Protocol of the Session on May 17, 2006

Ich weiß noch genau, als diese Idee damals aufkam, gab es heftige Gegenpositionen. Inzwischen - man kann es sich ja auch mal anders überlegen sieht es anders aus. Es gab einen Gesinnungswandel durch den Koalitionsvertrag, den wir generell begrüßen. Denn - das hat Frau Prüssner schon ausgeführt - das Projekt Mehrgenerationenhaus ist gut angelaufen.

(Christina Bührmann [SPD]: Aha!)

Die Idee, dass sich Alt und Jung unter einem Dach begegnen, dass man diese Begegnung vor Ort flexibel nach Bedarfen und Möglichkeiten anbietet, hat sich durchgesetzt.

In dem Antrag der SPD-Fraktion ist von „Mehrgenerationenhäusern light“ die Rede. „Light“ klingt so, als wenn nichts dahinter steckt. Ich habe schon im Ausschuss darauf hingewiesen, dass es in Niedersachsen Mehrgenerationenhäuser gibt, die über das hinausgehen, was im Koalitionsvertrag der Bundesregierung gefordert wird und noch nicht realisiert ist - Stichwort „Barnstorf“. Das hatte ich angesprochen. In Barnstorf gibt es ein Mehrgenerationenhaus, das aus einer Beratungsstelle für Krisenintervention, für Lebenshilfefragen, für Kinder und Eltern mit Problemen gewachsen ist. Dort ist schon sehr viel an sozialpolitischer Beratung und auch an Zusammenarbeit mit Jugendhilfe und Sozialarbeit gelaufen. Bei der Erweiterung zum Mehrgenerationenhaus hat man dann die Begegnung mit Älteren sozusagen auf die Agenda gesetzt. Es fand also eine Weiterentwicklung statt.

Im Grunde genommen ist gerade Barnstorf ein Beispiel dafür, was Sie auf Bundesebene in der Koalition beschlossen haben. Ziel des sehr flexiblen Ansatzes des Mehrgenerationenhauses ist, eine Begegnungsstätte zwischen den Generationen, zwischen Jung und Alt, zu schaffen, was allen zugute kommen soll. Das Mütterzentrum Salzgitter war ja ein Vorbild. Das kann aber keine Grundlage sein, weil das über Jahrzehnte gewachsen ist. Man kann unmöglich erwarten, das so etwas in den Kommunen auf einen Schlag entsteht.

Es gab also sehr viele positive Entwicklungen. Es gibt de facto einige Häuser, die sehr gut angenommen werden, die diesem Gedanken - auch dem aus den Koalitionsvereinbarungen - voll entsprechen.

Wenn ich auf Ihren Antrag direkt eingehe, dann kann ich das im Grunde ähnlich machen wie Frau Prüssner.

(Unruhe)

- Soll ich weiter sprechen? - Hier ist ein ziemliches Gemurmel. Aber ich mache es trotzdem.

(Ursula Helmhold [GRÜNE]: Ich bitte darum!)

- Danke schön, Frau Helmhold.

Zu Punkt 1 des Antrags. Wir wollen das Landesprogramm der Mehrgenerationenhäuser nicht durch eine anderes Programm ersetzen, weil ein solches Bundesprogramm noch gar nicht fertig vorliegt. Wenn das vorliegen würde, müsste man natürlich prüfen, ob es Überschneidungen gibt, das ist völlig klar. Aber jetzt etwas zu beenden, ohne dass etwas anderes an dessen Stelle gesetzt werden kann, würde auch die Erwartungen der Menschen vor Ort sehr enttäuschen. Die laufenden Projekte werden wir natürlich vorziehen.

Zu Punkt 2. Doppelstrukturen und Doppelförderung wollen und werden wir vermeiden. Darauf wurde schon hingewiesen. Es geht auch gar nicht anders. Wenn das andere erst einmal anläuft, dann muss man neu prüfen, wie man damit umgeht. Es ist aber noch nicht angelaufen.

Zu Punkt 3 - Förderungen ausschließlich nach verbindlichen und transparenten Förderrichtlinien. Frau Hemme, es ist richtig, es gibt noch keine Förderrichtlinien. Es ist auch richtig, dass sie entwickelt waren. Man hat zunächst einmal das Programm anlaufen lassen und nach Landeshaushaltsordnung gefördert. Man wollte nach den ersten Erfahrungen entscheiden, wie man die Förderrichtlinien festlegt. Ich finde es völlig logisch, dass jetzt noch abgewartet wird, was vom Bund, von dem Bundesprogramm Mehrgenerationenhäuser an Förderrichtlinien und Vorschlägen kommt. Dann kann man das abgleichen. Das macht meines Erachtens absolut Sinn.

Ich fasse zusammen. Zu Nr. 1 des Antrags sagen wir: Wir wollen nichts absetzen, was ein Erfolg ist. Zu Nr. 2 sagen wir: Selbstverständlich prüfen wir,

ob es irgendwo Doppelförderungen gibt. Wenn ja, schließen wir sie aus; denn wir wollen Landesmittel nur dann ausgeben, wenn dies notwendig ist. Zu Nr. 3 sagen wir: In Sachen transparente Förderrichtlinien warten wir erst einmal ab, was da kommt. Im Moment läuft es optimal. Es gibt hier viel Flexibilität. Das ist im Interesse sämtlicher Generationen in Niedersachsen, und darum machen wir so weiter.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Jetzt erteile ich dem Abgeordneten Herrn Schwarz das Wort für eine Kurzintervention.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Frau Meißner, ich will nur klarstellen, dass die SPD Mehrgenerationenhäuser nie abgelehnt hat. Was sie abgelehnt hat, war die Begriffsklitterung, die hier vorgenommen worden ist. Ursprünglich hat man unter Mehrgenerationenhäusern nämlich Zentren für Leben, Wohnen und Begegnungen für mehrere Generationen unter einem Dach verstanden. Was die frühere Sozialministerin daraus gemacht hat, waren reine Tagestreffs. Insofern haben wir uns gegen diese Begriffsverwirrung immer verwahrt, zumal es solche Mehrgenerationenhäuser im kirchlichen Bereich und bei Wohlfahrtsverbänden schon vorher gegeben hat; das war überhaupt nichts Neues.

Deshalb ist das, was wir jetzt fordern, die logische Konsequenz. Die große Koalition auf Bundesebene hat den Begriff „Mehrgenerationenhäuser“ genau so umschrieben, wie die SPD über Jahrzehnte ihre Familienzentren verstanden hat. Deshalb macht es auch Sinn, dies auf Niedersachsen zu übertragen. Unsere Mehrgenerationenhäuser bzw. Familienzentren sind etwas ganz anderes als die Tagesbegegnungsstätten, die Sie bisher in Ihrem Programm hatten.

Frau Prüssner hat gesagt: Wir lassen das eine laufen und gucken gleichzeitig, wie das andere wird. Nach den Erfahrungen mit Ihrem Finanzminister garantiere ich Ihnen: Der wird Ihnen schon richten, wie es mit Mehrgenerationenhäusern weitergeht. Wir sind mit der Debatte noch gar nicht zu Ende, da wird er der Ministerin auch in dieser Frage schon sagen, was sie zu machen hat.

(Heidemarie Mundlos [CDU]: Ist das bei Ihnen immer so gelaufen?)

Sie überschätzen sich, wenn Sie glauben, dass Sie an dieser Stelle das Heft des Handelns in der Hand haben.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Zur Antwort erteile ich jetzt Frau Meißner das Wort.

Herr Schwarz, es ist richtig, dass wir in Sachen Mehrgenerationenhäuser schon über verschiedene Varianten gesprochen haben. Ich habe mich allerdings darauf bezogen, dass Ihre Fraktion, als diese Diskussion aufkam, eindeutig gesagt hat - ich erinnere mich noch genau, dass ich mit Frau Hemme bei einer Diskussionsrunde beim NDR war -, dass sie die Mehrgenerationenhäuser, die die Niedersachsen jetzt wollen, ablehnt.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Jetzt gibt es eine Kurzintervention von Frau Hemme auf die Kurzintervention von Frau Meißner.

(Jörg Bode [FDP]: Geht denn das überhaupt?)

- Stimmt, das geht gar nicht; danke für den Hinweis.

Nächste Rednerin ist Frau Janssen-Kucz.

(David McAllister [CDU]: Es ist doch schon alles gesagt! Was soll denn das? - Gegenruf von der SPD: Aber noch nicht von allen!)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ein wunderschönes Schauspiel: Die CDU setzt weiter zusammen mit der FDP auf die Mehrgenerationenhäuser light in Niedersachsen. Sie hält das Ehrenamt hoch, sie hält die Freiwilligkeit hoch.

(Beifall bei der CDU)

Die SPD möchte Mehrgenerationenhäuser durch Familienzentren ersetzen und beruft sich auf den gemeinsamen Koalitionsvertrag.

Doch wir haben ein Problem: Die beiden Großkoalitionäre in Berlin haben irgendwie versäumt, die Begrifflichkeiten zu konkretisieren. Im Koalitionsvertrag steht das Projekt Mehrgenerationenhäuser. Demnach soll ein sozialraumbezogener Kristallisationspunkt gebildet werden, der fördernde Angebote für Familien und Generationen unter einem Dach aus einer Hand ermöglicht. In den Zentren sollen zum einen generationenübergreifende Alltagssolidaritäten gelebt werden; die Häuser sollen eigene Angebote zu Frühförderung, Betreuung, Bildung, Lebenshilfe entwickeln. Zum anderen sollen sie auch noch - man höre! - Anlaufstelle, Netzwerk und Drehscheibe für familienorientierte Dienstleistungen,

(Zuruf von der CDU: Genau so ist es!)

Erziehung und Familienberatung, Gesundheitsförderung, Krisenintervention und Hilfeplanung sein, ganz kurz gesagt: eine Allzweckwaffe.

Aber wenn man sich das einmal genau anschaut - seit Montag liegt eine Pressemitteilung der Familienministerin vor -, wird das genau dasselbe Billigmodell wie hier in Niedersachsen sein und eben nicht das, was den Sozialdemokraten vorschwebt. Ich glaube, Sie müssen in Berlin ganz dringend das Gespräch untereinander suchen und die Begrifflichkeiten klären. So reden Sie weiterhin aneinander vorbei.

Liebe SPD, Sie hätten unsere Unterstützung, wenn es darum gehen würde, Early Excellence Centres, Familiencenter einzurichten, und zwar auch mit Personal, um im Interesse der Kinder und der Familien wirklich professionelle Hilfe anzubieten. Das wird auf Bundesebene aber gar nicht gewollt. Letztendlich wird es auf Bundesebene auch nichts anderes geben als eine Begegnungsstätte.

(Dr. Gabriele Andretta [SPD]: Nein, das stimmt nicht!)

Und es wird hauptsächlich mit Ehrenamtlichen irgendwie funktionieren sollen.

Meine Damen und Herren, solche Billiglösungen sind nicht zeitgemäß, entsprechen nicht den Anforderungen, den veränderten Lebens- und Arbeitsbedingungen, die sich letztendlich an uns alle stellen. Die gesellschaftlichen Veränderungen

müssen professionell begleitet werden und dürfen nicht hauptsächlich Ehrenamtlichen übertragen werden.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Kinder und Eltern brauchen professionelle Hilfe und Unterstützung und keine Laienhilfe. Wenn man Prävention ernst nimmt - und eigentlich sollten wir das ernst nehmen; das haben wir uns zumindest im Sozialausschuss auf die Fahne geschrieben -, dann muss Prävention auch professionell begleitet werden.

(David McAllister [CDU]: Mehr Stel- len!)

Noch einmal: In Zeiten knapper Kassen kann es doch wohl nicht angehen, liebe Großkoalitionäre auf Bundesebene, dass hier letztendlich Doppelstrukturen gefördert werden. Machen Sie sich an die Arbeit! Einigen Sie sich auf ein Konzept! Vielleicht können wir uns ja wieder treffen und das unterstützen. Aber in dieser Form können wir die Mehrgenerationenhäuser der CDU hier im Lande Niedersachsen nicht unterstützen, ebenso wenig wie die Familienzentren der SPD. Einigen Sie sich! Vielleicht besteht ja noch die Möglichkeit, dass wir wirkliche Familienzentren auf den Weg bringen. Dafür haben Sie unsere Unterstützung. - Danke.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Zur Kurzintervention auf Frau Janssen-Kucz haben sich Frau Prüssner von der CDU und Frau Meißner von der FDP gemeldet. Zuerst Frau Prüssner, bitte!

Sie sehen, dass es nicht nur im Ausschuss, sondern auch hier Missverständnisse gibt. Ich meine, Sie hätten den Antrag ein bisschen anders, nämlich richtiger formulieren müssen. Dann hätten wir uns vielleicht auch besser verstanden.