Protocol of the Session on April 25, 2007

(Bernd Althusmann [CDU]: Die beiden sind doch in derselben Fraktion!)

- Richtig, das tut mir leid. - Frau Janssen-Kucz, Sie müssen schnell die Fraktion wechseln, dann können Sie sich vielleicht zu einer Kurzintervention melden.

(Zuruf von der CDU: Ja, komme zu uns!)

Der nächste Redner ist dann Herr Schwarz von der SPD-Fraktion. Bitte schön!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Der heute von der Fraktion der Grünen vorgelegte Gesetzentwurf findet weitgehend unsere Zustimmung. Ich kann den Ministerpräsidenten, der eine Initiative von der SPD-Fraktion vermisst, beruhigen: Herr Ministerpräsident - das ist vielleicht bei der Arbeitsbelastung untergegangen -, wir haben im September 2006 einen sehr umfassenden Entschließungsantrag zu diesem Thema eingebracht.

(Wolfgang Jüttner [SPD]: Er liest nicht!)

Aber die Beratung dieses Antrags im Ausschuss wird leider von den Mehrheitsfraktionen blockiert.

(Beifall bei der SPD - Wolfgang Jütt- ner [SPD]: Hört, hört!)

Aber das hat nichts daran geändert, dass diese Regierung bei diesem Thema zwischenzeitlich zum Jagen getragen wurde, und das ist auch gut so, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD)

Ich finde es bemerkenswert, dass der Gesetzentwurf der Landesregierung heute hier nicht vorliegt.

(Jörg Bode [FDP]: Doch!)

Nach dem durch den Ministerpräsidenten selbst verursachten Chaos hat die Regierung es gestern vorgezogen, den Gesetzentwurf direkt, am Plenum vorbei, in den Landtag einzubringen.

(David McAllister [CDU]: Damit es schneller geht!)

Die Staatskanzlei begründet das so, wie Sie es sagen: damit es schneller geht und das Gesetz spätestens im August in Kraft treten kann.

(Bernd Althusmann [CDU]: Die Frist war letzte Woche!)

Dabei verkennen Sie allerdings - oder es ist Ihnen vielleicht auch nicht bekannt -, dass der Sozialausschuss seine Beratungen erst in der zweiten Maihälfte aufnehmen wird. Insofern ist es mehr als peinlich, welche Begründung Sie hier vortragen. Sie wollten sich vor der Debatte drücken, meine Damen und Herren. Das kann ich auch verstehen.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Eines kommt noch dazu: Schon in der vergangenen Woche haben die Koalitionsfraktionen in vorauseilendem Gehorsam, nämlich noch bevor der überarbeitete Gesetzentwurf gestern im Kabinett beschlossen wurde - und im Parlament konnte ihn ja eigentlich noch niemand kennen -, entschieden, dass auf keinen Fall eine öffentliche Anhörung stattfinden soll.

(David McAllister [CDU]: Es hat eine Verbandsbeteiligung gegeben!)

- Mir ist das klar, Herr McAllister. Sie müssen bei diesem Thema ein unglaubliches Fracksausen haben, da Sie die Öffentlichkeit offensichtlich scheuen.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Klar ist, dass das, was der Ministerpräsident der staunenden Öffentlichkeit geboten hat, zwar nicht sein erster Geniestreich der letzten Monate war, aber, wie ich finde, sein bisher nachhaltigster Ausraster.

Herr Ministerpräsident, wenn Sie sagen, dass zehn Jahre lang nichts passiert ist, dann kann ich nur entgegnen: Damit haben Sie recht. Aber das ist gar nicht das Thema. Denn nach den Ereignissen am 23. Februar unter dem Vorsitz Niedersachsens - und wenn ich richtig unterrichtet bin, unter der fast pausenlosen Beteiligung Ihrer Person an der Beratung - waren es ausgerechnet Sie und Ihr Stellvertreter Hirche, die als Erste der eigenen Sozialministerin in den Rücken fielen und sich zum Büttel der Tabaklobby machten.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Die HAZ schrieb am 4. April 2007 ja nicht zu Unrecht:

„Wulff tanzt bundesweit aus der Reihe, ohne klar sagen zu können, warum eigentlich... Mit Mut zu klaren Lösungen hätte sich der Ministerpräsident als Vorkämpfer für den Nichtraucherschutz in Szene setzen können. Er tat das Gegenteil...“

Und an anderer Stelle:

„Der Schaden für Wulffs Image hingegen dürfte bleiben.“

Dass sich der Ministerpräsident einen Imageschaden zugefügt hat, meine Damen und Herren, ist sein Problem. Aber er hat gleichzeitig der Sache und unserem Land erheblichen Schaden zugefügt. Das ist verantwortungslos.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Für mich war klar, dass Minister Hirche bei so viel Aufmerksamkeit für Herrn Wulff auch ins Rampenlicht wollte. Also erklärte er forsch, ein Verbot in Kneipen und Cafés werde in Niedersachsen auf keinen Fall kommen, sein Haus setze auf die Selbstverpflichtung der Gaststätten.

Meine Damen und Herren, wer Wirten vorschreibt, wie groß ihre Toiletten sein müssen oder aus welchem Material der Küchenboden bestehen darf, macht sich völlig unglaubwürdig, wenn er in der wichtigen Frage des Nichtraucherschutzes für Freiwilligkeit plädiert. Dafür kann es nur zwei Gründe geben: entweder Drückebergerei oder Klientelpolitik.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Die Faktenlage ist ziemlich klar, wie meine Kollegin Meta Janssen-Kucz das noch einmal deutlich gemacht hat. Wir alle wissen: 140 000 Menschen sterben jährlich an den Folgen des Rauchens. 3 300 Todesfälle gibt es durch Passivrauchen. Lungenkrebs ist mit 40 000 Neuerkrankungen jährlich eine der häufigsten Todesursachen. All das sind keine Bagatellen.

Angesichts dieser Kenntnisse finde ich es auch zutreffend, was die Neue Presse am 28. März 2007 geschrieben hat:

„Dennoch fällt auf, dass es die Niedersachsen gesundheitspolitisch ganz besonders vergurkt haben in der Raucher-Republik Deutschland. Und irgendwie stinkt es danach, als sei das kein Zufall, sondern Wahlkampf.“

Genau aus diesem Grund versuchte doch der Ministerpräsident, alle Lobbyisten gleichzeitig zu bedienen. Dabei hat er sich nur gründlich verrechnet. Die Menschen sind bei diesem Thema viel weiter als die Regierung selbst.

(Zustimmung bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Sogar die betroffenen Gastwirte wollten sich vom Ministerpräsidenten nicht den Schwarzen Peter zuschieben lassen. Mit Ausnahme der Tabakindustrie ist wohl jedem klar geworden, dass die Debatte so nicht weitergehen kann, wobei die Tabakindustrie mit hochinteressanten neuen Argumenten überrascht. Ich will zwei nennen: Raucher werden sich vor den Gaststätten einrichten. Der gesellschaftliche Frieden in vielen Gemeinden wird dadurch möglicherweise erheblich gestört. - Oder - ich habe die Briefe hier -: Die vermutlichen 3 300 Toten durch Passivrauchen sind zu 65 % älter als 75 Jahre und damit unstrittig dicht an der statistisch ermittelten Normalsterblichkeit.

Meine Damen und Herren, hätte sich Herr Wulff durchgesetzt, wäre aus dem bundesweiten Nichtraucherschutz in Niedersachsen das glatte Gegenteil geworden: ein Bestandsschutz für Raucher. Der vom politischen Instinkt verlassene Ministerpräsident wurde von seiner Fraktion massiv zurückgepfiffen. Aus dem „R“ für Gaststätten wurde das Doppel-„R“ der Regierung: die Rolle rückwärts.

(Ulf Thiele [CDU]: Ha, ha, ha!)

Die Begründung von Herrn Wulff lautete, die öffentliche Diskussion hätte die Regierung umgestimmt. - Das allerdings, meine Damen und Herren, wäre das erste Mal. Ich erinnere nur an das Durchpeitschen der Kürzung des Blindengeldes oder des Verkaufs der Landeskrankenhäuser. Das Einzige, was Herrn Wulff wirklich umgestimmt hat, ist der nächste Wahltermin. Das kommt davon, wenn man in allen Töpfen zur gleichen Zeit rühren will: Dann kocht schon einmal etwas über, und man verbrennt sich leicht die Finger.

(Beifall bei der SPD)

Besonders interessant finde ich allerdings das Hauptargument des Ministerpräsidenten, das er in der Pressekonferenz geäußert hat: Die SPD lässt nichts aus für den Wahlkampf.

(Zuruf von der CDU: So ist es!)

Meine Damen und Herren, dass Herr Wulff unsere Vorschläge und Ideen in den letzten Wochen so gut findet, dass er sie fast alle ungeprüft übernimmt - siehe beitragsfreies Kindergartenjahr oder Kinderrechte in der Verfassung -,

(Lachen bei der CDU und bei der FDP - Hans-Werner Schwarz [FDP]: Das ist peinlich!)

ist für die Opposition schon eine Auszeichnung an sich. Aber dass wir nun sogar der Auslöser dafür sind, dass der Ministerpräsident von seinem Irrweg auf den richtigen Weg zurückfindet, ist für uns - darin können Sie sicher sein - Ansporn und Ermutigung zugleich.

(Beifall bei der SPD - Bernd Althus- mann [CDU]: Oje! Wie gut, dass es die SPD gibt!)

In dem Zusammenhang stellt sich nur die Frage, warum die Menschen Sie eigentlich wählen sollten, Herr Wulff. Wenn die Regierung für das eigene Handeln zunehmend auf die Vorschläge der Opposition zurückgreifen muss, wäre es sinnvoller, gleich das Original zu wählen.