Protocol of the Session on October 27, 2004

Herr Kollege Wenzel, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Gabriel?

Gerne.

Herr Kollege Wenzel, ich wollte nur wissen, ob Sie es angesichts der hohen Wertschätzung, die der Kollege McAllister vorhin einer Landtagsdebatte beigemessen hat, angemessen finden, dass weder Herr McAllister noch zwei Drittel der Landesregierung anwesend sind?

Herr Kollege Wenzel, Sie haben das Wort.

Herr Gabriel, die Frage ist berechtigt. Wenn das Präsidium einverstanden ist, dann unterbreche ich die Rede, bis der Herr Ministerpräsident oder zumindest der Finanzminister wieder anwesend ist.

(Bernd Althusmann [CDU]: Er ist da! - Gegenruf von Sigmar Gabriel [SPD]: Aber der Rest ist nicht da! - Unruhe)

Herr Kollege Wenzel, Sie haben das Wort. Es liegt kein Antrag zur Geschäftsordnung vor. Sie können gern weiterreden.

(Sigmar Gabriel [SPD]: Die neue Ethik!)

Herr McAllister, Sie wollten Argumente und Verbesserungsvorschläge hören. Hier hören Sie sie.

(Sigmar Gabriel [SPD]: Die neue Ethik! - Unruhe)

Ich fahre fort. Der Innenminister ist leider auch nicht da, aber vielleicht hört er ja am Lautsprecher mit. Die Verwaltungsreform sollte das Gesellenstück der Regierung Wulff werden. Zu dem ganzen Zahlenschlamassel, Herr Schönecke, werde ich jetzt nicht Stellung nehmen. Ein anderer Punkt ist mir wichtig. Die im Kern richtige Abschaffung der Bezirksregierungen wird leider konterkariert, wenn ein Großteil der Kompetenzen jetzt weiter oben bei landesweit zuständigen Landesbehörden und Ministerien gebündelt wird. Wir hätten gerne die Regionen gestärkt. Aber hier wurde unser Innenminister offensichtlich vom Misstrauen getrieben. Die Kommunen erhalten nur wenige zusätzliche Kompetenzen. Ich fürchte, dass dieser Weg auch aus finanzpolitischer Sicht langfristig nur wenig spart, vielleicht sogar teuer wird.

Meine Damen und Herren, wir sind aber erst am Beginn der diesjährigen Haushaltsberatungen. Deshalb habe ich die Hoffnung, dass die Fraktionen im Landtag noch eine Reihe von Punkten korrigieren werden. Oder wollen Sie sich Ihr vornehmstes Recht aus der Hand nehmen lassen?

Schließen möchte ich, meine Damen und Herren, mit einem schönen Zitat: Wer die subsidiären Strukturen angreift, Ehrenamt in Frage stellt, Bildung beschneidet, soziale Beratungs- und Hilfseinrichtungen austrocknet, der untergräbt auf Dauer das Tragegerüst unserer Lebenswelt selbst. - Kennen Sie das Zitat, Herr McAllister? - Es stammt von Angela Merkel. Dem habe ich nichts hinzuzufügen, außer vielleicht die Feststellung im Andenken an Luis Trenker: Der Schuldenberg ruft, aber Minister Möllring antwortet nicht! - Herzlichen Dank.

(Starker Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Für die FDP-Fraktion hat sich Kollege Dr. Rösler zu Wort gemeldet. Bitte schön!

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Gestatten Sie, dass ich mit einem Zitat meines Fraktionsvorsitzendenkollegen, Herrn Stefan Wenzel, beginne, Hannoversche Allgemeine Zeitung vom 16. Oktober 2004 mit der Überschrift „Die Grünen sollen Hans Eichel auf die Füße treten“:

„‘Bundesfinanzminister Hans Eichel ist einfach zu weich.‘... Was der Bundesfinanzminister bisher vorgelegt habe, enttäusche ihn. ‚Da muss manches noch geändert werden.‘ Offenbar könne sich der Minister nicht richtig durchsetzen.“

Meine sehr verehrten Damen und Herren, lieber Herr Kollege Wenzel, da sind wir einmal einer Meinung. Der Bundesfinanzminister ist zu weich, und sein Haushalt ist es auch.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Zum Glück ist es in Niedersachsen anders. Wir haben eine starke Regierung Wulff/Hirche mit einem sehr starken, manchmal auch harten Finanzminister Hartmut Möllring, der in jedem Falle mutig ist, was die einen oder anderen im Hause zu spüren bekommen haben. Aber, meine sehr verehrten Damen und Herren, vor allem ist entscheidend: Er steht für eine solide, seriöse und stetige Haushaltsund Finanzpolitik.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Dafür ist der nun vorgelegte Haushaltsplanentwurf ein eindrucksvoller Beweis; denn wir sind in einer einmaligen katastrophalen haushalts- und finanzpolitischen Lage in unserem Land. Die Ursachen dafür sind bekannt: wegbrechende Steuereinnahmen auf der einen Seite und davon galoppierende Ausgaben für Pensionen, Gehälter, Versorgung, aber auch Zinslasten für die uns von allen Vorgängerregierungen hinterlassenen Schulden in Höhe von 46 bis 47 Milliarden Euro auf der anderen Seite.

Dabei - das sage ich ganz deutlich - ist keine Partei frei von Schuld. Jede der hier im Niedersächsischen Landtag vertretenen Parteien hat in den vergangenen 20 Jahren einmal mitregiert und mit dazu beigetragen, diesen Schuldenberg in Niedersachsen anzuhäufen. Vor diesem Hintergrund müssen alle Fraktionen mit dazu beitragen, diesen

Schuldenberg wieder abzubauen. Ich habe aber manches Mal das Gefühl, dass die jetzige Opposition ihre Verantwortung in diesem Bereich völlig vergessen hat.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Anstatt den soliden Sparkurs dieser Landesregierung zu unterstützen, blasen gerade diejenigen die Backen auf,

(Sigmar Gabriel [SPD]: Die Wangen!)

die in den vergangenen 13 Jahren allein die Hälfte der 46 Milliarden Euro an Schulden angehäuft haben. Wir hören Dinge wie „dreistes Bubenstück“, aber wer 13 Jahre lang auf Kosten der nachfolgenden Generationen gelebt hat und so etwas behauptet, handelt hochgradig unseriös.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Wir laden Sie alle ein, bei der Haushaltskonsolidierung mitzuwirken. Trotz aller Sparbemühungen, die wir bereits im Haushaltsjahr 2004 unternommen haben, ist es auch für den vorliegenden Haushaltsplanentwurf nicht gelungen, die Nettokreditaufnahme entsprechend den Vorgaben der Niedersächsischen Verfassung nicht über die Höhe der Investitionen steigen zu lassen. Gleichwohl halten die Landesregierung und die sie tragenden Fraktionen von CDU und FDP ganz klar an dem erklärten Ziel fest, diese Vorgabe bis zum Jahre 2008 wieder zu erfüllen. Dafür müssen wir jedes Jahr die Nettokreditaufnahme um 350 Millionen Euro senken. Das ist nicht ganz leicht. Wir kennen die Diskussion. Wir müssen harte Einschnitte durchführen. Wir wissen auch, dass es dabei um menschliche Schicksale geht. Das sind für uns nicht nur Einzeltitel, sondern wir wissen, dass hinter jedem Titel Arbeitsplätze und Schicksale stehen. Aber mit Verständnis allein, meine sehr verehrten Damen und Herren, kann man keine Haushalte konsolidieren. Deshalb sind wir bereit, auch die unangenehmen Dinge zu tun.

Wir hätten uns gewünscht, wenn die Vorgängerregierungen bereits vor 20 Jahren mit solider Haushaltsführung begonnen hätten. Dann sähe die Haushaltslage jetzt mit Sicherheit anders aus. Aber wir sind nun einmal nicht bei „Wünsch dir was“. Weil Sie zu feige gewesen sind, in den letzten 20 Jahren vernünftig zu sparen, meine sehr verehrten Damen und Herren, müssen wir jetzt doppelt und dreifach kürzen, sparen und konsolidieren.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Für uns ist Konsolidierung kein Selbstzweck, sondern die notwendige Voraussetzung für unser wichtigstes politisches Ziel, mehr Arbeitsplätze durch mehr Wachstum in Niedersachsen zu erreichen.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Wir kommen nur dann zu mehr Wachstum, wenn wir bereit sind, in den Haushalten zu sparen, wenn wir eine vernünftige, solide Wirtschaftspolitik machen und wenn wir bereit sind, Steuern zu senken. Ihr Vorschlag, nur Subventionen abzubauen, ist schlichtweg zu kurz gegriffen. Es ist völlig falsch, den Abbau von Subventionen nur zur Schließung von Haushaltslöchern zu missbrauchen, anstatt gleichzeitig die Chance zu Steuersenkungen zu nutzen. Wer Steuersubventionen und Subventionen abbaut, ohne gleichzeitig Steuern zu senken, greift den Menschen zweimal in die Tasche. Das ist Betrug am Bürger.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU - Stefan Wenzel [GRÜNE]: Milchmäd- chenrechnung!)

Alle Staaten, die ihre Haushalte in Ordnung gebracht haben - lieber Kollege Wenzel, das kann man bei unseren europäischen Nachbarn Spanien, Irland, Finnland sehen -, haben in der Folge weitaus höheres Wachstum, als wir es in Deutschland jemals erreichen können.

Vielleicht sollten sich auch Ihre Kollegen auf Bundesebene ein Beispiel daran nehmen. Ich würde mich über eine solide Finanzpolitik auf Bundesebene freuen. Letztlich zeigen die wegbrechenden Steuereinnahmen, dass wir uns diese rot-grüne Bundesregierung nicht mehr leisten können.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU - Ralf Briese [GRÜNE]: Die Regierung hat doch die Steuern ständig ge- senkt!)

Zum Glück sind Sie fast die Einzigen, die noch nicht gemerkt haben, wie pleite wir eigentlich sind, obwohl das nicht sonderlich schwer ist. Wir haben täglich 7 Millionen Euro an Zinsen zu zahlen. Es ist ziemlich offensichtlich, wie pleite wir sind. Es gab einmal einen Bundesfinanzminister, der Helmut Schmidt hieß. Er hat einmal in einer Debatte seine Hosentaschen nach außen gekrempelt, um zu zeigen, wie pleite das Land ist. Niedersachsen ist

dank Ihrer Regierungsarbeit der letzten 13 Jahre mittlerweile einen Schritt weiter: Wir stehen längst ohne Hosen da. Das ist sozusagen die nackte finanzpolitische Wahrheit Ihrer Regierungszeit, meine sehr verehrten Damen und Herren.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Sie haben uns einen heißen Herbst versprochen. Darauf warten wir noch. Die Temperaturen sind hoch, aber die Demonstrationen - das möchte ich an dieser Stelle feststellen - halten sich absolut in Grenzen, und zwar insbesondere im Vergleich zum Vorjahr. Das zeigt, dass die Menschen in Niedersachsen durchaus bereit sind, massive Einschnitte auch im finanziellen Bereich hinzunehmen, wenn sie nur sicher sein können, dass es durch die Einschnitte von heute morgen besser werden kann. Das dafür notwendige Vertrauen haben Sie auf Bundesebene durch Ihre Politik längst verspielt. Aber dieses Vertrauen hat die Regierungskoalition von CDU und FDP hier in Niedersachsen.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Der vorgelegte Haushaltsplanentwurf ist nicht nur ein Beitrag zur Konsolidierung, sondern auch Teil eines neuen Politikstils. Wir haben zu Beginn unserer Regierungszeit einen Koalitionsvertrag geschlossen, in dem unser Konsolidierungskonzept genau beschrieben worden ist. Wir sind gerade dabei, dieses Konsolidierungskonzept 1 : 1 umzusetzen. In Berlin kommt es relativ selten vor, dass Dinge, die vor der Wahl versprochen worden sind, nach der Wahl so verabredet und 1 : 1 eingehalten werden und dann auch funktionieren. Bei uns ist das anders. Wir versprechen Dinge, wir verabreden Dinge, wir halten sie ein, und sie funktionieren auch.

Niedersachsen ist gemeinsam mit Rheinland-Pfalz das einzige Bundesland, dem es gelungen ist, seine Nettokreditaufnahme im Vergleich zum Vorjahr zu senken. Das ist ein Verdienst dieses Finanzministers, seines Staatssekretärs und auch des Abteilungsleiters Ellerbrock und aller seiner Kollegen im Finanzministerium. Ihnen gebührt unser aller Dank.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Wir sind angetreten, künftig nur noch das Geld auszugeben, das wir zuvor eingenommen haben. Wir wissen, dass wir von diesem Ziel noch sehr, sehr weit entfernt sind. Trotzdem sagen wir, dass wir endlich an dieser Stelle anfangen müssen, um

von den reinen Ausgabehaushalten wegzukommen, hin zu sparsamen, soliden Konzepten. Das liegt nicht nur im Interesse der jetzigen Generation, sondern ist auch im Interesse aller nachfolgenden Generationen. Wenn wir morgen noch Pensionen und Gehälter zahlen, Straßen und Häuser bauen sowie Schulen und Hochschulen finanzieren wollen, müssen wir heute kürzen und sparen.

Ich möchte mit einem Artikel schließen. Damit hat uns der Kollege eine Steilvorlage geliefert:

„‘Die Geschichte kennt nur ganz wenige Beispiele, wie ein geordneter Abbau einer total überhöhten Staatsverschuldung gelungen ist.‘“