Herr Klare, Sie haben die Redezeit punktgenau ausgeschöpft. - Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat die Abgeordnete Korter das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Opposition muss nicht immer Nein sagen, vor allem dann nicht, wenn es darum geht, notwendige innere Reformen der Schulen, die im Grundsatz von uns allen gewollt werden, gemeinsam voranzubringen.
Meine Damen und Herren, Herr McAllister und Herr Rösler haben in der vorigen Woche erklärt, mit dem Gesetz zur Eigenverantwortlichen Schule sei jetzt aber erst mal Schluss mit Schulreform.
Das sehen wir genau anders, Herr McAllister. Nach allem, was die Landesregierung mit ihrer Verschärfung der selektiven Schulstruktur bisher falsch gemacht hat, ist dieses Gesetz der erste Schritt in die Richtung einer sinnvollen Reform.
Aber dieser Schritt ist nur der Anfang. Jetzt muss es erst richtig losgehen. Dieses Gesetz schafft einen Rahmen für die notwendige innere Reform der Schule. Jetzt muss dieser Rahmen auch ausgefüllt werden.
Meine Damen und Herren, mehr Freiheit von Vorschriften beim eigenen Schulprogramm, neue Gestaltungsfreiräume bei mehr Verantwortung aller Beteiligten an den Schulen in einer demokratischen Struktur, dazu Verankerung von Inspektion und von Beratung und Unterstützung im Schulgesetz - das sind für uns wichtige Elemente für eine zukunftsfähige Qualitätsentwicklung. Der Gesetzentwurf der Landesregierung entsprach diesen Zielen zunächst erst einmal so gut wie gar nicht. Er war ein mutloses Reförmchen.
Deshalb haben wir einen eigenen Gesetzentwurf vorgelegt. Nur so kann man in den Beratungen seine eigenen Vorstellungen auf Augenhöhe einbringen. Und das, meine Damen und Herren, ist uns nach der Verbandsanhörung und den vielen interessanten und wichtigen Stellungnahmen, die dort abgegeben wurden, in den Beratungen in einer Weise gelungen, die dem Gesetz eine ganz andere Richtung gegeben und sichtbar grüne Akzente gesetzt hat.
Die Landesregierung wollte ein Gesetz für mehr Eigenverantwortung der Schulen, aber mehr Gestaltungsfreiräume kamen darin nicht vor, ebenso wenig wie eine demokratische Schulverfassung oder effektivere Entscheidungsstrukturen. Auch die gesetzliche Grundlage für Inspektionen und Beratung und Unterstützung der Schulen war nicht vorgesehen. Die Schulleitungen sollten mehr Rechte und die Gesamtkonferenzen weniger Rechte bekommen. Ein kompetenzloser Beirat sollte über die Geschicke der Schule mitdiskutieren. Irgendwie sollte sich dadurch die Schulqualität verbessern. Geglaubt hat das wohl niemand.
Meine Damen und Herren, mit diesem Ansatz ist die Regierung bereits in der Anhörung gescheitert. Schnell wurde dort deutlich, dass zentrale Vorschläge, wie wir sie in unserem Gesetzentwurf formuliert hatten, vom Landeselternrat, vom Landesschülerrat, von den kommunalen Spitzenverbänden, den beiden christlichen Kirchen und z. B. vom Schulleitungsverband vertreten wurden. Regierungsfraktionen und SPD begannen, ihre Vorstellungen zu korrigieren.
Meine Damen und Herren, was haben wir erreicht? - Erstens. Wir wollten die Gesamtkonferenz auf pädagogische Aufgaben konzentrieren und sie „pädagogische Konferenz“ nennen. Die Gesamtkonferenz behält zwar jetzt ihren Namen - aber am Namen muss man nicht kleben - und auch ihre Zusammensetzung, entscheidet aber in Zukunft hauptsächlich über pädagogische Angelegenheiten.
Zweitens. Wir hatten als effektives Entscheidungsgremium eine Schulkonferenz mit drittelparitätischer Besetzung durch lehrendes Personal, Elternund Schülervertreter vorgeschlagen. Jetzt wird ein Schulvorstand geschaffen, der diesen Vorstellungen in Größe und Zusammensetzung weitgehend entspricht. Die Drittelparität war nicht durchsetzbar. Ich meine aber, mit 25 % Elternbeteiligung, 25 % Schülerbeteiligung und 50 % Beteiligung der Lehrerschaft und der pädagogischen Mitarbeiter haben wir einen Paradigmenwechsel eingeleitet, der sich sehen lassen kann.
Der Vorstand beschließt über die Inanspruchnahme der eingeräumten Entscheidungsspielräume im Rahmen der Eigenverantwortlichkeit, die Einrichtung von Ganztagsschulen und Integrationsklassen, über Schulversuche, die Ausgestaltung der Stundentafel und das Schulbudget und macht Vorschläge für Programm und Schulordnung.
Drittens. Unsere Forderung zielte darauf ab, die Schulleitung zu stärken. Sie wird gestärkt und trägt die Gesamtverantwortung für die Qualitätsentwicklung und Qualitätssicherung. Sie ist Vorgesetzte aller an der Schule tätigen Personen und trifft Maßnahmen zur Personalwirtschaft und Personalentwicklung. Sie hat im Vorstand bei Stimmengleichheit die entscheidende Stimme. Wir hätten gern die Wahl der Schulleitung durch den
Vorstand im Gesetz verankert, aber das war leider nicht mehrheitsfähig. Die Legitimation durch alle an Schule Beteiligten wäre uns hier sehr wichtig gewesen.
Viertens. Die Landesregierung wollte weder die Schulinspektion noch die Beratung und Unterstützung aufnehmen. Beides konnten wir in den Beratungen erreichen. Das ist uns sehr wichtig; denn zu mehr Eigenverantwortung gehört notwendigerweise auch die Qualitätssicherung von innen durch die Schulen selbst und von außen durch die Inspektion.
Darüber hinaus müssen die Schulen aber auch die nötige Beratung und Unterstützung bekommen, die ihnen nun im Gesetz durch die Schulbehörden gewährleistet wird.
Es wurde schon darauf eingegangen: Einige Regelungen haben wenig mit der Eigenverantwortlichkeit zu tun, sollen aber heute gleich mit beschlossen werden.
Die Regelungen zu den Ganztagsschulen sind in der Beratung so überarbeitet worden, dass uns eine tragbare Lösung vorliegt, die rückwirkend die genehmigten Ganztagsschulen light in einen rechtskonformen Zustand bringen. Man muss sie damit nicht begrüßen, aber sie sind dann rechtskonform, ohne dass die Standards für Ganztagsschulen weiter abgesenkt werden. Außerdem gibt es eine fraktionsübergreifend getragene Neuregelung der Finanzhilfe für Integrationsschüler an freien Schulen. Das ist für uns auch wichtig.
Meine Damen und Herren, einiges haben wir erreicht, anderes auch nicht. Wir wollten im Gesetz die Gestaltungsfreiräume für die Schulen regeln, weil die Möglichkeit, in eigener Verantwortlichkeit auf diverse Erlasse und Verordnungen zu verzichten, für uns ein Kernstück der Reformentwicklung ist. Dazu waren die Mehrheitsfraktionen nicht bereit. Hier sind sie mutlos geblieben.
Herr Busemann, Sie nehmen heute in der HAZ den Mund schon wieder sehr voll, wenn Sie behaupten, dass Sie mit Ihrem Gesetz zur Eigenverantwortlichen Schule an der Spitze der Bundesrepublik seien.
Andere Bundesländer sind an dieser Stelle, bei den Gestaltungsfreiräumen, wesentlich weiter und mutiger.
Wir jedenfalls werden uns weiterhin dafür einsetzen, dass diese Reform nicht erlahmt. Der Minister hat verkündet, dass auf wenige unbedeutende Erlasse verzichtet werden soll. Das reicht uns nicht. Wir werden Ihnen eine Liste mit Erlassen vorlegen, damit die Schulen tatsächlich größere Freiräume bekommen.
Ich komme langsam zum Schluss, meine Damen und Herren. Leider wurde das Gesetz zur Eigenverantwortlichen Schule von den Mehrheitsfraktionen unter einem enormen Zeitdruck durch die Beratungen getrieben. Das hat nicht nur zu Systembrüchen geführt, sondern an mancher Stelle auch Einigungen zwischen den Fraktionen im Bemühen um Qualität verhindert. Wir müssen deshalb heute in der Plenarsitzung schon Details nachbessern. Das ist schade. Ich glaube, Sie haben eine große Chance vertan. Das spricht nicht dafür, dass dieses wichtige Reformvorhaben mit der nötigen Gründlichkeit in Ruhe beraten werden konnte. Ich sage das hier ausdrücklich. Ich halte das für einen ganz großen Fehler.
Aber, liebe Kolleginnen und Kollegen, meine Damen und Herren, in solchen Situationen muss sich eine Oppositionsfraktion die Frage stellen: Bleiben wir bei der Kritik stehen und werden von der Mehrheit einfach überstimmt, oder versuchen wir, noch stärker, konstruktiv und hartnäckig mitzugestalten, weil es uns um einen ganz wichtigen Reformbaustein geht? - Wir haben uns für den zweiten Weg entschieden.
Es muss noch an vielen Stellen Verbesserungen geben. Aber der heute zur Abstimmung gestellte Gesetzentwurf ist eine Grundlage für mehr Eigenverantwortung, für mehr Qualitätsentwicklung und für mehr Demokratie in der Schule. Dafür haben
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Das war eine gute Nachricht, Frau Korter. Ich hatte Sie im Vorhinein schon einmal gefragt. Da wollten Sie mit der Sprache nicht herausrücken. Ich habe dafür Verständnis. Das ist in Ordnung. Wir nehmen das jetzt umso erfreuter zur Kenntnis.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, dieser Tag hat in zweifacher Hinsicht seine Bedeutung. Einerseits stehen wir vor dem Abschluss einer Gesetzesberatung, die auch aus unserer Sicht ausgesprochen konstruktiv verlaufen ist und die meiner Meinung nach sogar Beispiel gebend für weitere Zusammenarbeit sein könnte, wenn es um wirklich wichtige Angelegenheiten geht. Andererseits stehen wir am Beginn eines Prozesses, für den wir nichts anderes als einen wichtigen Grundstein gelegt haben - ein Prozess, der unsere Bildungslandschaft nachhaltig verändern wird.
Ich weiß jetzt nicht, ob meine Redezeit ausreichen wird. Aber ich muss zu Frau Eckel etwas sagen. Sie sprechen hier dezidiert von Zeitdruck. Verehrte Frau Eckel, ich darf daran erinnern, dass wir uns bereits seit drei Jahren mit dem Thema Eigenverantwortliche Schule beschäftigen. Ich darf daran erinnern, dass wir uns schon seit einem Jahr auf der Grundlage eines Hearings auf dem EXPOGelände mit dieser Frage beschäftigt haben und sich die Diskussion seit langer, langer Zeit wie ein roter Faden durch die gesamte Bildungslandschaft zieht. Insofern kann hier niemand davon sprechen, dass er nicht hinreichend vorbereitet ist, wenn er sich die entsprechende Mühe gemacht hat.
Das ist auch der Unterschied zwischen uns und Ihnen: Bei uns wird gehandelt, und bei Ihnen werden die Dinge zerredet. Das ist der Unterschied.
Es ist zugegebenermaßen etwas eng geworden. Der Vorteil, dass wir den Gesetzentwurf vor den Sommerferien verabschieden können, liegt insofern klar auf der Hand: Die Schulen wissen ab heute, womit sie es zu tun haben. Sie wissen ganz genau, dass sie ein Jahr Vorbereitungszeit und dann noch einmal die Möglichkeit haben, die Eigenverantwortliche Schule Schritt für Schritt zu entwickeln.
In erster Linie ist das heute aber ein guter Tag. Ich habe an anderer Stelle darauf hingewiesen, dass bei diesem für die Zukunft unseres Landes so wichtigen Thema entscheidend war, dass alle ins Boot geholt und mitgenommen worden sind. Wenn ich die Ausgangslage bedenke, dann stelle ich fest, dass dieser Gesetzentwurf spürbar positiv weiterentwickelt worden ist.
Die Eigenverantwortliche Schule ist für uns Liberale seit dem Wiedereinzug in den Landtag 2003 eines der wichtigsten Anliegen gewesen. Sehr frühzeitig haben wir in Anhörungen mit ausgewiesenen Experten bei Besuchen in Finnland, aber auch in anderen Bundesländern und durch entsprechende Fachliteratur Erfahrungen zusammengetragen. Die Absicht war damals schon vorgegeben: Die Schulen sollen in einem Wettbewerb um die bestmögliche Vermittlung von Wissen stehen. Das Ziel muss klar beschrieben sein. Der Weg zu diesem Ziel soll dort formuliert werden, wo man die Verhältnisse am besten kennt und damit auch am besten umgehen kann, nämlich in den Schulen vor Ort. Sie sind nämlich am besten in der Lage, mit dem vorhandenen Umfeld ein eigenes Profil zu entwickeln.