Protocol of the Session on June 24, 2005

Ich weiß noch - das werde ich auch nie vergessen - wie ich hier, ich meine, 1998 für die CDUFraktion gestanden und von dem postmodernen Kind von heute gesprochen habe, wie es es in anderen europäischen Ländern bereits gibt. Ich weiß noch, wie Sie, Herr Jüttner, mich belächelt haben, als ich gesagt habe, das Kind muss von Anfang an sozialintegrativ mitgestalten. Wir sprechen von Selbstbildung. Sie hatten Bedenken, dass wir ein Verkopfen, ein Verschulen einbringen wollten, und haben das abgelehnt.

In den Orientierungsplan sind die Inhalte des Konzeptes, welches Sie uns nahe bringen wollen, eingearbeitet worden. Insofern ist das schon lange erledigt.

Unter dem letzten Spiegelstrich Ihres Antrages wollen Sie die Landesregierung auffordern, Sprachkurse für Eltern mit Migrationshintergrund und Elternschulen in Kooperation mit anderen Institutionen wie z. B. Volkshochschulen oder Familienbildungsstätten anzubieten. Dazu sage ich auch in meiner Eigenschaft als Vorsitzende des Landesverbandes der Volkshochschulen: Schauen Sie bitte einmal, was unsere Volkshochschulen landesweit schon leisten!

Die Volkshochschule Hildesheim bietet am Vormittag die Sprachintegration für Eltern nicht deutscher Herkunft von Grundschul- und Kita-Kindern an. Die Volkshochschule Osnabrück macht Angebote mit Projektpartnern. - Da kommt wieder die Bündelung, die Sie fordern, die aber schon lange umgesetzt wird. - Einrichtungen wie Familienbildungsstätten, freie Träger der Erwachsenenbildung und auch Schulen machen Elternkurse unter dem Motto „Macht euch stark für eure starken Kinder“. Die Volkshochschule Diepholz sagt, Familienbildung und Elternschule sind wichtig, und bietet dazu Kurse an.

Das ist genau das, was Sie in Ihrem Antrag fordern. Meine Damen und Herren von der SPD, kapieren Sie endlich, dass das seit 2003 läuft. Sie springen auf einen fahrenden Zug auf. Ich finde es gut, dass Sie jetzt auch sagen, der Orientierungsplan und die ganzen anderen Maßnahmen sind sinnvoll.

Lassen Sie mich wie folgt resümieren: Erstens. Sie sind auf den Zug aufgesprungen, dass die frühkindliche Bildung und Förderung absolute Priorität haben muss.

(Beifall bei der CDU)

Ich weiß allerdings nicht ganz, ob ich das glauben soll. Herr Kollege Robbert hat in seinem ersten Satz gesagt: Wir stellen die Kindertagesstätten in den Mittelpunkt. Wir, Herr Kollege Robbert, sehen das ein bisschen anders: Wir stellen die Kinder in den Mittelpunkt!

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Zweitens. Es sind bereits zahlreiche Angebote vernetzt. Aber man kann ja alles immer auch noch verbessern. Die Kommunen haben Möglichkeiten, das zu tun; da bremst sie niemand aus.

Drittens. Die Eltern mit einzubeziehen, ist unser gemeinsames Ziel; bei dieser Forderung wider

spricht Ihnen auch niemand. Es wäre schön, wenn wir auch das insgesamt immer noch verbessern würden.

Insofern kann ich nur sagen: Ihr Antrag ist überflüssig.

Noch ein letzter Satz zu der Begründung Ihres Antrages. Dass die Bundesregierung mit dem Tagesbetreuungsausbaugesetz einen ersten Schritt in die richtige Richtung getan hat, können wir gemeinsam unterschreiben. Inhaltlich ist das in Ordnung. Dass aber die Bundesregierung die Kommunen auffordert, bis zum Jahr 2010 Plätze für die unter Dreijährigen zu schaffen und die Kommunen dabei letztlich wieder einmal finanziell im Regen stehen lässt, zeigt, wie halbherzig sich die jetzige Noch-Regierung mit dieser gesamten Thematik auseinander setzt.

Wir setzen unseren konstruktiven Kurs fort und hoffen weiterhin auf Ihre Unterstützung.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Herr Kollege Schwarz, Sie haben jetzt das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Robbert, ich habe Ihnen sehr genau zugehört und fand das, was Sie gesagt haben, in wesentlichen Teilen auch wirklich interessant. Ich bitte Sie, noch einen Punkt anzuhängen. Frau Dr. Langenbruch hat u. a. eine sehr bemerkenswerte Beziehung zwischen dem Bildungsstand der Eltern und der Entwicklung der Kinder hergestellt. Das gehört in diesen Rahmen mit hinein.

Die ersten Jahre im Leben eines Menschen sind die wichtigsten. Das weiß jeder, und dieser Erkenntnis der Entwicklungspsychologie wird auch niemand widersprechen. Dieser Erkenntnis hat die Niedersächsische Landesregierung aber natürlich auch Rechnung getragen, beispielsweise - Frau Vockert sagte es - indem sie die Kindertagesstätten mit in den Bereich des Bildungswesens hinein genommen hat.

Die SPD-Fraktion hat ihren Antrag gestellt, nachdem sie in England Informationen und Erfahrungen gesammelt hat. Nun muss man allerdings sagen:

England war nicht unbedingt das Vorzeigeland, wenn es um Kindergartenplätze geht.

(Zuruf von der SPD: War!)

- Das habe ich auch so gesagt.

In England hat sich erst 1998 etwas getan. Die dortige Ausgangssituation ist eine andere, als wir sie hier in der Bundesrepublik haben; das muss man fairerweise anerkennen. In England liegt der Schwerpunkt auf der Kinderbetreuung in sozialen Brennpunkten. Dieser Teil der britischen Bildungspolitik wird in der Tat von vielen Seiten anerkannt.

Nun sollen wir laut Antrag die Landesregierung auffordern, Rahmenbedingungen für Modellversuche in ländlich und städtisch geprägten Räumen wie auch in sozialen Brennpunkten schaffen, die nach dem Vorbild der Early Excellence Centres funktionieren. Die Early Excellence Centres - derzeit gibt es etwa 500 frühpädagogische Stützpunkte gelten zwar international als eines der innovativsten Konzepte frühkindlicher Erziehung überhaupt. Wenn wir über diesen Antrag befinden wollen, müssen wir aber schon etwas genauer hinschauen. Wie sieht denn ein solcher Stützpunkt aus?

(Unruhe)

Einen Moment, bitte, Herr Schwarz! Vorhin war es schön leise. Es wäre nett, wenn es wieder so werden könnte. - Vielen Dank.

Schreiben Sie mir die Sekunden bitte gut; ich brauche sie.

Repräsentatives Beispiel ist das Thomas Coram Centre in London. Ich beziehe mich in meiner Darstellung auf Ausführungen in dem Magazin Die Zeit. 30 Lehrer, Erzieher und pädagogische Hilfskräfte kümmern sich um 106 Kinder. Sie musizieren im Klangraum. Im Science Garden erhalten die Kinder erste naturwissenschaftliche Lektionen. Im Meditation Garden erproben sie die Stille. Jeder Gruppenraum des weitläufigen Neubaus ist vollgestellt mit pädagogischen Spielen, Büchern und Bastelmaterial.

Das ist aber noch nicht alles. Über jedes der 106 Kinder wird eine Bildungsbiografie angelegt. Mindestens viermal im Jahr gehen die Erzieher in

die Diagnosebögen und geben in langen Gesprächen bekannt, welche Notizen sie sich gemacht haben. Sie können über den Entwicklungsstand des Kindes bzw. zukünftigen Schützlings dezidiert Auskunft geben.

Ganz wichtig ist zu wissen, dass die englischen Erzieher in der Regel - das ist anders als in Deutschland - einen Hochschulabschluss haben.

(Meta Janssen-Kucz [GRÜNE]: Das fordern wir seit Jahren!)

Das ist erforderlich, Frau Janssen-Kucz, denn zum Abschluss der Kita bekommt jedes Kind ein mehrseitiges Gutachten, das für die weitere Entwicklung erstellt wird.

(Meta Janssen-Kucz [GRÜNE]: Sie brauchen nur unserem Antrag zuzu- stimmen!)

Außerdem werden die 500 Early Excellence Centres seit 2001 regelmäßig von staatlichen Inspektoren evaluiert und mit Noten versehen, die öffentlich bekannt gegeben werden.

(Meta Janssen-Kucz [GRÜNE]: Das passt wunderbar zusammen!)

Angesichts solcher traumhaften Zustände kann sich der eigene Blick schon einmal verklären. Allerdings dürfte jedem und auch Ihnen klar sein, dass so etwas ausgesprochen teuer ist.

Dankenswerterweise hat die SPD-Fraktion in ihrer Begründung darauf verwiesen, dass es in Niedersachsen vielfältige Hilfsangebote gibt. Ich glaube nicht, dass man diese Angebote einfach bündeln kann und damit plötzlich ein Konstrukt hätte, das dem der Early Excellence Centres ähnelt. Dazu gehört eine Menge mehr. Man muss ganz genau wissen, was man tut, wenn man diesem Antrag folgen will.

Jetzt brauchen Sie mir nur noch zu sagen, dass Sie diese Aufgabe ernsthaft angepackt hätten, wenn Sie in der Regierungsverantwortung stünden. Sie haben damals schon nicht die 700 November-Lehrer durchfinanzieren können. Wir müssen uns also ganz genau überlegen, wie wir das bezahlen wollen.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Frau Janssen-Kucz von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat jetzt das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Frau Vockert, Ihre positive Bilanz dieser schwarz-gelben Landesregierung in Sachen frühkindlicher Föderung war schon sehr beeindruckend.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Aber, liebe Frau Vockert, Sie haben die negativen Positionen in dieser Bilanz unter den Tisch gekehrt.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD - Zuruf von der CDU: Die gibt es nicht!)

Was ist mit der Finanzierung der Elternschulen? Was ist mit Väter/Mütter-Zentren? Was ist mit Familienbildungsstätten? Was ist mit dem Projekt Familienhebammen? Was ist mit dem angekündigten Modellversuch zur Frühförderung? Wie sieht die finanzielle Situation der Volkshochschulen aus, auf die Sie ein Hohelied singen?

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Diese Einrichtungen haben Sie doch finanziell an den Abgrund getrieben. Sie werden sich nicht mehr lange hierhin stellen und behaupten können, dass dort so hervorragende Arbeit geleistet werde, weil sie nämlich bald nicht mehr arbeiten können, da Sie ihnen die Grundlage entziehen.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Frau Janssen-Kucz, gestatten Sie eine Zwischenfrage?