Mir ist klar, dass bundesgesetzliche Änderungen nur ein Aspekt der Auseinandersetzung mit Zwangsverheiratungen sind. Wir brauchen auch soziale Betreuung, eine breite gesellschaftliche Sensibilisierung und Information. Wir wollen die Zusammenarbeit von allen Beteiligten: Polizei, Ausländerbehörden, Ausländerbeauftragten, Justiz, Jugendhilfe, Gewaltberatung und anderen sozialen Einrichtungen.
Wir Liberale können uns auch die Einrichtung einer entsprechenden Fachkommission vorstellen, deren Aufgabe es wäre, die vorhandenen Erkenntnisse und Erfahrungen zu Ausmaß und Erscheinungsformen der Zwangsheirat sowie die Maßnahmen gegen Zwangsheirat in Niedersachsen zusammenzuführen.
Einen Moment bitte, Frau Meißner! - Liebe Kolleginnen und Kollegen, das Thema ist so ernst, dass wir alle zuhören sollten.
Wir brauchen ein umfassendes Handlungskonzept zur Bekämpfung der Zwangsheirat und auch zum besseren Schutz der Opfer.
Die FDP tritt für eine realistische Integrationspolitik ein. Kulturelle Vielfalt findet ihre Grenzen in den Grund- und Menschenrechten und in den Prinzipien des demokratischen Rechtsstaats.
Auf dieser Grundlage sollten alle Fraktionen gemeinsam Maßnahmen und Konzepte gegen Zwangsverheiratungen entwickeln. Ich bin zuversichtlich, dass wir das gemeinsam schaffen.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die Zwangsverheiratung vor allem junger Frauen und Mädchen verurteile ich auf das Schärfste.
In der Öffentlichkeit wurde das Thema sehr, sehr lange aus sicherlich falsch verstandener Toleranz ignoriert und verharmlost. Es ist damit weitgehend ein ganz privates Problem der Betroffenen geblieben. Aber wir stellen jetzt fest, dass die Toleranz vor allem Beliebigkeit gewesen ist. Das Motto „nicht hinschauen, dann geht es mich nichts an“ war sicherlich der bestimmende Faktor. Wir meinten, dass uns dieses Thema nichts anginge, weil das in unserem Kulturkreis angeblich nicht so häufig vorkommt. Aber das ist grundlegend falsch.
fortlaufend politischer Handlungsbedarf. Wir wissen seit längerem - das wurde bereits thematisiert -, dass Mädchen und junge Frauen in vielen afrikanischen Ländern gegen ihren Willen verheiratet werden. Auch aus Indien, Pakistan und der Türkei sind uns Fälle von Zwangsehen bekannt. Aber dass auch in Deutschland die Zwangsverheiratung zum Alltag gehört, ist relativ neu; zumindest in der öffentlichen Wahrnehmung.
Das sagt aber überhaupt nichts über das Dunkelfeld aus, das wir lange ignoriert haben. Leider gibt es keine bundesweite Erhebung über das Ausmaß von Zwangsehen. Sicherlich wäre eine solche Erhebung nur schwierig durchzuführen. Auch Schätzungen sind nur sehr vage.
Zwangsverheiratungen verstoßen eindeutig gegen geltende Gesetze sowie gegen das Menschenrechtsabkommen der Vereinten Nationen. Ich begrüße deshalb sehr, dass am 19. Februar, also vor knapp einer Woche, eine Änderung des Strafgesetzbuches in Kraft getreten ist, wonach die Zwangsheirat als besonders schwerer Fall der Nötigung eingestuft wird. Ich begrüße in diesem Zusammenhang auch die Bundesratsinitiative des Landes Baden-Württemberg. Danach sollen beispielweise zugunsten der Opfer Fristen zur Annullierung der Ehe verlängert und Unterhaltsforderungen stärker gesichert sowie Erbansprüche der Täter wiederum ausgeschlossen werden.
Damit positioniert sich der Rechtsstaat eindeutig. Aber ob sich Frauen und Mädchen gegen eine erzwungene Ehe auflehnen - Frau Langhans hat das richtig gesagt -, hängt natürlich in hohem Maße von ihrer Erziehung und Sozialisation ab. Das hängt aber auch davon ab, ob und wie wir das Thema verbalisieren, ob wir es aus der Tabuzone und dem Dunkelfeld herausholen. Die Landesregierung ist und bleibt entschlossen, der Zwangsverheiratung und den darunter liegenden Vorstellungen von Ehe bzw. Machtverhältnissen in der Ehe entschieden entgegenzutreten.
Die straf- und zivilrechtlichen Fragen sind meines Erachtens auf einem guten Weg. Unsere Aufgabe ist es jetzt, die Dialogbereitschaft zu erhöhen. Denn nur durch Information und Thematisierung werden junge Frauen, vielleicht auch ihre Mütter und Familien, ermutigt, Hilfe zu suchen. Dabei kommt vor allem natürlich den Schulen und den Kindergärten eine wichtige Rolle zu. In den Kin
dergärten erreicht man, wie sonst kaum mehr im Leben dieser Kinder, die Mütter und gelegentlich auch die Väter der Kinder, um sie zu integrieren, um sie offen zu machen für die Art und Weise, wie wir in unserem Rechtsstaat unsere Vorstellungen vertreten.
Natürlich kommt auch den Jugendämtern, den Polizeistationen und den Gewaltberatungsstellen eine besondere Bedeutung zu, wenn die Probleme größer werden und es nicht möglich war, die Dinge früher in den Griff zu bekommen. Wir wissen, dass die Zahl der Frauen aus anderen ethnischen Gruppierungen, die z. B. die Hilfe und Beratung der BISS-Stellen und den pro-aktiven Ansatz annehmen, wächst. Das ist sehr ermutigend. Es zeigt auch: Das Thema in die Öffentlichkeit zu tragen und darüber zu diskutieren, öffnet Schleusen bzw. Möglichkeiten für diese jungen Menschen, Hilfe zu suchen und anzunehmen. Sie werden darüber informiert: Es kann ihnen geholfen werden.
In den Ausschussberatungen sollte der Fokus insbesondere darauf liegen, wie wir hier im Land Niedersachsen die Dialogbereitschaft bei diesen bisher weitgehend tabuisierten Themen erhöhen, und vor allem auch darauf, wie wir Mediatoren innerhalb der ethnischen Gruppierungen finden können, die zu einem dauerhaften Mentalitätswechsel gerade in diesen Gruppen beitragen, die Autoritäten sind, aber offen für diese Themen sind. Diese gibt es. Das ist insgesamt die Grundlage für eine erfolgreiche Integration. - Ich danke Ihnen.
Es hat sich noch einmal die Kollegin Langhans zu Wort gemeldet. Frau Langhans, Sie haben noch eine Minute und zwanzig Sekunden Redezeit.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Frau Kollegin Mundlos, ich wäre eigentlich nicht mehr zum Redepult gekommen, aber eines hat mich wirklich gestört. Sie sind leider - ich bedauere das außerordentlich - in Ihrem Redebeitrag der Versuchung anheim gefallen, dieses wirklich brisante Thema wieder einmal ausschließlich dem Islam zu überantworten. Das finde ich in hohem Maße bedauerlich. Von Ihnen ist das Wort „Schariasierung“ - das Wort ist allein schon ein Zungenbrecher - gekommen. Von Ihnen ist der Hinweis gekommen,
Das ist eben genau nicht der Fall. Es ist keine Frage der Religion, sondern es sind in der Tat patriarchalisch verfestigte Familienstrukturen dafür verantwortlich. Diese gibt es genauso bei den kurdischen Mitbürgern, wie es sie bei türkischen Mitbürgern gibt.
Ich meine, es ist unzulässig, das überwiegend darauf zu schieben. Das bedauere ich in höchstem Maße.
Ansonsten sind wir uns in dieser Angelegenheit ziemlich einig. Ich freue mich darüber, dass das so ist. Ich finde aber, solche Sachen gehören nicht hierher.
Frau Mundlos, Sie haben noch einmal um das Wort gebeten. Ich gewähre Ihnen nach § 71 Abs. 2 der Geschäftsordnung zwei Minuten Redezeit.
Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Frau Langhans, wenn hier jemand Misstöne hineingebracht hat, dann waren Sie das eben.
Denn ich habe ausdrücklich darauf hingewiesen, dass das nicht nur ein Problem der türkischen Mädchen und Frauen ist, sondern dass auch Frauen und Mädchen mit anderer ethnischer Herkunft davon betroffen sind.
Ich lege auch Wert darauf, dass das so ist und dass wir an dieser Stelle keinen Dissens aufmachen sollten. Das ist selbstverständlich. Vielleicht überlegen Sie noch einmal, was Sie gesagt haben. - Danke.
Federführend soll der Ausschuss für Soziales, Frauen, Familien und Gesundheit sein. Mitberatend sollen der Ausschuss für Rechts- und Verfassungsfragen, der Ausschuss für Inneres und Sport sowie die Ausländerkommission sein. Wer so verfahren möchte, den bitte ich um sein Handzeichen. - Die Gegenprobe! - Das ist einstimmig so beschlossen worden.
Tagesordnungspunkt 31: Erste Beratung: Stärkung des Petitionsausschusses - Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Drs. 15/1677
Tagesordnungspunkt 32: Erste Beratung: Gestaltungsmöglichkeiten des Zuwanderungsgesetzes endlich nutzen - Härtefallkommission einrichten! - Antrag der Fraktion der SPD - Drs. 15/1682
Zur Einbringung des Antrages unter Tagesordnungspunkt 31 hat sich Frau Polat zu Wort gemeldet. Frau Polat, Sie haben das Wort.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wir freuen uns darüber, dass wir gestern mit dem einstimmigen Votum des Landtages nunmehr den Aufenthalt von Frau Kameli im Wege einer Härtefallentscheidung sichern konnten.