Federführend soll der Ausschuss für Bundes- und Europaangelegenheiten und Medien mit der Beratung betraut werden, mitberatend der Ausschuss für Rechts- und Verfassungsfragen. Wer dem zustimmen möchte, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenstimmen? - Stimmenthaltungen? Das ist so beschlossen.
Tagesordnungspunkt 25: Erste Beratung: Beteiligungskultur in der Jugendhilfe erhalten und ausbauen - Fachkompetenz stärken, Jugendämter und Jugendhilfeausschüsse in Niedersachsen erhalten und weiterentwickeln - Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen - Drs. 15/3124
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! „Stell Dir vor, es ist Wahl und keiner geht hin!“ An diesen Spruch musste ich am letzten Sonntag nach der Kommunalwahl denken, als mit 51,8 % wieder einmal ein historischer Tiefstand bei der Wahlbeteiligung verkündet wurde. In den Kommentaren der Parteivorsitzenden wurde darüber spekuliert, wie man denn die Wahlbeteiligung wieder aufleben lassen könnte. Da fielen Begriffe wie „mehr Beteiligung“, „Beteiligung der Bürger ernst nehmen“ oder „dem zunehmenden Entfremdungsprozess zwischen Bürgern und Politik etwas entgegensetzen“. In meinen Augen werden Begriffe wie „Bürgerbeteiligung“ und „Chancengleichheit“ nach solchen desaströsen Ereignissen wie dieser Wahlbeteiligung gern in den Mund genommen. Wenn es dann aber ganz konkret wird und ans Handeln geht, kommt nichts anderes heraus als eine Seifenblase, die schnell zerplatzt.
Meine Damen und Herren, Sie fragen sich: Was hat das mit diesem Antrag zu tun? - Mit der von Ihnen geplanten Auflösung des Landesjugendamtes zerschlagen Sie eine Fachbehörde, die für Standards in der Kinder- und Jugendhilfe steht und damit für mehr Chancengleichheit in Niedersach
sen. Sie zerschlagen eine Behörde, die ihre Service- und Mittlerfunktion vorbildlich erfüllt und ein ganz wichtiges Bindeglied zwischen den Kommunen, den öffentlichen und freien Trägern der Kinder- und Jugendhilfe und dem Land ist. Sie ist eine Servicestelle mit sehr geringen Reibungsverlusten. Schauen Sie sich einmal im Land um, ob es noch andere Servicestellen dieser Art gibt, die so hervorragend funktionieren.
Nun haben die Länder im Zuge der Föderalismusreform die Möglichkeit erhalten, hinsichtlich der Einrichtung der Behörden und der Verwaltungsverfahren Regelungen zu treffen, die vom Kinderund Jugendhilfegesetz abweichen. Und was macht das Land Niedersachsen? - Als Erstes wird das Landesjugendamt zur Disposition gestellt. Erschreckend ist an dieser Debatte auch, dass sie nicht von den Jugendpolitikern, also von den Fachleuten, geführt wird, sondern dass in der Sommerpause die Innenpolitiker und die Haushaltspolitiker das Sagen hatten.
- Das ist nicht falsch, liebe Frau Vockert. Auch Sie haben doch sicherlich das Zitat Ihres Kollegen Coenen gelesen, der behauptet: „Diese Behörde gehört abgeschafft. Sie ist nicht mehr zeitgemäß und mehr als überflüssig.“
ich bezweifle bei einem Großteil von Ihnen, dass Sie in der Lage sind, die Aufgaben und die gesetzlichen Grundlagen der Arbeit des Landesjugendamtes überhaupt zu benennen.
(Beifall bei den GRÜNEN - Bernd Althusmann [CDU]: Wieso „der männ- lichen“? Was hat das damit zu tun?)
Noch einmal, damit es alle wissen - wir können ja hier ein bisschen Lehrstunde machen -: Das Landesjugendamt bürgt für die Sicherheit von Qualitätsstandards und die konkrete, passgenaue Weiterleitung von Fördergeldern für Maßnahmen der Jugendhilfe. Das Landesjugendamt stellt landesweit die Qualität der Jugendhilfe sicher. Mit der von Ihnen geplanten Auflösung würden Sie das versammelte Expertenwissen und die Servicefunktion zerschlagen.
Meine Damen und Herren, das Landesjugendamt - wir reden immer so gerne über das Kindeswohl ist im Interesse des Kindeswohls unverzichtbar. Wenn wir von Chancengleichheit reden, müssen wir auch Sorge dafür tragen, die Qualität der Angebote in der Jugendhilfe zu sichern und weiterzuentwickeln.
(Beifall bei den GRÜNEN - Astrid Vo- ckert [CDU]: Man kann doch einmal auf Veränderung setzen! - Weiterer Zuruf von der CDU: Erzählen Sie das einmal den Kreisbehörden!)
- „Erzählen Sie das einmal den Kreisbehörden!“ Von daher weht nämlich der Wind. Es geht doch nicht darum, nur eine Behörde zu zerschlagen. Vielmehr geht es einfach darum, Geld zu sparen, auf dem Rücken von Kindern und Jugendlichen, und das im Jahr der Jugend in Niedersachsen.
Schauen Sie sich doch einfach einmal Ihre Mipla an! Ab 2007 sind doch nur noch 100 000 Euro eingestellt. Das sind die Kosten für die Abwicklung des Landesjugendamtes. Es wird Personal entlassen, es wird Fachkompetenz zerschlagen.
- Ich muss mich gar nicht aufregen, Herr Althusmann. - Es ist einfach eine Sauerei, die Sie hier auf dem Rücken von Kindern und Jugendlichen planen.
Ich wollte Sie nicht ansprechen, sondern Sie nur unterbrechen und sagen, dass jede Fraktion noch genügend Redezeit hat. Es brauchen nicht so viele durcheinanderzurufen. Wir hören der Abgeordneten zu. Wer noch etwas zu sagen hat, gibt hier eine Wortmeldung ab. - Bitte schön!
Meine Damen und Herren, es geht nicht nur darum, eine Behörde abzuschaffen. Nein, mit der Abschaffung des Landesjugendamtes wird auch der Landesjugendhilfeausschuss zur Disposition gestellt. Damit wären wir wieder beim Thema Beteiligung.
Mit der Einrichtung des Jugendhilfeausschusses beim Landesjugendamt und auch bei den kommunalen Jugendämtern haben wir doch eine beispielhafte Kultur der Beteiligung geschaffen. Da wird es wohl keine Widerrede geben.
Diese Beteiligungskultur muss im Interesse der Kinder und der Jugendlichen erhalten und weiter gestärkt werden. Also: Beteiligungskultur stärken! Wo haben wir ein ähnlich gut funktionierendes Gremium, in dem Mitwirkung und Mitgestaltung der freien und der öffentlichen Träger gesichert sind und damit gesellschaftliche und fachliche Partizipation ermöglicht wird, ein Gremium, das für die
Meine Damen und Herren, wenn Sie das Landesjugendamt abschaffen und damit den Landesjugendhilfeausschuss - denn dann ist nichts mehr zum Andocken da -, öffnen Sie im Lande Niedersachsen Tür und Tor für den Abbau von Chancengleichheit und Beteiligung. Ein Teil der Kommunen wartet ja nur darauf, die Standards für die Chancengleichheit zu schleifen und letztendlich die Kinder- und Jugendhilfepolitik nach kommunaler Kassenlage zu machen und damit die qualitativen Standards in der Kinder- und Jugendhilfe abzusenken.
Ebenso bedeutet die Abschaffung des Landesjugendamtes die Kommunalisierung der Aufsichtsfunktion, der Zuständigkeit für die Betriebserlaubnis und die örtliche Prüfung, sodass Heimaufsicht und Kostenträgerschaft in einer Hand liegen würden. Die Kommunen hätten damit die Aufsicht über eigene Einrichtungen und über die Einrichtungen der freien Träger.
Meine Damen und Herren, alle Experten haben schon bei der Anhörung im Bundestag davor gewarnt, die bewährte Einheitlichkeit und Zweigliedrigkeit der Jugendämter aufzuweichen. Es gibt kein einziges Argument, das für die Abschaffung des Landesjugendamtes und auch des Landesjugendhilfeausschusses spricht. Sie sollten diese Pflänzchen weiter gießen, hegen und pflegen,