Protocol of the Session on July 12, 2006

Meine letzte Bemerkung: Wir wollen doch einmal sehen, was im Herbst aus der Innenministerkonferenz bezüglich der Änderung des Zuwanderungsgesetzes herauskommt. Ich mahne an, abzuwarten, was die gegenwärtig stattfindende Evaluation ergeben wird. Wir sollten also erst einmal Sachverhaltsaufklärung betreiben und dann sehen, welche Probleme es gibt und wie man sie lösen kann.

Da hier immer von einer Stichtagsregelung oder von einem Bleiberecht für alle gesprochen wird, will ich zum Schluss noch meine persönliche Meinung dazu äußern: Ich erinnere daran - Herr Kollege Bachmann, ich habe es schon des Öfteren gesagt -, dass das Asylrecht ein Individualrecht ist. Das ist ein sehr hohes Rechtsgut, was bedeutet, dass jeder Fall einzeln betrachtet und gewürdigt werden muss. Deswegen ja auch die Härtefallkommission. Die Frage ist, ob dazu die Entscheidung passen kann, die besagt: Egal, um wen es jetzt noch geht, wer ein paar Duldungen hatte, kann generell hier bleiben. - Ich glaube schon, dass am Ende auch im Sinne dessen, was Herr Dr. Rösler gesagt hat, doch noch die eine oder andere Voraussetzung erfüllt werden muss. Aber dann kann man vielleicht auch eine Lösung finden, bei der wir einmal die parteipolitische Ideologie etwas zurückstellen und versuchen, uns sachlich zu verständigen. - Vielen Dank.

(Lebhafter Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Mir liegt jetzt noch eine Wortmeldung von Herrn Minister Busemann vor. - Bevor ich ihm das Wort erteile, gebe ich Ihnen bekannt, dass wir vor der Mittagspause noch den Antrag zum Thema „Musikland“ behandeln werden. Danach werden wir in die Mittagspause eintreten, die hoffentlich wie geplant verlaufen kann.

(Wolfgang Jüttner [SPD]: Das hängt von Herrn Busemann ab!)

Nach der Mittagspause werden wir mit Tagesordnungspunkt 22 fortfahren. Der letzte Tagesordnungspunkt der heutigen Beratung, Punkt 29, wird ohne Aussprache direkt überwiesen werden. - Herr Minister Busemann, Sie haben das Wort.

(Unruhe - Glocke der Präsidentin)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Eigentlich wollte ich dieser wichtigen Debatte nur als interessierter Zuhörer lauschen. Aber heute Morgen ist erwartungsgemäß eine ganze Menge über Bildung ausgetauscht worden. Angesichts dessen ist es sicherlich nicht falsch, dass auch der Kultusminister dazu beiträgt, das eine oder andere Problem zu beleuchten.

Meine Damen und Herren, was sagt uns in diesem großen Zusammenhang eigentlich PISA? - Jedenfalls absolut nichts zu irgendwelchem Schulstrukturquatsch, den manche Leute immer wieder bemühen wollen. Was sagt uns aber PISA? - Dass wir in Deutschland und meinetwegen auch in Niedersachsen über Jahrzehnte z. B. die frühkindliche Bildung vernachlässigt haben. Des Weiteren sagt uns PISA, dass wir es in Deutschland offenbar nicht schaffen, Kinder aus, wie man sagt, bildungsfernen Schichten und schwerpunktmäßig auch Kinder mit Migrationshintergrund mit passender Förderung zu entsprechenden Bildungsabschlüssen zu führen. Hier haben wir in Deutschland offenbar ein riesiges Problem über Jahrzehnte anwachsen lassen. Mir ist es relativ egal, ob Deutschland ein Einwanderungsland ist oder nicht. Momentan wandern sogar mehr Menschen aus als ein; dieses Problem ganz eigener Art mögen Akademiker auf irgendwelchen Parteitagen klären. Wenn wir aber viele ausländische Mitbürge

rinnen und Mitbürger bei uns haben, dann müssen wir sie ordentlich behandeln, und wenn sie Kinder haben, dann sehen wir zu, dass diese Kinder auf vernünftige Bildungswege gebracht werden. Ich glaube, das können wir alle miteinander unterschreiben.

(Beifall bei der CDU - Wolfgang Jütt- ner [SPD]: Jawohl!)

Weil dieser Prozess über Jahrzehnte offenbar vernachlässigt worden ist, muss man einmal daran erinnern, wie sich dies über die letzten Jahre hinweg entwickelt hat.

Herr Jüttner, ich fand Ihre Rede in wesentlichen Teilen gar nicht schlecht. Aber auch Sie standen seit 1990 ein bisschen in der Verantwortung. Wenn wir die Dinge, die wir heute besprechen, in Niedersachsen etwas eher erkannt hätten, hätten wir an dem einen oder anderen Punkt - damals waren wir nicht ganz so arm wie heute - vielleicht anders handeln können.

(Beifall bei der CDU)

In diesem Zusammenhang nehme ich das Thema Kindertagesstätten in den Mund. Da haben wir alle nicht optimal gehandelt. Zwar gab es die Forderung, für jedes Kind einen Kita-Platz zu schaffen, und herausgekommen ist eine Personalkostenförderung in Höhe von 20 %, obwohl 100 % versprochen wurden. In diesem Punkt will ich gar keine Attacke reiten. Aber während der gesamten 90erJahre und eigentlich auch bis vor kurzem habe ich keine Maßnahmen wahrgenommen, die der Tatsache Rechnung getragen hätten, dass Kitas - hier geht es auch um Kinder mit Migrationshintergrund - einen Bildungsauftrag haben. Das Ergebnis sehen wir heute.

(Beifall bei der CDU)

Ein weiterer Punkt: In einen wachsenden Schülerberg und in eine Situation hinein, die durch viele Kinder mit Migrationshintergrund und mit Förderbedarf gekennzeichnet war, haben es Mitte der 90er-Jahre der damalige Ministerpräsident Schröder und sein Kultusminister Wernstedt gegen alle Erkenntnis für richtig gehalten, die Zahl der Lehrerstellen nach unten zu fahren. Die Sparmodelle, die seinerzeit angesetzt wurden, rächen sich über die Jahre. Dies wollte ich bei dieser Gelegenheit noch gesagt haben, meine Damen und Herren. Vorhin war von Federschmuck die Rede. Ich habe in den 90er Jahren nicht viel Federschmuck gese

hen, mit dem sich heute jemand schmücken könnte.

Wir haben miteinander eine gewaltige Aufgabe zu bewältigen. Gesündigt haben alle von München bis Kiel und von Berlin bis Düsseldorf. Egal, wer wo regiert hat, es ist ein gewaltiger Handlungsbedarf aufgelaufen. Das billigste Modell, um dieses riesige Problem zu lösen, sind abstrakte Diskussionen über Schulstrukturmodelle. So etwas führt überhaupt nicht weiter.

(Zustimmung bei der CDU)

Auch PISA sagt über Schulstrukturen überhaupt nichts aus. Der Auftrag an uns alle ist, an vielen Stellen einfach das Richtige und Notwendige zu tun. Ich möchte an dieser Stelle darauf hinweisen - perfekt ist niemand -, dass auch diese Regierungskoalition in den letzten Jahren einiges auf den Weg gebracht hat.

Herr Jüttner, ist es denn so schwer, zum Thema Sprachförderung zu sagen „Jawohl, die alte Regierung“ - ich sage es ja auch - „hat es ins Gesetz geschrieben; nur das Geld hat sie nicht dazu gelegt“? Kann man nicht anerkennen, dass diese Regierung für die Sprachförderung im frühkindlichen Bereich - also ein Jahr vor der Einschulung 300 Vollzeitstellen für Grundschullehrer bereitgestellt hat? Das entspricht einem Volumen von 14 bis 15 Millionen Euro, das ganz gewollt in Bewegung gesetzt worden ist.

(Beifall bei der CDU)

Sie regen sich immer über die so genannten Budgetmittel auf. Sie schwankten mal zwischen 6 und 5 Millionen Euro. Für dieses Jahr haben wir diesen Betrag um 1 Million erhöht. Sie hätten gern 7 Millionen Euro gehabt. Da entscheidet sich das Geschick des Weltreiches aber nicht. Sie müssen doch aber anerkennen, dass wir über das Paket der Sprachförderung auch eine ganze Menge für die Integration tun.

Ich möchte Ihnen sagen: Den Bildungsauftrag - das ist der viel wichtigere Auftrag im Kindertagesstättenwesen - haben wir inzwischen an die erste Stelle der Agenda für den Kita-Bereich gesetzt. Wir haben den Orientierungsrahmen entwickelt. - Ich sage Ihnen: Wir müssen an dieser Stelle möglicherweise noch mehr machen. Darüber müssen wir uns hier aber nicht streiten. - Man sollte sagen: Bitte, versuchen wir miteinander, auf diesem Feld das Bestmögliche zu tun.

Ich sage noch etwas, auch wenn Sie es nicht gerne hören: Dass wir die Zahl der Lehrerstellen vor drei Jahren aufgestockt haben, hatte einen guten Grund. Das gehört auch in diesen Kontext mit hinein. Wir bezahlen - das nebenbei - auch noch das Arbeitszeitkonto, das meine Amtsvorgänger mit Ihrem Parteibuch angelegt haben. Sie haben Wechsel auf die Zukunft ausgestellt, die wir heute auch noch mitbezahlen müssen. Diese Volumina hätte ich gern für andere gute Dinge zur Verfügung, die wir im Kopf haben.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Gestern haben wir über die Eigenverantwortliche Schule diskutiert. Auch das gehört in den Gesamtzusammenhang mit hinein. Wir können an den Schulen durch individuelle Maßnahmen entsprechend besser werden. In diesem Zusammenhang geht es um einen ganz wichtigen Bereich. Das ist die individuelle Förderung, meine Damen und Herren. Gerade für die Kinder mit Migrationshintergrund, die die deutsche Sprache noch nicht ausreichend beherrschen, die Handikaps mitbringen und bei denen es möglicherweise vom Elternhaus her schwierig ist, ist die individuelle Förderung fast wie eine Zauberformel, zu der uns fast alle sagen: Da müsst ihr ansetzen, damit ihr zu besseren Ergebnissen kommt.

(Zurufe von der SPD - Unruhe)

Einen Moment bitte, Herr Minister Busemann!

Ich bin sofort fertig, Frau Vorsitzende.

(Unruhe)

Warten Sie bitte, bis hier Ruhe eingekehrt ist!

(Anhaltende Unruhe)

- Meine Damen und Herren, wenn hier nicht Ruhe einkehrt, wird die Sitzung nicht fortgeführt. Ich warte jetzt, bis hier Ruhe ist.

Die gesamte Fachwelt - -

Herr Minister Busemann, warten Sie bitte!

(Unruhe)

- Frau Wörmer-Zimmermann, Sie sind die einzige, die jetzt noch redet. Lassen Sie es bitte! - Ich frage Sie jetzt, Herr Minister Busemann, ob Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Aller zulassen wollen.

Nein, keine Zwischenfragen. Ich bin gleich fertig, Frau Präsidentin.

(Unruhe)

Manche Dinge hören Sie nicht gerne. Wir haben gestern über die individuelle Förderung diskutiert. Die Fachwelt ist sich absolut einig: Das ist das richtige Mittel, um all die Probleme im schulischen Bereich - insbesondere die Probleme der Kinder mit Migrationshintergrund - zu bekämpfen und um diesen Problemen zu begegnen. Dann wurde gestern in der Debatte gesagt: Im Prinzip ja, aber das könnte zu schnell kommen, das könnte teuer sein, das könnte Ressourcen kosten und das könnte die Lehrerschaft überbeanspruchen. - Dazu kann ich nur sagen: Das kostet nichts. Einfach mal Rückendeckung für einen Kultusminister, der diese Dinge anpackt! Dann können wir gewaltig etwas tun, auch für die Integration. Das will ich Ihnen mal so sagen.

(Beifall bei der CDU)

Letzte Bemerkung: Das tut einem manchmal weh. An den Schulen wird sich gequält, um das möglichst gut zu machen. An den Berufsschulen wird gearbeitet. Sehr oft läuft es dann aber wieder darauf hinaus, dass man sagt: Wir haben uns alle bemüht. Die jungen Menschen wollen auch. Dann heißt das Thema: Arbeitsmarkt. Dann heißt das Thema: Perspektiven. Wie geht das Ganze weiter? Dazu sage ich nur: Die Landesregierung strengt sich an. Auch die Wirtschaftsminister der Länder und des Bundes strengen sich an. Das Thema „Perspektive für die jungen Leute“ gehört aber auch mit in diesen Kontext hinein. - Danke schön.

(Beifall bei der CDU)

Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor.

Wir kommen zur Abstimmung.

Wer der Beschlussempfehlung des Ausschusses mit der von Präsident Gansäuer heute Morgen erwähnten redaktionellen Änderung zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Wer ist dagegen? - Wer enthält sich der Stimme? - Das Erste war eindeutig die Mehrheit.

Wir kommen damit zum

Tagesordnungspunkt 21: Erste Beratung: „Musikland Niedersachsen“ - leere Worthülse des Ministerpräsidenten - Antrag der Fraktion der SPD - Drs. 15/3010

Ich erteile das Wort der Frau Kollegin Bührmann von der SPD-Fraktion. Bitte schön, Frau Bührmann!