Herr Schwarz, Sie haben gesagt, dass die Gesundheit unserer Kinder und Jugendlichen nicht zum Besten steht. Damit haben Sie Recht. Wir haben schon mithilfe verschiedener anderer Entschließungsanträge und auch durch bestimmte Maßnahmen, die wir unternommen haben, etwas getan, um eine Abbesserung zu schaffen. Ich nenne z. B. den bewegten Kindergarten. Auch die Fitnesslandkarte wurde vorhin angesprochen. Wir wissen sehr wohl, dass auf diesem Gebiet noch viel zu tun ist, dass die Kinder bessere Ernährung und mehr Bewegung brauchen und dass Fehlentwicklungen rechtzeitig erkannt werden müssen.
Die Schuleingangsuntersuchungen wurden bereits angesprochen. Diese Untersuchungen werden praktisch schon flächendeckend durchgeführt. Es gibt noch einige wenige Schulen, an denen sie nicht gemacht werden. In der Regel meint jeder, sie wären schon Pflicht, und entsprechend werden sie durchgeführt. Die Daten von den Schuleingangsuntersuchungen werden überdies aufgenommen, sind bekannt und sind sehr wohl vergleichbar. - So viel dazu.
Von den kommunalen Spitzenverbänden ist übrigens vorgeschlagen worden, die Schuleingangsuntersuchungen wegzulassen, wenn die U9 bei den entsprechenden Kindern durchgeführt wird. Diesem Vorschlag haben wir nicht entsprochen, weil wir der Meinung sind, dass Schuleingangsuntersuchungen noch andere Erkenntnisse bringen - dies wurde ja in der Anhörung bestätigt - und dass man sie auf jeden Fall zwingend braucht. Man könnte sagen, U9 plus X würde einer Schuleingangsuntersuchung entsprechen. Da wir aber nur die U9 haben, wollen wir sie auf jeden Fall beibehalten.
Ob diese Schuleingangsuntersuchungen verpflichtend mit aufgenommen werden sollen, wollen wir im Zuge einer Novelle des Schulgesetzes, die gerade ansteht, diskutieren; denn auch die Kultuspolitiker müssen mitberaten und zustimmen. Dies ist ein Grund, warum im Gesetzentwurf keine Aussage dazu zu finden ist. Dies ist wohl absolut erklärlich.
Was die verpflichtenden Us angeht, die ja schon mehrfach, auch hier im Plenum, diskutiert wurden und die bereits in anderen Ländern diskutiert werden, ist uns völlig klar, dass es für die chancengerechte Entwicklung von allen Kindern wichtig wäre, sich rechtzeitig um die Kindergesundheit zu kümmern, um frühzeitig Fehlentwicklungen erkennen und beheben zu können.
Darüber sind wir alle uns einig. Es besteht aber die Frage, ob es etwas geholfen hätte, wenn wir in das Gesetz sozusagen einen Appell, eine Absichtserklärung aufgenommen hätten, wie dies von Ihnen gefordert wurde. Ich weiß nicht, ob dies wirklich etwas gebracht hätte. Dieser Punkt ist so wichtig, dass wir uns gesondert damit befassen müssen. Dies werden wir auf jeden Fall tun.
Wir haben auch darüber nachgedacht - dies wissen Sie -, ob man nicht eine weitere Untersuchung im Kindergartenalter, also im Alter von drei Jahren, verpflichtend ansetzen sollte. Wie diese aussieht, ob die bisherigen Us wirklich ausreichen oder ob man diese aktualisieren muss, ob bestimmte Dinge, die im gelben Heft abgefragt werden, aktualisiert werden müssen, das wollen wir in Ruhe klären.
Wir möchten den Gesetzentwurf verabschieden - dies tun wir auch - und uns diesen Punkt gesondert vornehmen. Dass in dem Gesetzentwurf zu den Untersuchungen U1 bis U9 nichts erwähnt ist, heißt aber nicht, dass in Niedersachsen nichts fortentwickelt und unterstützt wird.
Was noch angesprochen wurde, waren die Standards. In der Diskussion wurde ja erwähnt, dass man sich auf einen Standard einigen wollte. Die meisten Landkreise untersuchen schon nach Standards: 27 Landkreise untersuchen nach SOPHIA und 17 nach dem Weser-Ems-Modell. Dies sind zwar verschiedene Modelle, sie haben aber ähnliche Schwerpunkte.
Alle, die in Niedersachsen mit Gesundheit zu tun haben, wissen, dass es die verschiedensten Annäherungen zwischen den Befürwortern der Modelle SOPHIA und Weser-Ems gibt. Dieser Prozess läuft sehr gut von alleine. Jetzt einen einheitlichen Standard vorzugeben, wäre absolut kontra
produktiv. Dies haben uns Praktiker, auch die Vertreter des Ministeriums deutlich gesagt. Darum haben wir dies nicht in den Gesetzentwurf aufgenommen.
Ich bin davon überzeugt, dass wir mit diesem Gesetzentwurf alles dafür getan haben, um für die Kinder- und Jugendgesundheit aktuelle Akzente zu setzen. Ich bitte Sie daher, diesem Gesetzentwurf zuzustimmen.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Es gibt einen schönen alten Spruch: Was lange währt, wird endlich gut. - Wenn man sich jedoch dieses anstehende Gesetz anschaut, kann man nicht sagen, dass es gut geworden sei. Nein, liebe Regierung, hier haben Sie eine Chance vertan, ein zukunftsweisendes, präventiv wirkendes Gesundheitsdienstgesetz vorzulegen.
Der Versprecher von Frau Meißner eben war doch herrlich, als sie sagte: Wir haben das Gesetz abgebessert. - Das sagt doch alles.
Es hat ja ziemlich lange gedauert, bis sich die Regierung getraut hat, das Gesetz für den öffentlichen Gesundheitsdienst anzupacken und auf eine zeitgemäße Grundlage zu stellen. Doch mehr als eine Anpassung an die heutigen Gegebenheiten und Praktiken der örtlichen Gesundheitsämter ist nicht herausgekommen.
Unser Antrag mit der Forderung, ein Gesetz über den öffentlichen Gesundheitsdienst vorzulegen, stammt aus dem Jahre 2003. Dann dauerte es noch einmal zwei Jahre, bis der Gesetzentwurf auf den Tisch kam. Jetzt, nach drei Jahren, sind wir so weit, dass wir etwas verabschieden, was ich nur als Torso bezeichnen würde.
Meine Damen und Herren, gerade in jüngster Zeit gab es ein Thema, das die Politik, die Medien und die Bürgerinnen sehr stark beschäftigt hat, nämlich
die Gesundheit von Kindern und Jugendlichen. Es geht um die Vorsorge bei gefährdeten Kindern. Die gesundheitliche Prävention bei Kindern und Jugendlichen steht im Mittelpunkt der gesellschaftlichen Debatte. Gerade an diesem Punkt versagt nun das Gesetz über den öffentliche Gesundheitsdienst komplett. Nach mehr als 70 Jahren wurde eine historische Chance vertan, die Gesundheit von Kindern und Jugendlichen als öffentliche Präventionsaufgabe gesetzlich nachhaltig zu verankern mit dem Ziel, gleiche Chancen für alle Kinder zu gewährleisten, und diesem Ziel endlich ein Stückchen näher zu kommen.
Meine Damen und Herren, bei diesem Gesetzentwurf stellt sich die Frage: Nimmt dieses Gesetz eigentlich noch einen Gestaltungsauftrag wahr? Nein, Sie überlassen alles dem freien Spiel der Kommunen. Die Kommunen bestimmen fortan, ob die Gesundheit von Kindern eine Rolle spielt oder nicht. Die Gesundheit von Kindern wird zukünftig in Abhängigkeit zur Kommunalpolitik und zu den kommunalen Finanzen stehen. Mit diesem Gesetz steht Niedersachsen vor einschneidenden Veränderungen; denn es sieht vor allem Deregulierungen vor, die z. B. die Schuleingangsuntersuchung in ihrer bisherigen Form zur Disposition stellen. Sie bleibt zwar verpflichtend, kann aber auf Ärzte außerhalb des öffentlichen Gesundheitsdienstes delegiert werden. Es wird sogar darauf verzichtet, allen Kommunen einheitliche, verbindliche Mindeststandards vorzugeben. Damit ist eine einheitliche Landesgesundheitsberichterstattung zu diesem Gebiet nicht mehr möglich. Aber nur mit einheitlichen Erhebungsgrundsätzen lassen sich Trends frühzeitig feststellen und ein Frühwarnsystem installieren, das mehr als notwendig ist.
Meine Damen und Herren, was liegt uns hier vor? Eine klare Absage der Regierungsfraktionen und der Gesundheitsministerin an verbindliche Für- und Vorsorgemaßnahmen für Kinder.
Dies ist eine gesundheitspolitische Rückwärtsrolle. Dieses Gesetz ist in dieser Hinsicht ziemlich substanzlos.
Herr McAllister, ich frage mich: Hat Ihre Landesregierung kein Rückgrat? Hat Ihre neue Sozialministerin nichts zu sagen? Hat sie nicht den Schneid, zu sagen, dass das jetzt durchgezogen wird? Wie ist diese Wandlung zu verstehen? Oder hat das etwas mit Ihrem alten Familienbild zu tun?
Die Sozial- und Gesundheitsministerin hat sich doch nach ihrem Amtsantritt für verpflichtende Schuleingangsuntersuchungen und für die Teilnahme von Kita-Kindern an ärztlichen Untersuchungen ausgesprochen. Drei Monate später will sie von all dem nichts mehr wissen.
Ich sage Ihnen, meine Damen und Herren: Wenn Sie heute dieses Gesetz so verabschieden, sind die Kinder in Niedersachsen die Verlierer aus gesundheitlicher Sicht, weil Sie sich nicht trauen, konkrete Vorgaben in dieses Gesetz hineinzupacken.
- Nix Konnexität. Die haben wir sehr wohl bei den Beratungen beachtet, Herr McAllister. Es hätte nicht mehr gekostet, die Gesundheit von Kindern in den Kommunen ernst zu nehmen und als Land seine Verpflichtung wahrzunehmen.
Sie haben unseren Änderungsantrag auf dem Tisch liegen. Auf der einen Seite wollen Sie Gesundheitskonferenzen. Sie sprechen immer von Eigenverantwortung, von Bürgernähe.
Mit den Gesundheitskonferenzen hätten wir sie vor Ort. So entfaltet man Wirkungs- und Lenkungskraft.
Wir wollen in § 5 - Kinder- und Jugendgesundheit regeln, dass Kinder im Kindergartenalter an ärztlichen Untersuchungen verpflichtend teilnehmen müssen. Das wäre ein klares Zeichen, ein Signal an die Kommunen: Nehmt die Verantwortung wahr! Ihr habt den Handlungsspielraum. Prävention fängt nicht erst bei Schuleingangsuntersuchungen an. - Mit unserem Änderungsantrag, meine Damen und Herren, haben Sie hier und heute die
Chance, für mehr Gesundheit von Kindern und Jugendlichen in Niedersachsen und damit für die Chancengleichheit von gefährdeten Kindern und Jugendlichen etwas zu tun. Haben Sie doch einfach Mut! Nutzen Sie die Chance, und halten Sie nicht weiter Sonntagsreden! - Danke.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Trotz der Reden möchte ich mich für die konstruktive Arbeit im federführenden Sozialausschuss wie auch in den weiteren parlamentarischen Gremien bedanken. Denn ich gehe davon aus, dass uns gemeinsam das Ziel verbindet, den Gesundheitsschutz insbesondere für Kinder und Jugendliche zu verbessern.
Diesem Ziel dient das Gesundheitsdienstgesetz, das die bisherigen mehr als 70 Jahre alten gesetzlichen Grundlagen für den öffentlichen Gesundheitsdienst ersetzt. Herr Schwarz, in Ihrer mehr als 13-jährigen Regierungszeit haben Sie es nicht geschafft, ein modernes Gesetz in Kraft zu setzen, das Ihre eben geäußerten Anforderungen erfüllt.