Protocol of the Session on February 18, 2004

Die Frauen von heute sind in aller Regel gut ausgebildet. Mädchen überflügeln heute bereits die Jungen bei den Schul- und Studienabschlüssen.

(Zustimmung bei der CDU)

Wenn diese Frauen dann vielleicht nach einem langen Studium mit anschließender Promotion einen anspruchsvollen Beruf gefunden haben, der von ihnen Mobilität und Flexibilität fordert, dann überlegen sie schon, ob sie darauf verzichten. Bei vielen Familien ist zudem das zweite Einkommen für den Lebensstandard wichtig. Bei uns ist es eben nicht so wie in Frankreich, wo es kein Problem ist, Kinder und Karriere zu kombinieren. Fehlende Betreuungseinrichtungen und starre Öffnungszeiten erschweren vielen Müttern die Rückkehr an den Arbeitsplatz. Auch die „Rabenmutter“ ist eine deutsche Erfindung, die in anderen Sprachen so nicht vorkommt. Oder möchte jemand behaupten, dass französische, britische oder skandinavische Kinder sozial und mental beeinträchtigt sind, weil ihre Mütter berufstätig sind?

Wir brauchen also einen Bewusstseinswandel.

(Zustimmung bei der CDU)

Deshalb freue ich mich sehr, dass die Niedersächsische Landesregierung Familienpolitik wieder auf die Tagesordnung gesetzt hat.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP - Bernd Althusmann [CDU]: Endlich wieder!)

Wenn wir dieses Thema jetzt nicht ernsthaft anpacken, dann brauchen wir uns keine Gedanken mehr über Hebammen, Tagesmütter oder Kinderkliniken zu machen, sondern allenfalls über Senioreneinrichtungen und Pflegeheime. - Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Für die SPD-Fraktion hat nun die Abgeordnete Groskurt das Wort. Ich erteile es ihr.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Sie haben bei der Berichterstattung schon gehört, dass wir uns im Ausschuss einig waren. Aber es ist ja schöner parlamentarischer Brauch, dass jede Fraktion auch noch sagt, wie sie zu dieser Einigung gekommen ist. Das möchte ich jetzt gerne tun.

(Norbert Böhlke [CDU]: Aber kurz und bündig! - Gegenruf von Hans-Dieter Haase [SPD]: Aber nicht kürzer als eure!)

- Kurz und bündig; ich werde mich daran halten, Herr Böhlke.

Zu Beginn meiner Ausführungen möchte ich mich bei Herrn Hederich vom Gesetzgebungs- und Beratungsdienst bedanken. Herr Hederich hat natürlich mit kompetenter Fachkenntnis, aber darüber hinaus mit vorbildlicher Geduld auch die kleinsten Anregungen aufgenommen, diskutiert, erklärt und in das Gesetz über die Ausübung des Hebammenberufs eingearbeitet.

(Zustimmung bei der CDU, bei der SPD und bei der FDP)

Die bereits von der vorherigen Landesregierung vorbereitete und von der neuen Landesregierung vorgelegte Gesetzesvorlage konnte mit dieser Unterstützung zügig beraten werden.

In der Sitzung am 30. Oktober wurde der Gesetzentwurf ohne erste Beratung direkt an den Ausschuss überwiesen. Das Niedersächsische Hebammengesetz ist seit dem 21. Dezember 1938 in Kraft. Ich finde, dieses Datum sagt alles über die dringende Notwendigkeit, das Gesetz der heutigen Gesundheitssituation und der medizinischen Entwicklung anzupassen. Die in diesem Gesetz gel

tenden Vorschriften entsprechen nicht mehr der Berufswirklichkeit.

Bereits im Juni 2002 hat die SPD-Fraktion einen Antrag gestellt, u. a. gemeinsam mit dem Niedersächsischen Hebammenverband verstärkt für die Schwangerenvorsorge- und Geburtsvorbereitungskurse und die Wochenbettnachsorge sowie Stillberatung durch Hebammen zu werben.

(Hans-Dieter Haase [SPD]: Schon damals!)

- Das war schon 2002. - Hintergrund des Antrages war die unbefriedigende Tatsache, dass lediglich 50 % der Wöchnerinnen nach der Entlassung aus der Klinik eine Wochenbettbetreuung in Anspruch nehmen und nur ca. 50 % aller Kinder gestillt werden. Besorgniserregend ist, dass die Quote der voll- oder teilgestillten Kinder sechs Monate nach der Geburt nur noch bei 20 % liegt. Neuere Studien zeigen deutlich auf, dass gerade eine längere Stilldauer nach der Geburt gesundheitlichen Gefahren und Fehlentwicklungen von Kindern, z. B. der Gefahr von Allergien, vorbeugen kann. Ein wichtiger Aspekt war deshalb, in das Gesetz deutlich aufzunehmen, dass Hebammen Mütter über die Ernährung und Pflege des Neugeborenen, insbesondere über das Stillen, beraten und sie beim Stillen auch anleiten.

Mit dem Gesetzentwurf - das haben wir eben schon gehört; ich wiederhole das trotzdem, weil das wichtig ist - sollen Rechte und Pflichten, die bei der Ausübung des Hebammenberufs zu beachten sind, verbindlich geregelt werden, insbesondere diejenigen, die sich aus EU-Richtlinien herleiten und der Umsetzung durch die Landesgesetzgeber in nationales Recht bedürfen. Dieser Regelungsbedarf ist in der Bedeutung und Verantwortung des Hebammenberufs für die gesundheitliche Versorgung der Bevölkerung begründet. Ferner können Vorschriften aufgehoben werden, die durch die Veränderung des öffentlichen Gesundheitswesen entbehrlich geworden sind.

Die SPD-Fraktion befürwortete im Ausschuss ein baldiges In-Kraft-Treten des Gesetzes mit der Begründung, für die Hebammen bald eine aktuelle, sichere Arbeitsgrundlage zu schaffen. Dieses Ansinnen liegt auch im Interesse des Hebammenverbandes. Das ist bei dem fast biblischen Alter des Gesetzes sehr gut nachvollziehbar.

Die Fraktionen waren sich im Ausschuss darüber einig, dass bei einer umfassenden Beratung auf

eine Anhörung im Ausschuss verzichtet werden könne, wie Frau Kohlenberg eben schon erwähnt hat.

Es ist dringend notwendig, den Hebammen mit diesem Gesetz Rahmenbedingungen und Rechtssicherheit für ihre Tätigkeit zu geben, die sie in großer eigener Verantwortung ausüben müssen. Eigene Verantwortung bedeutet auch, die im Gesetz genannten Berufspflichten zu erfüllen. Hierbei war uns der Aspekt der Teilnahme an Fortbildungsveranstaltungen besonders wichtig, die in der Gesetzesvorlage festgeschrieben wurden. Das bedeutet, dass Hebammen verpflichtet sind, in längstens dreijährigem Abstand an Fortbildungsveranstaltungen teilzunehmen. Diese Veranstaltungen müssen wissenschaftliche Themen zur Schwangerschaftsbetreuung, zur Geburtshilfe und zur Wochenpflege umfassen. Dies war im bisherigen Gesetz nicht so detailliert gefordert.

Nur, sehr geehrte Damen und Herren, ein bestens ausgearbeitetes Hebammengesetz allein unterstützt nicht das Anwachsen der Geburtenrate. Wie wir heute auch im rundblick wieder lesen konnten - das wurde eben schon erwähnt -, sind wir in Deutschland auf dem Abwärtsweg, was unsere Geburtenzahlen angeht.

Leider ist es auch verboten, dass Hebammen, wie auch einige andere Berufsgruppen, für sich werben. Außer einem Praxisschild und, wie es im Gesetz heißt, „in einer Weise zu werben, die in Form und Inhalt dem Berufsbild angemessen über ihre Tätigkeit unterrichtet“, hat sie überhaupt keine Möglichkeit, ihre Hilfe und Unterstützung anzubieten. Daher war es auch dem Ausschuss nicht möglich, für Niedersachsen eine andere Regelung zu erreichen, obwohl es wünschenswert und vielleicht etwas hilfreich wäre. Die Chance, mit guter Werbung gute Ergebnisse zu erzielen, ist groß. Doch Hebammen müssen darauf verzichten. Da aber jede und jeder von uns bereits die Hilfe von Hebammen angenommen hat - davon gehe ich einmal aus -, sollten wir das von unserer Seite aus unterstützen. Der Phantasie sind da keine Grenzen gesetzt.

Nun noch eine kleine Erklärung speziell für die Herren des Parlaments.

(Wilhelm Heidemann [CDU]: Da bin ich aber gespannt!)

- Das lohnt sich auch. - Die Vorschriften dieses Gesetzes, die sich auf Hebammen beziehen, gel

ten auch für Entbindungspfleger. Wir haben im Ausschuss für Soziales, Frauen, Familie und Gesundheit selbstverständlich immer auch die Gleichstellung im Blick.

Nachdem ich mich am Anfang bei Herrn Hederich bedankt habe, möchte ich auch die gute Zusammenarbeit im Ausschuss betonen und mich im Namen der SPD-Fraktion bei CDU, FDP und Bündnis 90/Die Grünen bedanken. Ich freue mich, dass wir die Empfehlungen einvernehmlich beschlossen haben. Des Weiteren hoffe ich, dass auch die Hebammen und Entbindungspfleger - wie der Niedersächsische Hebammenverband - das Gesetz gutheißen und bejahen. - Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall im ganzen Hause)

Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat sich die Abgeordnete Frau Janssen-Kucz zu Wort gemeldet. Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Auch von unserer Seite möchte ich ein großes Lob an den GBD richten. Es war wirklich einmalig, wie sich Herr Hederich in diese für ihn, glaube ich, doch fremde Materie eingearbeitet hat. Dies war den Beratungen im Ausschuss sehr dienlich.

Wir werden dieses Gesetz höchstwahrscheinlich einstimmig verabschieden

(Zustimmung bei den GRÜNEN)

und damit das Hebammengesetz von 1938 sowie die zahlreichen Verordnungen von 1939, 1941 und 1942 ad acta legen. Das bis jetzt existierende Hebammengesetz basiert immer noch auf dem Gesetz für den öffentlichen Gesundheitsdienst (ÖGD) aus dem Jahre 1934. Diese Jahreszahlen machen deutlich, wie wichtig die Verabschiedung des von der Landesregierung vorgelegten Gesetzentwurfs ist. Dadurch wird aber auch deutlich, wie dringend notwendig die Erarbeitung eines neuen Gesundheitsdienstgesetzes ist. Das muss das Nächste sein, was im Ausschuss auf den Tisch kommt. Das immer noch existierende Gesetz für den öffentlichen Gesundheitsdienst aus dem Jahre 1934 muss ersetzt werden, und es muss ein zeitgemäßerer Aufgabenkanon für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des ÖGD festgelegt werden.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Doch zurück zum Hebammengesetz. Der vorliegende Entwurf enthält endlich eine Neubestimmung und -ausrichtung des Hebammenberufes. Mit dem Gesetzentwurf ist es ferner gelungen, eine einigermaßen ganzheitliche Sichtweise zu implementieren und ein EU-konformes Gesetz auf den Weg zu bringen.

Ich möchte den Blick ein bisschen in die Vergangenheit schweifen lassen. Bis Ende der 40er-Jahre fanden bis zu 90 % der Geburten zu Hause statt. Das war völlig normal und führte nicht zu höheren Komplikationen. Im Gegenteil, die Zahl der bei Geburten in Kliniken geschädigten Kinder ist nicht unbedeutend. Die Klinik bietet also mitnichten aus sich selbst heraus eine größere Sicherheit für die gebärenden Frauen.

Der natürliche Vorgang einer Geburt ist nach dem Krieg von der versammelten Ärzteschaft - das werden einige sicherlich nicht gerne hören - planmäßig medizinialisiert worden,

(Unruhe - Glocke des Präsidenten)

um einen Bereich an Land zu ziehen, der gute Einnahmen für die Geburtshilfeabteilungen der Kliniken brachte. Die Hebammen wurden genötigt, ihre Tätigkeiten in die Kliniken zu verlagern, wenn sie die Frauen bei der Geburt weiter begleiten wollten. Im Übrigen ist es heute noch so, dass Hebammen, die vor der Geburt Frauen beraten und untersuchen, im Falle einer Geburt in der Klinik die Wöchnerinnen dort nicht automatisch weiter betreuen dürfen. Das ist nur bei Belegbetten möglich. Das ist keine ganzheitliche Betreuung und bleibt unbefriedigend.

(Zustimmung bei den GRÜNEN)

Ich meine, die Geburt eines Kindes gehört in den Mittelpunkt der Familie und kann nicht reine Angelegenheit des Krankenhauses sein. - Das war ein kleiner Exkurs.

(Zuruf von der CDU: Sie sollten es den Familien überlassen, wie sie das machen wollen!)

- Ich weiß, dass das zu Diskussionen führt.

Ich möchte noch einen Blick in die Zukunft wagen. Wir haben drei Modellprojekte „Familienhebammen“. Sie haben wichtige Erkenntnisse gebracht und sind der richtige Weg für die zukünftig wahr

zunehmenden Tätigkeiten von Hebammen. Doch das Modellprojekt, finanziert vom Land und der Klosterkammer, in Trägerschaft der Stiftung „Kinder in Not“ läuft nur noch bis Oktober 2004. Es ist dringend notwendig, über die Anschubfinanzierung hinaus ein Gesamtkonzept plus Finanzierung auf den Weg zu bringen. Das ist auch eine Aufgabe, der wir uns umgehend stellen müssen. Wir dürfen ein Projekt, das so positiv bewertet wird, nicht im Sande verlaufen lassen.