Protocol of the Session on January 27, 2005

Wie bei Lehrerinnen und Lehrern kommt der Diagnosefähigkeit eine besondere Bedeutung zu. Erzieherinnen müssen in die Lage versetzt werden,

Stärken und Schwächen der Kinder diagnostisch einzuschätzen, um sie individuell fördern zu können. Die Bürgerstiftung Osnabrück hat ein System aufgebaut, das durch eine Kombination von Fortbildung und Kooperation der örtlichen Tagesstätten in der Hochbegabtenförderung sehr wichtige Zeichen setzt. Es gibt zweifelsohne Handlungsbedarf. Ein BA-Hochschulstudiengang für Kita-Leiter ist durchaus denkbar.

Fazit: Mit der Sprachförderung sind wir bereits auf einem sehr guten Weg. Die praxisorientierte Ausbildung muss weiterhin Schwerpunkt bleiben. Es besteht Handlungsbedarf zur Verbesserung der Qualifikation, die aber auch mit Blick auf eine Folgekostenabschätzung kritisch untersucht werden muss. - Schönen Dank.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Nächster Redner ist Herr Minister Busemann.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die Landesregierung legt naturgemäß großen Wert auf die qualifizierte Ausbildung von Erzieherinnen und Erziehern. Das ist nicht erst seit Bekanntgabe der Ergebnisse der PISA-Studie oder des OECDLänderberichts aus dem letzten Jahr der Fall. Es ist sicherlich in Ordnung, dass Sie, Frau JanssenKucz - deshalb knüpfe ich noch einmal an die gestrige Debatte an - daraus zitieren. Aber manchmal sind OECD und PISA eben nicht nur dazu angetan, uns einen Spiegel vorzuhalten, um uns zu zeigen, wie schlecht und unzulänglich das alles sei. Es gibt zumindest auch einen Anknüpfungspunkt, um zu sagen, dass das alles doch nicht so ganz daneben ist, wir alle aber noch etwas besser werden können. Ich zitiere ebenso wie gestern zum Kita-Bereich aus dem OECD-Bericht:

„Der Bereich der frühkindlichen Betreuung, Bildung und Erziehung in Deutschland weist viele Stärken und Ressourcen auf. Der englischsprachige Raum kann von diesem ganzheitlichen Ansatz und der dazugehörigen Praxis viel lernen.“

Also: Im internationalen Vergleich gibt es vielleicht auch Länder, die von uns lernen können, und es gibt sicherlich Länder, von denen wir etwas lernen können. Wir alle müssen besser werden. Ich ent

nehme auch dieser Debatte hier, dass jeder um den jeweils besten und vielleicht auch bezahlbaren Weg ringt. Gerade weil ein enger Zusammenhang zwischen dem Niveau der Ausbildung der Erzieherinnen und Erzieher und der Qualität des Lernens in den Kindertagesstätten besteht, belegen die attestierten Stärken ein entsprechend gutes Ausbildungsniveau, das wir ständig verbessern.

Meine Damen und Herren, in Niedersachsen werden die angesprochenen Reformforderungen durch die konzeptionelle, organisatorische und curriculare Neustrukturierung der Ausbildung zur Erzieherin und zum Erzieher bereits berücksichtigt. Ich will das auch im Einzelnen belegen: Mit dem Ziel der Weiterentwicklung und Verbesserung der Ausbildung der Erzieherinnen und Erzieher wird seit dem Schuljahr 2002/2003 in den Fachschulen nach neuen Rahmenrichtlinien ausgebildet. Im Verlauf der Ausbildung entwickeln die Schülerinnen und Schüler die Fähigkeit, eigenverantwortlich und zielorientiert Erziehungs-, Bildungsund Betreuungsprozesse zu gestalten. Die Team- und Elternarbeit ist ebenso wie die konzeptionelle Begründung und Qualitätsentwicklung der Arbeit in der Ausbildung angelegt. Darüber hinaus hat Niedersachsen als erstes Bundesland Rahmenrichtlinien eingeführt, die eine konsequente Förderung der Sprachentwicklung der Kinder in Kindertagesstätten vorsehen. Über das Paket an sonstigen Maßnahmen rund um das Kapitel Sprachförderung haben wir bereits gestern und an anderer Stelle diskutiert.

Der Ausbildungsunterricht ist auf die handlungsund anwendungsorientierte Kompetenz künftiger Erzieherinnen und Erzieher ausgerichtet. Die Orientierung der Ausbildung am Erziehungs-, Bildungs- und Betreuungsprozess ist gleichzeitig eine Hinwendung zum beruflichen Handeln und eine Abkehr von Versuchen, ausschließlich theoretisierend über das Handeln zu reden. Viele Hochschulen beneiden uns um die begleitende praktische Ausbildung.

Ein weiterer Vorzug ist, dass die ausbildenden Lehrkräfte, in der Regel über das erziehungswissenschaftliche Studium und das pädagogische Referendariat hinausgehend, eine entsprechende grundständige Erstausbildung z. B. als Erzieherin bzw. Erzieher nachweisen. Das niedersächsische Modell der vierjährigen Erzieherausbildung an der Berufsfachschule und Fachschule erfüllt zudem die Anforderung der KMK-Rahmenvereinbarung in vollem Umfang. Mit diesem ganzheitlichen Kon

zept, das Theorie und Praxis verbindet und gleichzeitig die Ausbildungsstandards anhebt, sind wir durchaus auf dem richtigen Weg.

Meine Damen und Herren, die Landesregierung hält deshalb weiterhin an der Fachschulausbildung fest und beabsichtigt nicht, sie durch ein Fachhochschulstudium zu ersetzen. Abgestimmt auf den spezifischen beruflichen Einsatzbereich gilt es natürlich, die Fort- und Weiterbildung ausgebildeter Erzieherinnen und Erzieher sowie der Leitungsebene zu entwickeln. In diesem Zusammenhang könnte es sinnvoll sein, Fachhochschuloder Hochschulangebote, auf die die Vorbildung als Erzieherin bzw. als Erzieher angerechnet wird, einzubeziehen. Bevor jedoch grundsätzliche Strukturentscheidungen getroffen werden, sollten solide Erfahrungen mit neuen Studienprogrammen vorliegen. Erste Vorhaben der Fachhochschulen Hannover und Emden, Frau Kollegin, die wir durchaus unterstützt haben, müssen noch optimiert werden. Wenn ich höre, dass in Hannover 13 Teilnehmer waren, dann war das vielleicht noch nicht der gemeinsam gewünschte Erfolg.

(Meta Janssen-Kucz [GRÜNE]: Es gab aber auch nur eine Eckprofessur! Das konnte nicht besetzt werden, weil das Geld fehlt!)

- Ja, okay. - Aus der Sicht meines Hauses ist es zudem bedenklich, wenn das Studienangebot weitgehend nur für Absolventinnen und Absolventen ausgewählter Fachschulen reserviert ist. Unser Ziel sind landesweite Weiterbildungsangebote und Modelle, die allen Fachschulabsolventinnen und -absolventen offen stehen und ausschließlich als Aufbaustudiengänge angeboten werden.

Meine Damen und Herren, ich hoffe, es ist deutlich geworden, dass sich die Landesregierung der inhaltlichen Qualitätsdebatte bei der anspruchsvollen Ausbildung zur Erzieherin und zum Erzieher längst stellt. Der Entschließungsantrag ist entbehrlich, zumal er im Kern die Qualität der Erzieherausbildung auf die Forderung nach einer Hochschulausbildung für alle Erzieherinnen und Erzieher reduziert, ohne die Frage nach der Sinnhaftigkeit und Finanzierbarkeit überzeugend zu beantworten. Bei der angespannten Finanzsituation der Träger ist heute nicht einmal sichergestellt, dass die Zweitkraft in jeder Gruppe der Tageseinrichtungen für Kinder die Qualifikation einer Erzieherin oder eines Erziehers oder wenigstens einer Sozialassistentin oder eines Sozialassistenten einbringt. Meines Er

achtens ist es ein realistisches Ziel, hier das Zweitkraftniveau durchgängig auf den Stand der Sozialassistentenausbildung zu heben. Folgendes vielleicht an die Adresse der Sozialdemokraten: Ich müsste mir den letzten Stand auch aus NordrheinWestfalen geben lassen. Wenn dort die Zweitkraft durchgängig eine nur sehr schmale Ausbildung hat, dann muss man darüber nachdenken, ob das so richtig ist. Jedenfalls verfügen die Zweitkräfte dort nicht über eine Erzieherinnen- oder Erzieherausbildung.

Ich fasse zusammen, meine Damen und Herren: Der von der Landesregierung vorgesehene Ausbildungsweg von der Zweitkraft in einer Kita-Gruppe bis hin zur Leitung einer Kindertagesstätte ist auf die beruflichen Aufgaben abgestimmt und berücksichtigt die differenzierten Anforderungsprofile in den Kindertagesstätten. Wir sind dabei, die Erstausbildung wie auch die Fort- und Weiterbildung kontinuierlich zu verbessern. Die Fixierung auf die Frage einer Erzieherinnen- und Erzieherausbildung auf Hochschulniveau dagegen wird - ich sage es noch einmal - den differenzierten Ausbildungsanforderungen nicht gerecht.

(Meta Janssen-Kucz [GRÜNE]: Und die Begründung? - Gegenruf von Ast- rid Vockert [CDU]: Die Begründung habe ich doch schon geliefert!)

Lassen Sie mich Ihnen zum Abschluss noch eine grundsätzliche Einschätzung geben; vielleicht kommen wir dann an einem Punkt auch wieder zusammen: Ich glaube nicht erst seit PISA, dass wir alle zusammen den Auftrag haben zu überlegen, wie wir in Deutschland und auch in Niedersachsen die frühkindliche Ausbildung verbessern. Ich bin fest davon überzeugt, dass auf diesem Gebiet in den nächsten Jahren einiges in Bewegung kommen wird. Das wird auch in Angelegenheiten der Ausbildung unserer Erzieherinnen und Erzieher Reflexe erfordern. Möglicherweise werden wir alle uns auf diesem Gebiet bewegen müssen.

(Meta Janssen-Kucz [GRÜNE]: Be- wegen müssen!)

Wenn wir aber jetzt nur deshalb gegenüber jedem, der es gerne hört, pauschal mit der Forderung antreten, dass alle ab sofort das Hochschulstudium bekommen, was irgendwann entsprechende Gehaltsüberlegungen nach sich ziehen wird, wird uns jeder Schulträger bzw. Kita-Träger, der mit der Bezahlung konfrontiert wird, die Umsetzung dieses

Konzeptes schon im Anfangsstadium blockieren. Ich meine, dass wir besser beraten sind, das Konzept schrittweise zu entwickeln, schrittweise den Bedarf zu formulieren und das Konzept dann schrittweise umzusetzen.

Ich bin doch nun wirklich jemand, der unterwegs ist und in den letzten Jahren an der Stärkung des Bildungsauftrag in den Kindertagesstätten gearbeitet hat.

(Astrid Vockert [CDU]: Der Erste hier in Niedersachsen, der das gemacht hat!)

- Ja, das ist durchaus richtig! - Aber mit Verlaub und bei allem Respekt: An den Kindertagesstätten gibt es - möge es auch in Zukunft so bleiben - genügend anspruchsvolle Tätigkeiten, die nicht ausschließlich von Erzieherinnen und Erziehern mit einem Hochschulstudium ausgeübt werden können. Es gibt auch noch sonstige wertvolle Tätigkeiten. Man muss den Bedarf vernünftig ermitteln, um entscheiden zu können, wie man den Anforderungen zur Befriedigung des Bedarfes gerecht wird. Ich möchte damit nur zum Ausdruck bringen, dass wir nicht sozusagen mit Scheuklappen vorgehen, sondern die weitere Entwicklung auf diesem Gebiet in unsere Betrachtungen einbeziehen. - Danke schön.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Es hat sich noch einmal Frau Janssen-Kucz zu Wort gemeldet. Sie hat eine restliche Redezeit von zwei Minuten.

(Jacques Voigtländer [SPD]: Nun spieße sie auf!)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Busemann, entweder können Sie nicht lesen, oder Sie wollen nicht lesen.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD - Zurufe von der CDU: Oh nein!)

In unserem Antrag ist eindeutig die Rede davon, dass wir Sie auffordern, einen Stufenplan vorzulegen, um schrittweise die Ausbildungsstandards der Erzieherinnen anzuheben. Das ist genau das, was Sie hier eben skizziert haben. Aber unseren Antrag

treten Sie in die Tonne. Das passt irgendwie nicht ganz zusammen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Frau Vockert, wir hatten wunderschöne gemeinsame Debatten und auch Anhörungen in der Zeit, als wir gemeinsam in der Opposition waren - Grüne und CDU gegen die SPD. Wir haben gemeinsam mehr Qualitätsstandards gefordert.

(Astrid Vockert [CDU]: Wir haben nicht alles unterstützt, Frau Janssen- Kucz!)

Sie sollten bitte alle Protokolle herausholen.

(Astrid Vockert [CDU]: Habe ich, habe ich!)

Ich habe mich heute wirklich gefragt, wie Sie noch in der Lage sind, in den Spiegel zu schauen, wenn ich an Ihre alten Redebeiträge und an Ihren Redebeitrag heute hier denke.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD - Zurufe von der CDU und von der FDP: Oh!)

Ich kann es nicht nachvollziehen. Hoffentlich erkennen Sie sich noch selber in dem Bereich.

(Zustimmung von Ulrich Biel [SPD] - Bernd Althusmann [CDU]: Ich weiß gar nicht, warum Sie sich so aufre- gen!)

Herr Busemann, Sie haben davon gesprochen, auch die Rahmenrichtlinie würde schrittweise geändert. Das alles ist ja richtig, und man muss es auch anpassen. Wir wollen aber den Weg in Richtung Fachhochschulausbildung gehen, weil das einfach notwendig ist und weil das genau das Ergebnis ist, das uns aus allen Studien auf dem Tisch liegt. Wir wollen diesen Weg forciert gehen und nicht, wie Sie es gerade skizziert haben, abwarten, bis wir irgendwann reflexartig reagieren müssen. Es ist doch fatal. Wollen wir uns permanent treiben lassen? Wir fordern eine Pionierrolle in der Stärkung der Erzieherinnenausbildung für das Land Niedersachsen. Sie sind doch sonst auch so gerne Pionier, wenn es um Ideen und darum geht, nach vorne zu preschen. Jetzt schließen Sie sich uns doch an. Dann machen wir es gemeinsam.

Jetzt muss ich noch etwas loswerden. Wenn es um die Akademisierung von sozialen Berufen geht, insbesondere von Frauenberufen, muss man auf die Geschichte blicken. Es ist immer wieder derselbe Kampf. Er wiederholt sich seit über 100 Jahren. Das sollte man einmal hinterfragen. Es geht hier um einen Frauenberuf, bei dem verweigert wird, dass er ein akademisches Niveau erhält. Und wer betreibt die Verweigerung? - Die Männer. Danke.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD - Bernd Althusmann [CDU]: Das ist das Niveau von Emma!)

Jetzt hat Frau Vockert um zusätzliche Redezeit nach § 71 gebeten. Ich gebe ihr zwei Minuten.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Zwei Minuten werde ich nicht brauchen. Ich will nur auf Frau Kollegin Janssen-Kucz eingehen, die versucht, die Realität ihren Ansichten anzupassen.

Ich kann das belegen, Frau Janssen-Kucz. Sie haben mich bei der Einbringung des CDU-Antrages damals angegriffen und mir vorgehalten, - ich zitiere; ich habe nämlich alle Protokolle gelesen -: In den Augen der CDU sollen die Kinder im Kindergarten noch früher auf die Lernanforderungen

(Ursula Körtner [CDU]: Oh!)

in der Schule vorbereitet werden. - Frau JanssenKucz hat damals den gesamten Zusammenhang von Lernen und Kindergarten, den wir immer zusammenfassen wollten, verabscheut wie der Teufel das Weihwasser. Das war für sie nicht in Einklang zu bringen.