Protocol of the Session on October 19, 2007

- Herr Möhrmann, ich möchte mir von Herrn Jüttner - obwohl er es nur fünf Minuten vorher hätte hören können - keine falschen Dinge unterjubeln lassen.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Ich merke nämlich, dass das Methode ist. Ich glaube, Herr Jüttner - ich sage es einmal etwas zurückhaltend -, dass wir uns alle davor hüten sollten, in einer Situation, in der wir möglicherweise Streit in der Sache haben, dem anderen eine falsche Position zuzuschreiben, damit man im Anschluss daran auf einen Buhmann einschlagen kann. Lassen Sie uns auf den Streit in der Sache konzentrieren, der auch fortbestehen wird, aber nicht die Personen in dieser diffamierenden Weise einbeziehen!

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Wir kommen damit zur Ausschussüberweisung.

(Zuruf von Amei Wiegel [SPD])

- Frau Wiegel, hatten Sie sich zu Wort gemeldet?

(Amei Wiegel [SPD]: Nein!)

- Gut. - Wir kommen also zur Ausschussüberweisung.

Federführend soll der Ausschuss für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr sein, mitberatend sollen der Ausschuss für Bundes- und Europaangelegenheiten und Medien, der Ausschuss für Rechts- und Verfassungsfragen sowie der Ausschuss für Haushalt und Finanzen sein. Wer so entscheiden möchte, den bitte ich um sein Handzeichen. - Die Gegenprobe! - Das ist einstimmig so beschlossen worden.

Ich rufe vereinbarungsgemäß zur gemeinsamen Beratung auf

Tagesordnungspunkt 33: Erste Beratung: Entwurf eines Gesetzes zur Änderung der Niedersächsischen Verfassung - Gesetzentwurf der Fraktion der SPD - Drs. 15/4105

und

Tagesordnungspunkt 35: Zweite Beratung: a) Junge Menschen nicht länger ohne Perspektive lassen - Verantwortung für Berufsausbildung übernehmen - Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen - Drs. 15/3567 - b) Recht auf Ausbildung für Jugendliche - Initiative für 10 000 Ausbildungsplätze starten - Antrag der Fraktion der SPD - Drs. 15/3579 - Beschlussempfehlung des Kultusausschusses - Drs. 15/4123

und

Tagesordnungspunkt 36: Erste Beratung: Berufliche Bildung stärken - Perspektiven für junge Menschen entwickeln - Fachkräftenachwuchs sichern - Antrag der Fraktionen der CDU und der FDP - Drs. 15/4112

Die Beschlussempfehlung des Kultusausschusses in der Drucksache 15/4123 lautet auf Ablehnung.

Zur Einbringung des Gesetzentwurfs erhält zunächst Herr Schwarz für die SPD-Fraktion das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die SPD-Fraktion hatte bereits im Januar dieses Jahres - - -

Herr Schwarz, ich möchte Sie kurz unterbrechen. Hier gibt ständig ein Handy Laut. Man kann jedes Handy auf „lautlos“ stellen. Ich bitte, das zu tun oder mit dem Gerät den Saal zu verlassen.

Die SPD-Fraktion hatte bereits im Januar dieses Jahres einen Gesetzentwurf zur Verankerung von Kinderrechten in der Landesverfassung eingebracht. Dieser Entwurf und das Thema wurden monatelang von den Koalitionsfraktionen mit spitzen Fingern angefasst, meine Damen und Herren.

In der Debatte stellte Herr Professor Zielke seinerzeit fest, dass es sich bei dem Antrag wohl um eine ideologische Verblendung von SPD-Politikern handelt, und Frau Mundlos stellte vorher schon in der Braunschweiger Zeitung fest - ich zitiere -: Es kommt doch auf die Maßnahmen an, und der Schutz der Menschenwürde steht bereits in der Verfassung.

Vorsichtshalber haben sich CDU und FDP dann von einem in der Fachszene als krasser Außenseiter in dieser Frage bekannten Verfassungsrechtler ein Gefälligkeitsgutachten erstellen lassen mit dem wenig überraschenden Ergebnis, der SPD-Vorschlag würde - so in etwa - den Untergang des Abendlandes bedeuten und höchstens eine unverbindliche Staatszielbestimmung in der Landesverfassung sei zumutbar.

Kinderschutz und Tierschutz sollten den gleichen Verfassungsrang haben. So stellen sich CDU und FDP das Kinderland Niedersachsen vor. - Mit uns, meine Damen und Herren, nicht! Das kann ich Ihnen garantieren.

(Beifall bei der SPD)

Einen ganzen Satz, maximal zwölf Wörter, ist Ihnen der Kinderschutz in der Verfassung wert!

Sie wissen genau, dass ein Staatsziel allein für Kinder und Jugendliche nichts, aber auch gar nichts bewirkt. Klar, dass es Ihnen unter dieser Voraussetzung peinlich war, Ihren Gesetzentwurf hier im Parlament beraten zu lassen. Sie haben es vielmehr vorgezogen, ihn ohne erste Debatte gleich an die Ausschüsse zu überweisen.

Dies ist wiederum ein leicht durchschaubarer Versuch der Regierungskoalition, ein sensibles, aber ungeliebtes Thema möglichst nur symbolisch und ohne jede Substanz zu besetzen, um sich so über den Wahltermin zu lavieren, meine Damen und Herren.

(Zustimmung bei der SPD)

Diese Ihre Taktik war spätestens mit der Sachverständigenanhörung im Sozialausschuss am 10. Oktober beendet. Von 14 Verbänden haben 13 Verbände - ich wiederhole: 13 Verbände - den Gesetzentwurf von CDU und FDP völlig in der Luft zerfetzt.

Eine Kostprobe! Die Wohlfahrtsverbände stellen fest: Der SPD-Entwurf ist der weitergehende, weil Kindern darin eigene Grundrechte eingeräumt werden.

(Zustimmung bei der SPD - Unruhe)

- Wenn Herrn Althusmann das nicht interessiert, könnte er seine Gespräche vielleicht auch woanders führen. - Die LAG unterstützt daher den SPDEntwurf.

(Bernd Althusmann [CDU]: Wir haben gerade über den Fortgang der Ab- wicklung der Tagesordnung gespro- chen!)

- Ja, ich weiß. Das ist genau die Grundeinstellung, die Sie zu Kinderrechten in der Verfassung haben.

(Beifall bei der SPD - Bernd Althus- mann [CDU]: Was sind Sie denn für einer? Sie wissen doch gar nicht, worum es geht!)

- Im Gegensatz zu Ihnen weiß ich ab und zu, wovon ich rede, Herr Kollege Althusmann!

(Bernd Althusmann [CDU]: Das war mir klar! Aber jetzt sage ich nichts mehr! Sonst rutscht mir noch etwas heraus! - Glocke der Präsidentin)

Die LAG Elterninitiativen stellt fest: Die Rechte der Kinder sollten nicht nur als Staatsziel formuliert werden, wie es CDU und FDP vorsehen.

Das Deutsche Kinderhilfswerk führt aus: Ein verfassungsrechtlicher Konsens des Landesgesetzgebers muss mehr sein als nur ein deklaratorisches Staatsziel. Der SPD-Gesetzentwurf wird von uns begrüßt.

Ich könnte Ihnen noch zehn weitere solcher Stellungnahmen mit gleichem Inhalt vorlesen, meine Damen und Herren.

Im Gegensatz zu den Äußerungen der Experten erklärte dennoch Frau Mundlos nach der Sitzung in einer Presseinformation völlig unbeirrt: Staatsziel ist der beste Weg.

Meine Damen und Herren, entweder war Frau Mundlos in einer anderen Veranstaltung, oder sie wollte die Anhörung im Nachhinein zur Farce machen.

Die Pressemitteilung, die die CDU daraufhin herausgegeben hat, eignet sich allenfalls als Manuskriptvorschlag für das spritzige ZDF-Kabarett „Neues aus der Anstalt“.

(Zustimmung bei der SPD)

Die Anhörung machte Nachbesserungsbedarf im Falle unseres Gesetzentwurfs vor allem in zwei Punkten deutlich. Erstens. Mehr Beteiligungsrechte für Kinder und Jugendliche. Zweitens. Das Recht auf Bildung und Ausbildung muss stärker verankert werden.

Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf zur Aufnahme des Rechts auf Ausbildung in die Niedersächsische Verfassung nimmt die SPD-Fraktion umgehend den ersten der beiden Vorschläge aus der Expertenanhörung auf. Bildung und Berufsausbildung sind für junge Menschen die unabdingbare Voraussetzung für eine intakte Persönlichkeitsentwicklung und die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben.

Auch aktuell fehlen in Niedersachsen wieder über 40 000 Ausbildungsplätze. Die Folgen sind für die Jugendlichen schulische Warteschleifen. Alle Appelle, Lehrstellenversprechungen und Notprogramme konnten diesen Skandal bislang nicht beseitigen. Hauptleidtragende sind übrigens dank Ihres ideologisch völlig festgefahrenen Schulsystems vor allem die Hauptschülerinnen und Hauptschüler.

(Zustimmung bei der SPD)

Meine Damen und Herren, angesichts dieser Ausgangslage müssen wir dem Recht auf Ausbildung einen verfassungsrechtlichen Status verleihen, so wie in vielen anderen Landesverfassungen auch geschehen.

Damit es an dieser Stelle keinen Zweifel gibt: Symbolpolitik hat diese Regierung in der Kinder- und Jugendpolitik gerade in den letzten Monaten wirklich bis an die Schmerzgrenze betrieben.