Protocol of the Session on April 20, 2005

Trotzdem ist es Aufgabe der Niedersächsischen Landesregierung und aller Fraktionen, besonders der CDU/FDP-Koalition, alles Erdenkliche zu tun, was dazu beiträgt, die finanzielle Situation der Kommunen in Niedersachsen zu erleichtern. Es müssen aber taugliche Instrumente sein. Deshalb hat die Initiative von Niedersachsen und Bayern, die Gewerbesteuerumlage von 28 auf 20 Prozentpunkte abzusenken - das hatte eben schon Erwähnung gefunden -, zumindest die aktuelle Not gelindert. Ich meine, dass das ein Beitrag war, zumindest aktuell die Situation der niedersächsischen Kommunen zu verbessern.

Ich meine, dass es weiterhin notwendig ist - die Landesregierung ist hier auf dem richtigen Weg -, die Dinge mit Bürokratieabbau und Deregulierung voranzubringen, um bei den Kommunen Entlastungen auch im Kostenbereich zu schaffen.

(Beifall bei der CDU)

Ich bin der festen Überzeugung, dass die Verwaltungsreform der richtige Weg ist, den es gilt, konsequent fortzusetzen.

(Beifall bei der CDU)

Wir sind uns vielleicht nicht im Inhalt, aber zumindest vom Grundsatz her darüber im Klaren, dass an den Aufgabenkatalogen der Kommunen hier und da durchaus noch eine Durchforstung erforderlich ist. Es kann doch niemand ernsthaft glauben, dass Kommunen nur Pflichtaufgaben wahrnehmen. Ich bin fest davon überzeugt, dass das eine oder andere vom Landesgesetzgeber noch verändert werden könnte. Nur durch eine konsequente Einnahmen-, Ausgaben- und Aufgabenverantwortung in einer Hand und für eine Ebene ist auf Dauer Selbstverwaltung wieder möglich.

Sie, sehr verehrter Kollege Lestin, haben Ihre Meinung deutlich gemacht. Sie hatten 13 Jahre lang die Gelegenheit, die Situation für die Kommunen zu verbessern. Ich darf Sie daran erinnern, was Sie in den 90er-Jahren im Finanzausgleich an Än

derungen und Verschlechterungen für die Kommunen vorgenommen haben. Aber das wissen Sie selbst am besten.

(Dieter Möhrmann [SPD]: Das wollten Sie doch alles zurücknehmen, Herr Kollege!)

Meine Damen und Herren, das, was hier hilft, ist zum einen, dass wir versuchen müssen, den Kommunen in Niedersachsen Entlastungen zu verschaffen. Zum anderen müssen wir - das halte ich ebenfalls für sehr wichtig - auf Bundesebene, also in Berlin, eine Politik verfolgen, die wieder zu wirtschaftlichem Wachstum führt, damit die Einnahmesituation der Kommunen verbessert wird. Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP - Wolfgang Jüttner [SPD]: Die beste Entlastung ist die Streichung!)

Danke schön. - Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat Herr Kollege Professor Dr. Lennartz das Wort. Bitte schön!

Professor Dr. Hans-Albert Lennartz (GRÜNE) :

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Hiebing, ich knüpfe an einen Punkt an, den Sie in den Vordergrund gestellt haben. Bevor Sie weiter Forderungen an die Bundesebene richten, Mittel für Gesetze, die von der Bundesebene auf die kommunale Ebene übertragen und dort wahrgenommen werden, mitzuliefern, sollten erst einmal Sie die eigenen Hausaufgaben machen.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Die eigenen Hausaufgaben stehen seit Monaten aus. Das heißt, die Änderung der Verfassung in puncto Konnexität muss dringend kommen. Sie bewegen sich an dieser Stelle nicht. Erst wenn Sie das getan haben, können wir über Ihre Forderung sprechen.

Nun komme ich zu dem Antrag der SPD-Fraktion. Um es gleich zu Anfang zu sagen: Wir stimmen dem Antrag der SPD-Fraktion zu. Im Innenausschuss haben wir vorgeschlagen, das Konzept des Stabilisierungsprogramms in Rheinland-Pfalz durch einen Vertreter des Landes Rheinland-Pfalz

vorstellen zu lassen. Die Mehrheit im Innenausschuss fand das für nicht erforderlich. Sie hat sozusagen gleich gesagt: Das ist Unfug; das wollen wir nicht. Die Kommunen würden das natürlich gut finden, aber wir haben kein Geld dafür. - Das haben Sie ja unter Beweis gestellt, als Sie im Haushalt 2005 den kommunalen Finanzausgleich über die Änderung des Schlüssels zulasten der Kommunen gekürzt haben.

Im Hinblick auf Artikel 58 der Niedersächsischen Verfassung, der eine finanzielle Mindestausstattung der Kommunen garantiert, ist Ihr Verhalten bei der Kürzung des kommunalen Finanzausgleichs höchst problematisch. Dies führt zudem zu einer Erhöhung der Kassenkredite. Herr Lestin hat das schon angesprochen. Die Landesregierung hat das Problem der steigenden Kassenkredite durchaus erkannt. Das führt beispielsweise - und in meinen Augen perverserweise - dazu, dass in dem Änderungsgesetz zum Gemeindehaushaltsrecht, was voraussichtlich im Mai-Plenum hier beraten und beschlossen werden soll, vorgesehen ist, dass Kassenkredite in Zukunft nicht mehr von der Kommunalaufsicht genehmigt werden. Das heißt dann sozusagen für die Kommunalaufsicht: Augen zu. Wir sehen nicht mehr, was auf kommunaler Ebene tatsächlich an Kassenkrediten aufgenommen werden muss. Im Innenausschuss hat der Vertreter der CDU-Fraktion, Herr Biallas - ich glaube, er ist im Moment anderweitig beschäftigt; er ist jedenfalls nicht anwesend -, gesagt: Der Stabilisierungsfonds ist doch Unfug. Hören Sie damit auf, liebe SPD. Wir schlagen stattdessen eine kommunale Aufgabenkritik vor, mit der die Aufgaben der Kommunen reduziert und dementsprechend auch ihre Kosten gesenkt werden können.

(Unruhe - Glocke der Präsidentin)

In der letzten Sitzung des Innenausschusses habe ich den Antrag gestellt, die Landesregierung möge den Innenausschuss über ihre konkreten Pläne in puncto kommunale Aufgabenkritik unterrichten. Die Antwort der Fraktionen von CDU und FDP lautete: Da gibt es nichts zu berichten. - Ich sage Ihnen: Sie sind inkonsequent. Sie wollen weder das Stabilisierungsprogramm, das die SPD vorschlägt, noch machen Sie tatsächlich eine kommunale Aufgabenkritik. Die liegt nach Pressemitteilungen, die ich kürzlich lesen durfte, auf Eis.

Herr Innenminister, ich habe den Eindruck, dass Sie gleich noch reden wollen. Dann haben Sie Gelegenheit uns zu erläutern, was es mit dem

Konzept der kommunalen Aufgabenkritik, der vorschriftenfreien Gemeinde, wie es auch genannt wurde, auf sich hat.

(David McAllister [CDU]: Zu gegebe- ner Zeit kriegt ihr das!)

Abschließend sage ich: Es fehlen drei Dinge. In puncto Stabilisierungsprogramm bzw. Stabilitätsfonds sagen Sie Nein. In puncto Aufgabenkritik kommt nichts von Ihnen. In puncto Konnexität kommt ebenso nichts von Ihnen. Die Zwischenbilanz lautet: Sie lassen die Kommunen Niedersachsens im Regen stehen. - Schönen Dank!

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Herzlichen Dank. - Für die FDP-Fraktion hat sich Herr Kollege Bode zu Wort gemeldet. Bitte schön!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Lieber Kollege Dr. Lennartz, die Wahrnehmung über die Debatten im Innenausschuss scheint doch sehr unterschiedlich zu sein. Dass wir nach den Diskussionen mit Ihnen Ihrem Antrag nicht zugestimmt haben, heißt ja noch lange nicht, dass wir nicht mit Ihnen verhandelt und diese Thematik nicht erörtert haben. Der Frage, mit welchen Finanzmitteln eine Kommune ausgestattet werden muss und wie eine Kommune auf durchaus stärkere Schwankungen bei den Gewerbesteuereinnahmen und bei anderen Steuereinnahmen reagieren kann, muss man mit den richtigen Lösungen begegnen.

Ich hätte es daher besser gefunden, wenn Sie jetzt nicht einfach einen Antrag aus dem Hut gezaubert hätten, für den Sie, wenn Sie ehrlich sind, auch keinen Finanzierungsvorschlag haben, sondern wenn Sie an dieser Stelle, als über die Frage der Verstetigung der Einnahmesituation der Kommunen gestritten wurde, mit uns an der Seite für eine grundlegende Gemeindefinanzreform gekämpft hätten. Der einzig richtige Weg wäre, die Gewerbesteuer abzuschaffen, den Kommunen ein Heberecht für die Einkommensteuer und für die Körperschaftssteuer einzuräumen und ihnen einen deutlich erhöhten Anteil an der Umsatzsteuer zu gewähren.

(Beifall bei der FDP - Uwe-Peter Lestin [SPD]: Geben Sie ihnen erst einmal die 150 Millionen zurück!)

Mit einem solchen Finanzierungsmodell hätten die Kommunen die Möglichkeit, ihre Einnahmeseite stetiger und konsequenter zu planen. Dazu waren Sie nicht bereit, weder hier noch auf Bundesebene. Das ist sehr zu bedauern.

Zu dem rheinland-pfälzischen Garantiesummenfonds, den Sie jetzt auf die Tagesordnung gehoben haben, kann ich nur wiederholen, was wir auch schon im Innenausschuss gesagt haben: Rheinland-Pfalz hat diesen Fonds in einer anderen Situation und auch mit anderen Grundlagen aufgelegt. Wir müssten jetzt auf einem niedrigen Niveau eine Garantiesumme festschreiben. Aber das würden Sie auch nicht wollen. Sie wollen noch draufsatteln. Woher soll das Geld denn kommen? Wir müssten auf dem Kapitalmarkt einen neuen Kredit aufnehmen, also die Verschuldung erhöhen. Das ist aber nicht die Politik der Regierungsfraktionen. Wir wollen nicht zulasten der kommenden Generationen eine weitere Verschuldung betreiben, sondern wir wollen tatsächlich vernünftig und sinnvoll mit unseren Haushaltsmitteln umgehen.

Natürlich werden wir - das haben wir Ihnen im Innenausschuss gesagt - aktiv weiter daran arbeiten und allen Vorschriften und Regeln, die die Kommunen belasten und die dort zu Kosten und überbürokratischer Verwaltung führen, auf den Grund gehen. Auch wir wollen Änderungen. Ich habe den Eindruck, dass eher CDU und FDP hier eine Vorreiterrolle einnehmen; denn wir diskutieren über dieses Thema und arbeiten daran. Wenn wir zu einem Ergebnis gekommen sind - das habe ich Ihnen versprochen, Herr Dr. Lennartz -, werden wir Sie zuerst darüber informieren, damit Sie dann vielleicht auch die Fraktion der Grünen mit ins Boot holen können. Ich warte allerdings immer noch auf konkrete Änderungsvorschläge von Ihrer Seite. Bloßes Anmahnen reicht nicht.

Zur Frage der Konnexität sage ich Ihnen ganz ehrlich: In ganz Niedersachsen hat man eine andere Wahrnehmung, als Sie sie hier vorgetragen haben. Aber da Sie extra einen Antrag gestellt haben, können Sie hier noch einmal hören, wie wir mit unseren Kommunen umgehen, dass wir sie bei der Konnexität ehrlich und offen behandeln. - Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Danke schön. - Meine Damen und Herren, für die Landesregierung hat sich Herr Innenminister Schünemann zu Wort gemeldet. Bitte schön, Herr Minister!

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Lestin, ich bin mir nicht ganz sicher, ob Sie sich mit dem Modell des Stabilitätsfonds in Rheinland-Pfalz wirklich auseinander gesetzt und ob Sie das Modell tatsächlich verstanden haben. Ich werde es Ihnen gleich darstellen.

(Ulrich Biel [SPD]: Das ist der stell- vertretende Präsident des Städte- und Gemeindebundes! Der hat sich damit auseinander gesetzt! - Gegenruf von Bernd Althusmann [CDU]: Trotzdem hat er es nicht verstanden!)

- Das will ich gern akzeptieren, aber dadurch wird es nicht besser. Ich habe mir das Modell genau angesehen. Wenn Sie dieses Modell auf Niedersachsen übertragen wollen, dann beantragen Sie etwas, was für die Kommunen nicht unbedingt vorteilhaft ist. Ich will das darstellen.

Beim rheinland-pfälzischen Stabilitätsfonds handelt es sich um eine am 1. Januar 2003 in Kraft getretene Regelung des Landes. Mit dieser Vorschrift wird die Finanzausgleichsmasse im Sinne einer jährlichen Garantiesumme von 1 600 Millionen Euro verstetigt. Hieraus ergibt sich, dass das Land eine etwaige Differenz zur Garantiesumme durch ein Verstetigungsdarlehen aufzustocken hat. Diese Darlehen führen zu einer entsprechend höheren Kreditaufnahme beim Land.

Ich will Ihnen einmal darstellen, wie das Modell funktioniert: Der Stabilisierungsfonds bildet eine Obergrenze und eine Untergrenze für die Gewährung von Landesleistungen. Sind die Landesleistungen größer als die Obergrenze, wird der übersteigende Betrag dem Stabilisierungsfonds zugeführt. Unterschreiten die Landesleistungen die Untergrenze, wird der Differenzbetrag dem Stabilisierungsfonds entnommen. Reicht die Deckung durch den Fonds nicht aus, muss dieser durch Kredite des Landes gespeist werden, was wiederum zu einer entsprechend höheren Kreditaufnahme beim Land führt.

Meine Damen und Herren, eines steht fest: Es ist ein sehr kompliziertes System, und ich hoffe, dass Sie es wirklich durchschaut haben. Vor allem aber muss man sehen, dass die Kommunen hierdurch nicht einen Euro mehr an Leistungen, sondern lediglich einen garantierten Festbetrag erhalten. Steigen die Steuereinnahmen über die erwähnte Obergrenze, profitieren die Kommunen nicht etwa, sondern die Mittel werden dem Fonds zugeleitet.

Im Land Niedersachsen ist die Höhe der Verbundquote seit 1984 siebenmal geändert worden. Seit dem genannten Jahr hat sich die Ausgleichsmasse des Finanzausgleichs gegenüber dem Vorjahr siebzehnmal positiv und nur fünfmal negativ verändert. Von den fünf Jahren mit negativer Veränderungsrate entfallen allein vier auf Eingriffe in die Steuerverbundquote, so u. a. im Jahr 1996 durch eine Kürzung der Masse durch die damalige SPDLandesregierung um 400 Millionen DM. In den Jahren 2002 und 2003 wurde die Verbundquote jeweils wegen der Veränderung der Kindertagesstättenfinanzierung reduziert.

(Unruhe - Glocke der Präsidentin)

Vor solchen Veränderungen kann aber auch kein Stabilisierungsfonds schützen, weil ihm mit jeder Veränderung der Steuerverbundquote die rechnerische Grundlage entzogen wird. Bei der beschriebenen überwiegend positiven Entwicklung der Finanzausgleichsmasse über 22 Jahre in Niedersachsen sehe ich die Notwendigkeit für eine Verstetigung wie in Rheinland-Pfalz überhaupt nicht.

Meine Damen und Herren, es ist schon schwierig, wenn man einen Antrag aus Rheinland-Pfalz einfach abschreibt und die Auswirkungen überhaupt nicht beachtet.

(Reinhold Coenen [CDU]: Peinlich!)

Ich darf Ihnen einen Auszug aus Ihrem Antrag vorlesen:

„Der Landtag fordert die Landesregierung daher auf, den Kommunen in den Jahren 2005 bis 2008 eine garantierte Finanzausgleichsmasse in absoluten Werten zu gewähren. Diese Summe muss sich am Steueraufkommen des Jahres 2003 orientieren.“

Meine Damen und Herren, wie war das denn im Jahr 2003? Darf ich Ihnen einmal die Verbund

quote nennen? - 2003 liegt mit 2,26 Milliarden Euro unter 2005 mit 2,299 Milliarden Euro.