Protocol of the Session on July 12, 2007

(Beifall bei der CDU)

Im Übrigen haben wir gerade, was die Verantwortung des Staates angeht, aufseiten der Landesschulbehörde, wie Sie es aber im Antrag und in der

Begründung fordern, keinerlei Aufgaben abgebaut. Frau Korter, genau dann würden die Schulen alleingelassen werden, und das wollen weder Sie noch ich. Im Gegenteil: Wir wollen gewährleisten, dass die Schulen vorankommen, wenn sie nach den Inspektionen Handlungsbedarf haben - deshalb auch die von Ihnen genannten Trainer und Schulentwicklungsplaner.

Wenn Sie im Übrigen ausrechnen, pro Schule stehe nur ein Tag zur Verfügung, ist darauf hinzuweisen, dass diese Fachleute in erster Linie für diejenigen Schulen da sind, die Handlungsbedarf haben. Sie wollen sie den Schulen doch hoffentlich nicht immer ungerufen auf den Pelz schicken?

Das, was ansonsten dort geschehen wird, wie Projektmanagement, Begleitung von Unterrichtsund Qualitätsentwicklung, sind alles Bausteine genau dessen, was Sie alles wollen. Vergessen Sie nicht die umfangreichen Programme zur Qualifizierung der Schulleiter, die zurzeit laufen. Die Schulleiter sind immerhin die Hauptansprechpartner für Lehrerinnen und Lehrer an den Schulen, und sie sind jetzt noch stärker als in der Vergangenheit für die Qualität an den Schulen verantwortlich. Wenn sie gut vorbereitet sind, Frau Kollegin Korter, dann können sie vor Ort in der Schule Qualitätsverlusten vorbeugen oder auch helfen, diese auszugleichen. Die bisher gelaufenen Qualifizierungskurse und ihre Auswirkungen auf die Inspektion haben jedenfalls genau zu diesen Ergebnissen geführt. Erkennen Sie an: Das ist ein hervorragendes Zeichen für die Zukunft.

Natürlich ist auch das Zusammenspiel von externer und interner Evaluation wichtig, etwa zwischen Vergleichsarbeiten und Schulinspektionsergebnissen, woraus die Schule dann ihren eigenen Handlungsbedarf ableiten kann. Genau das gehört zum Wesen von Eigenverantwortlicher Schule.

Einen Topf mit 15 Millionen Euro zum Bedienen ist nicht das, was wir extra brauchen. Das System als Ganzes muss stimmen. Das haben auch Sie eben nicht geliefert.

Meine Damen und Herren, im Zusammenhang mit diesem Thema ist vieles gesagt worden. Als letzten Punkt möchte ich erwähnen, wie produktiv sich der Landeselternrat in die Qualifizierung der Schulvorstände einbringt.

Zu Ihrem Antrag stelle ich fest - im April hatten wir übrigens so etwas Ähnliches als Kleine Anfrage von der SPD -: Es ist schon vieles gefragt worden,

aber eben noch nicht von jedem. Deshalb haben Sie heute, so vermute ich, diesen Antrag gestellt.

(Zustimmung von Hans-Werner Schwarz [FDP])

Ich stelle im Gegenteil fest: In Niedersachsen läuft im Zuge der Einrichtung der Eigenverantwortlichen Schule geradezu eine Offensive zur Qualitätsentwicklung. Ihr Antrag ist angesichts dessen trotz ganz spektakulärer Forderungen relativ gegenstandslos. - Danke schön.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Herzlichen Dank. - Zu einer Kurzintervention erteile ich jetzt Frau Kollegin Korter das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Frau Bertholdes-Sandrock, Sie haben eben gesagt, nur ein Bruchteil der Schulen sei bei den Inspektionen als dringend verbesserungswürdig erkannt worden. In der eben von Ihnen erwähnten Anfrage hat die Landesregierung am 24. Mai geantwortet, 10 % aller Schulen hätten einen erheblichen Verbesserungsbedarf. 10 % von insgesamt fast 1 000 inspizierten Schulen - das ist nicht wenig, und das ist kein kleiner Bruchteil.

(Hans-Werner Schwarz [FDP]: Das sind zehn Hundertstel! Das ist ein Bruchteil!)

- Wenn für Sie 10 % in Ordnung sind, also 100 Schulen unter dem Standard, dann finde ich das bezeichnend.

Sie sagen: Wir haben ein so vernetztes Unterstützungssystem wie noch nie. - Wo sind denn die Budgets? - An den Schulen ist noch nichts von den Budgets angekommen. Wo sind denn Ihre Haushaltsansätze dafür? - Bis jetzt ist kein einziger Euro dafür da. Wo sind denn die Schulpsychologen? Die haben Sie abgebaut und immer weiter abgebaut. Die sind in Ihrem Unterstützungssystem überhaupt nicht verortet.

(Widerspruch von der CDU)

Was ist denn mit der Verwaltungsreform? - Sie haben unglaublich viele Stellen abgebaut, aber die Aufgaben nicht vermindert. Was ist mit der Neuorganisation der Schulaufsicht? - Die haben Sie auf

die Zeit nach der Wahl verschoben, weil Sie sich heute nicht trauen, Standorte bekannt zu geben, die Sie schließen wollen. Alles Flickwerk und Stückwerk!

Wenn man bei den Schulen und bei den Leuten nachfragt, die in den Landesschulbehörden Auskunft dazu geben sollen, an wen sich eine Schule wenden soll, die unterstützt werden will, dann stößt man auf großes Achselzucken und Aussagen wie: Das wissen wir nicht. - Das ist Chaos! Das kann so nicht stehen bleiben. Deshalb ist dieser Antrag genau zielführend.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Herzlichen Dank. - Jetzt hat sich von der SPDFraktion Herr Kollege Meinhold zu Wort gemeldet.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Der von den Grünen eingebrachte Antrag weist auf die Notwendigkeit einer gelingenden Schulinspektion hin. Hierüber muss intensiv diskutiert werden, da die Fragen zur Verbesserung der Schul- und Unterrichtsqualität von zentraler Bedeutung sind. Das ist wohl für alle hier im Hause klar. Der Hinweis, dass den Schulen die Verantwortung für die Qualitätsentwicklung übertragen worden ist - das ist richtig im Rahmen der Eigenverantwortlichen Schule -, entlässt die Politik allerdings nicht aus ihrer zentralen Verantwortung für die Rahmenbedingungen bei der Umsetzung dieser Aufgabe, wenn sie denn gelingen soll.

(Reinhold Coenen [CDU]: Richtig!)

Die Schulinspektion wird bei ihrer Arbeit auf Faktoren stoßen, die nicht von der Schule und den Lehrerinnen und Lehrern beeinflusst werden, aber eine nicht unerhebliche Wirkung auf ihre Unterrichtspraxis ausüben werden. Als Beispiel will ich die Klassenfrequenz nennen; denn man muss darüber reden, ob das Produkt, nämlich Schule, das überprüft werden soll, möglicherweise bestimmte Systemfehler hat, die eine Schulinspektion auch dann nicht wegbekommt, wenn sie hundertmal in die Schulen geht.

(Karin Bertholdes-Sandrock [CDU]: Das ist doch ein ganz anderes The- ma!)

Die Klassenfrequenzen wurden zu Beginn der Amtszeit der jetzigen Regierung um zwei - für die Realschule, das Gymnasium und die Gesamtschule - erhöht. Für die Hauptschulen wurden sie um zwei gesenkt, was aber nur für knapp 10 % der Hauptschulen zutrifft.

(Joachim Albrecht [CDU]: Das trifft auf alle zu!)

- Nein, die anderen sind schon lange unter diesem Wert, Herr Kollege Albrecht. - Jetzt sieht die Situation so aus, dass manchmal nicht nur 32, sondern manchmal auch 33 oder 34 Schüler in einer Klasse sitzen. Konkret heißt dies: Wenn jeder Schüler pro Stunde eine Minute lang zu Wort kommt, sind zwei Drittel der Unterrichtsstunde vorbei. Wie soll da - das soll überprüft werden; deshalb machen wir Inspektionen - eine angemessene Förderung des Einzelnen stattfinden? Was soll die Schulinspektion außer „so und so“ denn dazu sagen? Ich meine nicht die Förderung unter dem Gesichtspunkt von Defiziten, sondern es muss dafür gesorgt werden, dass jeder Schüler angemessen am Unterrichtsgeschehen teilhaben kann.

Ich möchte hier aus einem Brief zitieren, den wir heute Morgen - vielleicht auch schon gestern wohl alle von der Landtagsverwaltung erhalten haben. Darin heißt es:

„Sehr geehrter Herr Busemann, ich schreibe diesen Brief als betroffener Vater von zwei schulpflichtigen Kindern, CDU-Mitglied und ehemaliger Kommunalpolitiker im Schulausschuss der Gemeinde Edewecht.

... Nach dem gestrigen Zeitungsartikel in der Nordwest-Zeitung habe ich nur noch Wut im Bauch. Sie werden dort mit den Worten ‚Busemann sprach von einem heilsamen Schock für die Schüler‘ zitiert.“

Das betrifft die Deutsch- und Mathearbeiten. In dem Brief wird auch auf den Punkt eingegangen - das hat mich sehr gewundert, aber der Brief ist ja auch sehr lang -, den ich eben genannt habe, und dort steht:

„Mein Sohn z. B. ist in der 5. Klasse auf dem Gymnasium in einer Klasse mit 34 (!) Schülern gestartet und wird seitdem mit Stoff nur so zugeschüttet. Sechs Kinder sind schon dabei auf

der Strecke geblieben, und weitere folgen mit Ablauf dieses Schuljahres. Nicht immer war der Grund die Nichtbeachtung der Schulempfehlung.“

Wenn es im Schulsystem einen solchen Strukturmangel gibt, kann die Schulinspektion machen, was sie will. Sie kann nur feststellen, dass sich die Kolleginnen und Kollegen nach Kräften bemühen. Wenn die Schulinspektion dazu beitragen soll, dass sich die Schule Stück für Stück entwickelt, dann muss die Politik zuvor solche Strukturmängel beseitigen. Das ist ihre zentrale Aufgabe. Nur dann kann die Schulinspektion auch über etwas anderes als Defizite schreiben. Einen solchen Strukturmangel kann auch eine noch so gute Schulinspektion nicht beseitigen.

Ich will ein weiteres Beispiel nennen, das zeigt, dass Strukturmängel etwas mit der Frage zu tun haben, ob die Schule einen qualitativ guten Unterricht gewährleisten kann. Wir alle, die wir regelmäßig an Abschlussfeiern in Schulen teilnehmen, freuen uns über die kulturellen Darbietungen. Ich kenne niemanden, der das nicht gut findet. Gerade deswegen müssen wir fragen, wie die musische und die kulturelle Bildung sowie der Sport im Unterricht berücksichtigt werden. Wir wissen, dass diese Bereiche immer hinten runterfallen, wenn es Probleme mit der Unterrichtsversorgung gibt. Das ist ein zentrales Problem. Wir müssen in diesem Bereich mehr tun. Wir alle wissen doch, dass der Musikunterricht bei der Entwicklung der Intelligenz - darüber gibt es Untersuchungen - eine zentrale Rolle spielt. Diejenigen, die musizieren, sind nachweislich intelligenter. Das ist im Zusammenhang mit der Unterrichtsgestaltung nicht unwichtig.

Die Landesregierung setzt aber auf die sogenannten Kopffächer, weil diese angeblich für das Lernen entscheidend sind. Man ist offensichtlich der Meinung, dass man nur einen Teil der Persönlichkeit der Schüler ansprechen muss, vergisst dabei aber, dass es darum geht, die Schüler ganzheitlich anzusprechen. Das wird - das muss die Landesregierung wissen - von der Schulinspektion zur Kenntnis genommen. Daran kann sie wenig ändern. Die Schulinspektion wird aufgrund dessen Probleme feststellen, die wir lieber nicht hätten. Die Schulinspektion sollte doch nicht in erster Linie Defizite aufspüren, sondern auch deutlich machen, an welchen Stellen etwas gelingt, wo man sich etwas abgucken kann und welche Dinge man vorantreiben könnte. Ich jedenfalls habe die Erwartung, dass die Schulinspektion das Positive her

vorhebt. Die Mitarbeiter der Schulinspektion sollten nicht nur nach Fehlern suchen und sich daran festbeißen. Das Gespräch, das wir von der SPD vor Kurzem mit Vertretern der Schulinspektion geführt haben, hat deutlich zutage gebracht, dass die Schulinspektion prozessorientiert arbeiten und nicht einzelne Punkte bewerten will. Es wäre sehr schön, wenn die Schulinspektion in den Schulen einen Unterricht erleben könnte, in dem die Kinder in angemessener Art und Weise gefördert werden.

Herr Minister, ich muss immer wieder feststellen, dass inhaltliche Fragen von Ihrem Haus und Ihnen viel zu wenig bearbeitet werden. Damit habe ich ein Problem. Ich habe nichts gegen die Maßnahmen, die Sie im Zusammenhang mit der Eigenverantwortliche Schule durchgeführt haben; das ist gar keine Frage. Diese Maßnahmen sind aber nicht mit qualitativen Elementen verbunden worden, und das kritisieren wir. Wir sind der Meinung, dass auf diesem Gebiet etwas anderes eingeleitet werden muss. Die SPD will, dass die Schülerinnen und Schüler endlich in den Mittelpunkt der Förderung gestellt werden. Uns reicht es langsam. Wir kriegen ständig mit, dass Ihnen die Förderung einzelner Schulformen wichtiger ist als die Förderung der einzelnen Schülerinnen und Schülern.

(Zustimmung bei der SPD - Joachim Albrecht [CDU]: Das stimmt doch gar nicht!)

Die Debatte von heute Morgen hat deutlich gemacht, dass Sie für den Erhalt der einzelnen Schulformen kämpfen, aber nicht für die Verbesserung der Unterrichtsbedingungen. Uns fehlt eine Aussage von Ihnen, die zeigt, dass Sie die Schülerinnen und Schüler in den Mittelpunkt stellen wollen.

(Zustimmung bei der SPD und bei den GRÜNEN - Joachim Albrecht [CDU]: Der Einzige, der die Schulformen be- kämpft, sind Sie!)

Wir wollen - ich sage das in aller Klarheit - nicht nur eine gemeinsame Beschulung in den Klassen 1 bis 4 der Grundschulen. Wenn sie dort gelingt, ist die Frage zu stellen, warum sie nicht auch in der weiterführenden Schule gelingen sollte.

(Ursula Körtner [CDU]: Jetzt fangen wir wieder bei Adam und Eva an!)

Dem Problem des vorzeitigen Trennens und Sortierens wird sich auch die Schulinspektion stellen

müssen. Die Schulinspektion muss nämlich feststellen, dass weiterhin 10 % der Schülerinnen und Schüler die Schule ohne Abschluss verlassen.

(Reinhold Coenen [CDU]: Das hat doch nichts mit der Schulinspektion zu tun!)

Die Ursachen dafür liegen im Umgang mit den Schülerinnen und Schülern. Es macht einen Unterschied aus, ob man sie ganzheitlich fördert oder nicht.