen, dass jeder Bürger unabhängig von seiner finanziellen Situation vor Gericht gehen und fachkundigen Beistand bekommen kann. Für Beratungshilfe hat das Land im Jahr 2009 rund 11,4 Millionen Euro und für Prozesskostenhilfe 51,1 Millionen Euro ausgegeben. Weitere 16,7 Millionen Euro entfielen auf die fälligen Vergütungen in Privatinsolvenzen. All das sind erhebliche Sozialleistungen für die Gerechtigkeit, die in der öffentlichen Debatte zu Unrecht oft vergessen werden. Es ist keine Frage, dass bedürftigen Bürgern auch in Zeiten knapper öffentlicher Kassen Beratungshilfe und Prozesskostenhilfe bewilligt werden müssen. Noch einmal: Der Zugang zum Recht darf nicht vom Geldbeutel abhängen.

Trotzdem: Über eine gewisse Langzeitentwicklung müssen wir beleuchten, wie sich die Kostenstruktur

in der Justiz darstellt. Damit mich niemand falsch versteht: Die Justiz des Staates ist keine Organisation, um damit Geld zu verdienen. Auch der Begriff der Wirtschaftlichkeit ist auf die Justiz nur bedingt anwendbar. Bei den Gerichten wird nicht Geld verdient, sondern da wird Recht gesprochen. Wenn es teuer ist, muss es auch teuer sein. Das sage ich, damit wir auch da keine Missverständnisse aufkommen lassen.

Gleichwohl gibt es schon einige Parameter, um zu gucken, wie die Kostenstruktur des staatlichen Justizapparates ist. In diesen Tagen liegen wir bei einer Kostenstruktur - Ausgaben hier und Einnahmen dort - mit einem Deckungsgrad von 47 %. Hier ist eine Veränderung zum Nachteil der Staatskasse eingetreten. Wir müssen das Ganze sowohl mit Blick auf das Geben als auch mit Blick auf das Nehmen durchleuchten. Diese Meinung haben auch die übrigen 15 Justizminister der Länder. Wir haben eine Arbeitsgruppe eingesetzt, die sich auch mit den Justizkosten befasst. Die Federführung liegt bei Niedersachsen. Es ist ein Zeichen eigener Wertschätzung - auch der Kollegen der anderen Länder -, dass wir das miteinander beleuchten.

In diesem Zusammenhang wird darüber nachzudenken sein, ob die ganzen Entwicklungen im Bereich der Prozesskostenhilfe und der Beratungshilfe noch zeitgemäß sind oder ob dort möglicherweise auch Missbrauchsstrukturen festzustellen sind. Ich sage das mit einer gewissen Vorsicht. Wir haben auch Bundesratsinitiativen gestartet und wollen über den Bundesrat eine Gesetzesnovellierung erreichen.

Zur Wahrheit gehört auch, meine Damen und Herren, dass wir seit Jahren - wir hatten zwischendurch einmal eine Strukturveränderung - keine Änderungen bei den Anwaltsgebühren erlebt haben. Vielleicht werden die Anwälte es ganz gern hören: Ich bin schon der Meinung - auch ein Problem der staatlichen Rechtsgewährung -, dass wir über eine Erhöhung der Rechtsanwaltsgebühren nachdenken müssen. Wir müssen auch über eine Erhöhung der Gerichtskosten nachdenken. Das alles will miteinander in Einklang gebracht werden. Ich wäre dankbar, wenn die Initiativen des Bundesrates und damit auch des Landes Niedersachsen aufgegriffen würden und wir in Berlin vielleicht einmal zu einer Paketlösung - wie gesagt: geben und nehmen sind miteinander verwoben - und auch zu vernünftigen Kostenstrukturen insgesamt kommen könnten.

Meine Damen und Herren, jetzt noch ein anderer Punkt. In diesen Tagen wird sehr oft gefragt: Wie geht es im Land eigentlich mit dem Notariatswesen weiter? - In Niedersachsen waren am 1. Januar 2011 knapp 1 500 Notarinnen und Notare bestellt. Die Versorgung der Bevölkerung und der Wirtschaft mit qualifizierten notariellen Leistungen ist in allen Amtsgerichtsbezirken gewährleistet.

Niedersachsen - das weiß man - ist bekanntlich ein Land des Anwaltsnotariats. Die Notarinnen und Notare können bei ihrer notariellen Tätigkeit auf ihre Erfahrungen und Kenntnisse aus ihrer Tätigkeit als Rechtsanwältin bzw. Rechtsanwalt zurückgreifen. Das ist so gewollt.

Deutlich gestärkt wird das Anwaltsnotariat durch die Neuregelung des Zugangs zum Anwaltsnotariat, die unter maßgeblicher Mitwirkung Niedersachsens erarbeitet wurde und am 1. Mai 2011 - also in Kürze - in Kraft treten wird. Ab diesem Datum wird die Bestellung zum Notar das Bestehen der notariellen Fachprüfung voraussetzen, die sich aus vier mehrstündigen Klausuren und einer mündlichen Prüfung zusammensetzt. Diese anspruchsvolle Prüfung sichert im Interesse der Rechtsuchenden und der Rechtspflege die hohe und umfassende Qualifikation der Notarinnen und Notare. Sie ermöglicht zudem eine den verfassungsrechtlichen Vorgaben entsprechende Auswahlentscheidung zwischen mehreren Bewerbern.

Die ersten Bewerberinnen und Bewerber haben in diesen Wochen die notarielle Fachprüfung mit Erfolg abgelegt. Ich sage einmal, ich habe großen Respekt vor den Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälten, die sich zum Teil schon im fortgeschrittenen Alter dieser Prüfung unterziehen. Es ist gar nicht so einfach, nach 10, 15 oder 20 Jahren Berufspraxis noch wieder so etwas wie eine Schulbank zu drücken. Dabei hätten wir alle eine gewisse Zurückhaltung. Aber einige haben das getan und auch mit Erfolg.

Die Anzahl der Notarinnen und Notare ist in Niedersachsen in den vergangenen Jahren kontinuierlich zurückgegangen. So waren vor 10 Jahren ungefähr 600 Notarinnen und Notare mehr als heute bestellt. Das ist auf den Rückgang der Urkundszahlen im Lande zurückzuführen, die sich vom Jahr 1999 bis zum Jahr 2009 um fast 30 % verringert haben. Wenn Sie so wollen, ist das auch ein Spiegelbild der wirtschaftlichen Entwicklung. Im Jahresdurchschnitt müssen aber im jeweiligen Amtsgerichtsbezirk auf jeden Notar mindestens 450 Urkundsgeschäfte entfallen, damit die wirt

schaftliche Tragfähigkeit gewährleistet ist. Ich habe großes Verständnis für die Kollegen, die ein Notaramt anstreben. Doch muss an der Bedürfnisprüfung in der bisherigen Form festgehalten werden, da nur wirtschaftlich tragfähige Notarstellen dem Amtscharakter des Notariats entsprechen.

Verbessern müssen wir, meine Damen und Herren, allerdings die Altersstruktur der Notarinnen und Notare in Niedersachsen. Am 1. Januar 2011 war fast die Hälfte der in Niedersachsen bestellten Notare mindestens 60 Jahre alt, also von 1 500 Kollegen fast die Hälfte über 60. Lediglich knapp jeder zehnte Notar war jünger als 50.

Mein Haus versucht, die Altersstruktur der Notare durch die Ausschreibung neuer Notarstellen zu verbessern. Zu diesem Zweck sind die Grundsätze für die Ausschreibung solcher sogenannten Altersstrukturstellen im Jahr 2009 umgestellt worden. In den Jahren 2009 und 2010 konnten so neben neuen Bedürfnisstellen landesweit 41 zusätzliche Altersstrukturstellen für Notare ausgeschrieben werden. Allerdings bleibt die Zahl der Altersstrukturstellen begrenzt, da kein zu hoher Überhang - das wird man verstehen - an Notaren begründet werden darf und die wirtschaftliche Tragfähigkeit auch nicht aus den Augen verloren werden darf.

Jedoch werden in den kommenden 5 Jahren in Niedersachsen 276 Notarinnen und Notare und damit fast jeder fünfte der heute tätigen Notare wegen des Erreichens der Altersgrenze von 70 Jahren aus dem Amt ausscheiden. Auch wenn wegen des mancherorts noch bestehenden Überhangs an Notaren voraussichtlich nicht alle diese Notarstellen wieder auszuschreiben und zu besetzen sein werden, bin ich sicher, dass sich die Altersstruktur der Notarinnen und Notare in den kommenden Jahren verbessern wird.

Sagen wir es einmal ganz einfach: Wir haben noch einen Altersüberhang. Das wird sich in den nächsten drei, vier oder fünf Jahren regulieren. Wir werden dann auf normale Alters-, Ausschreibungs- und Strukturverhältnisse hinsteuern. Wesentliche weitere Änderungen auf dem Weg dahin als die beschriebenen werde ich nicht machen können. Es war mir aber wichtig, diesen Komplex mit ihnen noch einmal ausführlich zu besprechen.

Abschließend, meine Damen und Herren, darf ich mich für die Fragestellung bedanken. Ich darf mich bedanken für die Zuarbeit aus den Rechtsanwaltskammern des Landes. Ich darf mich beim Versorgungswerk der Rechtsanwälte bedanken. Auch von dort und aus der Anwaltsgerichtsbarkeit haben

wir Zuarbeit erfahren, aber eben auch aus den Ministerien und den nachgeordneten Behörden. Vielen Dank für die Zuarbeit! Ich denke, dass wir ein interessantes - ich möchte fast sagen - Kompendium erstellt haben, dem jeder zum Anwalts- und Notariatswesen in Niedersachsen einiges entnehmen kann.

Bei Ihnen bedanke ich mich für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Ganz herzlichen Dank, Herr Minister Busemann, auch für die Einhaltung der Redezeit, wobei sogar zwei Minuten übrig geblieben sind. - Für die Fraktion DIE LINKE hat sich jetzt der Kollege Adler zu Wort gemeldet.

(Zurufe von der CDU)

- Wenn ich sonst seitens des Präsidiums häufig einmal kritisiere, dass die Redezeiten nicht eingehalten werden und lange überzogen werden, dann darf ich auch einmal ein Kompliment aussprechen, wenn sich das umgekehrt verhält.

(Sehr gut! bei der CDU)

Herr Adler, Sie haben das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir haben es gehört: Die Zahl der Rechtsanwälte ist im Laufe der Zeit dramatisch gestiegen, nicht im gleichen Umfang wie die Zahl der Prozesse. Was aber bei der Fragestellung der CDU-Fraktion fehlte, war die Frage, wie sich das auf die Einkommenssituation der Rechtsanwälte auswirkt. Diese Frage ist nicht gestellt worden und wurde deshalb natürlich auch nicht beantwortet.

Aber ich denke, wer als Anwalt tätig ist und ein bisschen den Überblick hat, der weiß, dass die Einkommenssituation der Anwälte sehr unterschiedlich ist. Es gibt Anwälte, die sehr gut verdienen. Es gibt aber auch Anwälte, denen es richtig schlecht geht. Es gibt Anwälte, die wieder aufgeben müssen. Es gibt Anwälte, die sogenannte Wohnzimmerkanzleien führen, weil sie nicht zurechtkommen.

Deshalb muss man konstatieren, im Grunde ist die Anwaltschaft der große Schwamm für arbeitslose Juristinnen und Juristen. Denn die melden sich nicht beim Arbeitsamt, sondern sie versuchen es dann in der Anwaltschaft, häufig auch ohne Erfolg.

Einen indirekten Blick auf die Einkommenssituation erlaubt die Antwort auf Frage Nr. 36. Dort ist dargestellt, wie viel Altersrente ein Anwalt gegenwärtig durchschnittlich bezieht. Dort ist die Zahl 1 008 Euro zu lesen - wahrlich kein großer Betrag! Das hängt sicherlich auch damit zusammen, dass für einen Teil der Anwälte die Altersversorgung nur eine ergänzende Altersversorgung ist und dass sie noch andere Altersversorgung, Eigentumsbildung etc. haben. Das ist aber trotzdem eine Durchschnittszahl, die einen nachdenklich stimmen muss, weil sie deutlich macht: So gewaltig ist es mit dem Einkommen der Anwälte im Durchschnitt doch nicht.

Herr Busemann hat eben gesagt - das ergibt auch einen indirekten Zusammenhang mit der Einkommenssituation der Anwälte -, bei uns müsse der kleine Mann um den Zugang zum Recht keine Angst haben, das sei gewährleistet. Achten Sie einmal auf die Frage Nr. 45 und auf die Antwort darauf. Dort heißt es, die Landesregierung unterstützt den Gesetzentwurf zur Beratungskostenhilfe und zur Prozesskostenhilfe, der im Bundesrat liegt.

Dieser Gesetzentwurf liegt dort immerhin schon seit 2008. Ich würde sagen, am besten ist es, wenn dieser Gesetzentwurf dort noch möglichst lange liegen bleibt. Denn dieser Gesetzentwurf erfüllt nun wirklich nicht die Voraussetzungen, dem kleinen Mann den Zugang zum Recht zu erleichtern. Genau das Gegenteil ist der Fall. Der Zugang soll erschwert werden. Wenn man die Begründung dieses Gesetzentwurfes nachliest, kann man dort eindeutig die Formulierung finden, das Ziel des Gesetzentwurfes ist es, Einsparungen zugunsten der Länder vorzunehmen.

In dem Gesetzentwurf heißt es u. a., dass ein Antrag abgelehnt werden kann, der mutwillig ist; so hieß es im bisherigen Recht. Jetzt soll es nur noch heißen, er kann abgelehnt werden, wenn er mutwillig erscheint.