Protocol of the Session on July 12, 2006

(Beifall bei der CDU und bei der FDP - Zuruf von den GRÜNEN: Unver- schämtheit!)

Wenn ich mir die Einlassungen aus Teilen der SPD anhöre - ich sage bewusst: aus Teilen der SPD, weil Herr Bartling ja seit Wochen und Monaten zu diesem Thema schweigt oder schweigen muss -,

wie Sie jetzt schon wieder versuchen, die Gründung der Härtefallkommission hier und dort zu torpedieren, dann muss ich Ihnen sagen, dass alle Regelungen, die wir vorgesehen haben, aus anderen Bundesländern stammen, zum Teil auch aus Bundesländern, in denen SPD-Mehrheiten in den Landtagen vorhanden sind; einige wenige gibt es ja noch. Deshalb bitten wir Sie:

(Walter Meinhold [SPD]: Nein!)

Geben Sie Ihren politischen Widerstand endlich auf! Unterstützen Sie die Härtefallkommission! Hören Sie mit dem Theater auf, und kommen Sie möglichst zur Sachpolitik zurück!

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Weil mich das Thema wirklich beschäftigt hat und vor allen Dingen auch deshalb, weil mich manche Debatte, die wir Freitagmorgens hier geführt haben, in der Art und Weise, wie Einzelne vorgetragen haben, überhaupt nicht gefallen hat, habe ich nachgelesen, wie das früher gewesen ist. Auch mit Blick in Richtung Frau Merk und anderer muss man eines deutlich sagen: Bereits in den 90erJahren hat es eine Debatte darüber gegeben, ob in Niedersachsen eine Härtefallkommission eingerichtet werden soll oder nicht. Der Niedersächsische Flüchtlingsrat hat dies in den 90er-Jahren bereits gefordert. Da muss man die linke Seite des Hauses natürlich fragen: Warum sind Sie dieser Aufforderung damals eigentlich nicht nachgekommen?

(Beifall bei der CDU)

Statt darauf eine Antwort zu geben, zeigen Sie mit dem Finger auf uns.

Es ist bemerkenswert, was die SPD-geführte Landesregierung am 2. November 1999 auf eine Kleine Anfrage des CDU-Abgeordneten Hans Eveslage geantwortet hat. Ich zitiere aus der Drucksache 1222 aus der 14. Wahlperiode:

„Die Einrichtung einer Härtefallkommission wäre nach der bestehenden Gesetzeslage zwar zulässig... Sie hätte nur beratende Funktion und könnte nur Empfehlungen an die zuständige Ausländerbehörde geben. Diese wäre hieran nicht gebunden, müsste vielmehr auch weiterhin in Wahrnehmung ihrer gesetzlichen Auf

gaben in eigener Verantwortung entscheiden.“

Dann heißt es weiter:

„Angesichts dieser Rahmenbedingungen... hält die Niedersächsische Landesregierung den mit der Tätigkeit einer Härtefallkommission verbundenen Aufwand für nicht verantwortbar.“

Das heißt, was Sie nun fordern und was wir jetzt machen, war Ihnen in Ihrer Regierungszeit zu umständlich und erschien Ihnen als unverhältnismäßig. Das ist die Wahrheit!

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Ich möchte eines aufgreifen, was der Landtagspräsident in der letzten Landtagssitzung angesprochen hat, wiederum in Richtung Frau Merk, die ja innerhalb der SPD-Fraktion offensichtlich die Stimmungsanführerin ist. Wo waren, wenn man sich die Abschiebezahlen in Niedersachsen und die hohen Zahlen in den 90er-Jahren anschaut, eigentlich Ihre kritischen Stimmen zu Ihrer damaligen Regierungszeit?

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Ich habe sie nicht vernommen. Ich habe sie weder im Pressearchiv noch in den Stenografischen Berichten über die Plenarsitzungen noch an irgendeiner anderen Stelle nachlesen können.

Sie, Frau Merk, haben in der Plenarsitzung am 22. Juni behauptet, Sie seien wegen Ihres Protests gegen die Flüchtlingspolitik von Gerhard Glogowski fast aus dem damaligen Kabinett geflogen.

(Zuruf von Heidrun Merk [SPD])

Ich frage Sie: Warum sind Sie denn nicht zurückgetreten? Haben Sie Ihren Widerstand gegen Gerhard Glogowski etwa deshalb aufgegeben, weil Ihnen Ihr Amt wichtiger war als Ihre eigene Überzeugung? - Das kann ich mir überhaupt nicht vorstellen.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP - Heiner Bartling [SPD]: Ein schöner Beitrag zur Integrationspolitik! Junge, Junge! Dass Sie sich nicht schämen!)

Wer so hohe moralische Maßstäbe an andere Menschen anlegt, muss verdammt aufpassen, dass er nicht beim ersten Sprung reißt.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Deshalb: Lassen Sie das doch! Wir haben jetzt die Härtefallkommission eingerichtet und damit ein eigenständiges Gremium.

(Klaus-Peter Bachmann [SPD]: Dann lassen Sie doch den Äpfel-Birnen- Vergleich mit der Situation vor zehn Jahren!)

Damit werden wir dies sicherlich auf einen guten Weg bringen.

Meine Damen und Herren, bei diesem Thema - dies unterscheidet mich von Herrn Bachmann geht es nicht nur um die Integration einiger weniger medienwirksamer Härtefälle. Das Thema ist komplexer. Wir würden es sehr begrüßen, wenn der neue Realitätssinn der Bundes-SPD, der jetzt mit dem Beschluss der Telefonschaltkonferenz auf den Weg gebracht worden ist, auch auf die linke Seite dieses Hauses übertragen werden könnte.

Integration ist eine gesamtstaatliche Aufgabe, die parteiübergreifend angegangen werden muss. Integration ist ein Prozess, der dauerhafte Anstrengungen von Einwanderern und aufnehmender Gesellschaft erfordert. Nur dann kann Integration erfolgreich sein.

Wir alle sind aufgefordert: Staat, Gesellschaft, Vereine, Verbände, jeder Einzelne von uns. Unser Ziel in der Integrationspolitik lautet: Wir wollen das Zusammenleben in einer friedlichen und demokratischen Gesellschaft. - Herzlichen Dank.

(Starker, nicht enden wollender Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Zu einer Kurzintervention hat sich Frau Merk gemeldet. Frau Merk, 1:30 Minuten!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich stelle fest, dass Herr McAllister offensichtlich sehr schlecht recherchiert hat. Herr McAllister, dies war nicht unter Herrn Glogowski - damals waren Sie ja noch gar nicht im Parlament -, sondern es war in der Zeit der Frage des Asylkompromisses und der Reduzierung des Asylverfahrens in den Jahren 1992/1993. Damit das richtig gestellt ist: Sie haben eben behauptet, es sei unter Herr Glogowski gewesen. - Nein! Es war unter Herrn Schröder.

(David McAllister [CDU]: Innenminis- ter Glogowski!)

Ich empfehle Ihnen dringend, das nachzulesen. Mit Herrn Glogowski hatte das nichts zu tun. Im Übrigen entscheidet so etwas, wie Sie wissen, nicht der Innenminister, sondern der Ministerpräsident.

(Vizepräsidentin Ulrike Kuhlo über- nimmt den Vorsitz)

Lassen Sie mich zum Schluss Folgendes sagen - auch dies müssten Sie wissen -: Ich war von 1990 bis zum Jahr 2000 Ministerin. Insoweit habe ich mich bei Petitionen nicht zu melden gehabt.

(Zustimmung bei der SPD - Lachen bei der CDU)

Meine Damen und Herren, der nächste Redner ist nach den mir vorliegenden Wortmeldungen Herr Wenzel von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. Herr Wenzel, Sie haben das Wort. Bitte schön!

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Herr Minister Schünemann, Ihre Worte haben wir sehr wohl vernommen. Aber ich will Ihnen sagen, warum ich Ihren Vortrag für wenig glaubwürdig halte: Jahrzehntelang haben Sie und große Teile Ihrer Partei leugnen wollen, dass Deutschland längst zum Einwanderungsland geworden ist. Jetzt wollen Sie uns weismachen, dass mit Ihrer Regierung alles gut wird.

Herr McAllister hat, zumindest zu Beginn seiner Rede, ein paar nachdenkliche Worte gefunden. Er hat auch unseren Abgeordneten Cohn-Bendit zitiert, der sich mit der Politik der Grünen auseinander gesetzt hat. Aber von Ihnen, Herr Minister Schünemann, finde ich auf Ihren 55 Seiten Regierungserklärung kein einziges Wort der Nachdenklichkeit, kein Wort der Selbstkritik. Sie glauben, keine Fehler gemacht zu haben, wider alle menschliche Vernunft.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Das macht den Inhalt Ihres Vortrages wenig glaubwürdig.

Herr Schünemann, es ist nicht so, dass wir Ihre heutige Regierungserklärung nicht verstehen. Sie

wollen einen persönlichen Imagewechsel, und den haben Sie auch bitter nötig.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Aber Sie werden diesen Imagewechsel nicht hinbekommen, weil Integration für Sie eine Verwaltungsaufgabe und keine Herzenssache ist.

(Zustimmung von Filiz Polat [GRÜ- NE])

Für Sie geht es um Gesetze, um Kosten, um Sicherheitsaspekte und um volkswirtschaftliche Erwägungen, aber es geht nur am Rande um die Menschen. Mit keinem Wort sprechen Sie über die Hintergründe von Flucht und Zuwanderung. Sie sprechen nicht über Ungerechtigkeit, über Nord/Süd-Gefälle und die moralischen Verpflichtungen, die wir als westliches Industrieland haben. Sie addieren Maßnahmen, Arbeitskreise und Erlasse. Aber unter dem Strich kommt zu wenig dabei heraus. Sie lassen jetzt Ihren Apparat heiß laufen, aber das Herz bleibt kalt.

(Beifall bei den GRÜNEN)