Erst schalten Sie dort ein Kernkraftwerk aus, dann feiern Sie da auf Staatskosten eine riesengroße Sause, jetzt gehen dort 450 Arbeitsplätze verloren, und Ihr Landeschef, Herr Jüttner, sagt gestern: Na ja, Strompreise, die ein bisschen steigen, das muss eine Wirtschaft verkraften können. - So gehen Sie mit einer Region um, und so gehen Sie mit den Menschen vor Ort um.
(Lebhafter Beifall bei der FDP und bei der CDU - Klaus-Peter Dehde [SPD]: Das hat er nie so gesagt, kein einzi- ges Mal!)
Ich rufe es noch einmal in Erinnerung: Selbst das Bundesumweltministerium sagt, dass uns ein Arbeitsplatz im Bereich der Windenergiebranche 25 000 Euro kostet. Das Bundeswirtschaftsministerium spricht hier sogar von 150 000 Euro. Ich finde, dass auch 50 000 Euro für Steinkohle zu viel sind.
(Klaus-Peter Dehde [SPD]: Was kos- ten uns denn die Atomkraftwerke? Sagen Sie einmal, was die kosten!)
Deswegen muss es doch das Ziel sein - ich sage es Ihnen noch einmal, Herr Dehde -, durch eine vernünftige Energiepolitik in Deutschland dafür zu sorgen, dass wir wettbewerbsfähige Arbeitsplätze dauerhaft neu schaffen und bestehende erhalten können.
Ihre Energiepolitik vernichtet nur Arbeitsplätze und schafft eigentlich keinen einzigen echt wettbewerbsfähigen neuen Arbeitsplatz.
Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Die SPD-Fraktion hat für ihren Antrag in der Drucksache 2004 sofortige Abstimmung beantragt. Ich frage deswegen, ob es einen Antrag auf Ausschussüberweisung gibt. - Es gibt ihn nicht. Zur Ausschussüberweisung kommt es daher nicht. Wir stimmen deshalb jetzt sofort über den Antrag ab. Wer dem Antrag zustimmen möchte, den bitte ich um sein Handzeichen. - Wer lehnt den Antrag ab?
Meine Damen und Herren, wir hatten uns verständigt, dass der Tagesordnungspunkt 58 noch vor der Mittagspause behandelt wird.
Es ist inzwischen aber 13.45 Uhr. Ich schlage Ihnen deshalb vor, auf die Mittagspause zu verzichten. Ich bitte Sie, sich darüber zu verständigen.
- Sie möchten unbedingt eine Mittagspause? - Gut. Ich bitte die Fraktionen, sich kurzzuschließen. Es ist inzwischen 13.45 Uhr.
(David McAllister [CDU], Dieter Möhrmann [SPD], Carsten Lehmann [FDP] und Georgia Langhans [GRÜ- NE] besprechen sich)
Tagesordnungspunkt 58: Erste Beratung: Vorlage eines Niedersächsischen Gesetzes zur Ausführung des Transplantationsgesetzes - Antrag der Fraktion der SPD - Drs. 15/2020
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Dass die Fraktionen von CDU und FDP im Parlament - in der Regel zwar ungerechtfertigt, aber das ist eben so - die Anträge der SPD-Fraktionen ablehnen, ist nicht neu. Dass sie aber im Nachhinein wie beim vorliegenden Fall des Transplantationsausführungsgesetzes nun ihre eigenen Anträge ablehnen, ist allerdings ein Stück aus dem Tollhaus, meine Damen und Herren.
Am 27. Mai 2004 brachte die Koalition - nicht die Opposition! - einen Entschließungsantrag ein und forderte erstens die Vorlage eines niedersächsischen Ausführungsgesetzes zum bundesweiten Transplantationsrecht, zweitens die Einsetzung von Transplantationsfürsprechern in Krankenhäusern und drittens ein Verfahren zur Umsetzung der Meldepflicht durch die Krankenhäuser. Bei dieser Gelegenheit wurde wie üblich die frühere SPDLandesregierung - allerdings wider besseres Wissen - beschimpft mit der Behauptung, sie hätte schon längst ein Gesetz einbringen können. Frau Sozialministerin von der Leyen erklärte in der Debatte damals:
„Ich begrüße den Antrag der Fraktionen von CDU und FDP. Ein Ausführungsgesetz kann, wenn es in der richtigen, vorsichtigen Form formuliert ist, Leben retten, indem es die Transplantationsproblematik nicht nur verstärkt ins öffentliche Bewusstsein rückt, sondern auch seine praktische Umsetzung in den Kliniken schlicht und einfach erleichtert. Deshalb bitte ich Sie, diesem Antrag zuzustimmen.“
Der Landtag forderte dann bereits einen Monat später, im Juni, die Landesregierung einstimmig zur Vorlage eines Gesetzes bis Ende 2004 auf, und zwar nach bayrischem Muster. Diese vom Parlament gesetzte Frist ließ die Sozialministerin verstreichen und teilte stattdessen am 9. Mai in der Drucksache 15/1934 mit, dass aus verfassungsrechtlichen Gründen das in der Landtagsentschließung geforderte Gesetz nicht vorgelegt werden könne. Ebenfalls aus verfassungsrechtlichen Gründen lehnte die Sozialministerin nunmehr auch die Einsetzung von Transplantationsfürsprecherinnen und -fürsprechern in Krankenhäusern ab, obwohl sie dieses selbst vorher im Parlament vehement gefordert hatte. Meine Damen und Herren, ich finde, dass das eine Meisterleistung an Koordination und Abstimmung zwischen der Landesregierung und den sie tragenden Fraktionen
und darüber hinaus zugleich eine Missachtung von Parlamentsbeschlüssen ist. Letzteres, was den Umgang mit dem Parlament betrifft, ist bei Frau von der Leyen allerdings nicht neu. Neu ist nur, dass sie zwischenzeitlich als Ministerin das ab
Die Landesregierung erklärt auch an keiner Stelle, weshalb in sechs anderen Bundesländern Ausführungsgesetze beschlossen werden konnten, obwohl dort das gleiche Grundgesetz gilt. Vielleicht hätte sich Frau von der Leyen einmal mit ihrer bayrischen Kollegin in Verbindung setzen können, um zu klären, warum in Niedersachsen angeblich nicht umgesetzt werden kann, was in Bayern längst Gesetz ist. Nach dem Bundesrecht ist es Aufgabe der Länder, eine bedarfsgerechte, leistungsfähige Versorgung zu gewährleisten und die erforderliche Qualität der Organübertragung zu sichern. Es ist außerdem Aufgabe der Länder, im Rahmen ihrer Gesetzgebungskompetenz zur Krankenhausplanung und zur Krankenhausfinanzierung die strukturellen Grundlagen für die Zusammenarbeit zu sichern. Dieses ergibt sich aus den Unterlagen über die damalige Debatte im Deutschen Bundestag, im Übrigen aus der Bundestagsdrucksache 13/4355.
Ebenso können die strukturellen Voraussetzungen für die Bestellung von Transplantationsbeauftragten festgelegt werden. Auch diese Möglichkeit hat der Bundesgesetzgeber den Ländern ausdrücklich offen gehalten.
Mehr als 12 000 Patienten warten aktuell in Deutschland auf eine lebensrettende Organspende, viele vergebens. In einem Beitrag des Politikmagazins „Kontraste“ vom vergangenen Donnerstag - vielleicht hat der eine oder andere von Ihnen die Sendung gesehen - wurde deutlich gemacht, dass viele Schwerkranke sterben, obwohl ihnen geholfen werden könnte. Sie sterben, weil Klinikärzte aus Gedankenlosigkeit, aus Bequemlichkeit oder aus Unwissenheit die lebensrettende Chance verstreichen lassen, so „Kontraste“. Professor Dr. Viehbahn vom Knappschaftskrankenhaus Bochum stellte in der Sendung dazu fest:
„Täglich sterben in Deutschland drei Menschen, weil es für sie keine Niere, keine Leber oder kein Herz gibt. Es herrscht akuter Organmangel. Die Krankenhäuser könnten, wenn sie wollten, wesentlich mehr Organe entnehmen.“
Auch die Deutsche Stiftung für Organtransplantation kritisiert im gleichen Zusammenhang die Krankenhäuser. Sie stellt fest: Wenn man alle Kranken
häuser in Deutschland betrachtet, unabhängig von ihrer Versorgungsstufe, ergibt sich, dass sich lediglich 40 % an der Umsetzung des Transplantationsgesetzes beteiligen, 60 % aber eben nicht. Dieses ist nach Auffassung der Deutschen Stiftung schlichtweg skandalös. Dem schließen wir uns an.
Ein Krankenhaus, das in diesem Land eine Krankenhausbetriebserlaubnis hat und das im Bettenplan vorgesehen ist, hat nach dem Organtransplantationsgesetz an der Spende teilzunehmen. All dieses waren Gründe, weshalb der Landtag die Landesregierung einstimmig zum Handeln aufgefordert hat, und zwar deshalb nach bayerischem Vorbild, weil dort die Transplantationsbeauftragten in den Krankenhäusern zusätzlich vergütet werden. Das ist ein Weg, der sich nach Aussagen der bayerischen Sozialministerin, Frau Stewens, in jeder Hinsicht bewährt hat. In Beantwortung meiner Kleinen Anfrage zu diesem Thema hat die Landesregierung im Übrigen im September 2003 entgegen den Aussagen der Deutschen Stiftung für Organtransplantation bestritten, dass es in Niedersachsen Handlungsbedarf gibt. Ich zitiere:
„Angesichts der Meldungen von Organen in Niedersachsen vermag die Landesregierung eine unzureichende Meldedisziplin der niedersächsischen Krankenhäuser, wie sie in der Fragestellung anklingt, nicht zu erkennen.“
Ich fordere die Landesregierung nachdrücklich auf, erstens dem Landtag zu erklären, warum immerhin in sechs anderen Bundesländern Ausführungsgesetze möglich sind und dieser Weg in Niedersachsen angeblich verfassungswidrig ist, und zweitens den Parlamentsbeschluss vom 24. Juni 2004 endlich umzusetzen und ein verfassungsrechtlich unbedenkliches Transplantationsausführungsgesetz vorzulegen und sich nicht hinter fadenscheinigen Argumenten zu verstecken. Die Betroffenen werden uns allen das entsprechend danken. Damit wird auch dem Auftrag des Parlaments Rechnung getragen. - Vielen Dank.
Meine Damen und Herren, bevor ich der Ministerin das Wort gebe, möchte ich Ihnen mitteilen, dass wir nach diesem Tagesordnungspunkt doch für eine Stunde in die Mittagspause eintreten. Am Nachmittag werden die Tagesordnungspunkte 56
und 57 wie folgt behandelt: Der Antrag unter Tagesordnungspunkt 56 wird ohne Aussprache an die Ausschüsse überwiesen. Über den Antrag unter Tagesordnungspunkt 57 wird ohne Debatte sofort abgestimmt. Auf diese Weise werden wir etwa 40 Minuten einsparen. Alle anderen Punkte werden so, wie vorgesehen, abgehandelt.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Über das Ziel sind wir uns sicherlich einig, nämlich Wege zu finden, wie die Zahl der Organspenden erhöht werden kann. Wir haben darüber diskutiert, dass Transplantationsbeauftragte einen Weg zu diesem Ziel darstellen können. Es gibt in Niedersachsen zurzeit in zwei Dritteln aller Krankenhäuser auf freiwilliger Basis Transplantationsbeauftragte. Ein möglicher Weg zur Erreichung des Zieles wäre ein Transplantationsausführungsgesetz mit gesetzlich vorgeschriebenen Transplantationsbeauftragten.
Bei dieser Problematik sind zwei Dinge zu unterscheiden, die auch für die Ausschussberatungen wichtig sind.
Erstens müssen wir uns mit der Frage befassen, wie man eine höhere Zahl von Organspenden erreicht. Ganz am Anfang steht die freiwillige Entscheidung des Spenders und seiner Angehörigen. Das möchte ich hier erst einmal klarstellen. Es sollte nicht so aussehen, als läge alles an den Ärzten und Krankenhäusern, die sich nicht richtig verhielten.
Zweitens stellt sich die Frage, ob ein Gesetz wirklich etwas ändert oder nicht. Uns liegen inzwischen die Zahlen der Deutschen Stiftung für Organtransplantation - das sind die genauesten Zahlen, die verfügbar sind - aus dem Jahre 2004 vor. Ich möchte Ihnen einmal die im Bereich der Organspenden führenden Bundesländer darstellen. Auf dem ersten Platz liegt Mecklenburg-Vorpommern, wo es ein Ausführungsgesetz gibt. An zweiter Stelle folgt Bremen, das kein Ausführungsgesetz hat. Den dritten Platz nimmt Hamburg ein, wo die Zahl der Organspenden deutlich gestiegen ist. Hamburg hat kein Ausführungsgesetz. Auf Platz vier folgen Sachsen-Anhalt ohne Ausführungsgesetz und Rheinland-Pfalz mit Ausführungsgesetz.
An fünfter Stelle steht das Saarland ohne Ausführungsgesetz. Das zeigt, dass es offensichtlich keine direkte Koppelung von Ausführungsgesetz und Zahl der Organspenden gibt.
Es ist weiterhin wichtig zu wissen, dass es noch zwei weitere Länder mit Ausführungsgesetzen und Transplantationsbeauftragten gibt. Eines davon ist Hessen. Hessen liegt knapp vor NordrheinWestfalen an vorletzter Stelle, also auch noch weit hinter Niedersachsen. In Bayern, das eben zitiert worden ist, ist die Zahl der Organspenden von 2003 auf 2004 trotz eines Ausführungsgesetzes zurückgegangen. Mit anderen Worten: Die direkte Verbindung von Ausführungsgesetz und Organspenden scheint nicht das Allheilmittel zu sein. Keiner von uns verfügt meines Erachtens über den Stein der Weisen.
Ein weiterer Punkt, über den im Ausschuss ausführlich diskutiert werden muss, ist ein juristischer. Es gibt in der Staatskanzlei eine Arbeitsgruppe „Rechtsvereinfachung“. Ich möchte hier anmerken, dass diese Arbeitsgruppe völlig weisungsfrei und parteiübergreifend arbeitet. Sie war bereits unter der früheren SPD-Landesregierung tätig, und zwar unter derselben Leitung, und hat seinerzeit von einem ähnlichen Gesetzgebungsvorhaben der ehemaligen SPD-Landesregierung abgeraten. Die Arbeitsgruppe „Rechtsvereinfachung“ hat erklärt, sie habe verfassungsrechtliche Bedenken. Denn der Bund habe bereits Regelungen getroffen, die diesen Bereich abdecken. Bezüglich der Kliniken sei nicht geklärt, ob nicht in einem nicht unerheblichen Umfang in das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb eingegriffen wird. Bezüglich der betroffenen Ärzteschaft wird problematisiert, dass das Recht der Berufsausübung tangiert sein könnte. Dieses sind ausschließlich juristische Fragen. Ich kann mich jetzt nicht hier hinstellen und mich über die juristischen Bedenken hinwegsetzen. Insofern ist es gut, darüber noch einmal ausführlich mit den juristischen Experten im Ausschuss zu diskutieren.