Protocol of the Session on March 7, 2007

Insgesamt 15 Kliniken in Niedersachsen machen die Organspenden im Wesentlichen möglich. Es handelt sich jeweils um Kliniken, die über eine neurochirurgische Abteilung und über Krankenhausstrukturen verfügen, die es überhaupt erst möglich machen, Organspenden zu realisieren.

Statt ein Gesetz zu schaffen, das bei kritischer Betrachtung, auch im Ländervergleich, keine große Auswirkung haben wird, wollen wir in Niedersachsen einen anderen Weg gehen: Mindestens zwölf Kliniken starten ab 1. April 2007 ein Modellprojekt, mit dem das Organspendepotenzial in Niedersachsen verbessert werden soll und in dem die derzeitige Situation in den Krankenhäusern hinsichtlich des Umgangs mit potenziellen Organspendern untersucht wird. Wir wollen, dass diese Krankenhäuser voneinander lernen und ein Netz aufbauen. Wir wollen, dass die Kommunikation mit dem Patienten weiter verbessert wird.

In diesem Zusammenhang habe ich Ihnen etwas mitgebracht. Frau Weddige-Degenhard, Sie sprachen von Faltblättern. Kennen Sie dieses?

(Die Rednerin zeigt ein Faltblatt)

Es ist wirklich lohnenswert, darin zu lesen. Ich habe einen ganzen Packen für Sie alle mitgebracht. Ich kann das nachher gerne verteilen. Schauen Sie einfach einmal hinein. In diesem Faltblatt werden interessante Antworten auf die wichtigsten Fragen im Zusammenhang mit der Organspende gegeben. Ganz hinten - das ist ganz interessant - kann man einen Organspendeausweis ausfüllen. Man kann beispielsweise ankreuzen, ob man einer Organentnahme zustimmt oder welche Einschränkungen gelten sollen. Ein solcher Ausweis ist sehr wichtig. Ich werbe dafür. Das Sozialministerium hat das Faltblatt herausgegeben. Das ist wirklich sehr lohnend. Ich verteile das, wie gesagt, nachher.

(Beifall bei der CDU und Zustimmung von Silva Seeler [SPD])

Wie sagte ein Mediziner in der Anhörung?

„Es sind immer Menschen, die an Prozessen beteiligt sind. Wenn diese Menschen eine innere Überzeugung haben, dann klappt das Ganze.“

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat jetzt der Kollege Briese das Wort.

(Zuruf: Na los, nun mach!)

Wo bleiben die Werte wie Ordnung, Disziplin und Höflichkeit, lieber Kollege? - Nicht unflätig werden, auch wenn es später wird.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Organtransplantation gehört sicherlich zu einem der faszinierendsten Gebiete in der Medizin. Für viele Patienten ist sie - gottlob! ein großer Segen. Das stellt niemand infrage. Sie stellt uns aber vor große ethische Herausforderungen; denn mit der Transplantationsmedizin beispielsweise haben wir eine neue Todesdefinition bekommen. Das alte Herz-Kreislauf-Todeskriterium wurde umdefiniert. Heute gibt es das Hirntodkriterium. Das führt immer wieder zu Debatten, nämlich zu der Frage, ob ein Mensch mit Hirntod endgültig tot ist oder ob es ein Mensch im Sterbeprozess ist. Meine sehr verehrten Damen und Herren, die Organtransplantation wirft also immer sehr große ethische Fragen auf.

Durch die oftmals segensreiche Transplantationsmedizin wurde, wie ich finde, der kritische Effekt des weltweiten Organhandels erst ermöglicht. Es gibt das traurige Phänomen, dass sehr viele Menschen aus den reichen Staaten in die Dritte Welt reisen und sich dort zu zum Teil sehr fragwürdigen Bedingungen Organe kaufen. Ich möchte das gar nicht groß ausweiten. Aber das sind Effekte, die man immer mit betrachten muss, wenn man über die Transplantationsmedizin redet.

Das ganze Feld der Hochleistungsmedizin ist einerseits zwar sehr faszinierend, andererseits unter ethischen und auch unter rechtlichen Gesichtspunkten aber auf jeden Fall eine große Herausforderung. Jedenfalls muss derjenige, der sich intensiver mit der Transplantationsmedizin beschäftigt, diese externen Effekte auf jeden Fall beachten.

Jetzt zu dem Antrag der SPD-Fraktion. Es ist schon etwas verwunderlich, wie die Landesregierung mit den Themen der Medizinethik umgeht.

(Zustimmung von Ina Korter [GRÜ- NE])

Die CDU-Fraktion hat einen Antrag zur Patientenverfügung eingebracht. Es gab eine Anhörung zu diesem Thema und einen Änderungsantrag. Jetzt harren wir der Dinge. Nichts passiert. Dann liegt dieser Antrag zum Transplantationsgesetz vor. Man kann ja aus guten Gründen dafür sein. Man kann auch dagegen sein. Aber, meine sehr ver

ehrten Damen und Herren, das zu beschließen und es dann doch nicht durchzuführen, finde ich auf jeden Fall sehr fragwürdig.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Herr Kollege Briese, Ihre Fraktion hat diesem Thema zwei Minuten Redezeit zugeordnet. Die sind überschritten. Bitte kommen Sie jetzt zum Ende!

Ich komme zum letzten Satz, Frau Präsidentin. Ich finde schon, dass wir das mit einem Ausführungsgesetz probieren sollten. Grundlage muss sein, dass der Patient sehr gut über die Transplantationsmedizin informiert ist, dass es auf freiwilliger Basis geschieht. Einer Widerspruchslösung, Frau Weddige-Degenhard, würde ich nicht zustimmen wollen; denn die Zustimmungslösung ist die bessere Regelung. Aber was die Exekutive hier mit dem Landtag veranstaltet, ist nicht nachvollziehbar. Wir sollten es zumindest ausprobieren. - Herzlichen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Für die FDP-Fraktion hat jetzt Frau Kollegin Meißner das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Das Problem in der Politik ist manchmal, dass man das Ziel aus den Augen verliert. Ich glaube, das ist auch in diesem Fall bei der Opposition so. Es geht doch nicht darum, ob irgendwann einmal ein Beschluss gefasst wurde, ein Ausführungsgesetz zu machen oder nicht, sondern es geht darum, wie man am besten zum Ziel kommen kann. Das scheint jetzt fast vergessen worden zu sein.

Lieber Kollege Briese, Sie sagten gerade, es gehe so nicht, dass man zunächst einen Beschluss für ein Gesetz fasst, aber dann keines macht. Das jedoch ist nicht der Kern der Frage. Kern der Frage ist, wie wir die Spendenbereitschaft in Niedersachsen erhöhen können. Das ist das Entscheidende.

Man muss feststellen: Wir haben in Deutschland seit zehn Jahren ein Transplantationsgesetz. In

diesen zehn Jahren hat sich jedoch leider nicht sehr viel getan. Es gibt Bundesländer, die kein Ausführungsgesetz, aber trotzdem sehr gute Ergebnisse, eine sehr hohe Bereitschaft zur Organspende haben. Das sind z. B. die Stadtstaaten Hamburg, Bremen und Berlin. Es gibt andere Bundesländer, die ein Gesetz haben - beispielsweise Hessen -, die aber auch nicht viel besser als Niedersachsen dastehen. Daher müssen wir meiner Meinung nach darüber nachdenken, wie wir das hinbekommen können.

(Unruhe - Glocke der Präsidentin)

In der Anhörung - darauf ist schon hingewiesen worden - waren nur zwei Verbände der Meinung, ein Ausführungsgesetz hilft weiter. Alle anderen haben gesagt, ein Gesetz hilft nicht weiter. Einig waren sich aber alle darin, dass entscheidend die Öffentlichkeitsarbeit ist. In der Anhörung ist z. B. darauf hingewiesen worden, dass in Niedersachsen nur 11 von 1 Million Einwohnern bereit sind, ein Organ zu spenden. Nur 12 % haben einen Organspendeausweis. In Spanien sind es 30. In Madison in Wisconsin - ganz speziell in dieser Stadt - sind es sogar 40. Zwar haben die Stadtstaaten wegen der strukturellen Dichte einen Vorsprung. Aber Wisconsin ist genauso ein Flächenland wie Niedersachsen. In der Anhörung ist auch festgestellt worden, dass das Potenzial in Niedersachsen genauso hoch wäre, dass man es nur heben muss. Insofern liegt die Frage genau darin, ob man dieses Potenzial durch ein Ausführungsgesetz oder auf andere Weise heben kann.

Wir haben in der Anhörung hinterfragt, wie es zu dieser guten Situation in Wisconsin kommt. Es ist klar geworden, dass das speziell an einem sehr engagierten - übrigens deutschen; aber es spielt keine Rolle, ob er deutsch ist oder nicht - Arzt liegt, nämlich Hans Sollinger, der Experte auf diesem Gebiet ist. Er hat durch seinen persönlichen Einsatz eine beispiellose Öffentlichkeitsarbeit gestartet, die dazu geführt hat, dass die Menschen eben nicht unsicher waren, dass sie aufgeklärt waren und dass sie zu einer Organspende und dazu bereit waren, einen Ausweis auszufüllen. Dadurch kam diese hohe Quote zustande. Das kann man überall schaffen. Ich sage aber noch einmal: Das ist nicht von einem Ausführungsgesetz abhängig.

Wir haben immer gesagt: Wir wollen nicht Gesetze machen, wenn es nicht nötig ist. Auch wir haben zuerst angenommen, es wäre der richtige Weg, ein Ausführungsgesetz zu machen, in dem festge

schrieben ist, was ein Transplantationsbeauftragter darf, was er nicht darf und wo er überall sein muss. Bei der Anhörung wurde dann klar, dass es diese Beauftragten ja schon gibt und dass viele sagen, es wäre gar nicht gut, wenn man zu stark gesetzlich vorschreibt, was sie tatsächlich in der Klinik machen sollen, und dass es auch nicht für alle Krankenhäuser erforderlich wäre, über einen solchen Transplantationsbeauftragten zu verfügen. Erforderlich wäre das vor allem dort, wo Transplantationen vorgenommen werden, nämlich in den großen Kliniken. Dort funktioniert vieles aber schon von alleine.

Ich sage Ihnen noch eines: Man hat festgestellt - das ist vorhin schon gesagt worden -, dass es in Bezug auf Spenden von Nieren und Lebern sehr lange Wartezeiten gibt. In der Zeit sterben die Patienten zum Teil. Bei Nieren beträgt die Wartezeit fünf Jahre. Man kann auch Lebendspenden verwenden. Das ist natürlich noch diffiziler, als wenn man von einem Toten eine Spende bekommt. Das Problem ist, dass die Menschen nicht wissen, was passiert. Wenn jemand gestorben ist, sind die Angehörigen häufig unsicher, ob ihr Angehöriger es gewollt hätte, dass ein Organ entnommen wird. Aufgrund dieser Unsicherheit und dieses Nichtwissens haben wir diese niedrige Rate.

Daher sage ich noch einmal: Was wir brauchen, ist eine Kampagne. In Hessen macht man das gerade. Bei uns gibt es ein Modellprojekt, im Rahmen dessen wir versuchen, erst einmal Bedarf und Zahlen zu ermitteln. Eine Kampagne könnte so aussehen, dass wir auch Prominente gewinnen und dass auch wir selber - ähnlich wie Frau Prüssner - Flyer verteilen, damit die Bevölkerung aufgeklärt ist. Also: Kein Ausführungsgesetz, sondern Öffentlichkeitsarbeit durch uns alle! Das ist die Lösung.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Für die Landesregierung hat jetzt Frau Ministerin Ross-Luttmann das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir wollen Wege finden, um die Zahl derjenigen Personen kontinuierlich zu erhöhen, die bereit sind, nach ihrem Tod Organe zu spenden

und damit den Schwerkranken, die auf der Warteliste der Transplantationszentren stehen und auf ein lebensrettendes Organ warten, zu helfen. Durch Organtransplantationen können Lebensqualität und Lebensdauer verbessert werden. Hierfür setze ich mich ein.

Sicherlich gibt es hinsichtlich des zu beschreitenden Weges unterschiedliche Möglichkeiten. Aber, meine Damen und Herren, wir sollten den Weg gehen, der die Organspendebereitschaft tatsächlich erhöht und dafür sorgt, dass Menschen gerettet werden.

Die SPD-Fraktion fordert in ihrem Antrag aus dem Juni 2005 die Vorlage eines Ausführungsgesetzes zum Transplantationsgesetz des Bundes. In diesem Gesetz sollen die Kliniken u. a. rechtlich verpflichtet werden, Transplantationsbeauftragte einzusetzen. Es stellt sich aber durchaus berechtigt die Frage, ob ein Gesetz wirklich etwas ändert. Ich habe Zweifel, ob die Einsetzung von Transplantationsbeauftragten von entscheidender Bedeutung für die Verbesserung der Bereitschaft zur Organspende ist.

Ich möchte an dieser Stelle auf einige Länder hinweisen, exemplarisch zunächst einmal auf Bayern. Obwohl Bayern seit vielen Jahren ein Ausführungsgesetz hat, schwankten die Zahlen dort in den vergangenen Jahren genauso wie in den anderen Ländern auch. Konnte Bayern im Jahre 2005 noch 18,1 Spender pro 1 Million Einwohner vorweisen, waren es 2006 nur noch 14,7 Spender pro 1 Million Einwohner. Das heißt, hier ist trotz eines Gesetzes ein deutlicher Rückgang zu verzeichnen.

Ähnlich verhält es sich in Rheinland-Pfalz wie auch in Sachsen. In beiden Ländern ist die Zahl der Spender trotz Gesetz zurückgegangen. Es gibt Länder ohne Ausführungsgesetz, in denen genau ein gegenteiliger Effekt eingetreten ist. Beispielsweise in Schleswig-Holstein ist die Zahl der Spender ohne ein Ausführungsgesetz von 11,3 auf 16,6 gestiegen. Ich denke, meine sehr geehrten Damen und Herren, wir sollten den Weg gehen, der tatsächlich dazu beiträgt, die Spendenbereitschaft der Menschen zu erhöhen.

(Beifall bei der CDU - Unruhe - Glocke der Präsidentin)

Die Expertenanhörung, die im Sozialausschuss im letzten Jahr durchgeführt worden ist - hierauf sind die Kollegin Meißner und die Kollegin Prüssner

eingegangen -, hat sehr deutlich gezeigt, wer sich - und zwar mit gutem Grund - gegen einen Transplantationsbeauftragten ausgesprochen hat. Ich glaube, es geht in erster Linie um das zu erreichende Ziel. Dieses Ziel heißt: Leben retten durch einen weiteren Anstieg der Zahl der Organspender.

(Beifall bei der CDU)

Ich möchte den Weg skizzieren, den Niedersachsen beschreiten wird: In erster Linie werden wir verstärkt Öffentlichkeitsarbeit betreiben. Die Menschen in unserem Land sollen aufgefordert werden, sich mehr mit dem Thema der Organspende zu befassen, und das, liebe Kollegin WeddigeDegenhard, nicht nur am Tag der Organspende, der im Übrigen nicht in den nächsten Wochen, sondern am ersten Samstag im Juni dieses Jahres ist. Ich möchte erreichen, dass sie sich bereits zu Lebzeiten entscheiden und einen Organspenderausweis ausfüllen, damit nach ihrem Tod nicht die Angehörigen - auch sie muss man bei dieser Frage im Blick haben - in die schwierige Situation der Entscheidung geraten.

Wir werden im September dieses Jahr in Hannover die Preisverleihung für Krankenhäuser der Region Nord vornehmen, die sich auf dem Gebiet der Organspende besonders verdient gemacht haben.

(Beifall bei der CDU)