Protocol of the Session on December 14, 2007

(Widerspruch bei der CDU)

- Ja, das ist doch so. Sie haben dies hier wieder verteidigt, meine Damen und Herren!

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Die Wirtschaftsforschungsinstitute sagen uns bis 2020 voraus, dass die Umwelttechnologiebranche die Automobilindustrie überrunden wird. Die Automobilindustrie ist aber der Wirtschaftszweig, der für Niedersachsen von ganz entscheidender Bedeutung ist. Für Niedersachsen ist nicht egal, wie sich hier die Umsatzzahlen entwickeln.

Die Entlassungen bei Karmann, die Entwicklung in der Luft- und Raumfahrttechnik bei Airbus - auch dort stehen wir vor schweren Entscheidungen. In Varel und in Nordenham wird sich entscheiden, ob Niedersachsen den Anschluss an die CFK

Technologie findet oder ob hier Werkbänke für auslaufende Modelle stehen.

Bei VW sitzen Sie jetzt am Katzentisch. Den Ton geben andere an. Fünf Jahre hatten Sie Zeit, die Krise bei Karmann zu erkennen, Herr Wulff. Fünf Jahre hatten Sie Zeit für eine technologische Neuorientierung oder eine Unterstützung bei den Aufträgen. Erst als bei Airbus das Kind in den Brunnen fiel, haben Sie erkannt, dass CFK eine

Schlüsseltechnologie ist. Jetzt droht die Abwanderung von Investitionen nach Bayern.

Fünf Jahre hatten Sie Zeit, den Tiefwasserhafen zu planen. Das Desaster zu beschreiben, erspare ich mir an dieser Stelle. Wir können doch täglich nachlesen, wie sich Ihre Geschäftsführer gegenseitig der Lüge bezichtigen und sich Ihr Wirtschaftsminister um die Ecke drückt.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Dann musste Ihnen die Bauindustrie vorrechnen, dass Sie noch nicht einmal die Elektrifizierung der Bahnstrecke nach Wilhelmshaven finanziert haben, meine Damen und Herren. Die Offshorewindparks hängen ebenfalls hinterher. Erst haben Sie sie als „Spargel“ bekämpft, Herr Sander, und dann haben Sie nur halbherzig geplant. Jetzt hat Herr Sander wohl versehentlich auch noch in Holland geplant, mit noch nicht absehbaren Folgen.

Meine Damen und Herren, das Projekt Weserrenaissance: nicht Wiedergeburt, sondern Totgeburt, teuer und dilettantisch, Herr Wirtschaftsminister.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Ich frage Sie: Wie kommt es zu dieser Häufung von Pannen und Fehlentscheidungen? Was haben all diese Beispiele gemeinsam? - Gemeinsam haben sie eines: Es geht um Arbeitsplätze, es geht um viele Arbeitsplätze, es geht um Arbeitsplätze hier in Niedersachsen, und es geht um verpasste Chancen.

Welche Rolle, Herr Wulff, haben Sie denn in dieser Zeit gespielt? - Lange Zeit gar keine. Sie waren mit Ihrer Karriere beschäftigt. Sie waren mehr in Berlin als in Hannover, klagte Ihre Fraktion.

(Hans-Christian Biallas [CDU]: Das ist ja Blödsinn! - Ernst-August Hop- penbrock [CDU]: Unsinn! - Weitere Zurufe von der CDU)

Sie haben die Kultusministerkonferenz belehrt. Sie haben sich um die Rechtschreibreform gekümmert und haben daran herumgemäkelt. Zu jeder bundespolitischen Sau, die durchs Dorf getrieben wurde, haben Sie einen schlauen Kommentar abgegeben. Dann haben Sie Funkenmariechen geküsst und Kängurus getauft, meine Damen und Herren.

(Beifall bei den GRÜNEN - Dr. Philipp Rösler [FDP]: Schlimmer wäre es um- gekehrt! - Weitere Zurufe)

Das war Ihnen offenbar wichtiger.

Ich möchte noch eine weitere wirtschaftspolitische Weichenstellung ansprechen, die Sie verschlafen haben, Herr Wulff. Unsere mittelständischen Unternehmen konkurrieren heute mit Firmen in Taiwan, in Japan, in Korea, in Brasilien und in China. Sie brauchen die besten Mitarbeiterinnen und die kreativsten Köpfe, die unser Land hat. Wie findet man diese Mitarbeiterinnen? - Am besten, indem man sie selber ausbildet. Am besten, indem man unsere Kindergärten, Schulen und Hochschulen so gestaltet, dass Kreativität, Eigeninitiative, Teamfähigkeit, Selbstbewusstsein, Mut und Neugierde gefördert werden. Aber, meine Damen und Herren, davon sind unsere Schulen weit entfernt.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, noch bevor unsere Kinder die verschiedenen Berufe überhaupt kennenlernen oder ahnen, welche Berufe es gibt, Frau Körtner, hat der Kultusminister längst festgelegt, dass die Zukunftswege vieler Kinder verbaut sind.

(Joachim Albrecht [CDU]: Das stimmt gar nicht!)

Da hat der Kultusminister die Kinder längst in Sackgassen geschickt oder entschieden, dass sie Sozialhilfeempfänger werden sollen.

(Karl-Heinz Klare [CDU]: Das ist ja der größte Blödsinn! Das kann man gar nicht hören! - Weitere Zurufe von der CDU)

- Hören Sie jetzt einmal genau zu, meine Damen und Herren von der CDU und der FDP! - Nichts anderes blüht einem Kind, das von Ihren gegliederten Schulen ohne Schulabschluss in die Welt entlassen wird. Das ist doch so!

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD - David McAllister [CDU]: Das ist doch rote Grütze!)

Wenn hier nicht in Richtung einer Schule umgesteuert wird, die beflügelt, die befähigt, die belebt, dann wird es schwer. Ich sage Ihnen eines, Herr McAllister: Unsere Idee von Schule wird sich dem Wettbewerb stellen. Wir sind überzeugt, dass sie besser ist. Wir werden sie in Kooperation mit den Schulträgern einführen. Wir werden allen Schulen, die am Anfang nicht sofort dabei sind, sehr gute exzellente Qualitätsstandards abverlangen.

Meine Damen und Herren, Herr Wulff, am Ende Ihrer Regierungszeit haben Sie den Niedersachsen noch ein lausiges Geschäft anzubieten: Sie werfen Ihr lächelndes Fernsehgesicht und Ihre steile Popularität in die Waagschale und wollen, dass darunter die Kreuze gemacht werden. Aber, meine Damen und Herren: Wer Wulff wählt, der wählt auch das Versagen im Klimaschutz, das Festhalten an den atomaren Risiken, das Missmanagement in seinem Wirtschaftsressort, den Überwachungswahn und die Verfassungsbrüche seines Innenministers, die Gentechniklobby in der Landwirtschaft, die Zögerlichkeit in der Sozial-, Jugendund Familienpolitik, die Schattenhaushalte des

Finanzministers, die Studiengebühren und den emsländischen Quadratschädel, der nicht begreifen will, wie die Schule von morgen aussehen muss.

(Lebhafter Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD - Widerspruch bei der CDU)

Herr Kollege, für diesen Begriff erteile ich Ihnen einen Ordnungsruf.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Dieser Begriff ist beleidigend und gehört nicht hierher. - Bitte, fahren Sie fort!

Meine Damen und Herren, ich kann den Niedersachsen nur sagen: Schauen Sie sich genau an, wo Sie am 27. Januar auf dem Stimmzettel Ihr Kreuz machen. Die Wahl ist kurz, die Reue ist lang.

(Zurufe von der CDU - Hans-Christian Biallas [CDU]: Kann der sich denn al- les erlauben? - Unruhe - Glocke des Präsidenten)

Die Wahl ist kurz, liebe Kolleginnen und Kollegen, aber die Reue ist lang. Der heute vorliegende Haushalt enthält nicht die notwendigen Weichenstellungen für die Zukunft Niedersachsens. Er verwaltet den Status quo. Wir werden ihn deshalb ablehnen. - Herzlichen Dank.

(Starker, anhaltender Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Das Wort hat der Kollege Rösler. Bitte schön!

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Als ich mich Anfang dieser Woche auf diese Rede vorbereiten wollte, dachte ich: Das wird ganz einfach gehen. Es gibt mit Sicherheit eine Menge Steilvorlagen. Sicherlich gibt es wieder viele peinliche Zitate von Wolfgang Jüttner.

(Professor Dr. Albert Lennartz [GRÜ- NE]: Dieses Mal gab es die von McAl- lister!)

Allerdings gebe ich zu: Dieses Mal bin ich kaum fündig geworden, eigentlich fast gar nicht. Das eine Zitat von vorgestern von Herrn Schack sagt nur, dass Ihre eigenen Parteikollegen überhaupt gar nicht mehr daran glauben, dass Sie die Wahl gewinnen können. Aber dass die Sozialdemokraten diese Wahl nicht gewinnen können, ist für diese Seite des Hauses sicherlich nichts Neues.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Wir machen uns ein bisschen Sorgen um Sie.

(Werner Buß [SPD]: Das lasst mal lie- ber sein!)

In 43 Tagen ist Landtagswahl. Seit Sie Spitzenkandidat sind, hört man nichts mehr von Ihnen, sieht man nichts mehr von Ihnen, liest man nichts mehr von Ihnen. Wir alle hier im Hause fragen uns: Wo ist sie eigentlich, die gute alte Tante SPD?

(Beifall bei der FDP und bei der CDU - Karin Stief-Kreihe [SPD]: Sie lesen wohl keine Zeitung mehr!)

Sie haben in dieser Haushaltsdebatte versucht, Ihr arg ramponiertes Image gerade als Sozialpartei wieder ein bisschen aufzumöbeln. Ich kann nach zweieinhalb Plenarsitzungstagen jetzt festhalten: Gelungen ist Ihnen das definitiv nicht. Sie machen nach wie vor noch Politik gerade gegen die

Schwächsten in unserem Lande.

(Zuruf von der SPD: Wer soll Ihnen das denn glauben?)

Es fängt schon bei den Kindern an. Anstatt ihnen Chancengerechtigkeit durch Bildungsgerechtigkeit zu geben, starten Sie hier einen Generalangriff auf unser bewährtes Schulsystem.