Protocol of the Session on January 26, 2005

Für die CDU-Fraktion Herr Kollege Dr. Winn, bitte!

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es ist richtig, Herr Albers, wir haben dieses Thema bereits im Jahre 2001 behandelt. Aber auch damals ist der Antrag einstimmig verabschiedet worden. Zur Ehrenrettung der damaligen Opposition, der CDU-Fraktion, muss ich sagen: Erst durch unsere Mitwirkung ist der Antrag ein wenig aufgebohrt worden. Der Ursprungsantrag der SPD liegt hinter der heutigen - ich sage einmal - Kompromissentschließung weit zurück. Das muss man zur Ehrenrettung einfach einmal sagen.

In Deutschland erkranken etwa 4 000 Kinder pro Jahr an Krebs und versterben leider auch daran. Davon entfällt auf Niedersachsen eine Zahl von etwa 50 Kindern, über die wir sprechen. Es ist wirklich alle Anstrengungen wert, dass wir Regelungen treffen, die dem schweren Leid dieser Kinder gerecht werden.

Es gibt übrigens eine ganze Menge Studien über dieses Thema. Eine Studie hat sich bereits 1995 mit dem Thema beschäftigt, wo Kinder mit Krebs sterben. Da ist - dies überrascht uns natürlich nicht - festgestellt worden, dass Kinder und Eltern eine häusliche Versorgung für das Kind in der Lebensendphase bevorzugen.

In erster Linie versorgen die Kinderfachkliniken mit kinderonkologischen Abteilungen die Kinder. Die Hospize, die Sie zu Recht angesprochen haben, sind eine richtige Maßnahme. „Löwenherz“ ist vom Land mit 770 000 Euro und mit Komplementärmitteln des Bundes in Höhe von 400 000 Euro gefördert worden. Es werden dort acht Plätze gefördert. Das ist ein sehr wichtiger Schritt. Es handelt sich zwar um ein Pilotprojekt. Aber wir haben natürlich die Hoffnung, dass das eine oder andere Projekt nachfolgt. Allerdings dürfen wir nicht aus dem Auge verlieren, dass angesichts knapper Ressourcen, die überall - nicht nur bei den Krankenkassen, sondern auch bei den Ländern und bei anderen Trägern - vorhanden sind, dieses nicht bis in extenso gemacht werden kann. Nichtsdestotrotz - ich betone dies noch einmal - ist das jede Anstrengung wert.

(Zustimmung bei der CDU)

Bis zur Regierungsübernahme, Herr Albers, ist leider relativ wenig passiert. Zwar ist die Förderung des Kinderhospizes „Löwenherz“ ausgelobt worden. Der Runde Tisch, den Sie angesprochen haben, hat bis zur Regierungsübernahme siebenmal getagt, aber leider ohne Ergebnis. Es ist dieser Landesregierung zu verdanken, dass einige Dinge auf den Weg gebracht worden sind. So hat die Ministerin mit ihrem Schreiben vom 16. September 2003 die Bundesgesundheitsministerin darauf aufmerksam gemacht, dass die Besonderheiten der häuslichen Krankenpflege für schwerst kranke Kinder berücksichtigt werden müssen. In § 39 a SGB V und in § 71 SGB XI mussten die Dinge neu geregelt werden. Dieses hat - das will ich durchaus würdigen - die Bundesgesundheitsministerin aufgegriffen und am selben Tag - man beachte die Datumsgleichheit den Bundesausschuss der Ärzte und Krankenkassen auf diese Problematik aufmerksam gemacht. Das heißt, es ist leider eine ganze Menge Zeit vergangen, bevor man initiativ geworden ist. Man hätte das viel früher tun können.

Darüber hinaus haben diese Ministerin und diese Landesregierung den Runderlass vom 13. Mai 2004 mit der Überschrift „Richtlinie über die Gewährung von Zuwendungen zur Förderung, Betreuung und Versorgung schwerst kranker Kinder“ auf den Weg gebracht. Auch das hätte man schon früher machen können; das muss man einfach einmal sagen.

(Zustimmung bei der CDU)

Es ist leider viel Zeit verstrichen. Leid Tragende dabei sind die zu versorgenden schwer kranken Kinder.

Ich gehe noch weiter zurück. Im Jahre 2002 hat es eine Unterrichtung auf unsere gemeinsame Entschließung hin gegeben, in der es unter Punkt 7 hieß - ich zitiere - :

„... eine Bundesratsinitiative in die Wege zu leiten, dass im Pflegeversicherungsgesetz (SGB XI) eine klare Regelung zugunsten der Anspruchsberechtigung von Kindern mit Behinderungen (ganzheitliche Sichtweise) vorangetrieben wird, um die nach dem Gesetz erlassenen unzureichenden Begutachtungskriterien für schwerst kranke Kinder entsprechend spezifisch ergänzen zu können.“

Die Antwort ist leider gewesen - ich zitiere wiederum -:

„Danach erscheint eine solche Initiative wegen der in diesem Zusammenhang notwendigen Ausweitung des Pflegebegriffes oder der Festlegung besonderer Leistungsansprüche für Kinder gegenwärtig nicht mehrheitsfähig.“

Das ist die damalige Antwort. Ich muss sagen, das ist eigentlich traurig; denn ein Jahr später ging es komischerweise. Es ist leider - das betone ich nochmals - viel Zeit vergangen.

Aber ich will nicht zurückblicken, sondern nach vorne. Sie haben alle im rundblick gelesen, dass diese Verträge nun endlich auf den Weg gebracht worden sind. Das ist zu begrüßen, weil die schwerst kranken Kinder davon einen Nutzen haben werden. Die häusliche Kinderkrankenpflege ist ja von den Krankenhäusern Osnabrück und Vechta mit den Krankenkassen abgeschlossen worden. Die drei großen Ersatzkassen verweigern sich leider noch. Ich hoffe, sie schließen sich noch an. Das wäre zu begrüßen.

Des Weiteren wird in Vechta und Papenburg das Case-Management-Programm gefördert. Auch in Bad Salzdetfurth wird die Kurzzeitpflege gefördert. Das alles sind Dinge, die lobenswerterweise auf den Weg gebracht worden sind.

Ein Punkt bedeutet ganz allgemein quasi einen Rückschritt. Durch die Einführung der DRGs - ich will sie gar nicht schelten; wir haben dem ja auch zugestimmt, weil sie durchaus einige richtige Dinge enthalten - ist die stationäre Kinderschmerztherapie leider ungenügend abgebildet. Das heißt, die Honorare sind für die Krankenhäuser überhaupt nicht auskömmlich. Man muss befürchten, dass die Kinder dort nicht entsprechend versorgt werden können, weil das Geld dafür fehlt. Das ist bedauerlich. Ich hoffe, dass im Rahmen der Novellierung der DRGs dies angemessen berücksichtigt wird.

Ein weiterer Punkt bei der Versorgung im stationären Bereich ist die Abschaffung des AiP. Ich begrüße dies zwar vom Grundsatz her. Aber die Auswirkungen sind leider so, dass statt drei AiPs für eine Arztstelle nun nur ein Arzt zur Verfügung steht. Das ist zu bedauern.

Insgesamt begrüße ich, dass wir zu dem gemeinsamen Entschließungsantrag gekommen sind. Wir

müssen dabei im Auge behalten, wem wir damit nutzen und wer davon profitiert. Das sind nämlich unsere wirklich schwerst kranken Kinder. Ich meine, wir sollten alles dafür tun, dass wir auf diesem Weg weiter fortschreiten. - Danke schön.

(Beifall bei der CDU)

Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Frau Kollegin Janssen-Kucz, bitte!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wie gesagt, im Juni 2001 haben wir gemeinsam hier ein Fundament für die flächendeckende Versorgung und Betreuung schwer kranker Kinder gelegt. Doch mit der Grundsteinlegung 2001 sind die Versorgung und Betreuung dieser Kinder und ihrer Familien noch lange nicht sichergestellt. Ich glaube, das war uns allen von Anfang an klar.

Dass sich aber die Umsetzung des gemeinsamen Entschließungsantrages so mühsam und schwierig gestalten würde, haben wir alle uns wohl nicht vorstellen können. Ich habe es mir jedenfalls nicht vorstellen können, obwohl ich durch persönliche Erfahrungen das Bohren von dicken Brettern gewohnt war. Allein der Ansatz, die unterschiedlichen Akteure an einen Tisch zu bringen und gemeinsame Handlungsstrategien zu entwickeln und umzusetzen, erwies sich als Herkulesaufgabe. Von einer flächendeckenden pflegerischen Versorgung im Flächenland Niedersachsen sind wir noch meilenweit entfernt. Die Versorgung schwerst kranker Kinder erfolgt immer noch zum größten Teil unkoordiniert. Entlastungsangebote für Eltern sind nur punktuell vorhanden.

Es gibt aber eine ganz feste Säule. Das sind die Elternselbsthilfevereine, die ehrenamtlich und mithilfe von Spendengeldern versuchen, Entlastungsangebote und Hilfen für betroffene Eltern mit ihren Kindern anzubieten. Für dieses ehrenamtliche Engagement an dieser Stelle ein ganz dickes Dankeschön.

(Beifall im ganzen Haus)

Meine Damen und Herren, trotz punktueller Verbesserungen - auch die angesprochenen Pilotprojekte möchte ich hier erwähnen - werden die Eltern schwer kranker Kinder nach wie vor weitgehend alleine gelassen. Diese Prognose gebe ich ab,

auch wenn die zweite Unterrichtung zum Stand der Umsetzung der Aufträge aus der Landtagsentschließung noch aussteht.

Es wird weiterhin notwendig sein, mit dem Runden Tisch kontinuierlich auf eine Verbesserung der Situation schwer kranker Kinder und ihrer Familien hinzuwirken, um die Problemfelder, die zu bearbeiten sind, zu erkennen und zur Verbesserung der Problemsituation beizutragen.

(Vizepräsident Ulrich Biel über- nimmt den Vorsitz)

Ich glaube, dass man einen Entschließungsantrag immer wieder überprüfen muss, ob er wirklich noch up-to-date ist und ob neue Probleme und Schwierigkeiten aufgetreten sind. Ich bin Herrn Dr. Winn sehr dankbar dafür, dass er die DRGs und die Umsetzung in der Pädiatrie und in der Schmerzmedizin angesprochen hat. Das ist ein riesiges Manko, und da müssen wir gemeinsam noch einmal ran.

Meine Damen und Herren, sehr am Herzen liegt mir die Entwicklung von Modellprojekten für eine integrierte Versorgung von schwer kranken Kindern. Es ist mehr als bedauerlich, dass gesetzlich die Möglichkeit vorhanden ist, integrierte Versorgungssysteme aufzubauen, sich aber in diesem Bereich wenig bewegt. Jetzt sind zwei Pilotprojekte mit dem Kinderhospital Osnabrück und dem Marienhospital Vechta auf den Weg gebracht. Aber es sind erst zwei Pilotprojekte, mehr nicht. Ich frage mich wirklich: Warum musste das vier Jahre dauern? - Ich kann nur hoffen, dass es nicht noch einmal vier Jahre dauern wird, bis weitere Projekte auch im Bereich der Kurzzeitpflege und der Übergangspflege dazukommen.

Ich glaube, dass einigen beteiligten Akteuren, insbesondere einigen Krankenkassen - stellvertretend nenne ich hier die Ersatzkassen, die dem Vertrag mit Osnabrück und Vechta nicht beigetreten sind nicht bewusst ist, welchen Systemmangel wir an dieser Stelle haben. Die Weigerung von einigen Krankenkassen, entsprechenden Kostenübernahmeanträge zuzustimmen, zeigt doch, dass sie sich mit dem Thema nicht ausreichend auseinander gesetzt haben oder nicht auseinander setzen wollen. Sie lassen die Kinder und ihre Familien im Stich.

Meine Damen und Herren, ich weiß, das Sterben von Kindern ist ein Tabuthema. Darüber redet man nicht gerne. Diejenigen Familien, die betroffen

sind, müssen selbst sehen, wie sie klarkommen, obwohl gerade die Vernetzung von stationärer und ambulanter Behandlung und Begleitung für alle Familienmitglieder in diesen schweren Monaten, Wochen und Tagen mehr als notwendig ist.

Meine Damen und Herren, Familien mit schwerst kranken Kindern brauchen kein Mitleid. Sie brauchen einfach mehr Unterstützung und mehr Hilfen, die eigentlich selbstverständlich sein sollten. In diesem Sinne: Lassen Sie uns gemeinsam weiter dicke Bretter bohren in der Hoffnung, dass die Bretter eines Tages etwas dünner werden und dass nicht allzu viel Zeit ins Land geht. - Danke schön.

(Beifall bei allen Fraktionen)

Für die FDP-Fraktion hat nun die Abgeordnete Frau Meißner das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Schwer kranke Kinder brauchen einen ganz besonderen Einsatz von uns. Darum finde ich es sehr gut, dass wir einen gemeinsamen Antrag eingebracht haben, mit dem wir zeigen, dass wir wissen, wie wichtig dieses Thema ist.

Schwer kranke Kinder brauchen überhaupt besondere Dinge. Sie brauchen besondere kinderpflegerische Betreuung, und wir brauchen in ausreichender Zahl die entsprechenden Menschen, die diese Arbeit leisten können. Sie brauchen besondere kinderärztliche, pädiatrische Betreuung. Auch da müssen wir sehen, dass wir genug qualifizierte Ärzte haben. Und sie brauchen beides - nicht nur stationär im Krankenhaus, sondern auch ambulant.

Sie brauchen außer dieser besonderen Betreuung, bei der wir auf Ausbildung und Vernetzung und auf integrative Angebote achten müssen, aber noch mehr: Sie brauchen besondere Medikamente. Es gibt z. B. jetzt computergesteuerte Narkoseführung für Kinder unter einem Jahr. Diese wird gerade entwickelt. Viele Medikamente sind nicht an Kindern erprobt, weil so etwas bei uns gar nicht zugelassen ist. Darum ist die Frage, ob man sie richtig dosieren kann.

Kinder brauchen auch eine spezielle Schmerztherapie, und sie brauchen Menschen, die überhaupt erkennen, ob und wo sie Schmerzen haben. Kin

der können sich häufig nicht äußern, und dann kommt vielleicht gar nicht zutage, was wirklich notwendig wäre.

Schwer kranke Kinder brauchen Zeit, Verständnis und unsere gesamte Zuwendung. Sie müssen auch unbedingt ihre Familien dabeihaben; denn Kinder brauchen viel mehr als Erwachsene das familiäre Umfeld, mit dem sie sich austauschen können, ihre Eltern und Geschwister, die auch betreut werden müssen.

Und sie brauchen ein kindgerechtes Leben bis zum Tod, das wir ihnen ermöglichen sollten. In Großbritannien sterben 75 % der Kinder, die sterben, zu Hause. Dort ist es möglich. Bei uns ist es ungefähr der gleiche Prozentsatz an Kindern, die im Krankenhaus sterben. In Großbritannien wurde die Kinderhospizbewegung begründet. Diese ist 1990 nach Deutschland gekommen, aber bei uns noch viel zu wenig verbreitet. Wir brauchen also viel mehr Angebote, weil es für Kinder, wenn sie denn schon sterben müssen, besser ist, dass sie dann wenigstens in ihrem vertrauten Umfeld sind.

In Niedersachsen - das ist schon angesprochen worden - gibt es jetzt zwei Modellprojekte in Osnabrück und Vechta, bei denen diese integrative Versorgung ambulant und stationär erprobt werden soll. In diesem Fall ist die AOK mit im Boot und übernimmt auch die anfallenden Kosten, wenn ein Kind stirbt. In Niedersachsen versterben pro Jahr ungefähr 50 Kinder. Bei den Pilotprojekten sind auch andere Krankenkassen mit dabei. Es gibt aber auch Kassen, die sich dem entzogen haben, und die in zwei Fällen sogar die Kostenerstattung für die Betreuung von sterbenden Kindern abgelehnt haben. Das sind die DAK, die BEK und die TKK. Ich nenne diese ganz bewusst. Wir müssen viel Überzeugungsarbeit leisten, und zwar auch bei den Kassen, damit das nicht passiert, damit Kinder viel mehr als bisher die passende Betreuung bekommen und dass die Kosten auf jeden Fall abgedeckt sind.

(Zustimmung bei der CDU)

Fazit ist: Es ist schon einiges in Gang. Es gibt aber noch eine Menge zu tun. Wir brauchen weiterhin einen geballten Einsatz, um die Versorgung für schwerst kranke und sterbende Kinder weiterzuentwickeln. Unser gemeinsamer Antrag ist sicherlich ein guter Schritt dazu.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Für die Landesregierung hat nun Frau Dr. von der Leyen das Wort.