Herr Sander stellte dann im Frühjahr letzten Jahres die Verhältnisse auf den Kopf. Regelfall soll die Deichverstärkung außendeichs werden, und Klei soll vorrangig außendeichs gewonnen werden. Damit, Herr Sander, haben Sie wie ein Elefant im Porzellanladen erheblichen Schaden angerichtet. Den galt es zu heilen und die seit 1995 bestehende kooperative Umgehensweise an der Küste zu retten. Deshalb haben wir unseren Antrag von April 2005 gestellt, der darauf abzielt, die bestehende Vereinbarung im Prinzip beizubehalten; denn sie hat sich vor Ort bewährt.
Aber was machen Sie, meine Damen und Herren von CDU und FDP, daraus? - Im Feststellungsteil Ihres Antrages findet man weitschweifige Ausführungen, wie ein effizienter Küstenschutz aussieht, nämlich außendeichs. Was Sie darunter verstehen, dass „im Einzelfall“ Deichverstärkungen und Kleiabbau außendeichs stattfinden können, bleibt Ihr Geheimnis. Ist der Einzelfall der Sonderfall, oder ist jede Deichbaumaßnahme ein neuer Einzelfall, der dann außendeichs stattfindet und somit zum Regelfall wird? - Ihre Ausführungen dazu lassen Letzteres vermuten.
Ihrer Forderung nach der Weiterentwicklung der zehn Grundsätze könnten wir im Prinzip zustimmen, wenn man dabei auf einvernehmliche Weiterentwicklung setzen würde. „Absprache“, wie es im Antragstext heißt, ist aber zu unbestimmt. Man trifft sich, und das war es. Und einen Persilschein werden wir Ihnen nicht ausstellen, Herr Sander; denn wir wissen ja, wie Sie im Allgemeinen mit dem Naturschutz umgehen.
Meine Damen und Herren, ein Wort noch zu den Kosten. Natürlich ist es sinnvoll, Kosten zu sparen, wo immer es möglich ist. Aber auch Naturschutz kostet Geld, und die Zusatzkosten sollte uns der Erhalt dieser einmaligen Naturlandschaft und unserer Küste als Lebensraum für eine einmalige Tier- und Pflanzenwelt und als Grundlage des Tourismus wert sein.
Herr Sander, bemühen Sie sich darum, die 9 Millionen wiederzubekommen, die der Bund im Rahmen der Gemeinschaftsaufgabe Agrarstruktur und Küstenschutz eingespart hat; dann hätten wir schon mehr Mittel im Topf.
Ein letzter Satz. - Einem solchen Weichspülerantrag, wie Sie ihn hier vorgelegt haben, können wir nicht zustimmen, auch wenn ich durchaus sehe, dass Sie versucht haben, hier dem Minister eine Leine anzulegen. Aber die Leine ist zu lang und auch nicht reißfest. - Danke schön.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wenn einer eine Reise tut, dann hat er etwas zu erzählen. Das gilt insbesondere für unseren Umweltminister, der ja auch gern reist. Wenn nämlich Minister Sander auf Bereisung ist, erzählt er viel, und häufig besteht anschließend höchste Gefahr für Umweltbelange und gesicherte Verfahrensformen.
So geschehen im letzten Jahr. Minister Sander besucht das NLWKN in Norden und verkündet, dass in Zukunft dort, wo es naturverträglich sei, aus wirtschaftlichen Gründen der Klei für den Deichbau aus dem Deichvorland genommen werden könne und solle. Das würde zwar kurzfristig die Natur verändern, doch richtig gemacht, könne Neues dabei entstehen. Kein Wunder, dass die Entrüstung zu Recht sehr groß war und zu dem ursprünglichen Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen geführt hat, sollte doch die Kleientnahme außendeichs in den Salzwiesen, die zu Recht nationalen und internationalen Schutz als Nationalpark oder FFH- oder Vogelschutzgebiet genießen, erfolgen. Treten wir alle nicht gemeinsam in diesem Haus dafür ein, das Wattenmeer zum Weltnaturerbe zu erheben?
Der Minister hat, offensichtlich berauscht von einem kurzfristigen wirtschaftlichen Vorteil, alle Nachteile eines solchen Handelns ausgeblendet. Selbst in der weiteren Diskussion ignorierte er, dass von Wissenschaftsseite erklärt wurde, es seien wesentliche Veränderungen des Artenspektrums für mehr als 50 Jahre zu erwarten. Dies dann noch mit dem Begriff „Nachhaltigkeit“ zu versehen, weil der Klei aus dem Binnenland einmalig abgebaut werden kann, während er doch draußen im Wattenmeer wieder nachwächst, war dann der Gipfel seiner Äußerungen.
Meine Damen und Herren, zu Beginn der Diskussion - Frau Zachow, bleiben Sie ganz ruhig - habe ich kaum geglaubt, dass wir heute zu einer fast einvernehmlichen Verabschiedung des allerdings veränderten Antrages kommen könnten. Aber die doch sachliche Auseinandersetzung im Ausschuss und der jetzt vorliegende Text haben dies möglich gemacht. Es wäre allerdings auch sehr schade und an der Küste kaum vermittelbar gewesen, wenn bei einem so elementaren Thema im Zusammenhang mit Deichsicherheit kein Konsens möglich gewesen wäre.
Natürlich hat es - das weiß jeder hier im Raum, der damit etwas zu tun hat - in der Vergangenheit und bis heute immer die Entnahme von Klei aus so
genannten Pütten gegeben. Aber das war immer der Ausnahmefall, wohl wissend, welche Bedeutung das Vorland sowohl für die Ökologie als auch für den Hochwasserschutz hat.
Die Menschen an der Küste, von den Deichverbänden bis zu den Umweltverbänden, aber auch die kommunalen Entscheidungsträger, waren sehr froh, als 1995 die damalige sozialdemokratische Landesregierung auf Vorschlag des eingesetzten Kabinettsausschusses Deichsicherheit und Küstenschutz die zehn Grundsätze für einen effektiven Küstenschutz beschloss. An der Küste arbeitet man trotz der Interessengegensätze bis heute auf dieser Grundlage konstruktiv und lösungsorientiert und damit erfolgreich miteinander. Diese Grundsätze sind heute so aktuell und so richtig wie damals und vermeiden auch harte und langwierige gerichtliche Auseinandersetzungen. Denn nach wie vor müssen zwei Grundsätze gelten - ich denke, das muss hier Konsens sein -: Schutz für Leib und Leben vor Naturschutz und so viel Küstenschutz wie nötig, so viel Naturschutz wie möglich. Diese Grundzüge durchziehen glücklicherweise auch die Diskussion bei uns im Ausschuss.
Natürlich hätten wir Sozialdemokraten liebend gern noch entschiedener formuliert. Aber im Interesse des an der Küste im großen Maße herrschenden Konsenses und der gemeinsamen Sache Küstenschutz und Naturschutz stimmen wir heute zu. Wichtig ist uns dabei, dass die Kleientnahme tatsächlich anders, als der Minister es ursprünglich wollte, die Ausnahme bleibt und im Einzelfall zu entscheiden ist. Im Einzelfall werden wir dies dann auch sehr genau beobachten.
Für uns ist es wesentlich, dass auch in diesem Antrag das Gebot der Erhaltung der einzigartigen Naturlandschaft Wattenmeer erneut bekräftigt wird.
Hierzu gehören existenziell auch die Salzwiesen des Vorlandes. Ihr Schutz ist nicht Schickimicki, Herr Sander, wie Sie mehrfach in der Öffentlichkeit
betont haben. Nehmen Sie bitte endlich zur Kenntnis, dass Sie der oberste Naturschützer dieses Landes sind! Da reicht eine Politik allein für die Menschen nicht aus.
Wenn es dazu kommt, dass aufgrund dieser Entschließung die Grundsätze überarbeitet werden, so kann dies natürlich nur - das ist eine zentrale Forderung von uns - unter Beteiligung aller, vom Deichverband bis hin zum Umweltverband, passieren - hoffentlich dann im Geist der getroffenen Vereinbarung, Frau Zachow. Denn nur die Beteiligung aller, die ernsthafte Mitbestimmung aller garantiert, dass die bewährten Regeln für einen effektiven Küstenschutz auch in der Zukunft von allen gemeinsam beachtet werden und nicht, wie früher, Gerichte über die Zulässigkeit von Vorhaben zu befinden haben. Ich danke jedenfalls den Umweltpolitikern im Ausschuss und aus den Fraktionen, dass sie zumindest in diesem Fall den Minister gebremst und das Schlimmste verhindert haben.
Dem Minister sei für künftige Reisen - die ich ihm ja von Herzen gönne - noch ein Ratschlag mitgegeben: Manchmal ist es besser, nicht so viel zu reden, lieber zuzuhören und dann zu schweigen. Danke.
Liebe Kolleginnen und Kollegen! Bevor ich dem nächsten Redner oder vielmehr der nächsten Rednerin das Wort erteile: Hier liegt eine Sonnenbrille. Ich weiß nicht, wem sie gehört. - Nächste Rednerin ist Frau Zachow von der CDU-Fraktion.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Janßen, eines kann ich Ihnen versichern: Wir werden den Minister nicht an die Leine legen,
(Beifall bei der CDU und bei der FDP - Wolfgang Ontijd [CDU]: Sehr gut! - Wolfgang Jüttner [SPD]: Sondern an die Weser und die Elbe!)
sondern wir werden als Regierungsfraktionen mit dem Minister gut zusammenarbeiten. Wir werden mit dem Minister im Bereich des Küstenschutzes, aber genauso im Bereich des Naturschutzes zusammenarbeiten. Dabei handelt es sich um zwei Daueraufgaben für niedersächsische Umweltpolitik.
Meine sehr geehrten Damen, meine Herren, natürlich wollen wir nicht verschweigen, dass es immer mal wieder Spannungen - früher mal stärker, heute weniger - zwischen Küstenschutz und Naturschutz gegeben hat. Es liegt auch in der Natur der Sache, dass es das eine oder andere mal wieder Spannungen geben wird.
Denn das Vorland ist letzten Endes Wellenbrecher und schützt damit die Deiche vor der Gewalt des Wassers.
- Schon aus diesem Grund, lieber Herr Janßen, sind Ihre Befürchtungen oder die Befürchtungen der Grünen insgesamt, dass man die Salzwiesen nun geradezu umpflügen und vernichten will, wirklich völlig absurd.
Im Gegenteil, wir wissen doch ganz genau - das war bei Ihnen bei der Einbringung nicht ganz fair, lieber Herr Janßen -, dass in den letzten 40 Jahren an der niedersächsischen Küste die Salzwiesen um 1 600 ha zugenommen haben und der Abbruch nur bei 180 ha liegt. Bei den Inseln, meine Damen und Herren, beträgt der Abbruch 60 ha und die Zunahme 1 100 ha.
Wir wissen auch: Salzwiese ist nicht gleich Salzwiese, schon gar nicht in ihrer ökologischen Bedeutung. Junge Salzwiesen mit ihrer Quellervegetation sind wesentlich empfindlicher als hohe Salzwiesen mit ihren Süßgräsern und ihren Quecken. Bei diesen hohen Salzwiesen können Pütten sogar positive ökologische Wirkungen entfalten;
Meine Damen, meine Herren, zu besichtigen ist das in Cäciliengroden. Darüber haben wir hier auch schon gesprochen. Das wird wissenschaftlich begleitet. Nach allem, was wir bis heute wissen, sind die Ergebnisse ausgesprochen positiv.
Meine Damen, meine Herren, seien Sie also ganz beruhigt: Wenn im Vorland Klei entnommen werden soll, dann ist die Landesregierung - da beißt keine Maus den Faden ab - dabei an Recht und Gesetz gebunden. An das Niedersächsische Naturschutzgesetz ist sie gebunden, und sie muss ihre FFH-Verträglichkeitsprüfungen machen. Eventuell müssen Ausgleiche geschaffen werden. All das liegt an. Daran kommt keine Regierung herum.
Das Gleiche gilt auch für den Deichbau. Auch wenn die Verbreiterung des Deichfußes ins Vorland wirtschaftlich große Vorteile bringt - das ist sicherlich unbestritten; denn die Entwässerungsgräben müssen nicht neu gemacht werden, es müssen keine neuen Deichverteidigungswege gebaut werden - und wenn so ins Vorland verbreitert wird, müssen natürlich die naturschutzfachlichen Möglichkeiten ausgelotet werden. Auch dabei muss man sich an Recht und Gesetz halten. Da gibt es kein Vertun.
Anliegen des Umweltministers ist es gewesen, mit geringeren Mitteln auszukommen. Natürlich verlieren wir ungern das Geld aus den GA-Mitteln. Aber wenn die Mittel geringer werden, selbst wenn sie gleich bleiben - auch wenn sie gleich bleiben, werden sie ja auf Dauer geringer -, ist es wichtig, dass wir die Mittel, die wir haben, in erster Linie in die Sanierung und auch in die Erhöhung der Deiche stecken.