Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Lieber Herr Hagenah, ich will heute nicht mehr allzu viele Worte machen. Wir haben im Januar im Ausschuss Ihren Antrag diskutiert und vertagt. Im Juni haben wir uns im Ausschuss umfassend informieren lassen. Unser Änderungsvorschlag liegt Ihnen vor; und Sie wissen um den Diskussionsstand der EU-Regelungen. Wenn in diesem Jahr das dritte Eisenbahnpaket auf der EU-Ebene verabschiedet wird, kann es 2007 in nationales Recht umgesetzt werden. Diese europäische Verordnung über die Fahrgastrechte im Eisenbahnverkehr wird im Moment im EU-Parlament beraten und wird im Kern - das war Ihnen ja immer sehr wichtig - 25 % Entschädigung bei mehr als 60 Minuten und 50 % bei mehr als 120 Minuten Verspätung im grenzüberschreitenden Nah- und Fernverkehr vorsehen.
Auch die Arbeitsgruppe der Justizministerkonferenz hat inzwischen dreimal getagt. Die zuständigen Bundesministerien werden nach der Sommerpause einen ausführlichen Bericht erhalten. Dann wird die Bundesregierung Entwürfe für die nationalen Regelungen vorlegen.
Lieber Herr Hagenah, Sie wissen ganz genau, dass bei uns in Niedersachsen zwischen den Aufgabenträgern und den Verkehrsunternehmen Verkehrsverträge abgeschlossen wurden, in denen u. a. Pünktlichkeitswerte vereinbart wurden. Mit der DB Regio AG wurden für die Dauer des Verkehrsvertrages eine Mindestpünktlichkeitsquote von 95 % und Pönalen - Herr Will, das wissen die Leute nicht; ich habe auch noch einmal nachgeguckt; das sind tatsächlich Strafgelder - bis zu
Diese Verkehrsverträge sind die richtige Stellschraube, wie wir meinen. Zusätzliche Regelungen für den Nahverkehr sollten sich so eng wie möglich an den zu erwartenden EU-Verordnungen orientieren, damit der Fahrgast nicht mit einem Flickenteppich unterschiedlicher Regelungen im Fern- und Nahverkehr, im nationalen und internationalen Verkehr auseinander setzen muss.
Auch halten wir es für außerordentlich wichtig, dass erweiterte Fahrgastrechte für die Verkehrsunternehmen noch bezahlbar sind, damit sie nicht über Preiserhöhungen auf die Bahnkunden übertragen werden.
Was fürchten die Verkehrsunternehmen nach Ihrer Ansicht mehr - die Pönalenregelung, also die Strafgelderregelung, oder die Kundencharta? Was lässt die Verkehrsunternehmen eine hohe Pünktlichkeitsrate anstreben: Taxifahrten und Gutscheine für einzelne Kunden oder Millionenbeträge, wenn die Pünktlichkeitsquote nicht erreicht wurde? - Ich denke, das können Sie sich selbst beantworten.
Meine Damen und Herren, Herr Hagenah, ich möchte aber auch noch die Gelegenheit wahrnehmen, um auf schon bestehende Kundenrechte hinzuweisen. Im Einklang mit der zukünftigen europäischen Regelung hat die DB am 28. Mai 2006 ein Pilotprojekt in Schleswig-Holstein gestartet und ihren Kunden des Nahverkehrs erstmals einen rechtlich einklagbaren Anspruch auf Entschädigung bei Verspätungen eingeräumt. Das ist doch schon etwas. Abschließende Ergebnisse liegen noch nicht vor. Sollte das Modell aber erfolgreich sein, könnte es die bundesweite Einführung einer Verspätungshaftung der Bahn im Nahverkehr geben. Seit Oktober 2004 gibt es die Verspätungs
haftung im Rahmen der Kundencharta für den Fernverkehr. Derzeit werden täglich 900 - Herr Will, Sie sprachen von 700 - Gutscheinkarten ausgegeben. Auch haben die Bahnkunden seitdem Anspruch auf Erstattung von Taxi- und sogar Hotelkosten, sofern sie wegen einer Verspätung nach 24 Uhr ihr Ziel erreichen, logischerweise aber nur dann.
Ich wollte Ihnen hiermit aufzeigen, dass wir uns ganz bestimmt nicht drücken, Herr Hagenah, wie Sie eben sagten. Wir sind schon lange über den § 17 der Eisenbahnverkehrsordnung von vor 100 Jahren hinaus. Wir sind auch schon lange über das Jahr 2000 hinaus. Wir in Niedersachsen sind zeitgemäß. Kein Fahrgast ist der Bahn bei Verspätungen, Herr Hagenah, völlig hilflos ausgeliefert. - Ich danke Ihnen.
Danke schön. - Für die FDP-Fraktion hat Frau Kollegin König das Wort. Bitte schön, Sie haben das Wort!
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Schon in der ersten Beratung des Antrags hat die FDP-Fraktion deutlich gemacht, dass auch bei der Bahn Gewährleistungsregelungen gelten müssen, wie sie in anderen Wirtschaftsbereichen selbstverständlich sind. Wer eine vereinbarte Leistung nicht erbringt, muss Ersatz leisten. Aber natürlich müssen die diesbezüglichen Regelungen realistisch sein und dürfen sie die Verkehrsunternehmen nicht mit unnötig hohen Kosten belasten; denn nichts ist verbraucherfeindlicher als hohe Kosten.
Die Forderungen der Grünen in ihrem ursprünglichen Antrag, der ja hauptsächlich den Wahlkampf in NRW unterstützen sollte,
würden aber nur zu neuer Bürokratie und damit zu höheren Kosten und höheren Preisen führen. Woher soll dieses Geld nun auch noch kommen? Genau das wollen wir nicht. Daher haben wir einen
Wir wollen einheitliche und transparente Regeln in ganz Deutschland, die möglichst an die Regelungen im europäischen Ausland angepasst sind. Gleichzeitig muss die Umsetzung einfach und effizient sein, um mögliche Preissteigerungen zu vermeiden. Die EU hat bereits einen Verordnungsentwurf zu dieser Problematik vorgelegt. Für den Nah- und Fernverkehr kann er übernommen werden. Dabei werden wir aber ein Auge darauf haben, dass die EU-Regelungen bei der Umsetzung nicht wie schon so oft deutlich verschärft werden.
Beim Nahverkehr liegen die Dinge deutlich anders. In der ersten Beratung hat Herr Hagenah die freiwillige Qualitätsoffensive der GVH in höchsten Tönen gelobt. Gleichzeitig fordert er aber die Einrichtung einer Schlichtungsstelle. Das passt nicht zusammen.
Im Gegenteil, das könnte sogar zu Begehrlichkeiten führen. Bereits heute haben wir im Nahverkehr eine Pünktlichkeitsquote von 95 %, wie wir eben gehört haben. Viel mehr lässt sich kaum erreichen. Wenn sich ein Bus oder eine Bahn deutlich verspätet, liegt es meist an höherer Gewalt, die niemand absichern kann. Dann nützt natürlich auch keine Schlichtungsstelle mehr. Der Ansatz des Landes, in die Verträge mit den Nahverkehrsgesellschaften Qualitätsstandards aufzunehmen und Vertragsstrafen bei Nichteinhaltung zu verhängen, ist wesentlich effizienter und, wenn ich mir den Nahverkehr bei uns ansehe, offenbar auch sehr erfolgreich.
Warten wir also noch ein paar Wochen auf die endgültige Version der EU-Vorlage, um beim Bund auf eine möglichst rasche Übernahme in nationales Recht zu drängen. Insofern kommt dieser Antrag, Herr Hagenah, deutlich zur falschen Zeit. Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Herzlichen Dank. - Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat sich Herr Kollege Hagenah noch einmal zu Wort gemeldet. - Bitte schön!
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Vorlagen waren einfach zu gut, um nicht darauf zu antworten. Ich habe mich natürlich gefragt, Frau Rühl, warum Sie in Ihrem Änderungsantrag mit der FDP zusammen überhaupt noch Fahrgastrechte für die ferne Zukunft anstreben, wenn heute schon alles so gut ist. Sie setzen sich dafür ein, dass das Europarecht, das es noch gar nicht gibt und das vom Bundestag irgendwann umgesetzt werden wird, für solche Fahrgastrechte sorgen wird. Gleichzeitig sagen Sie, es sei nicht nötig, so etwas auf Landesebene umzusetzen, wie es in unserem Antrag gefordert wird, weil solche Rechte schon vorhanden seien. Was wollen Sie denn nun eigentlich? Entweder kommt noch etwas Besseres - dann könnten wir es heute schon auf Landesebene realisieren -, oder das Bestehende ist schon gut genug. Mit diesem Widerspruch Ihrer Argumentation bin ich nicht klargekommen. Nach unserer Auffassung könnten wir auf Landesebene Besseres als das tun, was heute möglich ist. Wenn der VDV uns sogar anbietet, eine Schlichtungsstelle einzurichten - er hat dies angekündigt, aber bisher leider keine Unterstützung von Landesseite bekommen -, dann verstehe ich nicht, warum dies aus FDP-Sicht unternehmensfeindlich sein soll. Schließlich ist der VDV der Zusammenschluss der Unternehmen. - Vielen Dank.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Landesregierung setzt sich selbstverständlich für einen Interessenausgleich zwischen dem Fahrgast und den Beförderungsunternehmen im Nah- und Fernverkehr ein. Nur ein Unternehmen, das die Verantwortung für die zu erbringende Leistung übernimmt, kann auf Dauer Kunden gewinnen. Wenn wir hier zu neuen Regelungen kommen, dann ist aber wichtig, dass Belastungen der mittelständischen Eisenbahnver
kehrsunternehmen so weit es geht vermieden werden und der bürokratische Aufwand für die Prüfung und Abwicklung von Ersatzansprüchen nicht zu Kostensteigerungen führt. Im Übrigen hat der Bundesrat schon im März 2003 mit den Stimmen Niedersachsens die Bundesregierung aufgefordert, die Rechtsstellung der Bahnkunden zu verbessern und den Verbraucherschutz zu verstärken. 2003 hatten wir eine rot-grüne Regierung auf Bundesebene. In deren Amtszeit ist nichts erfolgt. Die Bundesregierung hat lediglich ein Gutachten zum Thema „Qualitätsoffensive im öffentlichen Personennahverkehr - Verbraucherschutz und Kundenrechte stärken“ in Auftrag gegeben. Eine Arbeitsgruppe der Justizministerkonferenz wird auf der Grundlage dieses Gutachtens noch in diesem Sommer Vorschläge zur Verbesserung des zivilrechtlichen Verbraucherschutzes für Bahnkunden und den öffentlichen Personennahverkehr vorlegen. Auf europäischer Ebene - darauf haben insbesondere Frau Rühl und Frau König schon hingewiesen - hat die EU-Kommission einen Verordnungsentwurf zu dem Thema „Fahrgastrechte im grenzüberschreitenden Eisenbahnverkehr“ vorgelegt. Die Ergebnisse dieser Initiative sollten nach Meinung der Landesregierung abgewartet werden; denn eine spezifische niedersächsische Regelung würde zu einem Flickenteppich im internationalen Fern- und Nahverkehr führen, statt die Fahrgastrechte verständlich und einfach zu regeln.
Ein Regelungsbedarf im Nahverkehr ist auch aus Gründen, die Frau Rühl eingangs genannt hat, nicht nötig. Wir haben in Niedersachsen in den Verkehrsverträgen zwischen Aufgabenträgern und Verkehrsunternehmen bereits jetzt Vertragsstrafen für Verspätungen verankert. Dabei geht es um Größenordnungen von bis zu 4 Millionen Euro im Jahr. Damit haben wir in Niedersachsen - auch das ist unterstrichen worden - eine Pünktlichkeitsquote von 95 % im Nahverkehr erreicht. Angesichts dieser Quote kann man sagen: Es besteht kein weiterer Handlungsbedarf; denn bestimmte Verspätungen wird es immer geben. Sie lassen sich in einem Liniennetz überhaupt nicht vermeiden.
Ergänzend werden in Ausschreibungsverfahren freiwillige Angebote im Bereich der Fahrgastrechte in den Zuschlagkriterien bewertet. Natürlich verfolgen wir mit Interesse den Pilotversuch in Schleswig-Holstein. Wir werden ihn auch gemeinsam auswerten. Aber angesichts dessen, dass zu 95 % Pünktlichkeit gewährleistet ist, meinen wir, dass hier an der falschen Stelle Geschütze aufgefahren werden. Die Fahrgastrechte sind in Niedersachsen
besser gewährleistet als anderswo, und zwar mit den Instrumenten, die die Landesregierung angewendet hat, ohne dass es zu einer zusätzlichen Bürokratisierung kommt.
Wer der Beschlussempfehlung des Ausschusses zustimmen möchte, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenstimmen? - Stimmenthaltungen? Damit ist der Beschlussempfehlung des Ausschusses gefolgt worden.