Lassen Sie mich gerade an Ihre Adresse noch eines sagen; es läuft dann ja immer wieder auf das Thema Hauptschule hinaus. Sie haben sicherlich den Medien entnommen, dass ich in letzter Zeit einige Hauptschulen besucht habe. Bei diesen Besuchen nimmt man am Unterricht teil und spricht mit den jungen Leuten, durchaus in dem Bewusstsein, dass es im Bezug auf die Hauptschule und Erreichung eines Hauptschulabschlusses Probleme gibt. Aber so, wie wir in manchen Debatten unsere Hauptschülerinnen und Hauptschüler hinstellen, ist es nicht; das sage ich ganz offen.
Manch ein Unternehmer, der nicht täglich in die Schule hineinguckt, hört Ihre Redebeiträge, in denen die Hauptschule kategorisch schlecht gemacht wird, und denkt dann, er könne Hauptschüler nicht einstellen. Hier sollten wir politisch Verantwortlichen uns ein bisschen einkriegen und die großen Strukturdebatten beiseite lassen. Nur so können wir den jungen Leuten, die an der Hauptschule sind, das Terrain bereiten. Hier tragen wir eine große Verantwortung.
Das politische Tagesgeschäft oder das Hickhack um irgendwelche Strukturen sollte nun wirklich manchmal etwas zurücktreten.
Ich möchte hier für unsere Hauptschülerinnen und Hauptschüler plädieren. In diesen Tagen waren viele Hauptschülerinnen und Hauptschüler in der Schule; Besuchergruppen, kleine Gruppen, Fototermine, N21; das Studio können Sie gleich noch besuchen. Die Haupt- und die Realschule ist dort unterwegs. Das sind nicht junge Leute, die keine Chancen haben.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die beiden Minister haben uns eben einen Teil des Problems in Niedersachsen vorge
führt. Kultusminister Busemann wollte uns die Hauptschulen gerade als Hort der Bildung verkaufen. Kurz davor aber stand hier der Wirtschaftsminister und erzählte, dass das Niveau der Schulabgänger heute um so vieles schlechter sei als vor 20 Jahren. Genau in diese Lücke lassen Sie die Jugendlichen fallen. Den Betrieben sagen Sie, es liege nicht an ihnen, sondern an den Jugendlichen, und den Jugendlichen sagen Sie, sie hätten eine gute Ausbildung, und es liege am schlechten Markt.
Herr Minister Hirche, es trifft nicht zu, dass die Schulabgänger heute ein schlechteres Niveau haben als vor 20 Jahren. Tatsache ist vielmehr, dass wir heute gar keine Ausbildungsberufe mehr haben, die für Abgänger mit einem durchschnittlichen Hauptschulabschluss geeignet sind. Außerdem machen Sie den Betrieben keinen Mut mehr, dass sie darauf achten, dass die Ausbildungsgänge so offen und breit angelegt sind, dass sie auch den so genannten praktisch begabten Jugendlichen - wie hier gesagt wurde - Ausbildungschancen bieten. Es findet nur noch eine Bestenauslese statt. Viele Abiturienten bewerben sich um Ausbildungsplätze. Viele Realschüler bewerben sich um Ausbildungsplätze. Es gibt real aber einfach zu wenig Ausbildungsplätze. Von daher hilft den Jugendlichen eine Schuldzuweisung überhaupt nicht weiter.
Sie, Herr Minister Hirche, sind mit eine Ursache für die von Frau Körtner soeben beschriebene Mutlosigkeit bei einigen Jugendlichen. Die Mutlosigkeit greift bei den Jugendlichen um sich, wenn sie von dem zuständigen Wirtschaftsminister, der eigentlich den Boden für eine gute Ausbildung bereiten müsste, so wahrgenommen werden.
Das niedersächsische Bündnis für Ausbildung verdient seinen Namen leider so lange nicht, wie es als Rosstäuscherprojekt funktioniert und hinten mehr Ausbildungsplätze wegbrechen, als vorne neu hinzukommen. Dann ist das Bündnis seinen Namen nicht wert, den es trägt. - Vielen Dank.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich halte es nicht für schlimm, sondern für sehr belebend, aber am Ende dann doch nicht für besonders wohltuend, dass wir jetzt wieder in einem Gezänk und bei Schuldzuweisungen gelandet sind. Herr Minister Hirche, Sie haben darauf hingewiesen, sie bekämen zu viel Geld. Andere weisen darauf hin, sie sind nur praktisch begabt. Es wird jedenfalls überall nachgeschaut, warum wir nicht genügend Ausbildungsplätze haben.
Mir, Herr Busemann, ging es im Kern um die Frage, was man schon jetzt für diejenigen, die keinen Ausbildungsplatz bekommen - das werden in naher Zukunft möglicherweise 15 000 sein -, tun kann, damit sie zu Berufsabschlüssen im System kommen.
Von daher ist es mir im Augenblick egal, ob das Hauptschüler, Förderschüler oder was weiß ich für Schüler sind. Mir geht es darum, dass junge Menschen zum jetzigen Zeitpunkt, in den nächsten Jahren eine Chance bekommen, und wenn schon nicht im dualen System, dann aber doch wenigstens in einer berufsbildenden Schule. Das ist der Kern. Das lässt sich umsetzen.
Ich sage das vor allem deshalb, weil 50 % derjenigen - merken Sie sich bitte diese Zahl -, die derzeit einen Hauptschulabschluss oder einen Realschulabschluss haben, noch keinen Ausbildungsplatz bekommen. Im Augenblick ist es also fast egal, ob ich einen Hauptschulabschluss oder einen Realschulabschluss habe: Die Chance, einen Ausbildungsplatz zu bekommen, ist nach wie vor schlecht.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich möchte auf Herrn Möhrmann eingehen, weil all das, was er gesagt hat, so sehr klar schien. Herr Möhrmann, Sie haben gesagt, wir sind zwar jetzt an der Regierung, aber es kann noch nicht festgestellt werden, wie sich das alles auswirkt.
Also: Mit der Umsetzung der Maßnahmen, die sich aus dem neuen Schulgesetz ergeben, ist mit Beginn des Schuljahres 2004/2005 begonnen worden. Wir befinden uns jetzt im Schuljahr 2005/2006. Seitdem sind also noch nicht einmal zwei Schuljahre vergangen, und insofern konnten auch die Maßnahmen noch nicht einmal zwei Jahre greifen. Meine Damen und Herren, im Bildungsbereich muss man in Kauf nehmen, dass das alles ein bisschen länger dauert. Wir können nach Ihren 13 Jahren nicht einfach umswitchen, und am nächsten Tag ist alles perfekt und in Ordnung, sondern die beschlossenen Maßnahmen müssen erst greifen.
Zweitens haben wir Bildungsstandards eingeführt. Das ist keine niedersächsische, sondern eine bundesweite Erfindung. Wir haben zentrale Abschlussprüfungen eingeführt. Wir haben landesweite Vergleichsarbeiten eingeführt. Wir haben die Grundfertigkeiten Lesen, Schreiben und Mathematik gestärkt, indem wir dafür mehr Stunden vorgesehen haben: für Deutsch in der Grundschule z. B. sechs Stunden.
Alle diese Maßnahmen werden ihre Früchte tragen. Das braucht aber seine Zeit. Diese Zeit müssen wir unseren Schulen lassen, und diese Zeit müssen Sie auch der Landesregierung lassen. Aber dann - so möchte ich fast sagen - garantiere ich dafür,
dass diese Maßnahmen zu einer Verbesserung der Qualität an der Schule führen. Und daraus wiederum wird sich eine Verbesserung der Ausbildungsfähigkeit ergeben, kommen mit der Folge, dass die Ausbildungsbetriebe die jungen Leute auch wieder gern einstellen.
Vielen Dank, meine Damen und Herren. Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Ich stelle fest, dass die Besprechung der Großen Anfrage damit abgeschlossen ist.
Tagesordnungspunkt 14: Zweite Beratung: 20 Jahre Tschernobyl - Ausstieg aus der wirtschaftlichen Nutzung der Atomkraft gebotener denn je! - Antrag der Fraktion der SPD - Drs. 15/2712 - Beschlussempfehlung des Umweltausschusses - Drs. 15/2925
Tagesordnungspunkt 15: Zweite Beratung: Atomausstieg fortsetzen - Wettbewerb am Energiemarkt durchsetzen - Energiesparen jetzt! - Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen - Drs. 15/2541 - Beschlussempfehlung des Umweltausschusses - Drs. 15/2926
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die Katastrophe von Tschernobyl hat uns gezeigt, welches Gefährdungspotenzial auch in der so genannten friedlichen Nutzung der Atomenergie steckt.
Die Gefahren, die in dieser Technologie stecken, sind allgegenwärtig. Das zeigt allein die Anzahl der Störfälle in den letzten Jahren auch in Deutschland und weltweit. Doch seit dem Anschlag auf das World Trade Center in New York können auch die Atombefürworter die Bedrohung durch einen terroristischen Anschlag auf ein Atomkraftwerk nicht mehr wegdiskutieren.
Meine Damen und Herren, im Umweltministerium zerbrechen sich Beamte den Kopf darüber, wie man Warnhinweise für radioaktiven Abfall so formulieren kann, dass sie auch noch von unseren Nachfahren in zehntausenden von Jahren - also in einer Zeit, in der unsere Sprache möglicherweise längst vergessen sein wird - verstanden wird. Eine fatale Situation!
Meine Damen und Herren von der CDU, solange wir Atommüll produzieren, so lange vergrößern wir unweigerlich ein Problem, für das es weltweit immer noch keine Lösung gibt. Wer jetzt wie Sie nach 20 Jahren die Katastrophe von Tschernobyl weiterhin ignoriert und sie mit der Forderung nach neuen AKWs und nach einer Verlängerung der Restlaufzeiten auch noch schönredet, der stellt sich den Problemen nicht bzw. geht eindeutig einen falschen Weg, jenseits jeder Vernunft.
Fatal ist auch, dass wider besseres Wissen von interessierter Seite auch immer wieder neue Mythen in die Welt gesetzt werden. Der eine Mythos ist der einer angeblich weltweiten Renaissance der Kernenergie. - Wir vermögen eine solche Renaissance nicht zu erkennen.