Protocol of the Session on July 11, 2006

Für die CDU-Fraktion Herr Dr. Biester!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich habe Verständnis dafür, dass der Kollege Briese mit Energie für dieses Thema ficht. Es ist nicht das erste Mal. Einen vergleichbaren Antrag haben wir schon in der letzten Legislaturperiode gehabt. Ich wage die Prognose, dass wir, wenn wir diesen Antrag gleich erwartungsgemäß ablehnen, in der nächsten Periode wieder einen vergleichbaren Antrag bekommen werden.

(Ralf Briese [GRÜNE]: Andere lernen schneller dazu!)

Dieses Thema ist eben Ihr Steckenpferd.

Herr Kollege Briese, wir gehen mit einer anderen Blickrichtung an dieses Thema heran.

(Ursula Helmhold [GRÜNE]: Ja!)

Wir fragen uns schlicht und ergreifend: Brauchen wir ein solches Gesetz eigentlich? Wir stellen fest, dass es umfangreiche Akteneinsichtsrechte für Betroffene und all diejenigen gibt, die ein berechtigtes Interesse an einer Akteneinsicht darlegen können. Wir haben diverse Regelungen über Veröffentlichungspflichten.

Herr Briese, das obrigkeitliche Handeln der Verwaltung, das Sie hier darstellen, entspricht gar nicht der Wirklichkeit in Niedersachsen. Darauf lege ich großen Wert. Wir haben schon lange eine gewandeltes Bild der Verwaltung. Unsere Verwaltung hat das obrigkeitsstaatliche Denken schon lange abgelegt, trägt den Dienstleistungsgedanken in sich und stellt den Service für den Bürger in den Vordergrund.

(Zustimmung bei der CDU)

Wir sind davon überzeugt, dass dies ausreicht.

Es besteht also aus unserer Sicht keine Regelungslücke. Deshalb brauchen wir auch kein Gesetz. Wir wollen Rechtsvorschriften abbauen. Neue Gesetze wollen wir nur dann, wenn wirklich ein zwingender Bedarf besteht. Den sehen wir nicht.

Meine Damen und Herren, wie sähe die praktische Umsetzung eines solchen Gesetzes aus? Sie räumen selber ein, dass das umfassende Akteneinsichtsrecht, das Sie meinen gewähren zu können, tatsächlich nicht so umfassend sein kann. Sie sagen: Es gibt natürlich Ausnahmetatbestände. Es gibt insbesondere das Recht der Einzelperson auf informationelle Selbstbestimmung, das dazu führt, dass nicht uneingeschränkt Akteneinsicht gewährt werden kann. Sie sagen in Ihrem Antrag selber, interne Vorgänge der Willensbildung der Regierung dürften nicht betroffen sein. Geheimhaltungsvorschriften - Strafverfolgung, Polizei, Arzt- und Mandantengeheimnis, Steuergeheimnis - dürften nicht betroffen sein. Der Schutz von persönlichen Daten und von Privat-, Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen sei zu wahren. - In der Tat. Dann frage ich mich, wo eigentlich der Unterschied zwischen Ihrem Informationsfreiheitsgesetz und der Wirklichkeit liegt, die wir in Niedersachsen schon lange haben. Da gibt es keinen Unterschied.

(Zustimmung bei der CDU)

Ich will einfach einmal ein Szenario aufmalen. Ich stelle mir vor, ein Rentner aus dem Harz kommt auf den Gedanken, einen Brief an das Wirtschaftsministerium zu schreiben und die Vorlage der Akten zur Realisierung des JadeWeserPorts zu verlangen. Dazu sagen Sie: Das ist kein Problem; er hat ein entsprechendes Informationsrecht, auch wenn er im Harz wohnt und örtlich nicht betroffen ist. Er soll Akteneinsicht haben, und zwar in vier Wochen.

In vier Wochen müssen also die Aktenberge, die zu diesem Thema sicherlich vorhanden sind, im Hinblick darauf gesichtet werden, ob Bestandteile diese Akten aus den von Ihnen selbst genannten Gründen nicht preiszugeben sind. Sie setzen also hoch bezahlte Verwaltungsbeamte daran, die gesamten Vorgänge darauf zu prüfen, welche Sachen herauszugeben sind und welche nicht. Da geht es um schwierige rechtliche Erwägungen; daran müssen Sie einen hoch dotierten Beamten setzen, der die entsprechende Befähigung hat.

Immerhin drohen bei unberechtigtem Zurückhalten von Aktenteilen Rechtsstreitigkeiten.

Das alles geschieht, um die Neugierde eines Menschen zu befriedigen, der kein Betroffener ist, der kein berechtigtes Interesse hat, der sich dieses Themas aus reiner Neugierde annimmt. Dann sagen Sie auch noch, die Höhe der damit verbundenen Gebühren dürfe nicht abschreckend sein. Den gesamten Verwaltungsaufwand, den Sie lostreten, sollen wir bitte schön aus allgemeinen Steuermitteln bezahlen. Fotokopiekosten darf man vielleicht noch erheben.

Das halten wir einfach nicht für erforderlich.

(Zustimmung bei der CDU)

Ich sage es ganz deutlich: Wir halten das System, dass jemand, der ein berechtigtes Interesse hat oder betroffen ist, eine Akte einsehen kann, für völlig ausreichend und völlig in Ordnung.

Ich komme auf den Tagesordnungspunkt 8 zurück. Da haben wir über ein Gesetz zur Änderung des Kommunalabgabengesetzes beraten. Da sehen wir z. B. ein Recht auf Einsicht in Bemessungsgrundlagen von Gebührenbescheiden vor. Wo wir das Gefühl haben, den Betroffenen wirklich zu helfen, tun wir das auch und schreiben ein Akteneinsichtsrecht in das jeweilige Spezialgesetz.

Aber ein so allgemeines Gesetz, jeden Bereich betreffend, nur die Neugierde befriedigend, lehnen wir ab.

(Beifall bei der CDU und Zustimmung bei der FDP)

Für die SPD-Fraktion hat sich Frau Kollegin Grote zu Wort gemeldet.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Mit dem vorliegenden Antrag strebt die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen die Verabschiedung eines Niedersächsischen Akteneinsichts- und Informationszugangsgesetzes, auch kurz Informationsfreiheitsgesetz genannt, an. Ein Informationsfreiheitsgesetz kann grundsätzlich Transparenz, Akzeptanz und Effizienz staatlichen Handelns erhöhen. Auch kann dadurch Korruption aufgedeckt werden. Vor über zwei Jahren wurde der Antrag eingebracht. Es ist nunmehr an der Zeit, dass wir

die Verwaltung in Niedersachsen zu einem transparenten, service- und kundenorientierten Partner der Bürgerinnen und Bürger machen. Wir fordern die Landesregierung auf, ein Niedersächsisches Informationsfreiheitsgesetz zu formulieren.

(Zuruf von der CDU: Die braucht nicht aufgefordert zu werden!)

Auch wir von der SPD-Landtagsfraktion haben, als der Antrag gestellt wurde, nicht sofort „Hurra!“ geschrien, da wir eine Überlastung der zur Auskunft verpflichteten Stellen und einen weiteren Kostendruck insbesondere auf die Kommunen nicht mittragen. Aber wir haben uns intensiv mit den Erfahrungsberichten der Länder NordrheinWestfalen und Schleswig-Holstein auseinander gesetzt. In beiden Ländern hat sich gezeigt, dass das eingeführte Informationsfreiheitsgesetz weder zu der befürchteten Überlastung - entgegen Ihrem Szenario, sehr geehrter Herr Kollege Biester; ich kann auch nicht erkennen, warum Niedersachsen hier eine Ausnahme bilden sollte - noch zu einem verstärkten Kostendruck geführt hat.

(Reinhold Coenen [CDU]: Woher wis- sen Sie das?)

- Es gibt Erfahrungsberichte. Herr Kollege, setzen Sie sich damit auseinander! Lesen Sie sie nach!

So haben beispielsweise in Schleswig-Holstein in den ersten zwei Jahren nach In-Kraft-Treten des Informationsfreiheitsgesetzes knapp 2 000 Bürgerinnen und Bürger einen Antrag auf Informationszugang gestellt. Durchschnittlich sind das kaum mehr als fünf Anträge pro Behörde. Die Akteneinsicht erfolgte in vielen Fällen komplikationslos. Über die gestellten Anträge wird meist zügig und positiv entschieden. Die praktischen Erfahrungen in Nordrhein-Westfalen haben verdeutlicht, dass der Entscheidung über die Gebührenfestsetzung ein besonderes Augenmerk geschenkt werden sollte. Keinesfalls darf der gesamte Verwaltungsaufwand höher liegen als die zu vereinnahmende Gebühr.

Mit „Verwaltungsaufwand“ meine ich in erster Linie nicht die eigentliche Informationsfreiheit durch Akteneinsicht, sondern vielmehr den mit der Gebührenfestsetzung verbundenen Sollstellungs-, Überwachungs- und Kassenaufwand. Insbesondere bei niedrigen Gebühren besteht die Gefahr, dass die haushaltstechnische Abwicklung und Kontrolle der gezahlten Gebühren für die Behörde

insgesamt höher ist als die Gebühr für die Information selbst.

Die Lösung dieses Problems liegt aber nicht in der Forderung nach höheren Gebühren. Dies würde die Bürgerinnen und Bürger vielmehr abschrecken und die Informationsfreiheit ad absurdum führen. Vielmehr haben einige Kommunen in NordrheinWestfalen selbst entschieden, in diesen Fällen auf eine Erhebung von Gebühren zu verzichten, um den Aufwand zu minimieren. Dies ist meines Erachtens der geeignete Weg, um die Informationsfreiheit zu fördern.

Ähnliche positive Resultate liegen auch aus Brandenburg und Berlin vor. Ich bin mir sicher, dass auch in Bremen, Hamburg, Mecklenburg-Vorpommern sowie auf Bundesebene überwiegend positive Erfahrungen gemacht werden. Hier liegen die Informationsfreiheitsgesetze erst seit kürzester Zeit vor.

Die Bürgerinnen und Bürger werden als Partner und nicht als Bittsteller angesehen. Langfristig wird die gelebte Informationsfreiheit die Korruptionsbekämpfung unterstützen, da die Akteneinsicht nicht nur dem Bürger in konkreten, ihn vor Ort betreffenden Fällen Transparenz bietet, sondern auch Journalisten neue Wege eröffnet. Die Chance zur Aufhebung und Aufdeckung von Korruption wird durch den Einblick in Originalakten erheblich gesteigert.

Gestatten Sie mir an dieser Stelle ein Wort zum Informationsfreiheitsgesetz auf Bundesebene. Dieses Gesetz wurde unter Rot-Grün entwickelt und mithilfe der FDP beschlossen. Die Bundestagsfraktion der FDP hat grundsätzlich den freien Zugang zu Informationen begrüßt. Der Gesetzentwurf der Bundesregierung ging den Liberalen auf Bundesebene aber anscheinend nicht weit genug, wie aus dem Entschließungsantrag der FDP - Bundestagsdrucksache 15/5625 - deutlich wird. Deshalb haben sich die Abgeordneten der FDP im Bundestag der Stimme enthalten. Ich hätte nun ganz gern Herrn Hirche direkt angesprochen, aber offensichtlich ist er nicht anwesend.

(Bernd Althusmann [CDU]: Er steht draußen vor der Tür! Ich habe ihn ge- rade gesehen! Er hört Ihnen auch zu! - Gegenruf von Sigrid Leuschner [SPD]: Ach! - Gegenruf von Bernd Althusmann [CDU]: Er ist FDP- Minister! Er hört alles!)

- Wunderbar! Das stimmt mich froh.

Herr Hirche hat nach meinen Informationen die Abstimmung der von der FDP mitregierenden Länder koordiniert - und zwar im Bundesrat - und dafür gesorgt, dass diese Länder der Linie der Bundestags-FDP folgen. Warum haben Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen der FDP-Fraktion, den vorliegenden Antrag dann in den Ausschüssen abgelehnt?

(Dr. Philipp Rösler [FDP]: Er war so schlecht geschrieben!)

- Warum haben Sie keinen Änderungsantrag eingebracht, wenn er schlecht geschrieben ist?

(Dr. Philipp Rösler [FDP]: Frau Kolle- gin, Sie werden gleich staunen!)

Ich finde es schade - auch für Sie, Herr Kollege Rösler -, dass sich bei Ihnen, liebe Kolleginnen und Kollegen der Fraktionen der CDU und der FDP, offensichtlich noch nicht die Erkenntnis durchgesetzt hat, dass Transparenz der öffentlichen Verwaltung nicht nur die demokratischen Beteiligungsrechte der Bürgerinnen und Bürger stärkt und damit der Staatsverdrossenheit entgegenwirkt, sondern dass diese Transparenz Manipulation und Korruption erschwert. Vielleicht denken Sie einmal darüber nach! - Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Herzlichen Dank. - Für die FDP-Fraktion Herr Professor Dr. Zielke, bitte!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wir alle wissen: Information ist immer gut. - Wir Liberale wissen - und wir stehen mit diesem Wissen zum Glück nicht allein da -: Freiheit ist gut.

(Beifall bei der FDP - Zurufe von der SPD)

Also ist Informationsfreiheit super gut.

(Beifall bei der FDP)

Aber wir erlauben es uns auch, gegenüber neuen Gesetzen grundsätzlich skeptisch zu sein, auch wenn sie mit super guten Überschriften und hehren Zielen wie der gläsernen Verwaltung daherkommen.